Da hat die „einzige
Demokratie im Nahen Osten“ nun ein absurdes Schauspiel
aufgeführt: Eine pompöse Wahl á la USA, die nur einen
Fehler hatte: Es fehlte die wirkliche Opposition mit
einem wirklich alternativen Programm zur
Regierungspolitik. Aber wie sollte es so etwas auch
geben, wenn alle Parteien zionistisch sind, sich also
kaum voneinander unterscheiden, die 20 Prozent
Palästinenser im Land schon vorher resigniert haben,
weil sie in der Politik ohnehin keine Rolle spielen? Der
Wahlsieger Netanjahu stand so gut wie sicher schon
vorher fest. Und selbst wenn der Herausforderer gewonnen
hätte, was würde sich ändern? General Glantz hat nun
eine harte Opposition angekündigt – unter Zionisten
versteht sich.
Oberflächlich betrachtet scheint alles in Ordnung zu
sein in dieser „einzigen Demokratie im Nahen Osten“. Es
haben Wahlen stattgefunden, die Wirtschaft boomt, das
Land hat die stärkste Armee des Nahen und Mittleren
Ostens (einschließlich Atombomben), die USA und Europa
stehen unerschütterlich hinter ihrem Verbündeten. Ein
wirkliches Sicherheitsproblem gibt es nicht. Nur: Unter
der Oberfläche brodelt es gefährlich, das Bild vom
Vulkan, der jederzeit explodieren kann, ist nicht völlig
falsch. Denn das ganze zionistische System wird nur mit
Gewalt zusammengehalten, im zionistischen
Herrschaftsbereich hinter Stacheldraht und Mauern (im
Westjordanland und Gazastreifen) müssen 4,5 Millionen
Menschen leben, die keine politischen und bürgerlichen
Rechte haben, und die Palästinenser im israelischen
Kernland sind laut Nationalstaatsgesetz Bürger zweiter
Klasse. Wo gibt es solche Zustände noch in der
zivilisierten Welt?
Und dieser Skandal der Diskriminierung und Unterdrückung
von Millionen Menschen spielte im Wahlkampf überhaupt
keine Rolle, war keine Erwähnung wert. Nicht eine Partei
hielt es für nötig, eine Lösung für dieses dringendste
Problem des Staates anzubieten. Dass das politische
Establishment mit dem durch Gewalt aufrechterhaltenen
System – also mit dem Status quo – gut leben kann,
versteht sich von selbst. Aber was ist mit den Wählern?
Wie ist es zu verstehen, dass sie einem Regierungschef
und seiner Parteienkonstellation wieder den
Regierungsauftrag erteilen, die sie in eine ausweglose
politische Sackgasse, ja in die größte Existenzkrise des
Staates gebracht haben? Haben sie jeden Blick für die
Realität verloren?
Denn wie soll es weitergehen? Die Zweistaatenlösung ist
durch die israelische Verweigerungspolitik vom Tisch,
alles läuft fast automatisch auf die Ein-Saatenlösung
hinaus, die Israel auch nicht will, die aber kommen
wird, weil sie die logische Folge der Expansionspolitik
ist. Und dann werden die Palästinenser gleiche Rechte
verlangen, die man ihnen nicht verweigern kann. Das wäre
aber das Ende des zionistischen Staates. Die Alternative
wäre nur eine – international geächtete –
Apartheiddiktatur.
Dieser ganze Komplex hätte das herausragende Thema des
Wahlkampfes sein müssen, wenn der Name Demokratie denn
berechtigt sein und irgendeinen Sinn haben sollte. Denn
hier geht es um die Zukunft des Landes, aber bei den
Wahlen spielten die Themen Besatzung und Zukunft gar
keine Rolle. Die israelischen Wähler leben offenbar
mehrheitlich in einer Scheinwelt, weil sie allein auf
eine Sicherheit bauen, die ihre Regierenden ihnen
vorgaukeln, die es aber – weil sie einzig und allein auf
militärischer Gewalt beruhend – gar nicht gibt. Das kann
nicht gut gehen, und wird sich irgendwann rächen. Die
Zeit arbeitet gegen Israels Politik. Dem Land stehen
unruhige Zeiten bevor. 11.4.2019 |