Wenn
ein Bischof die Wahrheit über
Israel ausspricht, spulen Politiker, Kirchenleute und
Journalisten gleich ihre Antisemitismus-Vorwurfs-Litanei
ab - 7.08.2019 -
Arn Strohmeyer
Da redet ein deutscher protestantischer Bischof Tacheles
in Sachen Israel – und Journalisten Politiker und die
Spitzenvertreter der Kirche fallen gleich rudelweise
über ihn her und stellen ihn in die antizionistische
bzw. antisemitische Ecke. Man muss ihre Vorwürfe hier
gar nicht wiederholen, es sind immer dieselben, sie
werden routinemäßig wie eine Litanei abgespult, wenn es
jemand wagt, Israels Politik gegenüber den
Palästinensern oder Deutschlands Politik gegenüber dem
zionistischen Staat zu kritisieren. Schon lange und erst
recht nach dem BDS-Beschluss des Bundestages ist Artikel
5 des Grundgesetztes (Meinungs- und
Informationsfreiheit) so gut wie außer Kraft gesetzt.
Was war geschehen? Der Bischof im Sprengel Mecklenburg
und Pommern der Evangelisch-Lutherischen Kirche
Hans-Jürgen Abromeit hat ein paar Wahrheiten
ausgesprochen, die in Deutschland eben auf dem Index
stehen: Die Deutschen betrieben aus dem
Schuldbewusstsein des Holocaust heraus eine
„Überidentifikation“ mit dem Staat Israel. Es würde ganz
bewusst – besonders von der Kirche – nicht zwischen dem
biblischen und dem heutigen Staat Israel unterschieden.
Die Sicherheit Israels werde zur deutschen Staatsräson
erklärt, die berechtigten Interessen der Palästinenser
(auch ihre Sicherheit) spielten dabei aber keine Rolle.
Der Bischof fügt noch eine berechtigte Kritik am
Zionismus hinzu, der in ein „leeres“ Land eingedrungen
sei, in dem eine arabische Mehrheit lebte, dort durch
Einwanderung [und Vertreibung, muss man hinzufügen] eine
neue Bevölkerungsmehrheit geschaffen hat und nun dort
einen Besatzungsstaat aufrechterhält, der Frieden
unmöglich macht.
Für Kenner der Geschichte des Zionismus, Israels und des
deutsch-israelischen Verhältnisses sind das keine
sensationellen Neuigkeiten, offenbar aber für deutsche
Politiker, Medienleute und Kirchenvertreter. Mit anderen
Worten lässt sich Abromeits Aussage so interpretieren:
Die deutsche Politik hat sich ein ideales
Israel-Wunschbild geschaffen (psychologisch gesehen eine
Projektion), an dem man unbedingt festhält, ja
festhalten muss. Die furchtbaren Verbrechen der Nazis
verlangen nach Sühne und psychischer Entlastung. Man
hofft die Erlösung dadurch zu erlangen, indem man zum
Philosemitismus übergewechselt ist und sich vollständig
mit dem Staat Israel und seiner Politik (also mit dem
zionistischen Projekt) identifiziert – also auf
diese Weise Sühne für den Holocaust leisten will.
Eine solche Haltung hat aber ihren Preis: Die deutsche
Politik schweigt vollständig zu den Verbrechen, die
Israel an den Palästinensern begangen hat und begeht,
sieht man von einer leisen und folgenlosen Kritik an der
Siedlungspolitik ab. Man muss dem aber entgegenhalten:
Wenn der von Deutschen begangene Holocaust wesentlich
zur (gewaltsamen) Entstehung des Staates Israel auf dem
Boden Palästinas beigetragen hat, dann folgt daraus,
dass Deutschland auch eine historische Verantwortung für
die Palästinenser hat, die es wegen seiner einseitigen
Fixierung auf Israel aber gar nicht wahrnimmt.
Man bewegt sich also in einer Wunschwelt, die
wesentliche Elemente der Realität ausblendet. Diese
Nicht-Wahrnehmung der Realität der israelischen Politik
betrifft auch die immer wieder beschworene
„Wertegemeinschaft“ zwischen beiden Staaten. Wie kann es
gemeinsame Werte zwischen dem Staat des deutschen
Grundgesetzes und dem brutalen Besatzungsstaat Israel
geben, dessen zionistische Staatsideologie ganz offen
deutlich macht, dass sie mit Menschenrechten und
Völkerrecht nichts zu tun hat, sondern ihre eigenen
Gesetze besitzt (so die frühere und wohl auch künftige
israelische Justizministerin Ajelet Shaked).
Die so viel gepriesene deutsch-israelische Solidarität
stellt sich in Wirklichkeit als ein großes Dilemma
heraus. Denn die deutsche Politik hat sich zum engsten
Verbündeten des nicht nur anachronistischen, sondern
auch verbrecherischen israelischen Siedlerkolonialismus
gemacht, denn Deutschland sichert mit seiner
Unterstützung dieses Staates politisch, wirtschaftlich
und militärisch dessen völker- und menschenrechtlich
illegale Herrschaft über das palästinensische Volk ab.
Um sich der deutschen Schuld am Holocaust zu entledigen,
lädt man so ohne Skrupel neue Schuld auf sich.
Bischof Abromeit hat so nicht nur gegen die Dogmen der
deutschen Israel-Politik verstoßen, sondern auch gegen
eine der wichtigsten Dogmen seiner Kirche: die
Nach-Auschwitz-Theologie. Diese sucht auf Grund der
Schuld, die sie mit ihrem Mitläufertum in Hitlers
„Drittem Reich“ auf sich geladen hat, durch den Dialog
mit den Juden die größtmögliche Nähe zwischen einem neu
konzipierten Christentum und dem Judentum herzustellen.
Sie hält an der Auffassung fest, dass Gott einen Bund
mit dem auserwählten jüdischen Volk geschlossen hat und
dass dieser Bund heute noch gültig ist und fortbesteht.
Das heutige Israel ist in dieser Sicht die Fortsetzung
des jüdischen Staates des Alten Testaments, die Israelis
sind die „Kinder Gottes“.
Was heißt: Die Nach-Auschwitz-Theologie unterscheidet
nicht zwischen dem Israel des Alten Testaments und dem
heutigen säkularen Staat Israel. Verdrängt werden so die
massenhaften jüdisch-israelischen
Menschenrechtsverbrechen an den Palästinensern. Dass
diese auch ein Recht auf Gerechtigkeit, Menschenwürde
und Selbstbestimmung haben, sieht die
Nach-Auschwitz-Theologie nicht vor. Ja, sie rechtfertigt
sogar die jüdische Landnahme in Palästina, weil sie ja
von Gott abgesegnet sei.
Dagegen hatte schon der Amerikaner Mark Bravermann in
seinem Buch Verhängnisvolle Scham. Israels Politik und
das Schweigen der Christen Protest erhoben. Seine
Anklage gipfelte in der Forderung: „Die Aufgabe, die
sich die Glaubensgemeinschaften heute gegenüberstehen,
ist es nicht, einen christlich-jüdischen Dialog um ihrer
selbst willen zu führen oder eine Versöhnung im Hinblick
auf vergangene Sünden und Tragödien zu erreichen.
Vielmehr ist gewissenhaft und bewusst das Augenmerk
darauf zu richten, die Grundursache für den
israelisch-palästinensischen Konflikt zu beseitigen: die
Vertreibung der Palästinenser und die Etablierung von
Apartheidstrukturen der Diskriminierung. Wir stehen vor
einer prophetischen Herausforderung, die uns vereinigen
muss – dabei ist es ohne Bedeutung, ob wir Christen,
Juden, Muslime, Amerikaner, Deutsche, Südafrikaner oder
Israelis sind.“
Der deutsche Theologe Peter Bingel argumentierte ganz
ähnlich: „Im Anblick des Staates Israel, wie er sich
inzwischen entwickelt hat, und angesichts des
menschenverachtenden Nationalismus müssen alle Kirchen
dringend unterscheiden lernen zwischen einem Israel des
Glaubens und der Bibel, wie es jahrhundertelang ihrem
Israel-Verständnis entsprach und noch entspricht, und
dem gegenwärtigen politischen Israel, das im Nahen und
Mittleren Osten seine enorme Macht zu menschen- und
völkerrechtswidrigem Handeln nutzt.“
Die deutsche Politik steht vor demselben Dilemma wie die
Nach-Auschwitz-Theologie: Israel ist in ihrer Sicht die
historische Antwort auf Auschwitz. Solidarität mit
diesem Staat ist dann folgerichtig eine moralisch
verstandene „Wiedergutmachung“, also gleichzeitig durch
Abtragen der Schuld eine Aufarbeitung der Vergangenheit.
Aber diese Selbstfreisprechung bringt die deutsche
Politik (wie oben schon angedeutet) in ein Dilemma: Sie
segnet indirekt die Verbrechen Israels an den
Palästinensern ab, was einen Verrat an diesen Menschen
bedeutet. Wurden früher die Juden diffamiert und
geschmäht, dann sind es heute die entrechteten
Palästinenser. Jedes Eintreten für ihre Menschenwürde –
siehe BDS! – wird im heutigen Deutschland allem Gerede
von westlichen Werten zum Trotz als „Antisemitismus“
angesehen und auch geahndet.
Wenn Bischof Abromeit von „Überidentifikation“
mit Israel spricht, dann benutzt er einen Begriff, den
ein Jude geprägt hat. Der Israeli Moshe Zuckermann
schreibt in seinem Buch Der allgegenwärtige Antisemit
oder die Angst der Deutschen vor der Vergangenheit:
„Nachvollziehbare deutsche Schuldgefühle haben die
öffentliche Sphäre Deutschlands über Jahrzehnte in
entscheidendem Maß geprägt, zuweilen merkwürdige (Re-)Aktionen
zeitigend, nicht zuletzt im Bereich der
staatsoffiziellen Politik. Wenn das Diktum ‚Auschwitz
werden uns die Deutschen niemals verzeihen!‘ stimmt,
dann mag sich in der performativen
Überidentifizierung [Hervorhebung durch A.Str.]mit
Juden eine Art Schuldabtragung, mithin eine
selbsterteilte Vergebung, manifestieren. Wenn man selbst
Jude sein darf, ist man nicht mehr ‚Täter‘, sondern
Opfer, hat also etwas nagend Quälendes an sich ‚wiedergutgemacht‘.“
Bischof Abromeit befindet sich also in bester
deutsch-jüdischer intellektueller Gesellschaft und liegt
mit seinem Vorstoß vollständig richtig. Wenn man ihm für
seine Aussagen Antisemitismus vorwirft, dann müsste man
das logischerweise auch Moshe Zuckermann vorhalten.
Dieser hat darauf eine passende Antwort: „Wenn Deutsche
sich anmaßen, Juden und erst recht jüdische Israelis
wegen ihrer Israelkritik des Antisemitismus zu
bezichtigen, dann ist das als nichts anderes zu
begreifen als ein deutsches Befindlichkeitsproblem. Man
kommt in diesem Zusammenhang nicht umhin, von Hitlers
verlängertem, Arm zu sprechen.“ Zuckermann sieht da „ein
Residuum eines latenten antisemitischen Ressentiments am
Werk, das sich – im heutigen Deutschland tabuisiert –
neue Wege und Bahnen der eigenen Manifestation sucht.
Nur Antisemiten können Juden als Antisemiten besudeln,
um sich selbst von der erbärmlichen Unwirtlichkeit ihres
deutschen, allzu deutschen Antideutschseins zu erlösen.“
Dem Bischof kann man nur zurufen: Bleiben Sie standhaft!
Sie sind auf der Seite der Wahrheit und der
Menschlichkeit!
Palästina" - Vortrag im Seminar der 124.
Blankenburger Allianzkonferenz, 1. August
2019 - Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit,
Greifswald
Seit Jahrzehnten kommt der Nahe Osten nicht
zur Ruhe. Seit der Gründung des Staates
Israel 1948 gab es sechs Kriege zwischen
Israel und seinen Nachbarstaaten, und bis
heute fordern die Auseinandersetzungen
zwischen Israelis und Palästinensern immer
wieder Tote und Verletzte. Es gibt kaum eine
Familie sowohl auf der Seite der Israelis
als auch auf der Seite der Palästinenser,
die nicht Mitglieder in diesem Konflikt
verloren hat. Dadurch ist die Kluft, die
die beiden Völker in diesem Land trennt,
kaum überwindbar.
Als Christ lese ich die Bibel auch mit der
Frage, was unsere Heilige Schrift zu einem
möglichen Frieden beitragen kann. Was sagt
der Tanach, die hebräische Bibel und unser
Altes Testament dazu? Gibt es im Neuen
Testament Aussagen, die zum Thema beitragen?
Fördern diese Texte den Frieden, oder
verhindern sie ihn gar? Gibt es Hoffnung
auf ein friedliches Miteinander von Israelis
und Palästinensern, von Juden, Christen und
Moslems? Ich meine, dass es Hinweise zu
einer biblischen Vision für Frieden zwischen
Israel und Palästina gibt. Bevor wir jedoch
dazu kommen, möchte ich versuchen, in
diesem Vortrag über die Hintergründe des
Konfliktes zu informieren, die
unterschiedlichen Narrative von Israelis
und Palästinensern zu verstehen, und zeigen,
wie auch wir als Christen und als Deutsche
in diesen Konflikt verwickelt sind.
In der Regel ist es so, dass wir in
Deutschland in der Regel wenig über die
differenzierten Hintergründe des
Israel-Palästina-Konfliktes wissen. Das hält
die meisten aber nicht davon ab, eine feste
Meinung dazu zu haben und feste Standpunkte
einzunehmen. Ich versuche täglich dazu zu
lernen, einen möglichst neutralen Standpunkt
einzunehmen und Verständnis für die
berechtigten Sichtweisen beider Seiten
aufzubringen. Aber was sind berechtigte
Sichtweisen?
Das Bild ist unglaublich komplex. Hinter
jedem Erlebnis stehen geschichtliche
Vorgänge, ohne die die Gegenwart gerade in
Israel und Palästina nicht verstanden werden
kann. Ich werde mich bemühen zumindest den
wichtigsten Teil dieser Hintergründe zu
erläutern, damit deutlich wird, was heute im
Land der Bibel geschieht. >>> |
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