Arn Strohmeyer
Israel hat - das ist kein großes
Geheimnis - Probleme mit seinem Image.
Internationale Umfragen der letzten Jahre
ergaben immer dasselbe Ergebnis: Israel rangiert
mit Staaten wie Iran, Pakistan, Nordkorea und
den USA in diesen Ranking-Listen als
Schlusslicht. Die Autoren einer BBC-Studie gaben
als Grund für diese schlechte Platzierung an,
„dass Menschen weltweit dazu neigen, Länder
negativ zu sehen, deren Profil von Streben nach
militärischer Macht geprägt ist.“ Mit anderen
Worten: Israel ist mit seiner aggressiven
Politik gegenüber seinen Nachbarn selbst für
sein schlechtes Image verantwortlich.
Nun zieht der israelische Staat
aus solchen schlechten Nachrichten nicht etwa
die Konsequenz, seine Politik zu ändern und
endlich mit den Palästinensern einen gerechten
Frieden zu schließen (was auch für die
Antisemiten in der Welt eine schreckliche
Niederlage wäre), sondern es erhöht einfach die
Mittel für hasbara (Propaganda) im Ausland, um
das miserable Image des Landes zu verbessern.
Ido Aharoni vom vom israelischen
Außenministerium beschreibt die dabei angewandte
Strategie folgendermaßen: Man müsse Israel
„anders verkaufen“, weg vom Image eines Landes
im Konflikt- und Kriegszustand hin zu einem, das
positive Werte und Ideale wie „Bauen der
Zukunft“, „vibrierende Verschiedenheit“ und
„unternehmerischen Eifer“ darstellt. 2008
beauftrage Israel das britische PR-Unternehmen
Acanchi mit der Erarbeitung einer Image-Kampagne
in diesem Sinne, die vor allem Israels
kulturelle und wissenschaftliche
Errungenschaften herausstellen soll.
Nun sollten auch Bremer Schüler
in den Genuss der israelischen hasbara kommen.
Die israelische Botschaft in Berlin und die
Deutsch-Israelische Gesellschaft der Hansestadt
hatten unter dem Motto „Israel anders
kennenlernen“ in den Räumen des Landesinstituts
für Schulen (LIS) einen Seminar-Tag anberaumt,
an dem den Schülern ein zufriedenes und heiteres
Land von bunter und multikultureller Vielfalt
vorgestellt werden sollte - ein Land, in dem es
keinen völkerrechtswidrigen Landraub, keine
Siedlungen, keine Besatzung, keine Unterdrückung
eines ganzen Volkes und keine Trennmauer gibt.
Der Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen und die
für Bildung zuständige Senatorin Renate
Jürgens-Pieper ordneten die Durchsetzung des
Projekts an, Bürgerschaftspräsident Christian
Weber (alle SPD) übernahm die Schirmherrschaft.
Das Geld für die Veranstaltung kam vom Bremer
Senat und der israelischen Botschaft.
Proteste von Bremer Bürgern und
Menschenrechtsgruppen gegen einen solchen
Propaganda-Tag im Vorfeld blieben unerhört,
obwohl diese gute Argumente hatten. Denn für
Schulen in Deutschland gilt seit 1976 der
Beutelsbacher Konsens, der Propaganda an
Schulen verbietet. Die Schüler sollen sich - so
heißt es da - durch vielfältige Informationen
eine eigene Meinung bilden können. Was aber auch
bedeutet, dass man Themen, die in der
Öffentlichkeit kontrovers erscheinen, auch
kontrovers darstellen muss (Gebot der
Kontroversität). Bremens verantwortlichen
Bildungspolitikern scheint dieses Konsens-Papier
nicht bekannt zu sein.
So fand denn der Israel-Tag am
vergangenen Montag statt, aber der Erfolg hielt
sich für die Veranstalter in Grenzen. Sie hatten
120 Schüler als Teilnehmer eingeplant. Nach
offiziellen Angaben erschienen nur etwa 80, nach
inoffizieller Version sollen es nur etwa 60
gewesen sein. Lehrer „bestreikten“ das Projekt
offenbar, indem sie nicht mit ihren Klassen im
LIS erschienen, sondern nur interessierte
Schüler für die Veranstaltung „freistellten“.
Von anderen Lehren war zu hören, dass sie das
Israel-Seminar in ihren Klassen sehr gut
vorbereitet hätten und es auch genauso gut
nachbereiten würden.
Während vor dem LIS verschiedene
Menschenrechtsgruppen mit Transparenten und
Flugblättern gegen Israels Besatzungspolitik,
die Propaganda-Veranstaltung und die
Nichteinhaltung des Beutelsbacher Konsenses
protestierten, konnten die Schüler im LIS den
Ausführungen der Referenten gemäß den vom
israelischen Außenministerium herausgegebenen
Richtlinien folgen. Da gab es Vorträge über die
multikulturelle israelische Zivilgesellschaft,
die israelische High-Tech-Industrie und das
„grüne Israel“. Bei diesem letzten Thema ging es
um die großräumige Bepflanzung mit Bäumen, um
Wälder zu schaffen. Dagegen wäre ja nichts zu
sagen, aber zur Bewaldung braucht man in einer
zumeist trockenen Region wie dem Nahen Osten
Wasser, sehr viel Wasser und das entnimmt Israel
den Wasserressourcen des besetzten
palästinensischen Westjordanlandes. Während die
Palästinenser bei diesem Lebenselement von
Israel auf äußerste Sparration gesetzt werden
und für ihr Wasser viel mehr als die Israelis
zahlen müssen, werden mit dem palästinensischen
Wasser in Israel ganze Wälder angelegt! Hat man
die Schüler auf diese absurde Situation
hingewiesen?
Der israelische Student Maor
Shani von der Bremer Jacobs Universität durfte
den Schülern noch „über den Alltag der Jugend in
Israel“ berichten: „Von ihrer Freizeit, ihren
Träumen, ihrer Musik. Lassen Sie sich in das
jugendliche Israel entführen!“ hieß es im
Programm. Ob auch die hinter der Mauer
weggesperrten palästinensischen Jugendlichen in
Bremen einmal von ihren Träumen berichten
dürfen?
Es gab aber auf dem Israeltag -
wie aus Kreisen der Teilnehmer verlautete - auch
zwei kleine Eklats. Die Israelis wollten zu
Beginn der Veranstaltung ihre Fahne aufstellen,
was die Leitung des Hauses den Vertretern der
Botschaft ebenso untersagte wie das Verteilen
ihres Propagandamaterials. Immerhin! Und die
Verantwortlichen des LIS weigerten sich auch,
den Vertretern der Botschaft die Adressen der
Schüler auszuhändigen, die man zwecks künftiger
„Kontaktpflege“ einforderte.
Die Veranstaltung endete mit
einer Podiumsdiskussion zwischen dem
israelischen Gesandten Emmanuel Nahshorn und
Bürgerschaftspräsident Christian Weber. Von
einer „Diskussion“ kann man sicher gar nicht
sprechen, weil die Herren sich natürlich in so
gut wie allen Fragen einig sind. Besonders
gefreut haben werden sich aber die Israelis über
die Antwort von Christian Weber auf die Frage,
wie er sich eine Lösung des Nahost-Konflikts
vorstelle. Er sagte: „Mit Geduld und Vertrauen!“
Mit anderen Worten: Israel kann weiter in aller
Ruhe Fakten schaffen, d.h. Siedlungen auf Land
bauen, das ihm nicht gehört, bis aber auch kein
Flecken Land mehr frei ist für die
Palästinenser, auf dem sie ihren Staat aufbauen
könnten. Danke, Herr Präsident, für diese
überzeugende Antwort!