Von der Unmoral der Mächtigen
und der Ohnmacht der Schwachen:
Trumps groß angekündigter „Deal“ für den Nahen Osten wird
ein weiterer Verrat an den Palästinensern sein
Ein historischer Rückblick
Arn
Strohmeyer
Im
sogenannten Heiligen Land galt immer schon das Recht des
Stärkeren und nicht die Moral oder in neuerer Zeit das
internationale Recht. Waren es früher Kanaaniter, Juden,
Assyrer, Babylonier, Perser, Griechen, Römer, Byzantiner,
Moslems und Kreuzritter, die Palästina eroberten und die
einheimische Bevölkerung unterwarfen und beherrschten, so in
neuerer Zeit die Osmanen, Briten (erst als Kolonialisten,
dann als Mandatsmacht) und schließlich die Zionisten. Die
Palästinenser waren immer wieder Opfer von Willkür und
Gewalt im „Heiligen Land“.
Die
heutigen Palästinenser – sicherlich Nachkommen der
semitischen biblischen Kanaaniter und der Philister und seit
Jahrtausenden dort ansässig – hatten den fremden Eroberern
zumeist nichts entgegenzusetzen, um eine eigene staatliche
Entwicklung in Gang zu setzen. Zudem waren die großen Mächte
so gut wie nie auf ihrer Seite. Sie sind ein verratenes
Volk. Niemals aber war die Lage für sie so demütigend und
hoffnungslos wie unter der Herrschaft des zionistischen
Staates Israel. Die westliche Staatengemeinschaft mit ihrem
so hoch gehaltenen und angepriesenen Wertesystem lässt es
geschehen, als ginge es sie nichts an. Der bisher letzte Akt
in dieser Tragödie ist die „neue“ Nahost-Politik des im
Weißen Haus in Washington narzisstisch irrlichternden
Präsidenten Donald Trump. Die USA waren nie der neutrale,
unparteiische Vermittler, als den sie sich ausgegeben haben.
Der jetzige Präsident hat aber endgültig die Maske fallen
lassen und seine Nahost-Politik vollständig mit der Israels
gleichgeschaltet. Die bisherigen Stationen sind:
·
die
Kündigung des Atomabkommens mit dem Iran, das Verhängen
neuer Sanktionen gegen den Mullah-Staat sowie ständige
Kriegsdrohungen gegen ihn;
·
die
Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels und die
Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv dorthin, was das
endgültige Ende der Hoffnung auf die Zweistaaten-Lösung war;
·
der
gemeinsame Rückzug mit Israel aus der UN-Kulturorganisation
UNESCO und dem Genfer UN-Menschenrechtsrat;
·
die
Aufkündigung der Hilfsgelder für die palästinensische
UN-Flüchtlingsorganisation UNRWA sowie die Ankündigung, der
palästinensischen Flüchtlingen ihren Flüchtlingsstatus
abzuerkennen;
·
und
schließlich die Ankündigung, Sanktionen gegen den
Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu verhängen, wenn
die dortigen Richter Urteile gegen amerikanische Staatbürger
wegen Kriegsverbrechen fällen sollten; die USA und Israel
gehören dem Gericht gar nicht an, aber die Palästinensische
Autonomiebehörde und Afghanen haben den Gerichtshof
angerufen, damit er gegen Kriegsverbrechen und Verstöße
gegen das Völkerrecht von Israelis bzw. Amerikanern an ihren
Völkern ermitteln soll.
Das
Völkerrecht interessiert also weder Amerikaner noch
Israelis. Und die Palästinenser haben mit gewaltsamem
Widerstand gegen die militärische Supermacht Israel und
ihren gewaltigen Sicherheitsapparat keine Chance, als Volk
zu ihrem Recht auf Selbstbestimmung zu kommen, obwohl ihnen
das Völkerrecht Widerstand ausdrücklich erlaubt. Nun soll
ihnen auch der Weg über das internationale Recht verbaut
werden. Die neue Strategie der USA und Israels sieht wohl
vor, das palästinensische Volk so lange auszuhungern, bis es
zu Kreuze kriecht und bereit ist, jede „Lösung“ zu
akzeptieren, die ihm von der großen und der kleinen
Supermacht aufoktroyiert wird. Dieses Vorgehen gegen die
wegen der Besatzung machtlosen Palästinenser hat eine lange
Vorgeschichte, und die war immer von der Konstante bestimmt:
Dieses Volk wird nie gefragt, es wird ihm nur diktiert oder
man geht einfach mit brutaler Gewalt gegen seine Menschen
vor. Es seien hier die wichtigsten Stationen dieser
Missachtung politischer Rechte aufgeführt.
Die Spur
soll zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgenommen werden. Am
Anfang stand ein nicht eingehaltenes Versprechen der
kolonialistischen Großmacht Großbritannien: Der britische
Hochkommissar für Ägypten, Henry McMahon, und der
Haschemiten-Herrscher Scherif Hussein Ibu Ali von Mekka
vereinbarten 1915/16 in einer Korrespondenz, dass die Araber
ihre politische Unabhängigkeit erhalten sollten, wenn sie
einen Aufstand gegen die Türken militärisch unterstützen
würden. Das Gebiet, das die Unabhängigkeit erhalten sollte,
war aber nicht genau festgelegt.
Zu selben
Zeit legten die Großmächte Großbritannien, Frankreich und
Russland in einem Geheimabkommen (dem Sykes-Picot-Abkommen,
genannt nach ihren beiden Unterhändlern) ihre
Einflusssphären im Nahen Osten nach dem Untergang des
Osmanischen Reiches fest. Russland sollte danach große Teile
der Türkei kontrollieren können, Frankreich die
syrisch-libanesische Küste (also den heutigen Libanon), und
Großbritannien erhielt den Ostteil Mesopotamiens
zugesprochen und konnte seine Einflusssphäre auf das heutige
Jordanien und Palästina ausdehnen – mit Ausnahme der
Hafenstädte Haifa und Acre, die internationalisiert werden
sollten. Die Weltöffentlichkeit erfuhr von diesem
Geheimabkommen erst nach der Oktoberrevolution in Russland
1917, als die Bolschewiken es enthüllten und die neue
sowjetische Regierung daraus austrat.
Der
nächste Schritt zur völligen Missachtung der Interessen und
Rechte der arabisch-palästinensischen Seite war die
Balfour-Erklärung vom November 1917, die das
Sykes-Picot-Abkommen ergänzte. Darin sicherte der britische
Außenminister Arthur Balfour im Auftrag seiner Regierung dem
englischen Zionistenführer Baron Lionel Rothschild die
„Errichtung einer nationalen Heimstätte“ für das jüdische
Volk in Palästina zu. Die britische Regierung werde ihr
Bestes zur Erreichung dieses Zieles tun, hieß es darin. Von
Rechten für die arabische Bevölkerung in Palästina (immerhin
die große Mehrheit der Bevölkerung) war nicht die Rede,
sondern lediglich davon, dass nichts geschehen solle, „was
die bürgerlichen und religiösen Rechte der bestehenden
Gemeinschaften in Palästina (…) in Frage stellen“ könnte.
Heute weiß man, dass die Zionisten (vor allem Chaim Weizmann)
maßgeblich an der Formulierung dieses Textes mitgearbeitet
haben.
Damit
hatte Großbritannien den Zionisten zumindest indirekt die
Gründung eines jüdischen Staates in Palästina in Aussicht
gestellt, auch wenn vorerst nur von der Gründung einer
„Heimstätte“ die Rede war. Und das, obwohl der jüdische
Anteil in der Bevölkerung Palästinas zu dieser Zeit nur acht
Prozent betrug. Für die zionistische Bewegung war die
Balfour-Deklaration ein großer Sieg, auch wenn sie
völkerrechtlich bedeutungslos war, denn weder Großbritannien
noch der Zionismus waren rechtlich befugt, über Palästina zu
entscheiden. Für die arabische Seite war die Deklaration ein
eklatanter Vertrauensbruch und eine deutliche Niederlage.
Die Briten hatten ihr Versprechen, die Araber (und damit
auch Palästina) nach dem Sieg über die Türken in die
Selbstbestimmung und die Unabhängigkeit zu entlassen nicht
eingehalten, ja ihr Versprechen hatte sich als pure
Heuchelei entpuppt. Anstelle von Unabhängigkeit und
Selbstbestimmung wurde das englisch-französische
Mandatssystem errichtet. Großbritannien erhielt 1920 das
Mandat über Palästina übertragen, womit sein
kolonialistischer Anspruch auf dieses Land anerkannt wurde.
Der Völkerbund (die Vorgängerorganisation der UNO) billigte
das Mandat 1922, die Balfour-Erklärung wurde in die Präambel
des Mandates aufgenommen.
Der
deutsche Soziologe Walter Hollstein bezeichnet diesen
Vorgang als „kolonialistische Ungeheuerlichkeit“ und
begründet dies so: „Bezeichnenderweise ist in diesem Text
des Völkerbundes, den alle Großmächte der Welt
unterzeichneten, von der eingeborenen Bevölkerung Palästinas
nicht die Rede. Einmal mehr wird ihr in Artikel 2, ohne dass
sie indessen als arabisch bezeichnet würde, einzig die
‚Wahrung der zivilen und religiösen Rechte‘ zugesichert.
Tatsächlich nannten die 28 Artikel des Mandates die
palästinensischen Araber nicht ein einziges Mal als solche.
Nur in Artikel 22 wird die arabische Sprache erwähnt.“
Und
weiter: „Um die kolonialistische Ungeheuerlichkeit dieses
Sachverhaltes zu begreifen, muss man wissen, dass bei der
Verabschiedung des Mandats 91 Prozent der palästinensischen
Bevölkerung Araber waren, denen 97 Prozent allen Bodens
gehörte. Der Mandatstext nimmt von dieser Wirklichkeit nicht
nur keine Kenntnis, er deformiert sie dergestalt, dass die
jüdische Minorität als Mehrheit erscheint und die
arabisch-palästinensische Masse als ‚nicht-jüdische
Gemeinschaft in Palästina.‘ Angesichts solcher offenkundigen
Diskriminierung fühlten sich die palästinensischen Araber
von allen Großmächten, die die Balfour-Deklaration und das
Mandat unterstützten, verraten und verkauft.“
Für die
Palästinenser hatte sich durch das britische Mandat nichts
verbessert, statt der versprochenen Unabhängigkeit wurde die
osmanische Fremdherrschaft nun durch die britische und
zionistische ersetzt. Die Balfour-Deklaration und das
britische Mandat setzten sich skrupellos über das
Selbstbestimmungsrecht des arabisch-palästinensischen Volkes
hinweg. Nach dem Völkerbundvertrag hätte Großbritannien als
Mandatsmacht die Pflicht gehabt, „mit seinem Mandat alles
für die Entwicklung Palästinas und für die Vorbereitung des
arabisch-palästinensischen Volkes auf die Unabhängigkeit zu
tun.“
Es
stellte sich bald heraus, dass Großbritannien dieser
Verpflichtung nicht nachkam, der zionistischen Seite aber
jede Freiheit einräumte, sodass sie vorstaatliche und rein
zionistische Strukturen aufbauen konnte – mit eigner
Regierung (der „Jewish Agency“) und eigener Armee (der
Haganah). Dazu ließ die Mandatsmacht zu, dass immer mehr
jüdische Immigranten ins Land kamen. Die Richtlinien der
britischen Politik hatte Arthur Balfour einmal so
formuliert: „Uns ist der Zionismus sehr viel wichtiger als
die Wünsche und vorgefassten Meinungen von 700 000 Arabern.“
Überliefert ist auch diese Äußerung von ihm, dass Palästina
nicht nur die Heimat, sondern die Heimstätte des jüdischen
Volkes sei und dass die Juden in Palästina die Kontrolle
über das Land und dessen Ressourcen haben müssten.
Da sich
die Situation in Palästina immer mehr zuspitzte, entschied
sich der amerikanische Präsident Woodrow Wilson schon 1922,
eine amerikanische Untersuchungskommission einzusetzen und
in den Nahen Osten zu entsenden. Sie sollte die Verhältnisse
vor Ort recherchieren. Die Kommission wurde von dem
Wissenschaftler Professor Dr. Henry C. King und dem
Unternehmer Charles R. Crane geleitet – daher auch ihr Name
King-Crane-Kommission. Ihr Bericht war so brisant, dass er
lange geheim gehalten wurde. In dem Report hieß es u. a.:
„Kein höherer britischer Beamter oder Offizier, dessen
Auskunft von den Kommissionsmitgliedern eingeholte wurde,
glaubte, dass das zionistische Vorhaben (einer unbegrenzten
Einwanderung von Juden nach Palästina) ohne den Eingriff
bewaffneter Gewalt durchführbar sei.“
Außerdem
hieß es in dem Report: „Es stellte sich in den Treffen der
Kommission mit jüdischen Vertretern wiederholt heraus, dass
die Zionisten eine praktisch vollständige Enteignung der
jetzigen nicht-jüdischen Einwohner von Palästina dringend
wünschten, und dies auf dem Weg verschiedener Formen
käuflichen Landerwerbs.“ Die antizionistische Einstellung
der vom türkischen Joch befreiten nicht-jüdischen
Bevölkerung, heißt es in dem Bericht weiter, sei sehr
heftig, und man könne sich darüber nicht ohne
Schwierigkeiten hinwegsetzen. Neun Zehntel der
Gesamtbevölkerung spreche sich energisch gegen das gesamte
zionistische Programm aus. Und wörtlich heißt es weiter:
„Ein derart gesinntes Volk uneingeschränkter jüdischer
Zuwanderung zu unterwerfen sowie dem stetigen finanziellem
und sozialen Druck, würde einen groben Bruch des [ von
Präsident Wilson formulierten] Grundsatzes der Rechte [der
Selbstbestimmung der Nationen im Nahen Osten] und des
[palästinensischen] Volkes darstellen.“
Das
britische Mandat trug so nicht zu einer Beruhigung der Lage
bei, sondern zur Eskalation des Konflikts. Je klarer der
Absichten der Zionisten wurden, ihren eigenen Staat im von
Arabern bewohnten Palästina zu errichten, desto mehr wuchs
der Widerstand der arabischen Bevölkerung, der zu einem
bewaffneten Aufstand führte (1936 – 1939). Die Briten sahen
sich gezwungen, die jüdische Einwanderung zu drosseln, was
aber wegen der Judenverfolgungen durch die Nazis kaum
möglich war. Der bewaffnete Konflikt eskalierte aber weiter,
weil zionistische Terrorgruppen (Irgun und Lehi) massiv
gegen die britische Mandatsmacht und die Palästinenser
vorgingen. Großbritannien sah sich außerstande, die Lage
weiter zu kontrollieren, kündigte sein Mandat und übertrug
die Verantwortung für die Lösung des Palästina-Problems an
die Vereinten Nationen (UNO).
Die
Bilanz der britischen Mandatsherrschaft war verheerend: „Die
britische Kolonialpolitik und der zionistische
Machtanspruch, welcher sich unter dem Schutz der ersteren
immer stärker hatte entwickeln können, führten Palästina in
die Katastrophe, deren Opfer die arabisch-palästinensische
Bevölkerung wurde.“ (Walter Hollstein)
Die
Vereinten Nationen setzten im Mai 1947 ein Komitee (UNSCOP –
UN-Special Committee on Palestine) ein, das Palästina
bereiste und anschließend zwei Vorschläge unterbreitete:
einen Mehrheitsplan, der für die Teilung des Landes in einen
jüdischen und in einen arabischen Staat plädierte, und einen
Minderheitsplan, der einen föderativen Staat vorsah. Die
Juden waren trotz Vorbehalten mit dem Mehrheitsplan
einverstanden. Die Araber lehnten beide Vorschläge ab, weil
der Mehrheitsplan nach ihrer Ansicht die territoriale
Integrität Palästinas zerstören und der Minderheitsplan nur
einem Bevölkerungsteil (den Zionisten) nützen würde.
Stattdessen schlugen die arabischen Delegierten die
Schaffung eines einzigen demokratischen Staatswesens in
Palästina vor, das die Rechte und Bedürfnisse aller Menschen
und Minoritänen respektieren sollte. Am 29. November 1947
entschied die Vollversammlung der Vereinten Nationen mit 33
gegen 13 Stimmen bei 10 Enthaltungen, Palästina in einen
jüdischen und einen arabischen Staat zu teilen. Wobei es
kein Geheimnis war, dass die Zionisten im Bündnis mit den
USA mit allen Mitteln vorgegangen waren, um die
pro-arabischen und unentschlossenen Staaten auf ihre Seite
zu ziehen: Einschüchterungen, wirtschaftliche Pressionen,
finanzielle Versprechen und Antisemitismus-Vorwürfe wurden
skrupellos eingesetzt.
Der
Teilungsbeschluss war für die arabisch-palästinensische
Seite die Fortsetzung der kolonialistischen
Ungerechtigkeiten. Die Palästinenser, die die
Hauptbetroffenen waren und um deren Land es ging, wurden gar
nicht gefragt, man hätte mindestens ein Referendum
veranstalten, also die freie Entscheidung dieses Volkes
herbeiführen müssen, was die UNO aber ablehnte. Der
Teilungsplan sah folgendermaßen aus: Die Zionisten besaßen
bis zu diesem Zeitpunkt nur 5,67 Prozent des Landes (durch
Kauf erworben), ihnen wurden nun 56 Prozent zugesprochen,
den Arabern, die zwei Drittel der Bevölkerung stellten, aber
nur 42 Prozent. Jerusalem sollte internationale Zone werden.
Die Juden worden durch diesen Beschluss also stark
bevorzugt, die Araber stark benachteiligt.
Dazu
kommt, dass der arabisch-palästinensische Staat gar nicht
lebensfähig gewesen wäre, denn die Zionisten hätten den
besseren Boden bekommen mit den ganzen Zitruskulturen
darauf, die Palästinas größtes Exportgut darstellten. Auch
der ertragreichste Boden Palästinas in der Küstenebene, in
der Ebene von Esdraelon und im Tal von Jezreel, sollten dem
jüdischen Staat zufallen. Die Araber, die vornehmlich
landwirtschaftlich orientiert waren, hätten ihre wichtigste
Existenzgrundlage verloren.
Der
Teilungsbeschluss stellte die „monströse Vergewaltigung des
Prinzips der Selbstbestimmung in Palästina“ dar. (Walter
Hollstein) Die Hauptfrage bei diesem Vorgang war: Durfte die
UNO eine solche Entscheidung überhaupt treffen? Hatte sie
die rechtliche Kompetenz, die Teilung Palästinas zu
beschließen? Selbst das Subkomitee der UNSCOP musste nach
der Abstimmung zugeben: Die Vereinten Nationen hätten nicht
die Macht und das Recht gehabt, einen neuen Staat zu
schaffen. Nur das Volk des in Frage stehenden Landes selbst
könne durch seinen freien Willen eine solche Entscheidung
treffen. Diese Bedingung sei im Falle des
Mehrheitsvorschlages nicht erfüllt worden, da er die
Errichtung eines jüdischen Staates in völliger Missachtung
der Wünsche und Interessen der Araber von Palästina
involviere.
Die
UNSCOP wies außerdem darauf hin, dass die Vereinten Nationen
bei jeder ihrer Entscheidungen an ihre eigene Charta
gebunden seien. In deren Artikel 1 heiße es ausdrücklich,
dass das „Prinzip gleicher Rechte“ und das
Selbstbestimmungsrecht der Völker respektiert werden
müssten. Im selben Paragraph verlange die UNO von sich
selbst und allen Mitgliedsstaaten, „Rücksicht auf die
politischen Aspirationen der Völker zu nehmen.“ Der
Teilungsbeschluss, so die UNSCOP, verstoße also eindeutig
gegen beide Rechtsprinzipien der Vereinten Nationen. Der
UNSCOP-Bericht weist ferner darauf hin, dass weder die
Balfour-Deklaration noch das britische Mandat die Errichtung
eines jüdischen Staates beinhalteten, denn im Artikel 28 des
Mandates heiße es ausdrücklich, dass nach Beendigung des
Mandates die Regierungsgewalt „der Regierung von Palästina“
hätte überantwortet werden müssen. Es sei keine Rede davon
gewesen, dem palästinensischen Volk irgendwelche Bedingungen
aufzuerlegen, wenn es fähig würde, allein zu regieren, noch
ihm einen Teil seines Landes wegzunehmen.
Die
Araber fühlten sich mit Recht äußerst ungerecht behandelt.
Die internationalen Gremien hatten die jüdische Herrschaft
in Palästina legalisiert. Es bewahrheitete sich, was die
UNSCOP in ihrem Report schon damals vorausgesagt hatte: dass
der Teilungsbeschluss [auch wenn er politisch gar nicht
umgesetzt würde] den Konflikt in Palästina mit weitaus
größeren Dimensionen noch verschärfen würde. Die Konsequenz
dieses Beschlusses war der andauernde gewaltsame Konflikt
der Zionisten gegen die „arabische Nation“, der bis heute
andauert und schon bald globale Ausmaße annahm.
Walter
Hollstein hat den Kern des Konfliktes so zusammengefasst:
„Historisch betrachtet ließ jedoch der forcierte
Zusammenstoß europäisch-kapitalistischer und
arabisch-feudalistischer Zivilisation die autochthone
Bevölkerung Palästinas zu Opfern Europas werden. Ohne
Kolonialismus und Zionismus hätte sich die ‚arabische
Nation‘ kontinuierlich zu Unabhängigkeit und Souveränität
entwickeln können. Stattdessen verloren die arabischen
Palästinenser Freiheit und Heimat. (…) Sie büßten Recht,
Freiheit, Boden und Vaterland ein. Der Zionismus
interessierte sich in Palästina nur, wie es seine Ideologie
vorschrieb, für die Verwirklichung seiner Ziele. In diesem
Sinne vergrößerte er seinen Landbesitz nach strategischen
Gesichtspunkten, seine Institutionen, seine Wirtschaft und
seine Bevölkerung nach machtpolitischen Aspekten. Der
Zionismus errichtete in Arabien eine europäische Enklave,
die in ihrer europäischen Zusammensetzung, europäischen
Mentalität und europäischen Kultur mit der arabischen Welt
kollidieren musste (und sollte) und von dieser nur
konsequent als Fremdkörper empfunden wurde.“
Die
Zionisten waren in den Jahren 1947/48 – nicht zuletzt durch
die finanzielle Unterstützung amerikanischer Juden – so
stark geworden, dass sie in der Lage waren, ihre Interessen
und Absichten mit Gewalt durchzusetzen. Schon kurze Zeit
nach dem Teilungsbeschluss gingen sie militärisch gegen die
Palästinenser vor, die dem nichts entgegenzusetzen hatten,
denn sie verfügten nicht über eine Armee wie die Zionisten
mit der Haganah, sondern nur über kleine bewaffnete Trupps,
die militärisch völlig unbedeutend waren. Die Zionisten
sprachen zunächst von „Vergeltungsschlägen“, gingen bald
aber zu bewaffneten Angriffen über, die das klare Ziel
verfolgten, palästinensisches Land für den zu gründenden
Staat Israel zu erobern, was aber nur mit Vertreibung
möglichst vieler Palästinenser möglich war.
Es folgte
die ethnische Säuberung Palästinas (Nakba) durch die
zionistischen Truppen in Zusammenarbeit mit den
Terrororganisationen Irgun und Lehi (Stern-Gruppe). Die
Angriffe begannen noch während der britischen Mandatszeit.
Der israelische Historiker Ilan Pappe hat das Ergebnis
dieses brutalen Vorgehens beschrieben: Elf Stadtviertel und
531 palästinensische Dörfer wurden zwangsgeräumt, viele dem
Erdboden gleichgemacht, rund 800 000 Menschen mussten
fliehen. Es kam zu Vergewaltigungen, Plünderungen, Massakern
auch an Frauen und Kindern.
Nur mit
diesem Gewaltakt war die Gründung Israels möglich. Arabische
Armeen griffen zwar noch ein, aber sie mussten den Krieg
verlieren, weil sie schlecht ausgerüstet, schlecht motiviert
und ohne gemeinsames Oberkommando und ohne gemeinsame
Strategie waren. Israel hatte am Ende des Krieges 78 Prozent
Palästinas in seinen Besitz gebracht, den Rest – das
Westjordanland und den Gazastreifen holte es sich im Krieg
von 1967, wobei noch einmal 300 000 Menschen vertrieben
wurden. Und Israel ist nicht bereit, einen Quadratmeter
dieses Landes wieder herauszugeben, denn es war immer das
Ziel des Zionismus, ganz Palästina zu besitzen, das heute „Erez
Israel“ (Großisrael) heißt.
Wie groß
der Verrat der Völkergemeinschaft an den Palästinensern vor
allem 1948 war, hat Ilan Pappe so beschrieben: „Der am 10.
März 1948 [von der zionistischen Führung] beschlossene Plan
[gemeint ist der Plan D(alet) zur ethnischen Säuberung
Palästinas] und vor allem seine systematische Umsetzung in
den folgenden Monaten war eindeutig ein Fall ethnischer
Säuberung, die nach heutigem Völkerrecht als Verbrechen
gegen die Menschlichkeit gilt. Nach dem Holocaust ist es
fast unmöglich geworden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit
zu vertuschen. Unsere moderne, von Kommunikation gestützte
Welt lässt es seit dem Aufkommen elektronischer Medien nicht
mehr zu, von Menschen verschuldete Katastrophen vor der
Öffentlichkeit zu verbergen oder zu leugnen. Und dennoch ist
ein solches Verbrechen fast vollständig aus dem weltweiten
öffentlichen Gedächtnis gelöscht worden: nämlich die
Vertreibung der Palästinenser durch Israel 1948. Dieses
höchst prägende Ereignis in der modernen Geschichte des
Landes Palästina wurde seit damals systematisch geleugnet
und ist bis heute nicht als historische Tatsache, geschweige
denn als ein Verbrechen anerkannt, dem man sich politisch
wie moralisch zu stellen hat.“
Die
letzten Jahrzehnte nach 1948 bzw. nach 1967 waren ein
permanenter Krieg Israels gegen die Palästinenser – mit
Landraub, Besatzung, Massakern, Unterdrückung,
Diskriminierung, Häuserzerstörungen, Blockaden und
Einsperren in Bantustans (Reservate). Die Weltgemeinschaft
schweigt dazu, nimmt es hin und unternimmt nichts. In den
1990er Jahren gab es einen Hoffnungsschimmer mit den
Verträgen von Oslo, aber er verflog schnell wieder, weil die
Verträge äußerst lückenhaft waren, die Lösung aller
wesentlichen Probleme auf eine unbestimmte Zukunft
verschoben wurden und Israel sich gar nicht an das wenige
konkret Vereinbarte hielt. Der Landraub im Westjordanland
ging weiter, es wurden noch nie so viele Siedlungen dort
gebaut wie in den Jahren nach den Oslo-Verträgen. Und den
unter der Besatzung lebenden Palästinensern hat das
Vertragswerk keinerlei Erleichterungen ihrer schwierigen
Situation gebracht. Die zweite Intifada der Palästinenser
war die Folge, die brutal niedergeschlagen wurde.
Auch mit
diesem Vertragswerk wurden die Palästinenser schmählich
verraten, was selbst ein Israeli, der Politikwissenschaftler
und frühere zweite Bürgermeister von Jerusalem Meron
Benvenisti, zugab: „Eine sorgfältige Prüfung Hunderter von
Seiten, die das Abkommen umfasst, kann keinen Zweifel daran
lassen, wer bei diesem Handel der Gewinner und wer der
Verlierer ist. Wenn man einmal hinter all die erhabenen
Phrasen, all die willkürliche Desinformation, die Hunderte
von haarspalterischen Absätzen und Unterabsätzen, Anhängen
und Protokollen gesehen hat, dann kann man klar erkennen,
dass der israelische Sieg absolut und die palästinensische
Niederlage schmachvoll ist.“
Der
Palästinenser Edward Said bemerkte dazu sarkastisch, dass
die Palästinenser mit diesem Vertrag nicht mehr erreicht
hätten, als dass der PLO-Chef Jassir Arafat nun der
Häuptling eines Bantustans sei, und die Palästinenser jetzt
ihre Müllabfuhr selbst organisieren könnten. Die Frage
bleibt, wie konnte die PLO einem solchen Vertragswerk
zustimmen?
Um die
gegenwärtige Situation und Israels Politik gegenüber den
Palästinensern zu beschreiben sei hier ein längeres Zitat
eines der besten Kenner der israelischen Politik angefügt,
des israelischen Anthropologen Jeff Halper. Halper
merkt an, dass die Palästinenser im zionistischen Narrativ
überhaupt keine Rolle spielen [sie sind offenbar gar nicht
da, sie existieren nicht, sie sind ein „Nicht-Volk“], sie
befinden sich außerhalb der israelischen Interessesphäre –
sie kommen nur vor, wenn sie in ihren zugewiesenen Rollen
als „Terroristen“ oder „Banditen“ die zionistische Eroberung
des Landes zu vereiteln suchen. Halper schreibt: „Der
einheimische Widerstand gegen die [zionistische] Kolonisten
wurde gewöhnlich als ‚Terrorismus‘ bezeichnet. Aber die
Errichtung eines Staates, der sich daran machte, die gesamte
eingeborene Bevölkerung systematisch aus dem Land zu
vertreiben und es dann von jeder Spur dieses Volkes zu
‚reinigen‘, hat noch einmal eine andere Dimension.“
Halper
geht noch einen Schritt weiter: „Insgesamt fällt Israel
präzise in die koloniale Kategorie, und ich denke, jeder von
uns würde zustimmen, dass ein kolonialistischer Staat
ganz eindeutig kein Existenzrecht hat – oder um es anders
auszudrücken, die koloniale Situation muss vollständig
aufgehoben werden, bevor irgendein Staat Akzeptanz und
Normalität erwarten darf.“
Halper
wirft Israel sogar Staatsterrorismus vor. Er
schreibt: „Wichtig ist, dass sowohl ‚Araber‘ als auch
Juden als vor-staatliche Milizen – und die
Palästinenser/innen befinden sich immer noch in dieser Phase
– ihre Zuflucht zum Terrorismus nahmen, den beide Seiten als
eine effektive, sogar ausschlaggebende Strategie zur
Erreichung politischer Ziele ansahen. Wichtig ist es
festzuhalten, dass die jüdische Zuflucht zum Terrorismus
1948 nicht endete. Er wurde nur umgewandelt in eine Politik
des Staates und als Methode in Israels offizielle
Streitkräfte integriert. Die gewaltsame Ent-Arabisierung und
Judaisierung des Landes Israel/Palästina, die massiven
Häuserzerstörungen von 1948 bis heute, sowohl in Israel als
auch in den besetzten Gebieten, ein vierzig Jahre (und
länger) dauernder Krieg gegen Zivilisten/innen, um eine
Besatzung auf ewig zu verlängern, wiederholte und
rücksichtslose Angriffe auf den Libanon einschließlich der
fern ‚gesteuerten‘ Massaker von Sabra und Schatila, eine
Jahrzehnte währende Praxis der Ermordung palästinensischer
Führungskräfte, die die Palästinenser einer effektiven
politischen Führung beraubte – diese und andere Strategien
und Aktionen machen den Israelischen Staatsterrorismus
aus. (Hervorhebung vom Verfasser)
Unter
Bezug auf das Völkerrecht fährt Halper fort: „Das humanitäre
Völkerrecht, im Besonderen die IV. Genfer Konvention, misst
dem Schutz und dem Wohlergehen einer Zivilbevölkerung unter
Besatzung eine besondere Bedeutung zu. Israel versucht,
diese Verantwortung in vielfältiger Weise zu umgehen, sogar
indem es die Tatsache der Besatzung selbst in Abrede stellt.
Mit dem Ausbruch der zweiten Intifada boten sich ihm neue
Möglichkeiten, Beschränkungen seines militärischen Vorgehens
zu vermeiden. Israel erklärte die Intifada knapp als
unterhalb der Kriegsschwelle und berief sich auf ein im
Völkerrecht unbekanntes Konzept des ‚kriegsähnlichen
Konflikts‘“.
Und
weiter schreibt Halper: „Unterdrückte Völker haben nach dem
Völkerrecht das Recht auf Widerstand, selbst auf bewaffneten
Widerstand, wobei allerdings Angriffe auf Zivilisten
ausgeschlossen sind. Der Begriff des ‚kriegsähnlichen
Konflikts‘ denunziert alle Formen des Widerstandes als
‚Terrorismus‘, gar als kriminelle Handlungen, wodurch das
palästinensische Menschenrecht auf Selbstbestimmung
praktisch aufgehoben wird. Dieses Konstrukt enthebt Israel
jeder Verantwortung für Staatsterrorismus
(Hervorhebung vom Verfasser), für Angriffe auf die zivile
Bevölkerung, die nach dem Völkerrecht auch dem Besatzer
verboten sind.“
Halper
fährt fort: „Seine Erfindungsgabe stellt dem Militär einen
unbeschränkten Freibrief aus, alles unter dem Deckmantel
eines ‚kriegsähnlichen Konflikts‘ ohne jede Zurückhaltung
oder Verantwortlichkeit. Palästinensische Politiker und
alle, die legitimen Widerstand leisten, können so ‚legal‘
ermordet werden, wobei die Tötung von Zivilisten als
Kollateralschäden gerechtfertigt werden. Unter denselben
Vorzeichen können Tausende von Palästinensern festgenommen
und unbefristet eingesperrt werden, ohne dass ihnen der
Status und die Rechte von Kriegsgefangenen zugestanden
würden. Unglücklicherweise ist das internationale
Staatensystem noch nicht so weit entwickelt, dass seine
Gesetze durchgesetzt werden könnten, sodass es außer Israel
für seine Menschenrechtsverletzungen anzuprangern, wenig
gibt, was wir tun könnten, um seine Übergriffe zu beenden.“
Ein
weiteres Beispiel für den Verrat an diesem Volk darf hier
nicht unerwähnt bleiben: die Wahlen von 2006 in den
besetzten Gebieten. Um den Eindruck wirklich freier Wahlen
zu erwecken, hatten sich selbst die westlichen Staaten und
Israel für die Teilnahme der Hamas an dem Urnengang
ausgesprochen. Die Wahlen waren auch wirklich frei und fair,
wie westliche Bobachter bestätigten. Nur gewann die falsche
Partei: die Hamas. Sie bildete mit ihrem politischen
Widerpart, der Fatah des Präsidenten Abbas, nun eine
Regierung der nationalen Einheit, die der Westen und Israel
wegen der Teilnahme der Hamas aber nicht anerkannten. Israel
ließ sogar die frei gewählten Abgeordneten der Hamas
verhaften. Die Absicht war klar: Das Feindbild von der
„terroristischen“ Hamas musste mit allen Mitteln
aufrechterhalten werden, auch wenn diese inzwischen sehr
milde Töne angeschlagen hatte und bereit war, die
Zweistaatenlösung (aus dem Westjordanland und dem
Gazastreifen) zu akzeptieren, wenn die Palästinenser dem in
einer Volksabstimmung zustimmen würden.
Die Fatah
versuchte nun, im Bündnis mit Israel und den USA gewaltsam
die Macht im Gazastreifen zu erlangen, was aber misslang.
Seitdem regiert die Hamas in Gaza, was für Israel der Grund
für die Verhängung einer Totalblockade über den Streifen
war, die bis heute andauert, als Kollektivstrafe absolut
völkerrechtswidrig ist und die dort lebenden zwei Millionen
Menschen – verstärkt durch die furchtbaren Zerstörungen
dreier Kriege – in Elend und Armut gestürzt hat. Die
Totalabriegelung des Gazastreifens und das Wegsperren der
Palästinenser hinter der großen Mauer im Westjordanland hat
die kanadisch-jüdische Ökonomin Naomi Klein in ihrem Buch
„Die Schockstarre“ als „Warehousing“ (Lagerhaltung)
bezeichnet. Sie begründet das so: „Das ist ein
Netzwerk/Verbundsystem von Freiluftgehegen für Millionen
Menschen, die man als überflüssig eingestuft taxiert hat.
Die Palästinenser sind nicht die einzigen auf der Welt, die
so kategorisiert worden sind, Das Ausrangieren von 25 bis 60
Prozent der Bevölkerung ist das Markenzeichen des Kreuzzuges
der Chicagoer Schule (der neoliberalen
Wirtschaftswissenschaften). In Südafrika, Russland und New
Orleans umgeben sich die Reichen mit Schutzmauern. Israel
hat diesen Absonderungsprozess noch einen Schritt
weitergetrieben, es hat Mauern um die gefährlichen Armen
errichtet“
Israel
hat mit dem „Warehousing“ ein System der totalen Kontrolle
über die Palästinenser geschaffen, wobei es gleichzeitig
versucht, den Konflikt sprachlich zu entpolitisieren und
jeden Bezug auf die Besatzung zu beseitigen. Der
zionistische Staat rechtfertigt das „Warehousing“ mit seiner
Politik der Schaffung von Sicherheit, worunter er die
„Eindämmung des Terrorismus“ versteht. Die Weggesperrten
sind also nach dieser Logik selbst schuld an ihrem
Schicksal. Für Israel hat dieses Ausrangieren noch den
Vorteil, dass die Eingesperrten natürlich keine Partner für
eine Friedenslösung sein können.
Das ist
der Stand der Dinge und Donald Trumps „großer Deal“, was er
auch immer beinhalten wird – angeblich Industriealisierung,
um den Wohlstand der Palästinenser zu heben, sowie ein
bisschen Landtausch – es wird für dieses Volk ein neuer
Verrat sein, denn fragen wird man die Palästinenser auch
diesmal nicht nach ihren Vorstellungen und Wünschen. Es wird
ein neues Diktat sein. Trump hat es schon angedeutet: Es
gebe keine zwei Nationen mit gleichen Rechten in diesem Land
zweier Nationen. Es gebe eine Nation mit einer Hauptstadt
und allen Rechten und eine andere Nation, die weniger wert
sei und keine Rechte habe. Diese andere Nation verdiene
keinen Staat, und sie verdiene auch Jerusalem nicht als
Hauptstadt. Diese andere Nation müsse nun ihre Situation
anerkennen und ihre Ziele an die von ihm (Trump) verkündete
Realität anpassen.
Trumps
Verhältnis zur Realität ist – milde formuliert – nicht sehr
entwickelt. Durch sein Diktat wird der Konflikt Israels mit
den Palästinensern nicht gelöst werden, es wird die
Situation vielmehr verschlimmern, ja auf die Spitze treiben.
Und eins sollte er zur Kenntnis nehmen: die Palästinenser
sind in den letzten hundert Jahren oftmals verraten worden,
aber sie haben einen großen Stolz und werden sich nicht
durch einen plumpen Deal kaufen lassen. Der Widerstand ist
programmiert, dem Nahen Osten stehen turbulente Zeiten
bevor.
Es gibt
noch eine andere Form des Verrats an den Palästinensern, die
sich gerade in Deutschland großer Beliebtheit und
Verbreitung erfreut: sie als „Antisemiten“ und „Terroristen“
zu bezeichnen und sie für den Konflikt mit den Zionisten
allein verantwortlich zu machen. Gerechtigkeit für dieses
leidgeprüfte Volk zu fordern hat etwas mit politischer
Vernunft, aber auch mit Empathie und Humanität zu tun, nicht
mit Antisemitismus. Die Palästinenser haben den deutschen
Faschismus nicht zu verantworten und hatten auch mit dem
Holocaust nichts zu tun.
Der
Konflikt zwischen Zionisten und Palästinensern ist nicht die
Verlängerung des antisemitischen Terrors der Nazis gegen die
Juden, es ist der Kampf eines verratenen und geschundenen
Volkes um seine nackte Existenz, dem seine Heimat, sein
Land, seine Kultur und sein Eigentum genommen worden sind.
Der Kern und das Wesen dieses Konfliktes ist der
kompromisslose zionistische Anspruch auf ein arabisches
Palästina mit den Folgen von Besatzung, Unterdrückung und
Rechtlosigkeit, ja Apartheid. Hierauf ist alle Gewalt (auch
der palästinensische „Terror“) zurückzuführen und nicht auf
einen vermeintlichen Antisemitismus. Wer hier mit dem
Antisemitismusvorwurf argumentiert, will den Konflikt nicht
verstehen, steht in der Gefahr, rassistisch zu argumentieren
und begeht damit einen neuen Verrat an den Palästinensern.
Er verlängert damit aber auch die Leiden der Juden, denn
ohne einen wirklichen und gerechten Frieden zwischen beiden
Völkern werden auch die Juden weitere sinnlose Opfer bringen
müssen.
15.09.2018
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