Zeit
der
Verleumder:
Wenn
die
universalen
Werte
auf
den
Kopf
gestellt
und
wieder
Denkverbote
praktiziert
werden
Zwei
gerade
erschienene
Bücher
nehmen
aus
sehr
verschiedenen
Positionen
zum
israelbezogenen
Antisemitismus
Stellung
Arn
Strohmeyer
-
8.12.2020
Seitdem
Israel
und
seine
Anhänger
den
israelbezogenen
Antisemitismus
erfunden
haben,
gehören
in
Deutschland
Diffamierung
und
Denunziation
zum
politischen
Alltag.
Wenn
es
um
Israels
Besatzungspolitik
oder
BDS
geht,
haben
Differenzierung
und
eine
offene
Debatte
bei
den
Wächtern
über
diesen
neuen
Antisemitismus
keine
Chance.
An
der
Einstellung
zu
Israels
umstrittener
Politik
wird
alles
gemessen
–
sachliche
Feststellungen
und
die
Aufzählung
von
Fakten
gelten
da
nicht
mehr,
alle
kritischen
Aussagen
zum
Thema
werden
von
diesen
Inquisitoren
zum
antisemitischen
Stereotyp
umgedeutet
und
die
Beschuldigten
werden
mit
dem
schlimmsten
Vorwurf
überschwemmt,
den
man
heute
machen
kann:
mit
NS-Vergleichen.
Es
versteht
sich
von
selbst,
dass
solche
Vorwürfe
besonders
schwer
wiegen,
denn
die
Stigmatisierung
als
„Antisemit“
stellt
die
Betroffenen
unmittelbar
in
den
direkten
Zusammenhang
mit
den
monströsen
Verbrechen
der
Nazis,
gipfelnd
im
Holocaust.
Das
ist
gewollt,
denn
jede
Kritik
an
Israels
brutalem
Vorgehen
gegen
die
Palästinenser
soll
erstickt
werden.
Kritiker
sehen
in
dieser
unseligen
Praxis
der
Inquisitoren
des
israelbezogenen
Antisemitismus
mit
Recht
nicht
nur
eine
Gefahr
für
die
im
Grundgesetz
in
Artikel
5
garantierte
Meinungs-
,
Informations-
und
Pressefreiheit
(sowie
auch
für
die
Freiheit
der
Kunst),
sondern
darüber
hinaus
auch
einen
Angriff
auf
die
öffentliche
Kultur
insgesamt,
letztlich
also
auf
die
offene
Gesellschaft.
Es
wäre
ein
absurdes
Paradox,
wenn
Deutschland
aus
dem
Mega-Verbrechen
an
den
europäischen
Juden
nun
die
völlig
falsche
Konsequenz
ziehen
würde
und
durch
die
einseitige
Fixierung
auf
einen
höchst
umstrittenen
und
auch
inhumanen
Antisemitismusbegriff,
der
sich
partikular
und
ausschließlich
auf
Israel
bezieht,
seine
liberale
Verfasstheit
in
Frage
stellen
würde.
Zwei
jetzt
erschienene
Bücher
zeigen
die
Polarisierung
auf,
die
durch
den
erbitterten
Streit
um
den
israelbezogenen
Antisemitismus
in
Deutschland
entstanden
ist.
Wobei
die
Kritiker
der
israelischen
Politik
ja
die
Existenz
von
Antisemitismus
hierzulande
gar
nicht
leugnen
(der
„alte,
klassische“
Antisemitismus
feiert
im
rechtsextremen
Lager
weiter
verhängnisvolle
Urständ),
sondern
wehren
sich
dagegen,
dass
der
Vorwurf
des
israelbezogenen
Antisemitismus
diffamierend
und
denunziatorisch
gegen
Menschen
erhoben
wird,
die
sich
für
Frieden
und
Menschenrechte
für
ein
von
Okkupation
und
Unterdrückung
gepeinigtes
Volk
einsetzen.
Der
Streit
dreht
sich
letzten
Endes
um
die
Definition
des
neuen
israelbezogenen
Antisemitismus,
also
im
Kern
um
die
Frage
der
deutschen
Staatsräson
und
die
Legitimität
partikularer
israelischer
Interessen
in
Konkurrenz
zu
völkerrechtlichen
Prinzipien.
(Wolfgang
Benz)
Der
deutsch-jüdische
Publizist
Ronen
Steinke
erhebt
in
seinem
Buch
Terror
gegen
Juden.
Wie
antisemitische
Gewalt
erstarkt
und
der
Staat
versagt.
Eine
Anklage
schwere
Vorwürfe
gegen
den
deutschen
Staat
und
die
deutsche
Zivilgesellschaft:
Juden
sind
in
Deutschland,
obwohl
hochgefährdet,
so
gut
wie
nicht
geschützt;
die
notwenigen
Sicherheitsmaßnahmen
werden
weitgehend
nicht
vom
deutschen
Steuerzahler
beglichen,
sondern
hier
müssen
der
Staat
Israel
und
die
israelische
Botschaft
finanziell
eingreifen;
dieser
Staat
schickt
auch
Sicherheitsexperten,
weil
die
deutsche
Polizei
offensichtlich
unfähig
oder
unwillig
ist,
Juden
hierzulande
zu
schützen,
wie
der
Autor
am
Fall
des
Anschlags
auf
die
Synagoge
in
Halle
zu
belegen
versucht.
Aber
damit
nicht
genug:
Jüdische
Kinder
müssen
aus
Sicherheitsgründen
in
ihren
Schulen
abgeschottet
hinter
dicken
Mauern
unterrichtet
werden;
die
deutsche
Justiz
ist
in
den
Angelegenheiten,
die
Juden
betreffen,
meistens
blind,
Muslime
werden
dagegen
von
ihr
bevorzugt
behandelt;
die
Statistiken
der
Sicherheitsbehörden
erfassen
antisemitische
Straftaten
nicht
exakt,
weil
solche
Delikte
in
die
Kategorie
„rechtsextrem“
eingeordnet
werden;
nur
die
wenigsten
antisemitischen
Straftaten
würden
überhaupt
gemeldet
und
angezeigt.
Kurz
gefasst:
Der
deutsche
Rechtsstaat
versagt
was
Juden
angeht
in
diesem
Land
auf
der
ganzen
Linie.
Steinke
fasst
diesen
Sachverhalt
so
zusammen:
„Ein
Rechtsstaat
beruht
auf
dem
Anspruch,
dass
zwischen
Menschen
nicht
einfach
das
Recht
des
Stärkeren
herrscht,
und
wenn
eine
ganze
Gruppe
der
Gesellschaft
weithin
davon
absieht,
den
Apparat
aus
Polizei
und
Justiz
zu
ihrem
Schutz
zu
nutzen,
dann
versagt
der
Staat
an
diesem
Anspruch.“
Der
Autor
registriert
bei
antisemitischen
Vorfällen
ein
„riesiges
Dunkelfeld:
„Die
Folge
ist
auch
ein
riesiger
Raum
der
Straflosigkeit
für
die
Täter,
ein
Raum,
in
dem
der
Hochmut
wächst.“
Antisemitismus
und
Terror
gegen
Juden
also
überall
in
Deutschland,
wohin
man
blickt.
Ist
das
wirklich
der
richtige
Blick
auf
jüdisches
Leben
in
diesem
Land?
Dass
es
den
„alten
Antisemitismus
bei
den
Rechten
natürlich
noch
gibt,
ist
für
den
Autor
unbestritten,
aber
er
sieht
Antisemitismus
vor
allem
bei
den
Linken,
die
den
israelbezogenen
Antisemitismus
praktizieren:
„Das
psychologische
Setting
ist
das
einer
süßen
Versuchung.
Endlich
ist
da
eine
Möglichkeit,
komplexe
Dinge
wohlig
wegzuerklären,
dass
man
selbst
sich
besser
fühlt,
sich
aufwertet
und
das
Schlechte
und
das
auch
nur
Verwirrende
dem
Anderen,
dem
Fremden,
zuschieben
kann.
Süßer
noch:
Immer
hat
der
Antisemit
dabei
auch
das
heroische
–
auch
für
Menschen,
die
sich
für
links
halten,
attraktive
–
Gefühl,
dass
er
nicht
bloß
nach
unten
trete
wie
der
schnöde
Rassist.
Sondern
nach
oben.
Gegen
eine
Gruppe,
die
geheimnisvoll
Mittel
und
Privilegien
habe“.
In
diesem
letzten
Satz
steckt
natürlich
der
Vorwurf,
dass
jede
Kritik
an
ungerechten
sozialen
Zuständen,
wie
sie
der
neoliberale
Kapitalismus
produziert,
antisemitisch
ist.
Zudem
sind
diese
Sätze
sehr
kryptisch,
was
meint
der
Autor
wirklich?
An
dieser
Stelle
hätte
er
ehrlich
Ross
und
Reiter
nennen
müssen.
Bei
solchen
Terror-Zuständen
gegen
Juden
in
Deutschland
– so
der
Titel
seines
Buches
–
denkt
der
Autor
zwar
noch
nicht
ans
Kofferpacken,
aber
er
sieht
bei
den
Juden
in
Deutschland
„Angst,
Einschüchterung
und
Rückzug“,
und
er
zitiert
den
Thüringer
Chef
des
Verfassungsschutzes
Stefan
Kramer,
der
früher
Generalsekretär
des
Zentralrats
der
Juden
in
Deutschland
war.
Dieser
bekannte:
Sollte
die
AfD
in
Regierungsverantwortung
kommen,
dann
würde
er
sehr
ernste
Reisevorbereitungen
treffen.
Warum
eigentlich,
fragt
man
sich
da,
wo
doch
AfD-Vertreter
und
andere
rechtspopulistische
Politiker
(sogar
Antisemiten
wie
der
ungarische
Regierungschef
Orban)
mit
allen
Ehren
in
Israel
empfangen
werden
und
in
der
Gedenkstätte
Yad
Vashem
sogar
Kränze
niederlegen
dürfen.
Steinke
selbst
denkt
noch
nicht
ans
Auswandern:
„Aber
so
langsam
sollte
man
sich
darauf
vorbereiten,
die
Koffer
schon
einmal
vom
Dachboden
holen
und
abstauben.“
Steinkes
Ausführungen
strotzen
nur
so
von
Einseitigkeit
und
Undiffenrenziertheit.
Hat
der
deutsche
Staat
nicht
viel
Geld
ausgegeben
und
tut
das
immer
noch,
um
jüdisches
Leben
in
Deutschland
wieder
möglich
zu
machen?
In
Steinkes
Buch
erfährt
man
kein
Wort
davon.
Dass
die
deutsche
Politik
bis
zur
Selbsterniedrigung
Vorgaben
und
Forderungen
Israels
und
des
Zentralrats
erfüllt,
siehe
die
geschenkten
U-Boote
an
diesen
Staat,
siehe
den
BDS-Beschluss
des
Bundestages
und
siehe
die
Vorgänge
um
das
Jüdische
Museum
in
Berlin
–
kein
Wort
davon.
Die
BDS-Resolution
kommt
den
Interessen
Israels
und
vieler
einflussreicher
Juden
mit
der
Einschränkung
der
Meinungsfreiheit
bis
zum
Verfassungsbruch
entgegen.
Auch
über
den
evidenten
Zusammenhang
von
Antisemitismus
bzw.
Antizionismus
und
der
brutalen
Politik
Israels
gegenüber
den
Palästinensern
in
Deutschland
und
der
Welt
schweigt
Steinke.
Wenn
unter
deutschen
Juden
Koffer-holen-vom
Dachboden
angesagt
ist,
warum
sind
dann
30
000
junge
Israelis
nach
Berlin
eingewandert
und
fühlen
sich
dort
offenbar
sehr
wohl.
Auch
darauf
gibt
Steinke
keine
Antwort.
Auf
die
sehr
engen
Beziehungen
der
jüdischen
Gemeinden
in
Deutschland
zu
Israel
(sie
werden
von
der
dortigen
Regierung
als
„Botschafter“
Israels
angesehen),
geht
der
Autor
nicht
ein.
Dieses
Fass
will
er
offensichtlich
nicht
aufmachen.
Dieser
Autor
erweist
sich
mit
seinem
Buch
als
strammer
jüdischer
Partikularist,
der
nur
die
Interessen
seiner
jüdischen
Klientel
im
Auge
hat
und
jede
universalistische
Perspektive,
die
Teile
des
heutigen
Judentums
und
der
Staat
Israel
so
nötig
haben,
vermissen
lässt.
Gerade
dieser
Mangel
ist,
darauf
weisen
auch
israelische
Intellektuelle
immer
wieder
hin,
ein
wichtiger
Faktor
für
das
Anwachsen
und
die
Ausbreitung
des
von
Steinke
so
beklagten
und
angeklagten
Antisemitismus.
Sein
Buch
leistet
solchen
Tendenzen
eher
Vorschub,
als
dass
es
zu
ihrem
Abbau
beiträgt.
Sehr
viel
differenzierter
und
aufklärerischer
geht
Karin
Wetterau
mit
dem
Problem
Antisemitismus
in
ihrem
Buch
Neuer
Antisemitismus?
Spurensuche
in
den
Abgründen
einer
politischen
Kampagne
um.
Der
Titel
sagt
es:
Sie
sieht
in
dem,
was
Israel
und
seine
Anhänger
heute
anklagend
als
„israelbezogenen
neuen
Antisemitismus“
ausgeben,
schlicht
eine
politische
Kampagne,
leugnet
aber
natürlich
den
weiter
existierenden
alten
auf
Rasse
gründenden
Antisemitismus
in
der
rechten
Szene
und
seine
Gefahren
nicht.
(Wobei
anzumerken
ist,
dass
auch
eine
überzogene
Kritik
am
Staat
Israel
oder
seiner
Politik
antisemitisch
sein
kann,
wenn
sie
typische
antisemitische
Stereotype
benutzt.)
Die
Autorin
legt
sehr
überzeugend
dar,
wie
die
Wächter
über
den
israelbezogenen
Antisemitismus
(auch
Antisemitismus-Jäger
genannt)
gerade
die
Vertreter
universalistischer
Werte,
die
sich
gegen
das
Vergessen,
gegen
Rassismus
und
Antisemitismus
sowie
für
mahnendes
Erinnern,
Frieden,
Menschenrechte
und
Völkerrecht
einsetzen,
vor
ihre
Inquisitionstribunale
ziehen
und
sie
dort
als
„Judenhasser“
anklagen.
Die
Autorin
schreibt:
„Sachliche
Feststellungen
werden
anklagend
zum
antisemitischen
Stereotyp
umgedeutet
oder
auf
Verschwörungstheorien
zurückgeführt.
Die
Beschuldigten
werden
mit
Nazi-Vergleichen
traktiert.
Die
Benennung
von
Fakten
wird
als
Dämonisierung
interpretiert
und
das
fehlende
Schuldbekenntnis
wird
zum
Anlass
von
Häme
und
persönlicher
Diffamierung.“
Mit
anderen
Worten:
Diese
Antisemitismuswächter
stellen
alle
tradierten
Werte
auf
den
Kopf,
um
ihr
Ziel
zu
erreichen:
die
israelische
Politik
gegenüber
den
Palästinensern
vor
Kritik
zu
immunisieren.
Anhand
der
BDS-Resolution
des
Bundestages
und
der
Vorgänge
um
das
Jüdische
Museum
in
Berlin
sowie
der
Verleihung
des
Göttinger
Friedenspreises
legt
die
Autorin
dar,
wie
stark
der
politische
jüdische
oder
israelische
Einfluss
in
Deutschland
inzwischen
ist.
Es
gibt
weitere
haarsträubende
Beispiele:
Raumverbote
für
Veranstaltungen,
die
den
Nahost-Konflikt
zum
Inhalt
haben
und
nur
irgendwie
im
Verdacht
stehen,
Israels
Politik
zu
kritisieren
oder
BDS
anzusprechen;
die
Absage
von
Vorträgen
sogar
israelischer
Referenten,
wenn
diese
der
deutschen
Staatsräson
gegenüber
Israel
politisch
nicht
koscher
erscheinen
–
etwa
auf
dem
Evangelischen
Kirchentag
und
anderswo;
Kontensperrungen
der
Bank
für
Sozialwirtschaft
für
eine
Israels
Politik
gegenüber
kritische
jüdische
Organisation
und
ihre
Mitglieder;
Auftrittsverbote
für
jüdische
Künstler/innen
wie
etwa
für
Nirit
Sommerfeld
in
München;
der
Skandal
um
die
Ausladung
des
afrikanischen
Philosophen
Achille
Mbembe
für
einen
Vortrag
bei
den
Ruhrfestspielen,
weil
ihm
antisemitische
Äußerungen
in
Bezug
auf
Israel
unterstellt
wurden.
Und,
und…
Die
Liste
der
Rede-
und
Auftrittsverbote
amtlicherseits
mit
verleumderischen
Begründungen,
der
Verhinderung
und
Behinderung
von
Veranstaltungen
oder
Ausstellungen
(wie
die
über
die
Nakba),
die
Kritik
an
Israel
zum
Inhalt
haben
könnten,
wird
immer
länger.
Ist
Deutschland
geistig-kulturell
auf
dem
Weg
zurück
ins
Mittelalter?
Die
Autorin
macht
für
diese
äußerst
bedenklichen
Erscheinungen
die
völlige
Entgrenzung
des
Antisemitismus-Begriffs
verantwortlich,
in
dessen
Mittelpunkt
nicht
mehr
die
alte
christliche
Judenfeindschaft
bzw.
der
rassistische
Antisemitismus
der
Moderne
als
eine
gegen
Minderheiten
gerichtete
Form
von
Menschenfeindlichkeit
stehe,
sondern
das
kritische
Verhältnis
zur
Politik
des
israelischen
Staates.
Die
politische
Folge
ist
dann
(und
die
ist
durchaus
beabsichtigt),
dass
die
Perspektive
auf
die
Problematik
des
israelischen
Konflikts
mit
den
Palästinensern
unzulässig
verengt
wird
und
– so
die
Autorin
– an
die
Stelle
notweniger
und
verantwortungsbewusster
Kritik
Sprachlosigkeit
und
Wegsehen
treten
einschließlich
des
schuldhaften
Beschweigens
der
völkerrechtswidrigen
und
menschenrechtsverletzenden
Politik
des
israelischen
Staates
gegenüber
den
„sekundären
Opfern“
des
Holocaust,
den
Palästinensern.
Man
kann
zur
Bestätigung
der
Thesen
der
Autorin
an
dieser
Stelle
die
Ausführungen
des
israelischen
Historikers
und
Holocaust-Forschers
Daniel
Blatman
von
der
Universität
Jerusalem
anführen,
die
die
Autorin
in
ihrem
Buch
gar
nicht
erwähnt.
Blatman
leugnet
nicht
die
Existenz
von
Antisemitismus
in
den
westlichen
Gesellschaften,
schiebt
aber
der
ultrarechten
Regierung
des
Ministerpräsidenten
Benjamin
Netanjahu
die
ursächliche
Verbreitung
von
Antisemitismus
zu.
Er
schreibt:
„Der
traditionelle,
vertraute
Antisemitismus
war
gekennzeichnet
durch
eine
vielfältige
Feindseligkeit
gegenüber
Juden
und
Judentum,
die
Dämonisierung
der
Juden,
die
Beschäftigung
mit
ihren
kollektiven
Eigenschaften
und
ihren
Geschäftsbeziehungen
sowie
Mythen
und
Stereotypen,
die
den
Juden
als
inkarnierten
Teufel
darstellten.
Der
neue
Antisemitismus
der
heutigen
europäischen
nationalistischen
Populisten,
deren
Definition
Deutschland
übernommen
hat,
könnte
als
funktionaler
Antisemitismus
definiert
werden.
Er
basiert
auf
dem
Prinzip,
dass
jeder,
den
bestimmte
Juden
als
antisemitisch
definieren
wollen,
als
solcher
definiert
wird.
Mit
anderen
Worten,
es
handelt
sich
nicht
mehr
um
einen
Antisemitismus,
der
zwischen
Juden
und
Nichtjuden
nach
Kriterien
wie
Religion,
Kultur,
Nationalität
oder
Rasse
unterscheidet,
sondern
um
einen,
der
zwischen
Antisemiten
und
Nicht-Antisemiten
unterscheidet,
nach
Kriterien,
die
von
der
israelischen
Regierung
und
von
Juden
und
Nichtjuden,
die
ihn
unterstützen,
in
Deutschland
und
anderen
Ländern
aufgestellt
werden.
Was
hier
geschieht,
ist
nicht
weniger
als
eine
historische
Revolution
im
Verständnis
des
Antisemitismus:
Antisemitische
Deutsche
definieren
nicht
mehr,
wer
Jude
ist,
der
aus
der
Gesellschaft
verbannt
werden
muss,
sondern
bestimmte
Juden
definieren,
wer
ein
Antisemit
oder
ein
Philosemit
ist,
und
die
Deutschen
nehmen
ihre
Meinung
an.
Funktionaler
Antisemitismus
definiert
Juden
und
Nichtjuden
gleichermaßen
als
Antisemiten,
basierend
auf
einer
Reihe
von
Eigenschaften,
die
dem
aktuellen
Nationalismus
Israels
entsprechen.“
Die
aktuelle
Situation
in
Sachen
Antisemitismus
in
Deutschland
bezeichnet
er
als
„Hexenjagd“.
So
weit
der
Israel
Daniel
Blatman.
Karin
Wetterau
belegt
in
ihrem
Buch
diesen
Tatbestand
sehr
überzeugend,
dass
der
deutsche
Diskurs
über
Israel
und
Antisemitismus
weitgehend
von
Rufmordkampagnen
und
Hexenjagden
auf
die
Kritiker
der
israelischen
Politik
geprägt
ist,
dass
die
Angriffe
also
auf
Leute
zielen,
die
sich
nach
Meinung
beamteter
und
selbsternannter
Antisemitismuswächter
antiisraelischer
Umtriebe
schuldig
machen.
Diese
Hysterie
hat
paranoiden
Charakter
und
hat
das
politische
Klima
im
Land
völlig
vergiftet.
Da
die
Wächter
über
den
neuen
israelbezogenen
Antisemitismus
in
ihrem
Blick
auf
Israels
Politik
jeden
Realismus
verloren
haben
und
hinter
jeder
Kritik
gleich
die
„Auslöschung“
Israels
sehen,
begehen
sie
eine
dreifache
Sünde:
Sie
unterschätzen
und
verdrängen
die
Gefahren
für
Israel,
die
in
einer
so
unrealistischen
Sicht
eingebettet
sind;
sie
sorgen
dafür,
dass
der
Antisemitismus-Begriff
seine
Bedeutung
verliert
und
zur
beliebigen
ideologischen
Waffe
wird,
was
dem
Kampf
gegen
den
wirklichen
Antisemitismus
nur
schaden
kann;
und
sie
leisten
durch
ihr
inquisitorisches
Vorgehen
der
Demokratie,
der
offenen
Gesellschaft
und
damit
der
liberalen
Kultur
im
Land
einen
Bärendienst.
Diese
Gefahren
des
israelbezogenen
Antisemitismus
klar
zu
aufzuzeigen,
ist
das
große
Verdienst
des
Buches
von
Karin
Wetterau.
Es
ist
ihr
zu
danken,
dass
sie
dieses
heiße
Eisen
mit
Mut
und
Überzeugungskraft
angepackt
hat.
Denn
Courage
und
Verantwortungsbewusstsein
sind
gefragt
und
nicht
feiges
Wegsehen
und
Verdrängen.
Steinke,
Ronen:
Terror
gegen
Juden.
Wie
antisemitische
Gewalt
erstarkt
und
der
Staat
versagt.
Eine
Anklage,
Berlin/
München
2020,
ISBN
978-3-8270-1425-2,
18
Euro
Wetterau,
Karin:
Neuer
Antisemitismus?
Spurensuche
in
den
Abgründen
einer
politischen
Kampagne,
Bielefeld
2020,
ISBN
978-3-8498-1701-5,
18
Euro
8.12.2020