Der Krieg gegen
das palästinensische Volk wird weiter gehen
Wie sich Trumps Nahost-Plan genau in die
außenpolitische Konzeption der USA und Israels
einfügt
Arn Strohmeyer
Halper, Jeff
War against People. Israel, the
Patestiniens and global Pacification
Pluto Press London 2015
ISBN 978-0-7453-3430-1 |
Der israelische Anthropologe und Aktivist Jeff
Halper hat im Jahr 2015 das Buch „War against
the people“ (Krieg gegen das Volk)
herausgebracht, für das wohl nicht zufällig
keine deutsche Übersetzung vorliegt, denn es hat
eine tabulose Analyse zum Inhalt, wie das
israelische Besatzungssystem über die
Palästinenser funktioniert. Offenbar scheuen
Verlage inzwischen davor zurück, in einer Zeit,
in der sogar jüdische Kritiker der israelischen
Politik in Deutschland als „Antisemiten“
dämonisiert werden, ein solches Werk zu
veröffentlichen.
Halper stellt im Detail die „Befriedungs“-Methoden
dar, das heißt die Institutionen,
Organisationen, die Waffen und die
Kontrolltechniken, mit denen Israel die
Herrschaft über die Palästinenser aufrechterhält
und bei deren Ausübung die Grenzen zwischen
Militär, Geheimdiensten und Polizei aufgehoben
sind. Um die Besatzung abzusichern, hat Israel
spezielle Waffen- und Überwachungstechniken
entwickelt, die es auf den internationalen
Märkten inzwischen sehr erfolgreich verkauft.
Halper beschränkt sich in seiner Darstellung
aber nicht auf Israel und seine „Befriedungs“-Politik,
sondern ordnet sie in das außenpolitische,
ökonomische und militärische Konzept der
führenden Weltmacht USA ein, deren Hauptziel die
vollständige Kontrolle des Globus ist. Danach
gibt es, wie amerikanische Politiker immer
wieder betonen, keine Region auf der Welt, die
nicht amerikanisches Interessengebiet ist. Wobei
die Erhaltung und Absicherung des
kapitalistischen, neoliberalen
Wirtschaftssystems absoluten Vorrang genießt.
Wichtig ist dabei zu beachten, dass die
Kriegsführung in den letzten Jahrzehnten durch
die Entwicklung neuer Techniken eine
revolutionäre Veränderung erfahren hat. Es geht
dabei kaum noch um gewaltsame
Auseinandersetzungen mit konventionellen Waffen
zwischen Staaten, sondern um den mit
high-tech-Waffen geführten Krieg, der gerade
auch aufrührerische und nicht-staatliche Akteure
(wie etwa die Palästinenser, die Hisbollah, die
Taliban) „befrieden“ und sie der totalen
Kontrolle und Überwachung des Welt-Hegemons
unterwerfen soll. Menschenrechte und Völkerrecht
spielen dabei keine Rolle, sie werden
bestenfalls für propagandistische Zwecke
instrumentalisiert, wenn man
Rechtfertigungsargumente im Kampf gegen die
„Terroristen“ braucht, um sie besser
dämonisieren zu können.
In diesem US-Konzept spielen die Verbündeten der
USA eine wichtige Rolle, ganz besonders
natürlich Israel, das der amerikanischen
Weltmacht politisch, militärisch und
wirtschaftlich-finanziell engstens verbunden
ist. Als kleines Land hat Israel „Nischen“ in
diesem Konzept der globalen Kontrolle gefunden,
die es äußerst erfolgreich ausfüllt.
Ausgangspunkt ist dabei die Besatzung über die
Palästinenser. Von ihr ausgehend hat Israel
Fertigkeiten, Taktiken und Instrumente der
Beherrschung über dieses Volk entwickelt, die
diesen Staat zu einem führenden globalen
Vertreter der Kriegsführung für „Sicherheit und
Kontrolle“ macht.
Das heißt: Israel hat aus der
Besatzungssituation nicht den Auftrag und das
Ziel abgeleitet, mit den Palästinensern zu einer
dauerhaften Friedenslösung zu kommen, sondern
macht aus der Okkupation ein gigantisches
Geschäft. Es hat die „Nische“ in der Weise
genutzt, dass es speziell auf die
Aufrechterhaltung der Besatzung ausgerichtet
high-tech-Waffen und Systeme zur Überwachung und
Kontrolle von Menschen entwickelt hat, die es in
viele Staaten exportiert und Israel in die erste
Reihe der Waffenproduzenten der Welt gebracht
hat. Israel kann bei seinem weltweiten Marketing
für seine Systeme stolz betonen, dass sie „in
der Praxis“ (das heißt an den Palästinensern)
getestet worden seien. Dass solche Waffen und
Kontroll- sowie Überwachungssysteme besonders
bei Potentaten, die ihre Völker in Schach halten
wollen, große Zustimmung finden, also nicht
gerade Demokratie-fördernd sind, versteht sich
von selbst.
Halper schreibt dazu: „Wie könnte Israel ohne
die Besatzung und den permanent andauernden
Konflikt seine internationale Position
aufrechterhalten? Die Okkupation stellt für
Israel eine Ressource im doppelten Sinne dar:
Ökonomisch ist die Besatzung der Test-Grund für
die Entwicklung von Waffen, Sicherheitssystemen,
Modellen der Kontrolle über Menschen sowie von
Taktiken, ohne die Israel nicht in der Lage
wäre, auf dem internationalen Waffen- und
Sicherheitsmarkt konkurrenzfähig zu sein. Aber
nicht weniger wichtig ist, dass Israel als
führende Militärmacht, die Waffen- und
Sicherheitskomponenten in die ganze Welt
liefert, aber ohne die Besatzung seinen
internationalen Status unter den globalen
Führungsmächten verlieren würde. Israel ist ein
kleines Land, das sich bemüht, seine Nische im
transnationalen militärisch-industriellen
Komplex zu erhalten. Wo würde es ohne die
Besatzung und den Konflikt mit den
Palästinensern, den es selbst erzeugt hat,
bleiben?“
Diese Ausführungen machen verständlich, worum es
Trump mit seinem „Jahrhundert-Plan“ für den
Nahen Osten und Israel geht: um die unbedingte
Aufrechterhaltung der Besatzung – verkleidet in
eine lächerliche „Zweisaatenlösung“. Der
Trump-Plan, der in völligem Einvernehmen mit
Israel erarbeitet worden ist, enthält alle
Elemente, dass sich an dem gegenwärtigen für
Israel so nützlichen Besatzungsstatus nicht das
geringste ändert. Denn der „Staat“, dessen
Bildung Trump vorschlägt, ist kein „Staat“,
sondern ein total isoliertes Reservat oder
Bantustan mitten in einem zionistischen
Großisrael, da die Palästinenser in keiner
Hinsicht über wirkliche Souveränität verfügen
würden. Sie hätten keine Kontrolle über ihre
eigenen Grenzen und den Luftraum, denn die
„Sicherheit“ würde bis zu einem unbestimmten
Zeitpunkt, den die Regierung in Jerusalem
bestimmt, in den Händen von Israels bewaffneten
Kräften liegen. Der neue „Staat“ soll
unbewaffnet sein, dürfte also keine Armee, die
die eigene Bevölkerung schützt, besitzen. Der
Palästinenser Edward Said hatte schon an den
Oslo-Verträgen von 1993 sarkastisch kritisiert,
dass diese den Palästinensern lediglich erlauben
würden, nun ihre eigene Müllabfuhr zu regeln.
Das wiederholt sich jetzt. Israel würde also
nach bei Realisierung des „Jahrhundert-Plans“
weiter die vollständige Kontrolle über die
palästinensische Bevölkerung ausüben können und
alle oben geschilderten Vorteile aus der
Besatzung haben. Es würde sich am gegenwärtigen
Zustand also nichts ändern. Trumps
„Friedensplan“ hat so gesehen mit wirklichem
Frieden nichts zu tun, er ist nichts weiter als
die Fortsetzung des „Krieges gegen das
palästinensische Volk“.
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