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Philosoph Achille Mbembe

Unter "Antisemitismusverdacht"

 Patrick Bahners -  17.04.2020 - "Sollte man nicht annehmen, dass ein in Johannesburg lehrender Afrikaner weiß, wovon er redet, wenn er von Apartheid spricht? (...) Neuer Streit um die Ruhrtriennale und Israel: Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung wirft dem Philosophen Achille Mbembe vor, den Holocaust zu relativieren. (...) Diese Warnung hat Felix Klein, der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, in der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ geäußert."


 

RUHRTRIENNALE - Festival der Künste - Festivalrede    >>>

Offener Brief - kulturpolitischen Sprecher FDP-Fraktion im NRW Landtag, Lorenz Deutsch >>>

2005 BDS  Aufruf Palästina
2015 - Deutschlandweiter BDS-Aufruf

Sonderseiten zu BDS

 

24. 6. 2020

 

Boykott und Erinnerung
Kritiker der israelischen Besatzungspolitik wie Achille Mbembe sind derzeit heftigen Angriffen ausgesetzt. Ihre Haltung zeugt von der Bedeutung der antikolonialen Befreiungs- und Unabhängigkeitskriege für die Durchsetzung universeller Menschenrechte
 Norman Paech  - 24.06.2020

(...) Stéphane Hessel berichtete von einem Treffen der Überlebenden vom KZ Mittelbau-Dora, aus dem er kurz vor Kriegsende fliehen konnte, dass er bei einer kurzen Rede auf die Situation der Palästinenser zu sprechen kam und damit einen Eklat unter den Anwesenden auslöste. Wir müssen uns eingestehen, dass ein kritischer Blick auf das Land, welches der Zufluchtsort der meisten Überlebenden des Holocaust wurde, auf den Gedenkveranstaltungen nach wie vor nicht möglich ist. Das ist nicht den Kritikern der israelischen Politik anzulasten. Die Verbindung des Blicks in die Vergangenheit mit dem Blick auf die Probleme der israelisch-palästinensischen Gegenwart widerspricht offenbar dem aktuellen Verständnis der Gedenk- und Erinnerungskultur.

Doch stellt sich die Frage, ob beides unbedingt zusammengehört und nicht voneinander zu trennen ist. Lässt sich die aktuelle israelische Politik nicht ohne den Blick auf den Holocaust kritisieren? Unterstellt, es wäre so, was folgt daraus? Geriete damit das Postulat der Singularität des Holocaust in Gefahr und würde damit seine Relativierung betrieben? Offensichtlich nicht, wie ich noch erläutern werde. Umgekehrt wird jedoch aus der Forderung, den Blick auf den aktuellen Konflikt aus der Perspektive des Holocaust zu richten, alsbald die Forderung, die Kritik an der Besatzungspolitik zu revidieren und hinter der Erinnerung an das Jahrhundertverbrechen verschwinden zu lassen. Dann müsste im Zeichen des postkolonialen Diskurses und der Weiterentwicklung der Erinnerungskultur auf die Kategorien des Siedlerkolonialismus und der Apartheid bei der Analyse der israelischen Politik verzichtet und diese als historisch falsch, delegitimierend und dämonisierend entsorgt werden, wie es jüngst eine Politikerin von Bündnis 90/Die Grünen in der Tageszeitung gefordert hat.⁴ Auch Chervel wirft Mbembe Geschichtsverfälschung vor, um die beiden inkriminierten Kategorien auszuschalten. Er warnt zugleich, dass die Verabsolutierung der eigenen Erfahrung immer zur Relativierung der Erfahrung des anderen führt. Dies ist jedoch genau die Strategie der israelischen Politik und ihrer hiesigen Verteidiger. Die eigene Erfahrung des Holocaust wird gegen die Erfahrung der Nakba und ihrer Folgen in Stellung gebracht und mit der Unvergleichbarkeit beider Ereignisse die Dominanz der eigenen Erfahrung eingefordert.
Trennung der Erfahrungen

Das führt nicht zum Dialog, sondern zum Ausschluss, wie es die vergangenen Jahrzehnte erwiesen haben. Wir entkommen dieser Sackgasse der gegenseitigen Erfahrungen nur, wenn wir sie voneinander entkoppeln und in ihrem jeweiligen historischen Kontext belassen. Dann wird deutlich, dass Mbembes Blick aus der Geschichte des Kolonialismus genauso wie der der anderen postkolonialen Kritiker nicht auf den Holocaust gerichtet ist, sondern auf die israelische Besatzungspolitik. Die Singularität des Holocaust steht nicht zur Debatte, ist nicht das Thema der Kolonialismus- und Apartheidkritiker. Aus diesem Blickwinkel kann eine Relativierung oder gar Leugnung der Singularität nicht hergeleitet werden. Mbembes Erfahrung »öffnete ihm die Augen für den Schmerz, der gegenwärtig den Palästinensern angetan wird«, wie Jan Assmann schreibt. Daraus können wir aber nicht schließen, dass er die Erfahrung des Holocaust nicht sieht. Ist es ihm vorzuwerfen, dass er sich um das aktuellere, schärfere Problem kümmert? Haben Nakba und Besatzung nicht eine eigene Geschichte und Erinnerung auch ohne Holocaust? Welchen hermeneutischen Wert hat der Holocaust für die Wahrnehmung der aktuellen Gewalt? Edward Said hat die Palästinenser gemahnt, die Bedeutung des Holocaust für die Juden im Land nicht zu vergessen. Jassir Arafat hat diese Mahnung ernst genommen und schon 1988 den Staat Israel und damit seine Existenzberechtigung auf palästinensischem Land anerkannt. Er erhoffte damals, die gleiche Anerkennung für seinen palästinensischen Staat von den Israelis zu bekommen – bis heute vergebens. Das war die volle Anerkennung des Holocaust, die darüber hinaus aber nicht die Aufgabe des Kampfes um einen eigenen Staat und ein menschenwürdiges Leben in Unabhängigkeit verlangte – auch mit Mitteln des Boykotts.

Erst die Trennung der beiden Erfahrungen voneinander und die Entlastung einer jeden von der anderen eröffnet die Möglichkeit der Wiederannäherung im Dialog. Dann kann die   >>>

 

 

 

 

27. 5. 2020

Streitgespräch
Mbembe und der Antisemitismus-Vorwurf
Alan Posener und Stephan Detjen im Gespräch mit Anke Schaefer - 26. 5. 2020

(...) Zu diesem Streit, den ich jetzt hier skizziert habe, haben Sie beide, Herr Posener und Herr Detjen, geschrieben. Stephan Detjen einen Kommentar im Deutschlandfunk, und Alan Posener hat geantwortet auf diesen Kommentar im Autoren-Blog "starke-meinungen.de"  [https://starke-meinungen.de/blog/2020/05/24/der-gute-herr-detjen-und-der-finstere-herr-klein/ ].

Herr Detjen, was Sie monieren in Ihrem Kommentar, dass also der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein Achille Mbembe aus dem deutschen Diskurs verbannen will, sich als diskursiver Schrankenwächter betätigt, so nennen sie das. Ist das für Sie hier das eigentliche Problem?


"Eingriff in den öffentlichen Diskurs"
- Stephan Detjen: Na ja, das habe ich so nicht gesagt. Ich habe mir diese Diskussion angeschaut, und das haben Sie ja angedeutet in Ihrer Anmoderation, die sehr vielschichtige Ebenen hat. Es geht um Erinnerungskultur. Es geht um die Konfrontation deutscher, für uns, für unser Staatsverständnis, für unsere Kultur, unsere Staatsraison konstitutive Geschichtsnarrative in Deutschland mit anderen Narrativen, mit anderen Erzählungen von Unterdrückungsgeschichten, der Sklaverei, des Kolonialismus, die in Reibung miteinander geraten. Und es geht dann, das ist ja auch deutlich geworden in Ihrer Anmoderation, um den Fixpunkt Israel, an dem hier die Brennflächen entstehen, an dem das immer wieder kulminiert.

In der Tat habe ich mir als politischer Korrespondent angeschaut, wie die Bundesregierung in Gestalt ihres Antisemitismusbeauftragten, Felix Klein, und des Bundesinnenministeriums hier agiert. Man muss an der Stelle klarstellen, nicht Felix Klein hat Mbembe von der Ruhrtriennale ausgeladen, aber er hat diese Ausladung verlangt, gefordert, mit seiner regierungsamtlichen Autorität.

Das ist ein Eingriff in einen öffentlichen Diskurs. Und ich habe auch nicht gesagt, dass er aus dem öffentlichen Diskurs verbannt wird. Aber durch das, was hier passiert, und dieser Fall ist symptomatisch, dass ein wesentlicher Teil des deutschen Diskursraums - nämlich es geht hier um mit öffentlichen Geldern finanzierte, bereitgestellte Kulturräume, Kulturfestivals, städtische Theater, kommunale Einrichtungen -, dass dieser Teil mit dieser fragwürdigen Argumentation, die hier gegen Mbembe von Regierungsseite vorgebracht wird, gesperrt werden soll für Mbembe und für andere Autoren, für Intellektuelle, für Künstler, für Wissenschaftler, denen mit einem - so habe ich das formuliert - entgrenzten Antisemitismusbegriff das Label antisemitischer Geisteshaltung oder Argumentation angeheftet werden kann.

Und wenn man sich anschaut, wie die Bundesregierung hier argumentiert, dann ist das Interessante an diesem Fall, dann geht es gar nicht mehr um Antisemitismus, sondern dann geht es darum, wie Felix Klein das auch hier im Programm formuliert hat, dass Äußerungen in Deutschland missverständlich sein könnten. Oder dass es als Problem benannt wird, dass der Holocaust, die Shoa, in Deutschland überhaupt in Beziehung gesetzt wird zu anderen geschichtlichen Ereignissen. Darin wird also ein Raum des Problematischen - und von Regierungsseite dann mit Diskursausschlüssen beantworteter Raum - viel zu eng gezogen. Da sehe ich das Problem, das ich in meinem Kommentar benannt habe. >>>

 

 

 

26. 5. 2020

 

Achille Mbembe: Ein törichter Intellektueller?
Hartmut Buchholz - 25. Mai 2020

Zu behaupten, die "Angelegenheit" sei "leider eindeutig", wie es Felix Klein, seit 2018 Antisemitismus-Beauftragter der Bundesregierung, formulierte – zu behaupten, die Frontlinien seien geklärt und die Argumente ausgetauscht, wäre pure Beschönigung. Eindeutig ist in diesem Fall wenig bis nichts, schon deshalb, weil Begriffe wie Antizionismus und Antisemitismus nicht deutlich geschieden sind, vor allem aber, weil hier mal wieder auf geradezu fahrlässige Weise Israel-Kritik und Antisemitismus in eins gesetzt werden – und das oft nur deshalb, um rhetorische Munition für die schön gedrechselte eigene Polemik zu gewinnen.

(...) Felix Klein warf Mbembe in der Zeit vor, in "Politik der Feindschaft" "alle Merkmale des israelbezogenen Antisemitismus" zu bedienen; die jüdische Gemeinde von Frankfurt tönt, Mbembe stehe "exemplarisch für einen akademischen Israel-Hass"; man wirft ihm Unterstützung, gar Mitgliedschaft in der israelkritischen Initiative BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) vor, seine gar nicht gehaltene Rede wird als steuerfinanzierter Antisemitismus gegeißelt.

Der FAZ-Mitherausgeber Jürgen Kaube folgert in einem tendenziösen Artikel aus in den Fußnoten von "Politik der Feindschaft" zitierten BDS-Sympathisanten eine ideologische Nähe von Mbembe zu BDS (die Mbembe selbst längst dementiert hat) und schwadroniert von einem "törichten Intellektuellen". Selbstgerechter, ja herablassender lässt sich kaum urteilen. Dabei unterlässt es Kaube, eine inkriminierte Passage in vollem Wortlaut zu zitieren. In "Politik der Feindschaft" steht: "Das Apartheidregime in Südafrika und – in einer ganz anderen Größenordnung und in einem anderen Kontext – die Vernichtung der europäischen Juden sind zwei emblematische Manifestationen dieses Trennungswahns." Ist das eine Relativierung des Holocaust, soll das antisemitisch sein?

Die Friedenspreisträgerin Aleida Assmann sieht in der Causa Mbembe inzwischen "eine Blamage für den Wissenschaftsstandort Deutschland"; der AfrikaHistoriker Andreas Eckert kommentierte im SWR, die Antisemitismus-Vorwürfe gegen Mbembe trügen "gewisse Anzeichen einer Hexenjagd"; im Ausland formiert sich derzeit eine auch von jüdischen Wissenschaftlern mitgetragene Solidaritätsbewegung. >>>

 

 

 

24. 5. 2020

Streit um Historiker Mbembe
Antisemitismusbeauftragter als diskursiver Schrankenwärter

Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, wirft dem Historiker und politischen Philosophen Achille Mbembe eine Relativierung des Holocaust vor. Stephan Detjen geht diese Kritik zu weit. Klein schwinge sich zu einem zivilen Glaubensrichter auf, kommentiert er.
Stephan Detjen - 23. 5. 2020

Seitdem der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, dem kamerunischen Historiker Achille Mbembe antisemitische Argumentationsmuster vorgeworfen hat, liegt das Werk Memebes und dazu eine ganze Forschungsrichtung, der Postkolonialismus, auf dem Seziertisch der Feuilletons. Es wird diskutiert, ob und wie afrikanische Wissenschaftler die Geschichte von Kolonialismus und Sklaverei in Beziehung zur Shoa setzen dürfen. Ein weites Feld.

Felix Klein hat es mit regierungsamtlicher Autorität beackert. Seine Forderung, Mbembe als Eröffnungsredner der Ruhrtriennale auszuladen, verbietet Mbembe nicht den Mund. Aber sie markiert eine Grenze des in Deutschland öffentlich Sagbaren. Öffentlich geförderte Musikfestivals, Kulturforen, Theater und Bildungseinrichtungen, also ein wesentlicher Teil der kulturellen und politischen Öffentlichkeit, sollen für Wissenschaftler, Künstler und Intellektuelle gesperrt werden, die Felix Klein mit dem Antisemitismus Vorwurf brandmarkt. Hier liegt das Problem.
Fragwürdige Exegese weniger Zeilen

Für sein Verdikt im Fall Mbembe genügte dem Antisemitismusbeauftragten eine fragwürdige Exegese weniger Zeilen eines tausende Seiten umfassenden Gesamtwerks. Um seinen folgenreichen Vorwurf zu begründen, blendete Klein Kontexte der inkriminierten Passsagen aus und bog sie sich zurecht, bis das eigentlich Gesagte hinter der interpretierenden Zuspitzung kaum noch erkennbar war. >>>

 

 

 

Man muss den Staat Israel kritisieren“
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung wirft dem Historiker Achille Mbembe vor, die Grenze zum Antisemitismus überschritten zu haben, weil er das südafrikanische Apartheids-Regime mit der israelischen Regierung vergleicht. Die Philosophin Susan Neiman verteidigt Mbembe im Dlf.
Susan Neiman im Gespräch mit Anja Reinhardt - 21. 5. 2020

Antisemitismus ist heute nicht mehr mit einem Rechts-Links-Schema erklärbar – denn Angriffe gegen Juden, verbal oder physisch, kommen aus allen politischen Lagern. Die überwältigende Mehrheit der antisemitischen Gewalt hat allerdings einen rechtsextremen Hintergrund, wie Statistiken des BKA nachweisen.

Wird von links der Vorwurf laut, geht es oft um eine kritische Sicht auf die Politik des Staates Israel. So wie im Fall des kamerunischen Historikers und Philosophen Achille Mbembe, einem im globalen Wissenschaftsdiskurs anerkannten postkolonialen Theoretiker, der seit vielen Jahren auch Vorträge in Deutschland hält und dieses Jahr auf der Ruhrtriennale die Eröffnungsrede halten sollte. Dagegen protestierte unter anderem der Antisemitismusbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Felix Klein. (...)

Die amerikanische Philosophin Susan Neiman, die auch die israelische Staatsbürgerschaft hat und seit rund 20 Jahren das Einstein-Forum in Potsdam leitet, stellt sich hinter Mbembe. „Ich nehme Mbembe ab, wenn er sagt: ‚Ich bin kein Antisemit.‘ Ich nehme ihm ab, wenn er sagt: ‚Es gibt keine Unterstützung für den BDS.‘“ (...)

Der „Aufruhr“ um Mbembe sei letztlich auch deswegen unverhältnismäßig, weil hier an der falschen Stelle gegen Antisemitismus gekämpft werde. „Es gibt sehr viele rechte Gymnasiallehrer, vor allem Geschichtslehrer in Deutschland. Die AfD ist voll davon. Wir kennen Björn Höcke, es gibt Hunderte davon. Wir wissen ja, mit dem Radikalenerlass, Leute die links belastet waren, die wurden in den Siebzigern alle mit Lehrverbot konfrontiert.“ Man denke nicht daran, zu untersuchen, wie viel Lehrer AfD-Gedankengut verbreiteten. „Ich würde sehr gern sehen, dass man solche Menschen untersucht, anstatt dass wir uns auf einen einzigen postkolonialen Denker konzentrieren. Ich finde, diese Lehrer sind viel gefährlicher.“ >>>

 

 

 

 

19. 5. 2020

 

 Antisemitismus-Debatte: Mbembe bekommt Unterstützung
18. Mai 2020 - Sonja Zekri


Achille Mbembe wird Antisemitismus vorgeworfen. 700 afrikanische Intellektuelle widersprechen dem in einem Brief an Merkel - und fordern die Entlassung des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung.

In der Kontroverse um den afrikanischen Historiker Achille Mbembe haben 700 afrikanische Intellektuelle, Literaten und Künstler einen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geschrieben. Felwine Sarr gehört dazu, Jean-Bernard Ouédraogo und Stanislas Bigirimana. Darin kritisieren sie die "falschen Vorwürfe des Antisemitismus", die von "rechtsextremen" und "konservativen und rassistischen Gruppen" in Deutschland gegen Mbembe erhoben worden seien.

Der Vorwurf des Antisemitismus sei nicht nur unbegründet, sondern stelle zudem "eine unzulässige politische Instrumentalisierung einer entsetzlichen humanen Katastrophe" dar. Zudem beschädige er das Recht auf "Kritik, Gedanken- und Meinungsfreiheit, die akademische und künstlerische Freiheit und die Freiheit des Gewissens". Wie zuvor andere Intellektuelle fordern sie die Entlassung von Felix Klein, dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung.   >>>

 

 

 


Offener Brief von 700 afrikanischer Intellektueller, Schriftsteller-, und Künst-lerlnnen an:
Frau Angela MERKEL, Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, und
Frank Walter Steinmeier, Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland
18.05.2020

Frau Bundeskanzlerin, Herr Bundespräsident,

Wir, afrikanische Intellektuellen, Denker-, Schriftsteller-, Künstlerinnen, verurteilen vorbehaltlos die lügnerischen Antisemitismus-Anschuldigungen rechtsextremer fremdenfeindlicher und rechtskonservativer Gruppierungen in Deutschland gegen Professor Achille Mbembe.


Wie Hunderte Wissenschaftlerinnen und Fachleuten aus unterschiedlichen Fachberei¬chen festgestellt haben, sind diese groben Anschuldigungen nicht nur unvernünftig und grundlos, sondern sie stellen auch eine unzulässige politische Instrumentalisie¬rung einer schrecklichen menschlichen Katastrophe dar. Dazu untergraben solche Anschuldigungen zutiefst das Grundrecht auf Kritik, auf Gedanken- und Meinungsfreiheit, auf akademische und künstlerische Freiheit und auf Gewissensfreiheit.


Darüber hinaus können solche Anschuldigungen das Bild Deutschlands in Afrika dau¬erhaft trüben sowie die Bemühungen um einen freien, respektvollen interkulturellen Dialog - frei von der Last rassistischen Gedankenguts - zwischen Ihrem Land und den politischen Kräften des afrikanischen Kontinents.


Zeitgleich sprechen wir denjenigen Bürgerinnen Deutschlands - einfachen Bürgerinnen, Akademikern, Journalisten, Intellektuellen und Diplomaten-, die sich offen für Professor Achille Mbembe eingesetzt haben, unseren Dank und unsere Anerkennung aus. Manche - unter diesen deutschen Bürgerinnen - könnten ihre Solidaritätsbekundung sogar mit weiteren Schikanen seitens derselben extremistischen Gruppierungen bezahlen.


Frau Bundeskanzlerin, Herr Bundespräsident,


Unser Brief ist ein Aufruf dazu, gemeinsam in Gleichheit, gegenseitigem Respekt und auf der Basis intellektueller Archive und der Weisheiten der ganzen Welt eine neue Phase im globalen Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus zu eröffnen.


Abgesehen von wirtschaftlichen und anderen Faktoren, die Teil der Staatsraison sind, kennen und schätzen wir Ihr Interesse an Afrika, seinen Völkern, seinen Kulturen und seiner Geschichte.


Jedes Mal wenn Sie in Afrika gekommen sind, haben Ihnen unsere Völker und Regie¬rungen im Gegenzug den würdigsten und herzlichsten Empfang bereitet. Wir sind uns auch Ihres Engagements für den Dialog zwischen den Nationen durch künstlerischen, kulturellen und intellektuellen Austausch - unter Achtung der Wahrheit, ohne Rassismus und für den Fortschritt der Menschheit - bewusst.


Angesichts des beklagenswerten Zustands unserer Welt sind wir davon überzeugt, dass ethische Überlegungen auf sehr breiter Basis dringend und notwendig sind, um alle Erinnerungskulturen an menschliches Leid besser zu teilen und solidarischer zu gestalten.


Wenn alle Menschen frei und gleich geboren sind, und wenn sie alle derselben Spezi¬es angehören, dann gibt es keine menschlichen Leidenserfahrungen, die weniger bedeutsam als andere oder den anderen Leidenserfahrungen gegenüber untergeordnet sind. Die Beziehungen zwischen verschiedenen Erinnerungskulturen an menschliches Leid sind keine Beziehungen des Vorrangs oder der Vormachtstellung, sondern der Solidarität. Bei jeder Katastrophe in unserer gemeinsamen Geschichte ist es die Ge¬stalt eines jeden von uns, die sich verfinstert. Und die Verantwortung der ganzen Erde steht auf dem Spiel.


Wie Sie es wissen, gehören die Völker Afrikas zu denen, die in ihrem Fleisch, ihrem Gewissen und in ihrer Seele auch die Gewalt der Geschichte erlitten haben. Die sichtbaren und unsichtbaren Folgeschäden dieser langen Geschichte bestehen fort. Aufgrund dieser langen Erfahrung haben wir durch die Stimmen unserer Schriftsteller-, Dichter-, Denker-, Künstlerinnen und Intellektuellen etwas Dringendes und Kostbares, was wir mit der ganzen Menschheit - betreffend menschlicher Leidenserfahrung, geistiger Heilung und Wiedergutmachung in der Welt- teilen können und wollen.

Wir sind daher über die anhaltenden Versuche in Deutschland bestürzt, unsere Wortmeldungen zu stigmatisieren, unsere Denkerinnen einzuschüchtern und zum Schwei-gen zu bringen. Wie kann ein interkultureller Dialog zwischen Ihrem Land und dem afrikanischen Kontinent stattfinden, wenn wir durch alle möglichen Täuschungsmanöver daran gehindert werden, unsere Erfahrungen, deren globalen Bedeutungen und Erweiterungen im gegenwärtigen und zukünftigen Leben mit unseren eigenen Augen/ Sinnen und unserem eigenen Verstand zu interpretieren?  >>>

 

 

 

 

 Deutsche Gedenkkultur: Privileg und Gedenken
Zwischen 8. Mai und Mbembe: Es ist Zeit, eurozentrische Geschichtsbilder zu überwinden – gerade in Deutschland.

Zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus trugen sieben Millionen Soldaten aus den Kolonien bei, doch der Sieg war immer weiß. General de Gaulle wollte Afrikaner nicht ins befreite Paris einmarschieren sehen – das Wetter dort sei für sie nicht bekömmlich, sagte er.

Bei den US-Truppen kämpfte eine Million Afroamerikaner, doch auf den Fotos von der Befreiung der Lager Buchenwald und Dachau sind die beteiligten schwarzen Soldaten nicht zu sehen. Als sie heimkamen, gab es statt Medaillen segregierte Plätze im Bus. „Die Nationen, die gegen den Nationalsozialismus gekämpft hatten, waren noch viele Jahre nach Kriegsende von der rassischen Minderwertigkeit der Schwarzen überzeugt“, notierte 1978 der jüdisch-amerikanische Historiker George L. Mosse, „und sie schienen nicht zu erkennen, dass jeglicher Rassismus – ob er nun auf Schwarze oder auf Juden zielte – aus demselben Stoff war.“

Derselbe Stoff? Über die Annahme des Emigranten, die großen Antihumanismen seien wesensähnlich, wird heute ein Muster neuer Abgrenzungen geworfen. Der Antisemitismus erstrahlt darin wie ein dunkler Solitär des Bösen, gleichsam ohne ideologische Verwandtschaft. Und es gibt ihm gegenüber nur zwei Kategorien von Menschen: Reine und Schmuddelige. Die Reinen dürfen richten. Ob ihnen dabei Rassismen unterlaufen, ist nicht von Belang, befleckt die Reinheit nicht.

Als Achille Mbembe in Deutschland von etablierten Institutionen hofiert wurde, erfüllte er bereits eine Funktion: Wer einen schwarzen Philosophen ehrt, stellt sich auf modische Weise frei von Rassismus. Nun ist die Party vorbei, Mbembe wird umgekehrt funktionalisiert: das postkoloniale Denken, ab in die Schmuddelecke. Niemand nennt ihn direkt einen Antisemiten, doch der Vorwurf hängt über ihm und wird bleiben.

Man muss Psychologie zu Rate ziehen, um sich die Ironie zu erklären: Während sich Intellektuelle darüber erhitzen, welche Israel-Vergleiche ein gebürtiger Kameruner ziehen darf, ziehen auf deutschen Straßen Corona-Protestler auf, die sich Judensterne anheften und Anne-Frank-Bilder hochhalten, gegen die „Hygienediktatur“. Wann wurden jüdische Opfer zuletzt so verhöhnt?

Das Missverhältnis, was die Aufmerksamkeit für Gefahren betrifft, lässt sich zumindest teilweise mit einem seltsamen Besitzanspruch auf die Interpretation der Schoah erklären. Ein deutsches Phänomen, klassisch verkörpert vom Antisemitismusbeauftragten Felix Klein. Mbembe habe als „ausländischer Wissenschaftler“ „eingegriffen“ in eine Frage, die zur deutschen Identität gehöre. Bei dem „Philosophen aus Afrika“ gehe vieles durcheinander, „und hier müssen wir doch mal ganz klare Linien einziehen, um zu sehen, was ist zulässig […].“

Finger weg von unserer Schoah! Welch eine Schulmeisterei. Worin wurzelt der Glaube, sich das leisten zu können? In der exklusiven   >>>

 

 

 

 

15. 5. 2020

Felix Klein im Interview - Extremismus:"Hass ist keine Meinung" - Interview von Jan Bielicki - 14. Mai 2020 Antisemitismusbeauftragter Felix Klein über den Hang der Deutschen zu Verschwörungstheorien und die Frage, ob die Corona-Krise alte judenfeindliche Vorstellungen verstärkt. (im Abbo zu lesen) >>>

 

Kommentar von W. Behr - Felix Klein auf erweiterter Spur. Man sollte meinen, dass es um Felix Klein etwas leiser geworden ist, seitdem viele, auch jüdische Wissenschaftler und Kulturschaffende seine Ablösung beim Innenminister Seehofer gefordert haben. Aber die Süddeutsche Zeitung vom 14.Mai 2020 baut den Antisemitenjäger gerade wieder auf, indem sie ihm eine Viertelseite überlässt, um seine neuesten Thesen über die Corona-Proteste in Verbindung mit dem Antisemitismus zu verkündigen. Unter der Überschrift Ich halte diese Art von Protesten für hochgefährlich Der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein über radikalisierte Demokraten und den Hang zu Verschwörungstheorien. fragt der SZ-Interviewer Jan Bielicki z.B.: • Zeigt sich in diesen {Corona-} Protesten ein neuer , antisemitischer Extremismus? • Verstärkt die Corona-Krise die uralten Vorurteile gegen Juden? • Was lässt sich dagegen tun? • Was sollten einzelne Bürger machen? • Sehen Sie die Demokratie in Gefahr? Felix Klein scheint im Moment wenig Erfolg zu haben in der Aufspürung von Antisemiten. Deswegen erweitert er sein Suchfeld auf die Corona-Proteste. Hier eine seiner Antworten auf die Fragen von Bielicki: Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, und sogar Antisemitismus ist nicht illegal. Aber wenn Grenzen überschritten werden, muss die Justiz eingreifen. Es lohnt sich, die Thesen dieses Wirrkopfs in der heutigen SZ anzuschauen, um der Forderung Gewicht zu geben, ihn endlich abzulösen. Aber das ist wohl im israelhörigen Deutschland eine Illusion. W.Behr

 

 

 

 Deutsche Gedenkkultur: Privileg und Gedenken
Zwischen 8. Mai und Mbembe: Es ist Zeit, eurozentrische Geschichtsbilder zu überwinden – gerade in Deutschland.

Charlotte Wiedemann  - 13. 5- 2020

Zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus trugen sieben Millionen Soldaten aus den Kolonien bei, doch der Sieg war immer weiß. General de Gaulle wollte Afrikaner nicht ins befreite Paris einmarschieren sehen – das Wetter dort sei für sie nicht bekömmlich, sagte er. Bei den US-Truppen kämpfte eine Million Afroamerikaner, doch auf den Fotos von der Befreiung der Lager Buchenwald und Dachau sind die beteiligten schwarzen Soldaten nicht zu sehen. Als sie heimkamen, gab es statt Medaillen segregierte Plätze im Bus. „Die Nationen, die gegen den Nationalsozialismus gekämpft hatten, waren noch viele Jahre nach Kriegsende von der rassischen Minderwertigkeit der Schwarzen überzeugt“, notierte 1978 der jüdisch-amerikanische Historiker George L. Mosse, „und sie schienen nicht zu erkennen, dass jeglicher Rassismus – ob er nun auf Schwarze oder auf Juden zielte – aus demselben Stoff war.“

Derselbe Stoff? Über die Annahme des Emigranten, die großen Antihumanismen seien wesensähnlich, wird heute ein Muster neuer Abgrenzungen geworfen. Der Antisemitismus erstrahlt darin wie ein dunkler Solitär des Bösen, gleichsam ohne ideologische Verwandtschaft. Und es gibt ihm gegenüber nur zwei Kategorien von Menschen: Reine und Schmuddelige. Die Reinen dürfen richten. Ob ihnen dabei Rassismen unterlaufen, ist nicht von Belang, befleckt die Reinheit nicht.

Als Achille Mbembe in Deutschland von etablierten Institutionen hofiert wurde, erfüllte er bereits eine Funktion: Wer einen schwarzen Philosophen ehrt, stellt sich auf modische Weise frei von Rassismus. Nun ist die Party vorbei, Mbembe wird umgekehrt funktionalisiert: das postkoloniale Denken, ab in die Schmuddelecke. Niemand nennt ihn direkt einen Antisemiten, doch der Vorwurf hängt über ihm und wird bleiben.

Man muss Psychologie zu Rate ziehen, um sich die Ironie zu erklären: Während sich Intellektuelle darüber erhitzen, welche Israel-Vergleiche ein gebürtiger Kameruner ziehen darf  >>>

 

 

14. 5. 2020

Wer lyncht Achille Mbembe?
 13. Mai 2020 von Abi Melzer

Wenn ich erst vor wenigen Tagen Michael Wolffsohns Beitrag in der NZZ als rassistisch und dumm kritisiert habe, so muss ich aber zugeben, dass er mit einem Satz, zufällig oder auch nicht, vollkommen Recht hat: „Über Juden und Israel reden oder schreiben fast alle mehr, als sie wissen.“ Das trifft auch besonders auf den Beitrag von Jürgen Kaube in der FAZ vom 10.05.2020.

Kaube fragt wer Achille Mbembe gelynscht hat. Na, wer schon? Er und andere seinesgleichen, die nicht wissen was sie tun und wenn es um Israel und Juden geht, den Verstand verlieren, weil sie bei Israelis und Juden Augen, Mund und Ohren verschließen und sich selbst delegitimieren das zu schreiben, was notwendig wäre und stattdessen „außer Band und Rand geraten“. So ist es auch Jürgen Kaube ergangen, der bei allen anderen Themen und Problemen in der Regel seinen gesunden Menschenverstand benutzt, aber wenn es um Juden geht mea culpa denkt und sich schuldig bekennt. Schuldig aber woran?

In der Diskussion um Mbembe geht es gar nicht um Mbembe, sondern um uns und unsere Freiheit bzw. Meinungsfreiheit. Man ist nicht in der Lage und bereit sich mit anderen, vielleicht sogar unliebsamen Meinungen, Theorien und Ideologien zu beschäftigen und wenn es sein muss zu streiten, weil man Angst hat als Antisemit diskreditiert zu werden, sobald man es wagt Israels Politik zu kritisieren oder jemanden, der es tut, zuzustimmen. Um nichts anderes geht es in dieser peinlichen und würdelosen Debatte, in der man immer wieder den Artikel 1 unseres Grundgesetzes verletzt oder vollkommen ignoriert.

Wir haben einen vollkommen überflüssigen und dazu noch hochmütigen und dummen „Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen den Antisemitismus“, der sich mitnichten um jüdisches Leben in Deutschland kümmert, sondern um den Nahost-Konflikt und da hauptsächlich um den Schutz des halb faschistoiden Staates Israel. Er verteidigt Israel gegen notwendige Kritik, auch wenn in Israels Regierung eine Ministerin von sich behauptet, sie sei eine Faschistin und den Faschismus mit einem Parfüm verglich, Chanel Nr. 5. Warum kümmert sich keiner, der über Juden und Israel redet, darum, dass Felix Klein sich nicht um Juden und jüdisches Leben kümmert, wie es sein Amt von ihm fordert? Warum versuchen alle Achille Mbembe zu lynchen und nicht Felix Klein oder den FDP-Politiker Deutsch, der zusammen mit Felix Klein und Josef Schuster, der beiden beigesprungen war, den Antisemitismus in Deutschland befeuert?

Wieso kümmert sich Klein darum, ob Mbembe die BDS Kampagne unterstützt, oder nicht, wo es doch um Palästinenser und Israels Politik geht, und nicht um jüdisches Leben in Deutschland. Der Bundestag hat diese Kampagne verurteilt. Muss man diese Verurteilung ernst nehmen und ihr folgen. Hunderte und tausende israelischer und jüdischer Intellektuelle und Künstler haben ihrerseits diese Verurteilung durch den Bundestag verurteilt und dagegen protestiert. Sind die Bundestagabgeordnete in Fragen des Nahost-Konflikts kompetenter als unzählige Israelis und Juden, die sich ernsthafter damit beschäftigen als unzählige Hinterbänkler und Opportunisten im Bundestag?

Inzwischen habe unzählige israelische und jüdische Wissenschaftler und Künstler die Entlassung Kleins gefordert, weil er Mbemba zu Unrecht als Antisemiten hingestellt habe. Klein scheint von der BDS-Kampagne eindeutig besessen zu sein. Und Jürgen Kaube   >>>

 

 

 


Gegen ideologische oder politische Einmischung und Lackmustests in Deutschland
12. Mai 2020

Die Instrumentalisierung des Antisemitismusvorwurfs für ideologische Zwecke in Deutschland ist international verurteilt worden. Die Zivilgesellschaft in Deutschland war zu schwach.

Internationale Wissenschaftler*innen und Kulturschaffende verpflichten sich, in Deutschland nicht in Jurys, Preisausschüssen oder in der akademischen Einstellungsberatung tätig zu sein, wenn es “überzeugende Anzeichen dafür gibt, dass ihre Entscheidungen ideologischer oder politischer Einflussnahme oder Lackmus-Tests unterworfen sein könnten”.
377 Wissenschaftler*innen und Künstler*innen aus über 30 Ländern erklären, dass sie politische Lackmus-Tests nicht akzeptieren werden

377 Wissenschaftler*innen und Künstler*innen aus über 30 Ländern haben eine Erklärung unterzeichnet, in der sie sich gegen politische Einmischung seitens staatlicher Institutionen, Kommunen und politischer Repräsentant*innen in Deutschland aussprechen,
die darauf abzielt, Befürworter*innen der völkerrechtlich garantierten Rechte von Palästinenser*innen zum Schweigen zu bringen.

Die Unterzeichnenden erklären, weder in Jurys oder Preiskomitees noch bei akademischen Berufungsverfahren in Deutschland mitzuwirken, wenn es ihrer Ansicht nach „überzeugende Anzeichen dafür gibt, dass ihre Entscheidungen ideologischer oder politischer Einflussnahme ausgesetzt sind oder politischen Lackmus-Tests unterliegen könnten“.  >>>

 


 

 

 

12. 5. 2020



 

Der Fall Achille Mbembe darf kein Einzelfall bleiben!
Ein satirisch gemeinter Offener Brief an den Antisemitismus-Beauftragen Dr. Felix Klein
Arn Strohmeyer - 11.05.2020

Sehr geehrter Herr Dr. Klein,

Sie haben zusammen mit dem FDP-Politiker Lorenz Deutsch (nomen est omen!) den aus Kamerun stammenden afrikanischen Philosophen und Historiker Achille Mbembe des Antisemitismus bezichtigt. Anlass dazu sind u.a. Zitate, in denen er den Staat Israel mit Kolonialismus in Verbindung bringt und ihn mit dem Apartheidstaat Südafrika vergleicht. Sie haben wohl besonders an der Stelle Anstoß genommen, in der Mbembe schrieb, das Apartheidregime in Südafrika – und in einer ganz anderen Größenordnung und in anderem Kontext – die Vernichtung der europäischen Juden seien emblematische Manifestationen des kolonialen Grundprinzips, das er „Trennungswahn“ nennt: die Differenzierung zwischen dem Körper des Kolonialisten und der übrigen niedrigen Welt, zu deren „bösen Objekten“ auch die Einheimischen gehörten. Auch wenn Mbembe hier auf gemeinsame Grundprinzipien verweist, von Gleichsetzung oder Relativierung spricht er nicht. Weder die Einzigartigkeit des Holocaust noch das Existenzrecht Israels stellt Mbembe – auch in anderen Texten – in Frage.

Mit Ihrem ausgemachten Spürsinn für Antisemitismus (das ist schließlich Ihr Job) haben Sie in diesen Sätzen Mbembes gleich den Bezug zu Israel entdeckt. Denn auch in Israel gibt es ja eine „Trennung“ bzw. „Differenzierung“ zwischen den Kolonialisten und den unterworfenen und unterdrückten Palästinensern, es gibt dort sogar eine Materialisierung der „Trennung“ – die „Trennmauer“, die die zionistischen Herren des Landes von den indigenen Einheimischen (den Palästinensern) trennt. Der Vergleich mit dem Apartheid-Südafrika war für Sie sicher der Auslöser, den Alarmknopf zu drücken und laut „Antisemitismus!“ zu rufen.

In dem Essay „Israel, die Juden und wir“ behandelt Mbembe Antisemitismus, Holocaust, israelische Politik und imperiale und postkoloniale Verbrechen als wesensgleich: „In dem Maße, wie die magische Illusion der ‚Befreiung‘ sich auflöst, versinkt Israel wie die gesamte Postkolonie in der Wiederholung: Wiederholung des Verbrechens, Wiederholung der Käuflichkeit, Wiederholung der verlogenen Versprechen, Wiederholung der Dummheit und das Falschen, Wiederholung des Rechts zur Ungerechtigkeit und zur Untat, Wiederholung der schändlichen Arbeit, die darin besteht, den Platz der Mörder einzunehmen und das dumme Leben derer zu reproduzieren, die, gestern Opfer, heute Verfolger, sich jenem sachwachsinnigen Spiel hingeben, das Vergewaltigung, Raub, Kolonisierung und Schutzgelderpressung heißt.“

Was Mbembe hier schreibt, ist bezogen auf Israel zugegeben nicht sehr freundlich, denn er meint ja nicht mehr und nicht weniger, dass ein Kausalzusammenhang zwischen Antisemitismus und Holocaust auf der einen Seite und dem brutalem Vorgehen Israels gegen die Palästinenser andererseits besteht. Dieselbe Kausalbeziehung sieht er zwischen den Verbrechen der europäischen Kolonialisten und den nachfolgenden Schandtaten afrikanischer postkolonialer Herrscher. Israel in einem Atemzug mit afrikanischen Potentaten zu nennen und diesen Staat auf eine Stufe mit den Despotien dort zu stellen, da muss ein Antisemitismus-Jäger natürlich zur Büchse greifen, zielen und abdrücken.

Nun sei hier am Rande angemerkt: Der israelische Psychologie-Professor Benjamin Beit-Hallahmi hat am Ende der 1980er Jahre ein Buch veröffentlicht, das aufzeigt, wie enge politische und wirtschaftliche Kontakte Israel mit den übelsten Despotien der Dritten Welt gepflegt hat. Das Buch ist damals auch in Deutschland erschienen: „Schmutzige Allianzen. Die geheimen Geschäfte Israels“ (Knaur-Verlag, München, 1989). Dieses Buch hat damals sogar DER SPIEGEL ausführlich und sehr positiv rezensiert, so etwas wäre heute gar nicht mehr möglich, dafür würden Sie schon sorgen, das ist ja Ihr Job.

Am Ende seines Buches schlussfolgert Beit-Hallahmi, dass die Israelis den Gedanken der Befreiung und Selbstbestimmung, der damals die Dritte Welt bewegte, nicht einmal denken durften, denn das hätte ja – die von ihnen selbst praktizierte Unterdrückung der Palästinenser vor Augen – zu sehr peinlichen Fragestellungen geführt und so eine existentielle Bedrohung des Zionismus bedeutet. Deswegen sei der Begriff der Menschenrechte für das politische System Israels von höchster Brisanz, weil jede Auseinandersetzung mit ihnen an den Grundfesten des Zionismus rütteln würde. Harter Tobak, aber geschrieben von einem israelischen Hochschullehrer!

In diesem Buch schildert der Verfasser übrigens auch ausführlich die sehr engen, nicht nur partnerschaftlichen, sondern sehr freundschaftlichen Beziehungen Israels mit dem Apartheidstaat Südafrika, die Zusammenarbeit erstreckte sich auf alle Gebiete – auch auf den Bau gemeinsamer Atomwaffen. Der damalige südafrikanische Premierminister Johannes Vorster, ein Nazi-Sympathisant, durfte bei seinem Staatsbesuch in Israel im April 1976 sogar in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem einen Kranz niederlegen und bewegende Worte sprechen. Damals war das noch etwas Besonderes. Heute pflegt Israel ja ganz offiziell enge Beziehungen mit Anhängern, Freunden des Autoritarismus oder Neo-Faschismus als da sind: Bolsanaro, Orban, Strache, Wilders, den Le Pens, Salvini, Vertretern der AFD und und…

 

 

Ich bin etwas abgeschweift, will Ihre Geduld nicht strapazieren und endlich zum eigentlichen Anliegen meines Schreibens kommen. Ich möchte Sie auf einen weiteren „Antisemiten“ aufmerksam machen, der Ihrem Jägerauge bisher offensichtlich nicht in den Blick gekommen ist: der palästinensische Literatur- und Musikwissenschaftler Edward Said, der sich auch immer wieder politisch geäußert und seine Ansichten in vielen Artikeln und Büchern niedergeschrieben hat. Als Palästinenser ist er, auch wenn er später in den USA gelebt und gearbeitet hat, laut israelischer Definition schon von Haus aus ein „Terrorist“ und „neuer Nazi“. Dass er dann auch ein „Antisemit“ ist, ergibt sich da ja automatisch.

Ich will das auch belegen. In seinen Büchern vergleicht er das südafrikanische Apartheid-Modell immer wieder mit dem zionistischen Staat Israel, nennt Israel sogar einen „kolonialistischen Apartheidstaat“ – und das schon vor zwanzig oder dreißig Jahren! Und niemand ist bisher darauf aufmerksam geworden und hat daran Anstoß genommen! In seinem Buch „Das Ende des Friedensprozesses. Oslo und danach“ (2002) beschreibt er die kolonialistische Lösung, die sich die Zionisten für die Palästinenser ausgedacht haben und die in Südafrika schon an Menschen schwarzer Hautfarbe ausprobiert wurde: „Diese Lösung sieht die Aufteilung des Landes in unzusammenhängende Bantustans (Reservate) vor, in denen eine Apartheidpolitik den weißen (heute israelischen Siedlern) besondere Privilegien einräumte, während die Eingeborenen in ihren eigenen heruntergewirtschafteten Ghettos leben durften. Dort konnten sie die Verantwortung für ihre Gemeindeangelegenheiten übernehmen, blieben jedoch den weißen (wiederum: israelischen) Sicherheitsbestimmungen unterworfen. Die ist das südafrikanische Modell.“

Said hat hier schon vor zwanzig Jahren den bestehenden kolonialen Zustand beschrieben, der nun mit Hilfe des „Jahrhundert-Deals“ von US-Präsident Trump endgültig festgeschrieben und umgesetzt werden soll. An anderer Stelle schreibt Said: „In den Annalen der Apartheid oder des Kolonialismus findet sich nichts, was dem grausamen Einsperren von 1,3 Millionen Menschen, die man wie menschliche Sardinen in den Gazastreifen gezwängt hat, und der Situation der fast zwei Millionen Menschen des Westjordanlandes gleichkäme.“

Das sind sehr bedenkliche Sätze, der unbedingten Aufmerksamkeit eines Antisemitismusbeauftragten würdig. Nun ist Edward Said im Jahr 2003 verstorben, aber vielleicht gibt es die Möglichkeit, seine Veröffentlichungen nachträglich auf den Index zu setzen. Zum Fall Edward Said kommt ein anderes sehr bedenkliches Faktum hinzu. Said war ein enger Freund des israelischen Pianisten und Dirigenten Daniel Barenboim. Auch dieser hat sich immer wieder kritisch über die israelische Politik geäußert.

In einem SPIEGEL-Interview (Nr. 25/2012) hat er Ungeheures von sich gegeben. Ich zitiere: „Seit dem Sechstagekrieg haben die israelischen Politiker immer wieder eine Verbindung hergestellt zwischen dem europäischen Antisemitismus und dem Umstand, dass die Palästinenser die Gründung des Staates Israel nicht hinnehmen. Was aber absurd ist! Die Palästinenser waren in erster Linie nicht antisemitisch, sie haben ihre Vertreibung nicht akzeptiert. Es gibt keine Verbindung zwischen dem Palästina-Problem und dem Antisemitismus.“ Hier fegt Barenboim eine der Grundmaximen der zionistischen Ideologie vom Tisch: dass die Gründung Israels die unmittelbare Folge des Holocaust sei, weil die Juden nur in ihrem eigenen Staat vor Verfolgung sicher seien.

 

 

Auf die Frage, ob er ein israelischer Patriot sei, antwortete Barenboim: „Worauf kann man heute stolz sein? Wie wollen Sie Patriot sein in einem Staat, der seit 45 Jahren fremdes Territorium besetzt? Der nicht in der Lage ist zu akzeptieren, dass es noch eine andere Erzählung von den vergangenen 60 Jahren gibt.“ Und: „Dauerhaft ruht Israels Sicherheit aber nur auf einer Säule – der Akzeptanz des Staates durch die Palästinenser. Es ist nicht die Atombombe, die Israel sicher macht.“ Und als das israelische Parlament 2018 das Nationalstaatsgesetz beschloss, das die Palästinenser ganz offiziell zu Bürgern zweiter oder dritter Klasse macht, weil Israel ausschließlich der Staat der Juden sei, erklärte Barenboim, dass er sich für diesen Staat zutiefst schäme.

Daniel Barenboim hat zusammen mit Edward Said das „West Eastern Divan Orchester“ gegründet, ein Orchester, in dem Israelis und Palästinenser zusammen musizieren und sogar ein Konzert im palästinensischen Ramallah gegeben haben! Eine israelisch-palästinensische Verschwörung schrecklichen Ausmaßes!

Ich hoffe, Ihnen mit meinem Schreiben ein paar Tipps für weitere Aktivitäten gegeben zu haben. Der Fall Mbembe darf kein Einzelfall bleiben! Auch die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit muss ihre Grenzen haben!

Mit freundlichem Gruß
Arn Strohmeyer
11.05.2020

 

 

 Mbembe zum Antisemitismusvorwurf: „Gigantische Diffamierungskampagne“
Der in Deutschland attackierte Kameruner weist die Antisemitismusvorwürfe gegen ihn zurück – mit einer Ausnahme. Und: Felix Klein möge sich entschuldigen.

11. 5. 2020

(...) Was ist geschehen?

Ich bekomme unzählige Botschaften von alarmierten Menschen, die sich Sorgen um mich, mein Wohlergehen und meine Sicherheit machen, und das zu Recht. Sie haben erfahren, dass ich seit einigen Wochen Objekt völlig grundloser, ebenso verrückter wie hinterhältiger Attacken seitens der Rechten und extremen Rechten in Deutschland bin.

Am Ursprung dieser Diffamierungskampagne steht ein Lokalpolitiker aus Nordrhein-Westfalen. Er heißt Lorenz Deutsch. Er kennt mich nicht und ich kenne ihn nicht. Offiziell ist er FDP-Mitglied. Ich bin gefragt worden, ob er irgendwelche Verbindungen zu Neonazikreisen oder Ultranationalisten pflegt. Ich weiß darüber nichts.
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Was ich weiß, ist, dass er nicht wollte, dass ich die große Eröffnungsrede der Ruhrtriennale dieses Jahr halte. Das Festival wurde wegen Covid-19 abgesagt.

Unser Politiker konnte nicht sagen, dass er keinen Neger auf dem Festival wollte. Er konnte nicht sagen, dass er mich ablehnt, weil ich antikoloniale Thesen vertrete. Oder weil ich für die Rückgabe afrikanischer Kulturgüter eingetreten bin. Oder weil ich mich gegen Europas Umgang mit Migranten und Asylsuchenden ausspreche.

Also hat er etwas Besseres gefunden. Er hat eine teuflische Idee gehabt: Ein antisemitischer Neger – das schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe!

Wie sonst soll man diese gigantische Diffamierungskampagne mit rassistischen Zügen erklären?

Er hat behauptet, ich sei BDS-Mitglied. Absolut falsch. Ich bin von nichts Mitglied, keiner Kirche, keiner politischen Partei, keiner Organisation. Ich gehöre nicht einmal der Lehrergewerkschaft meiner Universität an.

Aber für Deutsche ist die Idee unerträglich, dass ein Neger ganz allein nachdenken und moralische Standpunkte beziehen kann. Ein Neger ist ein Objekt, das man verwendet. Da das deutsche Parlament BDS zu einer antisemitischen Bewegung erklärt hat, sagte sich Lorenz Deutsch: Es genügt, dass er mich in all der Macht seiner Phantasie mit BDS in Zusammenhang bringt, damit ich tatsächlich Antisemit bin.

Er hat dann in einem meiner letzten Bücher geblättert, „Politiques de l'Inimitié“, dann in einem Vorwort zu einem Buch, das afrikanische Forscher vor einem Jahrzehnt veröffentlicht haben („The Politics of Analogy“). Er hat zwei Passagen ausgewählt, auf die er sich stützt, um zu behaupten, dass ich erstens den Holocaust und die Apartheid vergleiche (und damit den Holocaust relativiere) und zweitens den Staat Israel mit dem Apartheidstaat vergleiche (und damit Israel das Existenzrecht abspreche).

Völlig falsch. Hat er sich überhaupt die Mühe gemacht zu lesen? Ich  >>>

 

 

 

 

Grünes Licht für Annexion
Deutschland sollte helfen, die Straflosigkeit für die israelische Siedlungspolitik zu beenden, anstatt den internationalen Rechtsweg zu behindern
11. 5. 2020 - René Wildangel ist Nahost­experte beim European Council on Foreign Relations (ECFR).Zuvor arbeitete er für Amnesty International und leitete das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah.

Deutschland ist zu Recht stolz auf die langjährige Unterstützung des Internationalen Strafgerichtshofes, dessen rechtliche Grundlage mit dem Römischen Statut 1998 geschaffen wurde. Heute ist Deutschland der zweitgrößte Finanzgeber und sieht den Gerichtshof als zentral an „im Ringen um mehr Gerechtigkeit und beim Kampf gegen die Straflosigkeit schwerster Verbrechen“. Im Widerspruch dazu hat sich die Bundesregierung jüngst gegen eine Untersuchung im Fall Palästinas positioniert und mit Blick auf die Annexionspläne der israelischen Regierung ein fatales Signal gesendet.

Im Dezember 2019 hatte die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs, Fatou Bensouda, erklärt, dass alle „Kriterien nach dem Römischen Statut erfüllt sind, um eine Untersuchung [zur Situation in Palästina] einzuleiten“. In einem weiteren ausführlichen Bericht von Ende April hat sie das nochmals ausführlich begründet. Eine abschließende Einschätzung zur rechtlichen Zuständigkeit, die eine weitere Kammer des Gerichts abgeben soll, steht wegen der Coronakrise noch aus.

Ausgerechnet Deutschland hat sich ins Zeug gelegt, um eine solche Untersuchung im Grundsatz zu verhindern. Das Auswärtige Amt legte eine Einschätzung vor, laut der Palästina   >>>

 

 


Antisemitismus, Apartheid und Michael Wolffsohn
 Abi Melzer  - 11. Mai 2020

Camus beschreibt in seinem Buch „Die Pest“ vordergründig eine tödliche Epidemie, die Situation der Quarantäne einer gesamten Stadt und wie sich die ihr unterworfene Bevölkerung nach anfänglicher Lähmung in „Freiwilligengruppen“ organisiert und sich der „Pest“ in innerem und äußerem Widerstand erfolgreich entgegenstemmt. Vieles im Roman liest sich vor dem Hintergrund unseres eigenen Erlebens der Kontaktsperre, örtlicher Ausgangssperren sowie der Quarantäne in Zeiten der Corona-Krise wie eine realitätsnahe Vorwegnahme der heutigen Pandemie. Camus verwendete die Beschreibung des Verlaufs der Pest nur als beispielhafte Symbolik. Ihm ging es um einen politischen Vergleich: Die Pest – das war für ihn die Besatzung Frankreichs durch die Nazis von 1940 bis 1944 im historisch-konkreten Sinne. Die Pest – das war für ihn aber auch die Warnung vor erneuten, anderen Formen der Diktatur. Was aber für uns in Deutschland und fast überall auf der Welt, eine neue unheimliche und erschreckende Erfahrung bedeutet, ist für Palästinenser, die im von den Israelis besetzten Palästina leben, eine seit Jahrzehnten erlebte tagtägliche Erfahrung. Die Pest – das ist auch die Besatzung Palästinas.

Seit Wochen ist die gesamte Welt von einem tödlichen Virus befallen, und man hat kaum noch Zeit und Nerven, sich mit etwas anderem zu beschäftigen. Jetzt, wo die verantwortlichen Politiker glauben, die beinahe diktatorischen Fesseln lockern zu können und man sich für die Zeit nach der Pandemie vorbereitet, gibt es erstaunlicherweise immer noch Ewiggestrige, blinde und taube Mitbürger, die genau dort weitermachen zu wollen, wo sie vor Wochen aufgehört haben, nämlich bei der Antisemitismushysterie.

Es sind immer die gleichen, die hinter der faschistoiden Politik eines Benjamin Netanjahu stehen, diese verteidigen, indem sie nicht darüber reden, sie ignorieren und verschweigen, und stattdessen wieder das Thema aus der Mottenkiste hervorholen, das inzwischen die Bevölkerung leid bis zum Erbrechen hat. Es sind immer dieselben Kandidaten, die bekannten Hetzer, Lügner und Leugner: Henryk M. Broder, Michael Wolffsohn, Chajim Noll, die diversen Antisemitismusbeauftragten, die das vom Beruf aus müssen und die diversen jüdischen pseudo Politiker, die sich nicht um ihre Aufgabe kümmern, sondern sich berufen fühlen, Weltpolitik zu machen, wie Josef Schuster, Charlotte Knobloch und andere.

Da wird, weil man sonst niemanden hat, ein angesehener afrikanischer Intellektuelle, ein bedeutender Philosoph und Gegner von Kolonisation und Apartheid, als Antisemit stigmatisiert, weil er sich erlaubt hat, in den hunderten und tausenden Seiten, die er im Verlauf von zwanzig Jahren veröffentlicht hat, auch einige wenige Seiten über die israelische Apartheid und Besatzung von Palästina zu schreiben. Nein, diese armseligen jüdischen wie nichtjüdischen Zeitgenossen beschäftigen sich nicht mit dem Sohn von Benjamin Netanjahu, der das neue Gesicht für eine antideutsche und antieuropäische Werbekampagne der AfD geworden ist. Die AfD macht Werbung für ihre nationalistische, rassistische und antidemokratische Politik mit dem Gesicht des Sohnes des israelischen Ministerpräsidenten. Wer hätte sich sowas vor Jahren vorgestellt? Dabei ist doch Yair

 

 

 

8. 5. 2020

Solidarität mit Achille Mbembe
- 8. Mai 2020

Aktuell läuft in Deutschland eine Kampagne gegen den kamerunischen Professor Achille Mbembe, der in Deutschland bei der Ruhrtriennale einen Vortrag halten sollte. Verschiedene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben einen Aufruf verfasst, in dem sie gegen die Antisemitismusvorwürfe Stellung beziehen. Wir dokumentieren diesen Aufruf.

Wir, die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieser Stellungnahme, beschäftigen uns von Berufs wegen mit der Geschichte des Antisemitismus und Nationalsozialismus, des Kolonialismus und Rassismus in ihren unterschiedlichen Ausprägungen. Einige von uns sind in der Genozid-Forschung tätig. Als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nehmen wir mit großem Befremden die schwerwiegenden Vorwürfe zur Kenntnis, die gegen unseren Kollegen Prof. Achille Mbembe von unterschiedlichen Seiten erhoben worden sind. Er sollte den Eröffnungsvortrag bei der diesjährigen Ruhrtriennale halten, die der Aufsichtsrat der Kultur Ruhr GmbH mittlerweile jedoch wegen der Corona-Pandemie abgesagt hat.Es geht uns um die Art und Weise, wie versucht worden ist, ins Programm einzugreifen und Achille Mbembe als Hauptredner zu diskreditieren.

Gegen ihn wurden Vorwürfe ins Feld geführt, die gerade in einem Land wie der Bundesrepublik schwerer kaum wiegen könnten: Relativierung und Verharmlosung des Holocaust und–letztlich–Antisemitismus.In den Augen seiner Kritikerinnen und Kritiker bestand Mbembes Verfehlung unter anderem darin, politische und ideengeschichtliche Ähnlichkeiten seit der Sklaverei und Kontinuitäten zwischen Kolonialregimen und der NS-Ideologie herauszuarbeiten bzw. auf eine Gemeinsamkeit der NS-Politik mit der südafrikanischen Apartheid aufmerksam zu machen–ohne dabei die Vernichtungspolitik der Nazis mit der Apartheid gleichzusetzen, wie behauptet worden ist. Wer die Schriften Mbembes aufmerksam gelesen hat, wird viel Stoff zur kritischen Auseinandersetzung finden und vielleicht mancher Aussage widersprechen wollen.Geschichte als wissenschaftliche Disziplin kommt jedoch ohne analytische Vergleiche nicht aus. Ohne die vergleichende Betrachtung wäre ein Erkenntnisgewinn in der Geschichtswissenschaft, wie in den meisten anderen Wissenschaftsdisziplinen, grundsätzlich nicht möglich. Unseren Kollegen dafür der Verharmlosung der Shoa oder gar Gleichsetzung des Genozids an den europäischen Jüdinnen und Juden mit dem rassistischen Regime Apartheid-Südafrikas zu bezichtigen, stellt eine fundamentale Grundlage der Wissenschaft in Frage und ist deshalb falsch. Historische Vergleiche, die ja dazudienen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Ereignissen, Diskursen und Prozessen herauszuarbeiten, sind nötig und legitim.

Darauf haben im Juli 2019 unter anderem rund 600 Kolleginnen und Kollegen, international anerkannte Historikerinnen, Historiker, Holocaust-und Genozid-Forscherinnen und Forscher, in einem offenen Brief an die Direktorin des US Holocaust Memorial Museum aufmerksam gemacht.Zwischen zulässigen Vergleichen und unzulässigen Gleichsetzungen besteht ein wichtiger und wesentlicher Unterschied. Zweifel an der Singularität des Holocaust oder seine Relativierung wird man bei Achille Mbembe vergeblich suchen.Achille Mbembe hat jenseits seines wissenschaftlichen Arbeitens verschiedentlich Position zur israelischen Siedlungspolitik bezogen. Für dieses Engagement wird er jetzt angegriffen und von  >>>

 

 

 

7. 5. 2020

Der Fall Mbeme wird zum Fall Klein
Aufruf Jüdische Wissenschaftler und Künstler fordern den Rücktritt des Antisemitismus-Beauftragten.

Grund dafür sind seine Äußerungen gegenüber einem Philosophen
Daniel Bax - Ausgabe 19/2020

Felix Klein soll zurücktreten. Das fordern namhafte Intellektuelle und Künstler aus Israel, den USA und Deutschland. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung habe „der akademischen Freiheit geschadet“ und sei für seine Aufgabe „unqualifiziert“, heißt es in einem offenen Brief „jüdischer Wissenschaftler und Künstler“, der an Bundesinnenminister Horst Seehofer adressiert ist und unter anderen von der Soziologin Eva Illouz, dem Künstler Dani Karavan und dem kalifornischen Talmud-Gelehrten Daniel Boyarin unterschrieben wurde.

Das harte Urteil geht auf Kleins fragwürdigen Umgang mit dem Postkolonialismus-Denker Achille Mbembe zurück. Klein hatte sich gegen dessen geplanten Auftritt bei der Ruhrtriennale ausgesprochen und dem weltweit anerkannten Philosophen nichts weniger als Holocaust-Relativierung und „antisemitische Muster“ unterstellt: schwere Vorwürfe, die der Politiker durch aus dem Zusammenhang gerissene Zitate belegen zu können glaubte. Mit der Rücktrittsforderung ist die „Causa Mbembe“ nun auch zum „Fall Felix Klein“ geworden.

Das war überfällig. Denn schon lange mehren sich die Zeichen, dass der promovierte Jurist und Diplomat Klein von seinem Amt überfordert ist. Kurz nachdem er es vor zwei Jahren angetreten hatte, nahm Klein in Berlin an einem sogenannten Marsch des Lebens teil, bei dem Hunderte Menschen mit israelischen Fahnen den Kurfürstendamm entlangzogen. Der Marsch wird von christlich-fundamentalistischen Gruppen organisiert, die glauben, dass alle Juden der Welt ins Heilige Land ziehen sollten, damit ihr Messias – also Jesus – zum zweiten Mal erscheinen und sie zum Christentum bekehren kann. An so einem Marsch teilzunehmen, ist ein seltsames Zeichen gegen Antisemitismus.

Die skrupellose Weltmacht: Viele betrachten die USA als die größte Gefahr für den Weltfrieden. Woran liegt das? Ein Buch über Hintergründe, Motive und Mittel der Weltmacht USA, in dem Daniele Ganser eindrücklich beschreibt, wie die USA Weltmachtpolitik betreiben, in der Gewalt ein zentrales Element darstellt

Wenig später forderte Klein die Evangelische Akademie in Bad Boll auf, eine geplante Konferenz zum Nahostkonflikt abzusagen, weil er ihr Einseitigkeit unterstellte. Im vergangenen Jahr warnte er Juden davor, in bestimmten Vierteln eine Kippa zu tragen, was für manche einer   >>>

 

 

 

5. 5. 2020

 

Eine deutsche Debatte im Jahr 2020

Achille Mbembe sagt ein paar Wahrheiten über den kolonialistischen Hintergrund Israels und wird deshalb als „Antisemit“ dämonisiert

Arn Strohmeyer - 4.5.2020

Die Antisemitismus-Vorwürfe gegen den afrikanischen Philosophen Achille Mbembe haben auch eine positive Seite. Sie offenbaren, in welcher ideologischen Blase sich der Mainstream-Diskurs über den Nahost-Konflikt im politischen Deutschland befindet. Wenn es um Israel/Palästina geht, sind nur noch Fragen nach dem Existenzrecht Israels und nach der Relativierung des Holocaust erlaubt. Fallen die Antworten nach Meinung der Fragesteller unbefriedigend aus, beginnt die Antisemitismus-Kanonade und die hinterlässt dann nur noch verbrannte Erde. Dass solche Kampagnen dem eigentlichen Anliegen, dem Kampf gegen den wirklichen Antisemitismus, nur schaden können, scheint dann in der hysterisch aufgeladenen Stimmung schon kaum noch jemanden zu interessieren. Und dass dann wie jetzt im Fall Achille Mbembe auch noch die im Grundgesetz verbürgte Freiheit der Wissenschaft großen Schaden nimmt, wen interessiert das im Eifer des Gefechts?

Wenn man heute laut ausspricht oder schreibt, dass der Holocaust und der Antisemitismus-Vorwurf auch in perfider Weise instrumentalisiert werden, um die brutale Herrschaft Israels über ein ganzes Volk vor Kritik zu schützen, dann ist das auch gleich wieder schlimmer Antisemitismus. Und so dreht sich die Debatte im Kreis ohne die geringste Chance, einen Erkenntnis-Schritt weiter zu kommen. Von politischen Fortschritten und Verbesserungen für die am meisten unter dem gegenwärtigen Zustand Leidenden – die Palästinenser unter der nun schon über 50 Jahre andauernden Besatzung – ganz zu schweigen.

Insofern hat die Debatte um Achille Mbembe auch ihre guten Seiten offenbart. Der Israel-Palästina-Konflikt wird endlich einmal nicht unter dem ausschließlichen Aspekt Holocaust und Antisemitismus geführt, sondern auf seine Wurzeln zurückgeführt. Denn in der westlichen Welt hat man sich – dank der sehr erfolgreichen israelischen Propaganda – daran gewöhnt zu glauben, dass es den Konflikt erst seit dem Juni-Krieg 1967 und den damaligen israelischen Eroberungen gibt, also dem Beginn der Okkupation. Dass es diese Besatzung schon unter strengster Militärherrschaft nach der Nakba 1948 über die noch im jungen Staat Israel verbliebenen Palästinenser bis 1966 gab, wird meistens verschwiegen.

Die entscheidenden Probleme, die den Konflikt bis heute ausmachen, sind aber schon Jahrzehnte früher entstanden. Ohne ihre Kenntnis konnte sich aber der Eindruck verfestigen, dem Israel mit seiner Propaganda kräftig nachgeholfen hat, dass die Araber bzw. die Palästinenser allein an der Auseinandersetzung schuld seien, weil sie sich weigerten, die Feindschaft zu beenden, Israel als Staat anzuerkennen und damit Frieden zu schließen. Also auf der einen Seite die bösen und aggressiven Araber und auf der anderen die friedliebenden und unter der Bedrohung leidenden Israelis. Die wirklichen Ursachen des Konflikts gingen bei dieser Sichtweise völlig unter.

 



Es lohnt sich aber, den Blick etwas weiter in die Vergangenheit zu richten und auch die andere, die am meisten betroffene Seite zu Wort kommen zu lassen. Was besonders in Deutschland schwierig ist, da im offiziellen Diskurs nicht zwischen Judentum und Zionismus unterschieden wird, ja allein die Beschäftigung mit dem Zionismus schon den Verdacht nahelegt, ein Antizionist gleich Antisemit zu sein. Aber der Zionismus ist – unterschieden vom Judentum – eine historische Tatsache, an der kein Weg vorbeiführt, denn er ist bis heute die Staatsideologie Israels. Die Auseinandersetzung mit ihm ist unumgänglich zum Verständnis des Nahostkonflikts.

 


 


Deshalb ein Rückblick. Der Zionismus ist ohne die Theorie und Praxis des europäischen Imperialismus und des Kolonialismus im 19. Jahrhundert gar nicht denkbar. Der Imperialismus strebte die Unterwerfung anderer Länder und Völker sowie die Eingliederung in den eigenen Machtbereich an. Er rechtfertigte diese Eroberungen mit seinem höheren zivilisatorischen Standard und auch mit der rassischen Überlegenheit der Europäer. Schon die frühesten Rassentheoretiker grenzten die weiße Rasse „wissenschaftlich“ von den Völkern roter, gelber, brauner und schwarzer  - mehr >>>

 

 

 


Debatte um Achille Mbembe: Zum Schweigen gebracht
Bei der Debatte um Achille Mbembe geht es weniger um dessen angeblichen Antisemitismus als um Deutschlands Unwillen, die eigene Kolonialzeit aufzuarbeiten.

Kolumne von Dominic Johnson - 3. 5. 2020

Wer die globalisierte Welt verstehen will, kommt an „Critique de la raison nègre“ nicht vorbei. Das Hauptwerk des kamerunischen Philosophen Achille Mbembe aus dem Jahr 2013 entwirft die globale Moderne als Geschichte ihrer ersten Opfer, den versklavten Afrikanern, aus deren Status sich alles andere ableitet. Der „Neger“ des Titels ist der Mensch als Ware. Er ist Rohstoff und Arbeitswerkzeug, zu zähmendes Lebewesen, zu dressierender Wilder, im Zustand permanenter Erniedrigung gehalten, mit einer auf Gehorsam und Ungehorsam reduzierten Gedankenwelt. Die Sklaverei gründet darauf, der Kolonialismus, die Apartheid, auch die Segregation in den USA oder der Antisemitismus in Europa.
Keine Person, eine Kondition

Mbembes Neger ist nicht einfach der Schwarze, wie es die verhunzte deutsche Übersetzung des Buchtitels („Kritik der schwarzen Vernunft“ statt „Kritik des Negerdenkens“) nahelegt. Er ist jeder, dessen Identität andere bestimmen. Er ist das „vergiftete Subjekt“. Er ist der Proletarier im Schatten, zum Arbeitseinsatz gerufen oder ausgesondert. Er ist keine Person, sondern eine Kondition. „‚Neger‘ sagen“, schreibt Mbembe, „heißt, all die Leichen in Erinnerung zu rufen.“ Das „Neger-Werden der Welt“ gehört zu Mbembes Dystopien.

Das besondere Interesse Mbembes galt zuletzt Stadtentwicklungsformen, die Ungleichheit zementieren, sowie Grenz- und Migrationsregimen als Systeme der Kontrolle, Überwachung und Zuordnung. Er hat auch Europas Flüchtlingspolitik so analysiert. Der mittlerweile in Südafrika familiär verankerte Kameruner erkennt darin eine Weiterentwicklung der südafrikanischen Apartheid, in der der Schwarze als „Neger“ fungierte: Schwarze durften die Gebiete der Weißen nur zwecks Arbeit betreten und mussten sich ansonsten in elende Townships zurückziehen, reglementierte Lager unter Flutlicht, außer Sichtweite.  >>>

 

 

 

 

3. 5. 2020

Debatte über Antisemitismus: Rückendeckung für Mbembe
Der umstrittene Philosoph Achille Mbembe bekommt Unterstützung: Intellektuelle beziehen Stellung und fordern die Absetzung Felix Kleins.
Jannis Hagmann - 3. 5. 2020

Mit gleich zwei neuen Stellungnahmen nimmt die Debatte um die Antisemitismusvorwürfe gegen den kamerunischen Historiker und Philosophen Achille Mbembe neu an Fahrt auf. In einem ersten Schreiben fordern jüdische Gelehrte und KünstlerInnen die Absetzung des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein. In einem zweiten Schreiben verteidigen WissenschaftlerInnen Mbembe gegen den Vorwurf der Schoah-Verharmlosung.

„Wir halten Herrn Kleins Versuch, Prof. Mbembe als Antisemiten hinzustellen, für unbegründet“, heißt es in dem ersten Schreiben, das großteils von Lehrenden an israelischen und US-amerikanischen Universitäten unterschrieben ist, darunter die SoziologInnen Eva Illouz und Moshe Zuckermann sowie der Talmud-Gelehrte Daniel Boyarin.
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„Abgesehen von dem persönlichen und beruflichen Schaden, der Prof. Mbembe zugefügt worden ist, hat Herr Klein dem dringenden Kampf gegen echten Antisemitismus einen schlechten Dienst erwiesen und die Integrität seines öffentlichen Amtes beeinträchtigt“, heißt es in dem an Bundesinnenminister Horst Seehofer gerichteten Schreiben. In Mbembes umstrittenen Passagen über die NS-Zeit sehen sie weder eine Verharmlosung des Holocausts noch Antisemitismus.

Um Mbembe, der die Eröffnungsrede der mittlerweile abgesagten Ruhrtriennale halten sollte, war eine Debatte ausgebrochen, die durch Aussagen Kleins angestoßen wurde. Der Antisemitismusbeauftragte hatte Mbembe im April vorgeworfen, das Existenzrecht Israels infrage zu stellen und den Holocaust zu relativieren. Von der FAZ um   >>>

 

 

Solidaritätsbrief für Achille Mbembe„Vergleich bedeutet nicht Gleichsetzung“
Der Historiker und Politikwissenschaftler Achille Mbembe sei kein Antisemit, sagt der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik im Dlf. Mit anderen internationalen WissenschaftlerInnen hat er in einem Offenen Brief Solidarität mit dem kamerunischen Kollegen ausgedrückt.
Micha Brumlik im Gespräch mit Tanya Lieske - 4. 5. 2020

„In den Augen seiner Kritiker*innen bestand Mbembes Verfehlung unter anderem darin, politische und ideengeschichtliche Ähnlichkeiten seit der Sklaverei und Kontinuitäten zwischen Kolonialregimen und der NS-Ideologie herauszuarbeiten“, heißt es in dem Offenen Brief. Achille Mbembe habe „auf eine Gemeinsamkeit der NS-Politik mit der südafrikanischen Apartheid aufmerksam“ gemacht, dabei aber die Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten nicht mit der Apartheid gleichgesetzt, wie behauptet worden sei.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nähmen deshalb die „schwerwiegenden Vorwürfe“ gegen ihren Kollegen „mit Befremden zur Kenntnis.“ Unterzeichnet haben das Schreiben unter anderem Historikerinnen, Antisemitismusforscher, Soziologinnen, Afrikanologen, Ethnologinnen und Kulturwissenschaftler aus Israel, den USA, Deutschland, Großbritannien und Australien – darunter Aleida Assmann, Wolfgang Benz, Eva Illouz, Susan Neiman und Moshe Zimmermann.
Israels Recht auf Leben in Frieden

„Rassismus hat sowohl in Südafrika als auch im Nationalsozialismus geherrscht“ sagte im Deutschlandfunk Micha Brumlik, emeritierter Professor für Erziehungswissenschaften an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt. Weil Achille Mbembe das Vorwort zu einem amerikanischen Buch mit dem Titel „Apartheid Israel – The Politics of an Analogy“ verfasst habe, würden ihm nun – wegen angeblicher Gleichsetzung von Israel mit dem NS-Staat – die Verharmlosung des Holcaust und eine antisemitische Haltung vorgeworfen. „Im selben Text steht aber auch der Satz: ‚Israel hat das Recht, in Frieden zu leben‘“, so Brumlik. Ein Vergleich bedeute keine Gleichsetzung.  >>>

 

 

 

 

Eine deutsche Debatte im Jahr 2020

Achille Mbembe sagt ein paar Wahrheiten über den kolonialistischen Hintergrund Israels und wird deshalb als „Antisemit“ dämonisiert

Arn Strohmeyer - 4.5.2020

Die Antisemitismus-Vorwürfe gegen den afrikanischen Philosophen Achille Mbembe haben auch eine positive Seite. Sie offenbaren, in welcher ideologischen Blase sich der Mainstream-Diskurs über den Nahost-Konflikt im politischen Deutschland befindet. Wenn es um Israel/Palästina geht, sind nur noch Fragen nach dem Existenzrecht Israels und nach der Relativierung des Holocaust erlaubt. Fallen die Antworten nach Meinung der Fragesteller unbefriedigend aus, beginnt die Antisemitismus-Kanonade und die hinterlässt dann nur noch verbrannte Erde. Dass solche Kampagnen dem eigentlichen Anliegen, dem Kampf gegen den wirklichen Antisemitismus, nur schaden können, scheint dann in der hysterisch aufgeladenen Stimmung schon kaum noch jemanden zu interessieren. Und dass dann wie jetzt im Fall Achille Mbembe auch noch die im Grundgesetz verbürgte Freiheit der Wissenschaft großen Schaden nimmt, wen interessiert das im Eifer des Gefechts?

Wenn man heute laut ausspricht oder schreibt, dass der Holocaust und der Antisemitismus-Vorwurf auch in perfider Weise instrumentalisiert werden, um die brutale Herrschaft Israels über ein ganzes Volk vor Kritik zu schützen, dann ist das auch gleich wieder schlimmer Antisemitismus. Und so dreht sich die Debatte im Kreis ohne die geringste Chance, einen Erkenntnis-Schritt weiter zu kommen. Von politischen Fortschritten und Verbesserungen für die am meisten unter dem gegenwärtigen Zustand Leidenden – die Palästinenser unter der nun schon über 50 Jahre andauernden Besatzung – ganz zu schweigen.

Insofern hat die Debatte um Achille Mbembe auch ihre guten Seiten offenbart. Der Israel-Palästina-Konflikt wird endlich einmal nicht unter dem ausschließlichen Aspekt Holocaust und Antisemitismus geführt, sondern auf seine Wurzeln zurückgeführt. Denn in der westlichen Welt hat man sich – dank der sehr erfolgreichen israelischen Propaganda – daran gewöhnt zu glauben, dass es den Konflikt erst seit dem Juni-Krieg 1967 und den damaligen israelischen Eroberungen gibt, also dem Beginn der Okkupation. Dass es diese Besatzung schon unter strengster Militärherrschaft nach der Nakba 1948 über die noch im jungen Staat Israel verbliebenen Palästinenser bis 1966 gab, wird meistens verschwiegen.

Die entscheidenden Probleme, die den Konflikt bis heute ausmachen, sind aber schon Jahrzehnte früher entstanden. Ohne ihre Kenntnis konnte sich aber der Eindruck verfestigen, dem Israel mit seiner Propaganda kräftig nachgeholfen hat, dass die Araber bzw. die Palästinenser allein an der Auseinandersetzung schuld seien, weil sie sich weigerten, die Feindschaft zu beenden, Israel als Staat anzuerkennen und damit Frieden zu schließen. Also auf der einen Seite die bösen und aggressiven Araber und auf der anderen die friedliebenden und unter der Bedrohung leidenden Israelis. Die wirklichen Ursachen des Konflikts gingen bei dieser Sichtweise völlig unter.

 



Es lohnt sich aber, den Blick etwas weiter in die Vergangenheit zu richten und auch die andere, die am meisten betroffene Seite zu Wort kommen zu lassen. Was besonders in Deutschland schwierig ist, da im offiziellen Diskurs nicht zwischen Judentum und Zionismus unterschieden wird, ja allein die Beschäftigung mit dem Zionismus schon den Verdacht nahelegt, ein Antizionist gleich Antisemit zu sein. Aber der Zionismus ist – unterschieden vom Judentum – eine historische Tatsache, an der kein Weg vorbeiführt, denn er ist bis heute die Staatsideologie Israels. Die Auseinandersetzung mit ihm ist unumgänglich zum Verständnis des Nahostkonflikts.

 


 


Deshalb ein Rückblick. Der Zionismus ist ohne die Theorie und Praxis des europäischen Imperialismus und des Kolonialismus im 19. Jahrhundert gar nicht denkbar. Der Imperialismus strebte die Unterwerfung anderer Länder und Völker sowie die Eingliederung in den eigenen Machtbereich an. Er rechtfertigte diese Eroberungen mit seinem höheren zivilisatorischen Standard und auch mit der rassischen Überlegenheit der Europäer. Schon die frühesten Rassentheoretiker grenzten die weiße Rasse „wissenschaftlich“ von den Völkern roter, gelber, brauner und schwarzer  - mehr >>>

 

 

 

1. 5. 2020

 

Debatte über den Denker Achille Mbembe:
Die andere Seite der Gleichung

Zur Diskussion über Achille Mbembe und die Beziehung zwischen Postkolonialismus und Antisemitismus gehört der kritische Blick auf den Zionismus.

Die Debatte über den afrikanischen Denker Achille Mbembe berührt eine zentrale Frage: Wie verhalten sich Postkolonialismus und Antisemitismus zueinander? Diese Debatte lohnt, geführt zu werden. Saba-Nur Cheema und Meron Mendel haben in der taz kritisiert, dass Mbembe und der postkoloniale Diskurs die Besonderheiten des Antisemitismus im Vergleich zu anderen Formen des Rassismus ignoriert. Es ist richtig, dieses Thema anzusprechen.

Doch in ihrer Kritik fehlt die andere Seite der Gleichung – in der deutschen Debatte über Antisemitismus ist kein Platz für die kolonialen Aspekte Israels und des Zionismus. Und so ist Cheemas und Mendels Lesart des Antisemitismus unbefriedigend, trotz ihrer Sympathie für den postkolonialen Diskurs. Sie begreifen den Antisemitismus und Israel als eine Geschichte, die isoliert für sich steht. Eine seriöse, wenn auch provozierende und mit Affekten aufgeladene Debatte der zentralen Fragen in Sachen Israel und Palästina ist somit kaum möglich. Deshalb verstehen sie Mbembe falsch.
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Es war kein geringerer als Ze’ev Jabotinsky, die charismatische zionistische Leitfigur und der Gründer der revisionistischen Bewegung, der 1923 kühl die kolonialen Aspekte des Zionismus beschrieb. In dem Artikel „Die eiserne Mauer“ erklärte er seinem Publikum schonungslos, warum die Palästinenser den Zionismus gewaltsam ablehnten: „Meine Leser haben eine allgemeine Vorstellung von der Geschichte der Kolonialisierung in anderen Ländern. Ich schlage vor, dass sie alle ihnen bekannten Fälle betrachten und prüfen, ob es einen einzigen Fall gibt, in dem eine Kolonisierung mit der Zustimmung der einheimischen Bevölkerung durchgeführt wurde. Diesen Präzedenzfall gibt es nicht. Die einheimische Bevölkerung hat immer hartnäckig Widerstand gegen Kolonisatoren geleistet.“

Haim Kaplan, ein leidenschaftlicher Zionist aus Warschau, beschrieb 1936 im gleichen Geiste den sogenannten Großen Arabischen Aufstand in Palästina, wo zu jener Zeit seine beiden Kinder lebten. Das Gerede vom wieder aufgeflammten arabischen Antisemitismus sei bloß zionistische Propaganda, stellte er fest. Denn aus ihrer Perspektive hätten die Araber ja recht: Der Zionismus vertreibe sie aus ihrem Land und beginne einen Krieg gegen sie. Kaplan schrieb sein Tagebuch auch während des Holocaust weiter. Es ist einer der wichtigsten Texte aus dem Warschauer Ghetto. Er kam im August  >>>

 

 

 

Aufrufe für Achille Mbembe:"Kampagne"
Jörg Häntzschel - 1. 5. 2020

Wissenschaftler aus dem In- und Ausland haben in einem Aufruf Achille Mbembe gegen Antisemitismus-Vorwürfe in Schutz genommen. In einem zweiten Schreiben fordern jüdische Gelehrte und Künstler Innenminister Seehofer in scharfen Worten auf, den Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, abzuberufen. (...)

Die Unterzeichner des ersten Schreibens, darunter Jan und Aleida Assmann, Wolfgang Reinhard und Micha Brumlik, kritisieren die "Kampagne" gegen Mbembe und die "missbräuchliche Verwendung des Antisemitismusbegriffs". Die Autoren des Briefs an Seehofer, die großenteils an israelischen und US-Universitäten lehren, erklären, Kleins Versuch, "Mbembe als Antisemiten hinzustellen", sei "unbegründet, unangemessen, anstößig und schädlich". Klein habe "dem dringenden Kampf gegen echten Antisemitismus einen schlechten Dienst erwiesen" und "der akademischen Freiheit geschadet". Für seine Aufgabe sei Klein "unqualifiziert".  >>>

 

 

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29. 4. 2020

 

Aleida Assmann und Susan Neiman zur Causa Mbembe
Die Welt reparieren, ohne zu relativieren
Moderation: René Aguigah - 26. 4. 2020

(...) Das Apartheidregime in Südafrika und – in einer ganz anderen Größenordnung und in einem anderen Kontext – die Vernichtung der europäischen Juden sind zwei emblematische Manifestationen dieses Trennungswahns.“

Relativiert Achille Mbembe damit den Holocaust? Es sei „zumindest missverständlich“, so kritisierte der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein, wenn Mbembe das Apartheidsystem in Südafrika und den Genozid an Juden in Europa unmittelbar hintereinander erwähne und darauf hinweise, „dass beides ‚emblematische Manifestationen einer Trennungsfantasie‘ seien.“ Klein verstand das als einen Hinweis auf gemeinsame „ideologische Hintergründe“ und kam zu dem Schluss: „Für mich sind diese Sätze auch als Relativierung des Holocaust zu deuten.“

Susan Neiman ist anderer Ansicht: „Eine Relativierung? Nein, überhaupt nicht.“ Allerdings könne sie verstehen, dass man in Deutschland „heutzutage allergisch darauf reagiert, dass der Holocaust mit irgendetwas anderem verglichen wird.“ Schließlich hätten die Nationalsozialisten selbst versucht, „ihre Verbrechen zu entlasten, indem sie zum Beispiel auf den Genozid an den Native Americans hingewiesen haben.“ Entscheidend sei für sie deshalb immer die Frage: „Wozu wird verglichen?“ Wenn der Vergleich auf Entlastung von eigener Verantwortung abziele, sei er „natürlich sehr fragwürdig“, so Neiman. „Aber ein Vergleich ist immer möglich, ohne dass es gleich ein Relativieren ist.“
Holocaust als Teil der deutschen Identität

In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Geschichte hält Aleida Assmann das „Instrument des Vergleichens“ für unverzichtbar. „Wir müssen vergleichen können“, sagt Assmann, „wir dürfen nicht gleichsetzen.“ Felix Klein machte in seiner Kritik an Mbembe geltend, „die Einzigartigkeit des Holocaust“ sei „auch ein wichtiges Narrativ für die Erinnerungskultur in Deutschland“. Klein berief sich auf den ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck: „Der Holocaust und die Auseinandersetzung damit gehören zur deutschen Identität.“

Inzwischen sei die deutsche Erinnerungskultur, die in den letzten Jahrzehnten aus dieser Auseinandersetzung erwuchs, zum Teil einer transnationalen Erinnerungsgemeinschaft geworden, sagt Aleida Assmann. Mit der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken (IHRA) hat sie auch einen institutionellen Rahmen gefunden. Die Einzigartigkeit des Holocaust sei dort eine allgemein geteilte Grundüberzeugung, so Assmann. Fragen der historischen Vergleichbarkeit stellten sich heute jedoch schon vor dem Horizont postkolonialer Perspektiven neu. >>>

 


 

 

Michael Wolffsohn - ein braver Verteidiger des Zionismus und Israels,
geübt als Verleumder meldet sich.
Mir scheint, er wandelt geistig auf den Spuren von Henryk M. Broder
 


 

 



Der Israel-Vergleich von Achille Mbembe bestätigt das verbreitete antisemitisch-antizionistische Muster der Linken
Michael Wolffsohn - 28.04.2020

Der in Johannesburg lehrende Philosoph Achille Mbembe bezeichnet Israel als «Labor» einer bevorstehenden globalen Apartheid-Politik. Die Ruhrtriennale, an der er die Eröffnungsrede hätte halten sollen, ist zwar abgesagt. Aber die Problematik bleibt bestehen, dass ein bestimmtes linkes Milieu eine offene Judenfeinschaft pflegt.
Michael Wolffsohn - 28.04.2020

Über Juden und Israel reden oder schreiben fast alle mehr, als sie wissen. Besonders Antisemiten und Antizionisten. Rechtsextreme und Muslime ebenso wie Linke und Linksliberale (Li-Libs). Dann werden gerne, wie es jüngst in der «FAZ» der Fall war, jüdische oder israelische Aussenseiter als Schutzwall gegen den Antisemitismus-Vorwurf benutzt. Zum Beispiel Judith Butler und Noam Chomsky. Fairerweise muss einschränkend erwähnt werden, dass viele Li-Libs sich subjektiv wirklich nicht als Antisemiten oder Antizionisten wahrnehmen. De facto sind sie es, weil sie in der internationalen Politik- und Kulturarena den Seinsgrund der jüdischen und israelischen Mehrheit unterminieren.

Näher erklärt sei, weshalb manche Li-Libs (sowie über diese hinaus weite Teile der pazifistisch und bis zur Corona-Epidemie universalistisch programmierten westlichen Nachkriegsgesellschaften) sich selbst subjektiv durchaus nicht als Antisemiten/Antizionisten wahrnehmen, es jedoch objektiv – genauer: de facto – sind. >>>

 

 

 

 

27. 5. 2020

 

Geplatzte Ruhrtriennale: Vertrag von Intendantin läuft aus

 Die umstrittene Ruhrtriennale-Intendantin Stefanie Carp wird wegen der Corona-Pandemie ohne eine letzte Spielzeit im Spätsommer von ihrem Posten ausscheiden. Der Vertrag laufe Ende September wie geplant aus, sagte ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Kulturministeriums auf Anfrage. Zuvor hatte der Aufsichtsrat trotz der Proteste der Intendantin entschieden, das Kulturfestival 2020 wegen der Corona-Krise abzusagen. Carp muss deshalb auf die letzte ihrer drei Spielzeiten verzichten.

Die Intendantin war zuletzt erneut in die Kritik geraten, weil sie mit Achille Mbembe einen Redner für die Eröffnung der Ruhrtriennale 2020 eingeladen hatte, der wegen israelkritischer Ansichten in der Kritik steht. Schon zwei Jahre zuvor war Carp massiv unter Beschuss geraten, weil sie eine Band eingeladen hatte, die der Bewegung BDS nahestehen soll. Diese fordert unter anderem den Boykott israelischer Waren und wurde in einem Beschluss des Bundestags als antisemitisch eingestuft.  >>>

 

 

 


26. 5. 2010

Moshe Zuckermann zur Debatte um Mbembe„Antizionismus, Antisemitismus und Israelkritik sind drei Paar Schuhe“
Moshe Zuckermann im Gespräch mit Johannes Nichelmann

Die Vorwürfe wiegen schwer: Der renommierte Postkolonialismus-Theoretiker Achille Mbembe ein Antisemit? Der Historiker Moshe Zuckermann ist anderer Ansicht: Kritik am Staat Israel müsse auch in Deutschland möglich sein.

Dem kamerunischen Postkolonialismus-Theoretiker und Historiker Achille Mbembe wird von Felix Klein, dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, vorgeworfen, den Holocaust zu relativieren und die vom Bundestag als antisemitisch eingestufte Kampagne „BDS“ zu unterstützen. Mbembe weist beides entschieden zurück.

Der israelische Historiker Moshe Zuckermann verteidigt Mbembe jetzt und meint, besagte Vorwürfe hätten weniger etwas mit Mbembe zu tun, als vielmehr mit „deutschen Befindlichkeiten“: In Deutschland habe man das Gedenken an den Holocaust und den Kampf gegen Antisemitismus „dermaßen verhunzt“, „dass man noch nicht begriffen hat, dass Israel, Zionismus und Judentum drei paar Schuhe sind. Was auch – negativ gewendet – heißt, dass Antizionismus, Antisemitismus, Israelkritik drei paar Schuhe sind.“
Wer bestimmt, wer Antisemit ist?

Kritik an Israel sei deswegen nicht gleichzeitig antisemitisch. Auch ein Vergleich des Umgangs Israels mit den Palästinensern mit dem Apartheidregime Südafrika hält Zuckermann für zulässig.

Es gehe nicht darum, ob Menschen wie Achille Mbembe oder er selbst Antisemiten seien, sagt Zuckermann, sondern um „die Tatsache, dass man wieder von Deutschland aus bestimmt, wer Jude ist und wer nicht Jude ist, und wer Antisemit ist und wer nicht Antisemit ist, und sich dabei gar nicht die Frage stellt: Was betreibt Israel, dass es dazu führt, dass es zu diesen Strategien und zu dieser Kritik kommt?“  >>>

 

 

 

25. 4. 2020

 

Das peinliche Eigentor des Antisemitismus-Beauftragten Felix Klein

Der afrikanische Philosoph Achille Mbembe legt ein überzeugendes Bekenntnis zum politischen Universalismus ab und lässt seine Kritiker brillant abblitzen

Arn Strohmeyer

Die deutschen Antisemitismusjäger glaubten, ein neues Opfer gefunden zu haben: den aus Kamerun stammenden Historiker und Philosophen Achille Mbembe. Aber der Schuss ging gründlich daneben und geriet – in der Fußballsprache gesagt – zum mehr als peinlichen Eigentor. Denn Mbembes Erwiderung auf die Vorwürfe in der ZEIT stellte die beiden Inquisitoren, den nordrheinwestfälischen FDP-Politiker Lorenz Deutsch und den Antisemitismus-Beauftragten Dr. Felix Klein, als das dar, was sie in Wirklichkeit sind: kleingeistige Dogmatiker, die sich offensichtlich im Judentum auch nur sehr begrenzt auskennen. Was nicht verwundert, wenn man Judentum, Zionismus und Israel und umgekehrt Antisemitismus, Antizionismus und Kritik an der israelischen Politik nicht auseinanderhalten kann oder will.

Auch auf die Gefahr hin sich zu wiederholen: Es ist kein Geheimnis, dass sich das Judentum in einer tiefen existentiellen Krise befindet, weil es in zwei große Richtungen gespalten ist: die Partikularisten und die Universalisten. Erstere sind heute die Anhänger des Zionismus bzw. des radikalen israelischen Nationalismus, auf der anderen Seite stehen die Universalisten, also die Vertreter von Menschenrechten und Völkerrecht, denen die Zionisten mit Ablehnung bis Verachtung begegnen.

Um zu belegen, dass das Aufzeigen des Konflikts im Judentum keine Erfindung von Kritikern der israelischen Politik ist, sei hier eine Passage aus dem Buch Israel der israelischen Soziologin Eva Illouz angeführt, in der sie genau diese schwärende Wunde des Judentums aufzeigt: „Der Zweck dieses Buches und der damit verbundenen Entscheidung, den akademischen Elfenbeinturm zu verlassen, ist kein geringerer, als Juden auf der ganzen Welt den Spiegel vorzuhalten, um sie an die Ideale zu erinnern, für die sie in den letzten zweihundert Jahren gekämpft haben und die dafür sorgten, dass ihre Gemeinschaften gediehen. Diese Ideale und den moralischen Kompass, den sie boten, zu vergessen heißt, die Geschichte der aufgeklärten Juden der letzten zweihundert Jahre zu verraten. Diese Geschichte ist unvollendet, solange die politischen Institutionen und die Kultur Israels nicht universalistische Gebote umfassen, die die Geburt aller modernen Demokratien begleitet haben. Ein jüdischer Staat, der nicht auf universeller Gerechtigkeit aufbaut, wird nicht auf die zentrale Herausforderung geantwortet haben, vor die die Moderne das jüdische Volk stellte, nämlich ihre Existenz und ihre Identität unter Einbeziehung der Forderungen des Universalismus neu zu definieren, statt diese von sich zu weisen.“


Diese Sätze sagen deutlich, dass deutsche Antisemitismus-Beauftragte, die Kritik an Israels Politik als Antisemitismus diffamieren, nicht die Aufklärung mit ihren universalistischen Prinzipien vertreten, sondern die Interessen des israelischen Ultra-Nationalismus. Achille Membe ist, das betont er in seiner Antwort auf die Antisemitismusvorwürfe, sehr deutlich, ein überzeugter Universalist – und das reicht dann aus, ihn zu verleugnen. Schon die Überschrift, die er für seinen Antwortartikel benutzt, ist universell jüdisch: „Die Welt reparieren“ (tikun olam). Unter diesem Motto betreibt Israel seine Entwicklungspolitik in der Dritten Welt, besonders in Afrika. Es leistet dort Aufbauhilfe vielerlei Art: zivile und militärische, während die Palästinenser in den besetzten Gebieten (besonders im Gazastreifen) nicht das Nötigste zum Überleben bekommen. Aber die Dritte Welt ist für Israel ein wichtiger Handelspartner und Abnehmer von Waffen und Sicherheitstechnik. Und natürlich sollen die Dritte-Welt-Staaten in der UNO für Israel und nicht für die Rechte der Palästinenser stimmen. In diesem Sinn hat Achille Mbembe die Überschrift seines Artikels „Die Welt reparieren“ aber sicher nicht verstanden.


Er schreibt dazu erklärend ganz im Sinn des Universalismus: „Ich widme meine gesamte intellektuelle Energie der Frage nach der Reparatur und Reparation der Welt. Alles, was ich je geschrieben oder gesagt habe, ruht auf einem einzigen Element, nämlich der Hoffnung auf der Herausbildung einer wirklich universellen menschlichen Gemeinschaft, von deren Tisch niemand ausgeschlossen wird.“


Die Ausgangspunkte seiner Gedanken sind die in Europa in den vergangenen Jahrhunderten entwickelten kolonialistischen und rassistischen Bewegungen, die dann über die Weltmeere exportiert wurden und in den Kolonien der europäischen Mächte zu furchtbaren Massenverbrechen geführt haben. Mbembe weiß als Afrikaner, wovon er redet. Wenn er von der Utopie der „universellen Versöhnung“ und dem „kollektiven Aufstieg des Menschseins“ spricht, bezieht er sich ausdrücklich auch auf jüdische – universell ausgerichtete – Denker wie Hermann Cohen, Franz Rosenzeig, Ernst Bloch und Emmanuel Levinas.


Und da der aus Europa kommende Kolonialismus und Rassismus in seinem Denken eine so wichtige Rolle spielt, muss er sich auch notgedrungen mit der Geschichte und den Vorgängen in Israel/Palästina beschäftigen, denn der Zionismus ist die letzte (nach-) kolonialistische Bewegung auf der Welt und gerade deshalb so anachronistisch. >>>

 

 

Jerusalem Post Diaspora Antisemitism - German Jewish head opposes BDS speaker, wants anti-Israel director fired - Schuster criticized Mbembe’s writings which argue that Israel’s interactions with the Palestinians in the context of the Palestinian-Israeli conflict is worse than the Holocaust. - Benjamin Weinthal - 25, 2020

The president of the Germany’s 105,000 member Central Council of Jews called on Saturday for the dismissal of Stefanie Carp, the anti-Israel director of the Ruhrtriennale music and cultural festival, who passionately defended a South African-based academic who supports the “global isolation” of the Jewish state as the opening speaker for the now cancelled event.
The Jerusalem Post sent a press query to Josef Schuster, the head of the Central Council, this week. He said "I have no understanding for the invitation of Achille Mbembe as opening speaker of the Ruhrtriennale - even if the event has now been cancelled due to corona,” according to a report in the Neuen Osnabrücker Zeitung

Schuster called on the festival’s organization to fire Stefanie Carp, the director of Ruhrtriennale, who has invited Boycott, Divestment, Sanctions speakers over the years to the festival to bash Israel. Schuster said Mbembe propagates the view that Israel’s conduct is worse than the former apartheid regime in South Africa. Schuster said that is historically false and unacceptable.
Schuster also criticized Mbembe’s writings because they argue that Israel’s interaction with the Palestinians in the context of the Palestinian-Israeli conflict is worse than the Holocaust. "With that he [Mbembe] disqualifies himself." said Schuster, adding "I wonder what the director was thinking when she invited him. Apparently, her attitude has not changed at all." Schuster said "I can no longer understand that she continues to be director of the Ruhrtriennale, and I appeal to those responsible to finally draw the necessary conclusions."  >>>

Dokumentation - Benjamin Weinthal - Deutschland Korrespondent der "Jerusalem Post" >>>

 

 

 

Zentralrat der Juden fordert Absetzung von Intendantin der Ruhrtriennale
25.04.2020

Der Zentralrat der Juden in Deutschland kritisiert die Intendantin der Ruhrtriennale, Stefanie Carb, scharf. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte Zentralratspräsident Josef Schuster: "Ich habe keinerlei Verständnis für die Einladung von Achille Mbembe als Eröffnungsreferent der Ruhrtriennale - auch wenn die Veranstaltung wegen Corona mittlerweile abgesagt ist."

Mbembe vertrete die Auffassung, Israel verhalte sich heute schlimmer als Südafrika zur Zeit der Apartheid. "Das ist historisch falsch und nicht zu akzeptieren. Damit unterstützt er indirekt die BDS-Bewegung", sagte Schuster. Zudem läsen sich einige Stellen in seinen Schriften so, als betrachte der Historiker den Umgang Israels mit den Palästinensern in gewisser Weise als schlimmer als die Schoah. "Damit disqualifiziert er sich", so Schuster.

"Ich frage mich, was sich die Intendantin bei seiner Einladung gedacht hat." Schon vor zwei Jahren war Stefanie Carb in die Kritik geraten. Damals hatte sie eine BDS-nahe Band eingeladen. "Sie hat sich offensichtlich in ihrer Einstellung überhaupt nicht geändert", kritisiert der Zentralratspräsident. "Ich kann nicht mehr nachvollziehen, dass sie weiterhin Intendantin der Ruhrtriennale ist, und appelliere an die Verantwortlichen, endlich die notwendige Konsequenz zu ziehen."  >>>

 

 


Spiegelbilder und Geisterdebatten
 Reiner Bernstein - April 25, 2020

Nur gut, dass es den Corona-Virus gibt… Da genießen die einen die Wiederkunft ihrer Weltverschwörungstheorien, wonach die Geflüchteten für das Unheil in aller Welt verantwortlich seien. Die anderen richten sich in der Sonne von Antisemitismus-Verdächtigungen ein, die bürgerliche Existenzen in Grund und Boden ruinieren sollen. Ein Glück also, dass sich die Verantwortlichen in Düsseldorf hinter Covid-19 mit der Absage der diesjährigen Ruhrtriennale verstecken konnten, um der Gefahr zu entgehen, kriminalisierende Belege gegen Achille Bmembe zu erbringen, anscheinend reichten „Zweifel“ aus. Ist er ein törichter Intellektueller, auf den es mehr oder weniger nicht ankomme, wie die FAZ glaubte, vermitteln zu müssen? Nebenbei wird in den Anwürfen der Argwohn gleich mittransportiert, die Stifter zahlreicher Auszeichnungen des Wissenschaftlers seien wohl auch Antisemiten.

Seit zwei Wochen geistert die Diskussion durch unsere Medien, ob der in Kamerun geborene Politologe und Philosoph Antisemit sei. Ihm werden die Zugehörigkeit oder zumindest Sympathien für die BDS-Kampagnen vorgehalten, als ob das Verlangen nach Mindeststandards der Rechtsgleichheit für die Palästinenser in Israel und in den besetzten Gebieten ein Verbrechen sei. Da hilft es nicht, dass Mbembe sich in einem Lernprozess von BDS distanziert hat. Dem eigenen Lernprozess in Sachen Israel müssen sich seine Gegner nicht stellen, oder? Es ist an der Zeit, vor der Befassung mit BDS die israelischen Interaktionsprozesse in den besetzten Gebieten in Augenschein zu nehmen und die Naivität über Bord zu werfen.

Es passt wie die Faust aufs Auge, dass im deutschen protestantischen Establishment erneut die These bei den Kirchengemeinden vertreten wird, die Gründung des Staates Israel sei „ein Zeichen der Treue Gottes zu Seinem Volk“. Von der theologischen Übergriffigkeit abgesehen: Wer muss sich da  >>>

 

 

 

Brillanter Denker im Zentrum einer Antisemitismus-Debatte.
Jörg Häntzschel - 24. April 2020

Neulich bekam der in Johannesburg lebende Historiker und Politologe Achille Mbembe eine Nachricht, die ihn sprachlos machte. Er werde, hieß es darin, in Deutschland des Antisemitismus beschuldigt. Der FDP-Politiker Lorenz Deutsch wollte in Mbembes Schriften Hinweise darauf gefunden haben. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, schloss sich an. Beide empörten sich darüber, dass Mbembe den Eröffnungsvortrag der Ruhrtriennale halten sollte und forderten, ihn auszuladen. >>>

 

 

 

 

24. 4. 2020



Achille Mbembe bei der Verleihung des Geschwister-Scholl-Preises 2015. (Foto: Heike Huslage-Koch, CC BY-SA 4.0)

Neokoloniales Denken
Die Angriffe gegen Achille Mbembe im Namen der Antisemitismus-Bekämpfung sind im wahrsten Sinne ver-rückt.
Katja Maurer

Sprechpositionen, die eigentlich die eigene koloniale und antisemitische Geschichte reflektieren sollten, sind unversehens zu Wahrheitspositionen geworden. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung verbietet einem der bedeutendsten Theoretiker des Postkolonialismus das Wort. Verleumdung statt einer notwendigen Debatte?

Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung Klein hat den kamerunischen Philosophen Achille Mbembe des Antisemitismus beschuldigt und verlangt, dass er die Ruhrtriennale 2020 nicht eröffnen dürfe. Ganz abgesehen davon, dass das Kulturfestival mittlerweile abgesagt ist, sollen also seine „Reflections on Planetary Living“ inkriminiert werden. Geplant war, dass Achille Mbembe sein „Konzept des Reparierens unseres Planeten und unserer Gesellschaften“ beschreibt, und das was er das „planetarisches Leben“ nennt.

Das würde man in Corona-Zeiten gerne hören und lesen. Dieses Konzept der Reparatur findet sich im Übrigen nicht nur bei Achille Mbembe. 2016 zeigte das Frankfurter Museum für Moderne Kunst die Arbeiten des algerisch-französischen Künstlers Kader Attia, der zur Zeit in Berlin und Algier lebt, und seine Erfahrungen in verschiedenen Kulturen und ihre jeweilige traumatische Historie in ein ästhetisches Konzept von Sichtbarmachen und sichtbarem Reparieren der Wunden übersetzt hat. Seine Ausstellung in Frankfurt begann mit dem begehbaren Nachbau eines kurzen Straßenstücks in der Altstadt von Hebron, in dem die verrammelten Läden palästinensischer Betreiber*innen rundherum und auch von oben eingezäunt sind, um die besonders radikalen jüdischen Siedler von den Palästinenser*innen zu trennen. Die Siedler*innen werfen als Zeichen der Missachtung und des Hohns regelmäßig Müll auf das Dach aus Zaun; Müll, den die Palästinenser*innen nicht beseitigen können. 2016 gab es noch keinen Antisemitismusbeauftragten. Der hätte vielleicht auch Kader Attia des Antisemitismus beschuldigt.
Vergleichen heißt nicht gleichsetzen

Mit Achille Mbembe soll nun einer der wichtigsten Denker des Postkolonialismus, der nicht nur Frantz Fanon und Aimé Césaire in sein Denken integriert, sondern auch europäische und nicht zuletzt jüdische Philosoph*innen von Spinoza bis Hannah Arendt, mundtot gemacht werden. Der Grund besteht in seiner Kritik gegenüber der israelischen Besatzungs- und Siedlungspolitik, die er sich in seinem Buch „Politik der Feindschaft“ mit analytischer Schärfe vornimmt und bei der er auch Vergleiche mit dem südafrikanischen Apartheidsystem nicht scheut. Vergleichen ist aber bekanntlich nicht gleichsetzen. Mbembe kommt in seiner Beschäftigung zum Schluss, dass die „Metapher Apartheid“ nicht tauge – was seine Kritik nicht weniger scharf macht.

Das Problem: Mit dem BDS-Beschluss des Bundestages steht Kritik an Israel generell unter dem Anfangsverdacht des Antisemitismus. Die Singularität der Shoa, die im industriell und bürokratisch organisierten Massenmord ihre Einzigartigkeit besitzt, auf Israel auszuweiten und damit all seine Herrschaftspraktiken über die Palästinenser*innen zu legitimieren, entlässt allerdings Israel aus den Regeln des Völkerrechts, so unvollständig und ambivalent sie sein mögen. Das Recht des Stärkeren wird aus der Bedrohungsannahme begründet. Das aber ist mitnichten eine Besonderheit der israelischen Variante des Otherings. „Den Kern der aktuellen Trennungsprojekte bildet also die Vernichtungsangst“, schreibt Mbembe 2017 mit Bezug auf den Aufschwung rechter und neofaschistischer Bewegungen in Europa, die sich seit der großen Bewegung der Geflüchteten in Rassismus- und Abweisungsideen ergießen. Sie können sich dabei auf den Diskurs der rechten Regierung in Israel stützen. Kein Wunder, dass die AfD beim BDS-Beschluss des Bundestages die schärfsten Formulierungen wählte und gleich noch jede humanitär Unterstützung in den palästinensischen Gebieten verbieten wollte.   >>>

 

 

 

22. 4. 2020

Gespräch - Antisemitismus-Vorwürfe gegen Achille Mbembe:
„Anzeichen einer Hexenjagd“

Der Historiker Prof. Andreas Eckert sieht in den Antisemitismus-Vorwürfen gegen den Postkolonialismus-Forscher Achille Mbembe „gewisse Anzeichen einer Hexenjagd“. Im Gespräch mit SWR2 sagte Eckert, die umstrittenen Textpassagen Mbembes würden die Vorwürfe nicht rechtfertigen. In seinen Schriften habe Mbembe deutlich gemacht, dass der Holocaust eine andere Dimension darstelle als das Apartheidsystem, so Eckert.
 

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Zuvor hatte Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Teile von Mbembes Buch „Politik der Feindschaft“ kritisiert. Mbembe selbst hat die Vorwürfe ebenfalls zurückgewiesen.

Der Politikwissenschaftler Mbembe sollte die Ruhrtriennale 2020 mit einer Rede eröffnen. Am 22. April wurde bekannt gegeben, dass das Festival wegen der Corona-Pandemie abgesagt ist. aus der Sendung vom Mi, 22.4.2020 18:40 Uhr, SWR2 Kultur aktuell, SWR2

 

 

 

 

21. 4. 2020

Die Causa Achille Mbembe
Schwere Vorwürfe und Streit um einige Textpassagen
René Aguigah im Gespräch mit Felix Klein und Andrea Gerk
- 21- 4- 2020

(...) Wir haben im Programm schon gestern darüber berichtet, wollen aber noch mal genauer hinschauen. Mein Kollege René Aguigah hat mit Felix Klein gesprochen. Was wirft er denn Mbembe genau vor?

René Aguigah
: Ich habe gestern die Gelegenheit gehabt, eine knappe halbe Stunde zu telefonieren, und ein paar Ausschnitte wollen wir hören. Da hat er mir seine Vorwürfe genauer erläutert. Vielleicht hören wir direkt mal rein:

Die Einzigartigkeit des Holocaust als deutsches Narrativ


Felix Klein:
Herr Mbembe ist ein sehr bedeutender Philosoph Afrikas, und von ihm erwarte ich, dass er, wenn er Stellung nimmt zu den Themen Holocaust, Völkermord, Apartheid, da auch genau formuliert. Die Sätze, die er in seinem Aufsatz „Politik der Feindschaft“ äußert, sind zumindest missverständlich, wenn er das Apartheidssystem in Südafrika und die Zerstörung von Juden in Europa unmittelbar hintereinander erwähnt und auf die ideologischen Hintergründe hinweist, dass beides „emblematische Manifestationen einer Trennungsfantasie“ seien.

Aguigah:
Das Letzte war jetzt ein Zitat, Felix Klein zitiert hier Achille Mbembe. Diese Debatte hat den äußeren Anlass, dass Mbembe eingeladen worden ist zu einem Eröffnungsvortrag bei der Ruhrtriennale im August. In einem umfangreichen Buch namens "Politik der Feindschaft" wurden dann zwei, drei Stellen gefunden, an denen sich diese Debatte entzündet, eine hat er gerade zitiert, diese Sache mit der „emblematische Manifestation einer Trennungsfantasie“, auf die Mbembe eben nicht nur den Holocaust bezieht. Was Felix Klein als Kritiker von Mbembe darin sieht, ist die Relativierung des Holocaust, und das hören wir uns auch genauer an.

Klein:
Das heißt, die Einzigartigkeit des Holocaust, die auch ein wichtiges Narrativ ist für die Erinnerungskultur in Deutschland, auch für die Gründung der Bundesrepublik Deutschland, so wie es Joachim Gauck ja mal formuliert hat: Der Holocaust und die Auseinandersetzung damit gehören zur deutschen Identität. Wenn also Herr Mbembe als ausländischer Wissenschaftler in so eine Debatte eingreift und auch missverständliche Sätze formuliert, dann muss er das klarstellen. Für mich sind diese Sätze auch als Relativierung des Holocaust zu deuten, und in meiner Eigenschaft als Antisemitismusbeauftragter fühle ich mich berufen, in so eine Debatte einzugreifen und dann auch meine Sorge zum Ausdruck zu bringen, dass das hier missverstanden werden kann. Deswegen habe ich mich zu Wort gemeldet, und die Auseinandersetzung, die jetzt geführt wird, halte ich für sehr richtig.

Aguigah:
Hier finde ich interessant, dass Felix Klein, der Beauftragte für den Kampf gegen den Antisemitismus in Deutschland, als Kern seines Anliegens anführt, dass er einen Grundsatz der Bundesrepublik – die deutsche Erinnerungskultur und Identität – bedroht sieht. Er spitzt den Vorwurf dann sogar noch weiter zu: nicht nur Relativierung des Holocaust, sondern Gleichsetzung.
Apartheid und Holocaust nicht gleichsetzen

Klein:
Ich glaube, dass es etwas völlig Unterschiedliches ist, diese Separationsfantasien. Ob man durch einen Zaun Wohngebiete trennt oder Nationen durch eine Mauer oder ein Vernichtungslager von der restlichen Bevölkerung, das ist doch grundsätzlich etwas Anderes. Die völkische Ideologie der Nazis gleichzusetzen mit dem System der Apartheid halte ich wirklich für problematisch, weil dieser allumfassende Zerstörungs- und Rassenwahn der Nazis in die systematische und industrielle Vernichtung von Menschen geführt hat. Das halte ich auch, wenn ich die südafrikanische Perspektive oder kamerunische Perspektive von Herrn Mbembe miteinbeziehe, wirklich für problematisch, zumal er auch, wenn er sich auch auf Israel bezieht, die Situation, in der Israel sich befindet, zu sehr gleichsetzt mit dem, was in Südafrika war.

Aguigah:
Vielleicht noch mal kurz zur Übersicht – es geht um drei große Komplexe, die da eine Rolle spielen: Apartheid in Südafrika, Holocaust und der Staat Israel, die Besatzungspolitik Israels. Nach Ansicht der Kritiker, von denen Felix Klein einer ist, vermengt Achille Mbembe das alles zu sehr, wirft alles in einen Topf. Wir hören noch einen letzten O-Ton von Felix Klein, in dem er noch mal auf die vermeintliche oder angebliche Bestreitung des Existenzrechts Israels eingeht: >>>

 

 

 

 

20. 4. 2020

Deutsche Zensurkampagne richtet sich gegen Wissenschaftlerin über BDS und erhebt "Antisemitismus"-Anklage
 Jonathan Ofir -  20. April 2020 - Übersetzt mit DeepL

Deutschland ist nun berüchtigt dafür, den Vorwurf des Antisemitismus zur Waffe zu erheben, um die Solidarität mit Palästina zum Schweigen zu bringen, und bezeichnet BDS - die friedliche Boykott-, Entflechtungs- und Sanktionsbewegung gegen israelische Übergriffe - als von Natur aus antisemitisch. Im Mai letzten Jahres hat der Deutsche Bundestag eine Resolution verabschiedet, in der der BDS als "antisemitisch" verurteilt und "Israel" und "Juden" schlicht und einfach mit "Israel" verschmolzen und damit der BDS mit dem Judenboykott der Nazis in Verbindung gebracht wurde. Nun gibt es also einen ganzen Wirbel um den renommierten Professor Achille Mbembe, der für einen Vortrag bei der Ruhrtriennale in Nordrhein-Westfalen gebucht ist. Mbembe ist für die Eröffnungsrede am 14. August mit dem Titel "Reflexionen über das planetarische Leben" gebucht. Er hat BDS unterstützt und Vergleiche zwischen der südafrikanischen Apartheid und der Unterdrückung der Palästinenser angestellt. Mbembe ist ein in Kamerun geborener, in Südafrika lebender Historiker, der auf der ganzen Welt Vorträge hält und von der South African National Research Foundation mit A1 bewertet wird. Er ist Mitglied der American Academy of Arts and Sciences.

Die Angriffe gegen Mbembe scheinen von Lorenz Deutsch, einem Lokalpolitiker der FDP (Liberale Partei), durch einen Brief initiiert worden zu sein, der von Dr. Felix Klein, dem "Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus", weitergeleitet und gefördert wurde. Deutsch hebt in seinem Brief Zitate aus Mbembes Schreiben hervor, die seinen Antisemitismus belegen sollen, und was die lokale wie auch die israelische Presse als "Holocaust-Benachteiligung" und "Holocaust-Relativierung" ausgeheckt haben. Hier sind die kritischen Mbembe-Zitate: Darüber hinaus sind die Auswirkungen des israelischen Projekts auf den palästinensischen Körper angesichts seines "Hi-Tech"-Charakters viel gewaltiger als die relativ primitiven Operationen, die das Apartheidregime in Südafrika zwischen 1948 und den frühen 1980er Jahren durchgeführt hat. Das Apartheidsystem in Südafrika und die Vernichtung der Juden in Europa - letzteres allerdings auf extreme Weise und in einem ganz anderen Rahmen - stellten zwei emblematische Manifestationen dieser Trennungsphantasie dar.

Wie gelangt man nun von hier aus zum Antisemitismus, zur Relativierung des Holocaust oder zur Trivialisierung des Holocaust? Selbst in dieser klinischen Isolation sind die Zitate recht logisch aufgebaut, und das letztgenannte Zitat ist sogar entscheidend für die Unterscheidung des Holocaust von der südafrikanischen Apartheid.

Der Schlüssel zur Anklage gegen Mbembe liegt in der berüchtigten "Definition" von Antisemitismus durch die International Holocaust Remembrance Alliance, die international als Waffe eingesetzt wurde, um die Kritik an Israel zu unterdrücken.. Die vage und ungeschickte Definition liefert eine Liste von 11 Beispielen antisemitischer Äußerungen, von denen sieben mit Israel in Verbindung stehen. Unter diesen Beispielen sind:

Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts des jüdischen Volkes, z.B. durch die Behauptung, die Existenz eines Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen

Beschuldigung der Juden als Volk oder Israels als Staat, den Holocaust erfunden oder übertrieben zu haben.

Diese beiden Beispiele scheinen nahe an die Anschuldigungen gegen Mbembe heranzukommen, obwohl sie ohnehin nicht wirklich zu ihnen passen. Diese "Definition" soll ohnehin nicht perfekt passen - es geht darum, sich für eine allgemeine Kampagne der Verunglimpfung des BDS und der Kritik an Israel im Allgemeinen zu öffnen, wie es vielerorts der Fall war, wie in den USA und Großbritannien, wo die Definition in letzterem Land ein wichtiger Aktivposten in der Kampagne gegen Jeremy Corbyn war.

Die Angriffe gegen Mbembe scheinen mehrere Kanäle zu haben - von den lokalen Politikern und konservativen jüdischen Führern bis hin zur Jerusalem Post. "Deutscher Kulturfestival-Direktor wegen BDS-Antisemitismus zur Entlassung gedrängt", so lautet der Titel des jüngsten in einer Reihe von Artikeln von Benjamin Weinthal in der Jerusalem Post, einem Journalisten, für den solche Hexenjagden ein Lieblingsprojekt zu sein scheinen. Weinthals Ziel ist auch die Leiterin des Festivals, Stefanie Carp. Er zitiert zustimmend einen deutschen Beamten, der sagt, sie solle entlassen werden, weil sie Mbembe gebucht habe. Beachten Sie auch die Paarung "BDS-Antisemitismus". Das ist eine sprachliche Gesamtverschmelzung, die absolut keinen Raum fuer die Moeglichkeit laesst, dass der BDS tatsaechlich eine Bewegung ist, die sich mit Menschenrechten befasst. Nein, es ist einfach eine Unterform des Antisemitismus, und das steht außer Diskussion. Weinthal zitiert Uwe Becker, den "Beauftragten der Hessischen Landesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen den Antisemitismus in Deutschland", der genau dieselbe Verschmelzung vornimmt:

Wieder einmal setzt die Leiterin der Ruhrtriennale Stefanie Carp einen anti-israelischen Akzent und inszeniert die Diffamierung des jüdischen Staates unter dem Deckmantel der Kunst- und Meinungsfreiheit... Offensichtlich hat Frau Carp nicht nur ein Problem mit Israel, sondern bietet dem israelbezogenen Antisemitismus bewusst eine große Plattform. Wieder einmal missbraucht sie den Rahmen eines öffentlich finanzierten Festivals für antisemitische Feindbilder gegenüber Israel. Dabei spielt es keine Rolle, dass Carp bestätigt hat, dass Mbembe in seiner Festival-Rede "sich nicht mit Israel und dem Nahost-Konflikt befassen wird". Seine Positionen sind anscheinend jenseits des Erlaubten, und Carp muss gefeuert werden, weil sie überhaupt in Erwägung zieht, ihn über irgendetwas sprechen zu lassen.

Weinthal weist auf Mbembes Kardinalssünde hin: Dass er in einem Vorwort zu einem Buch aus dem Jahr 2015 mit dem Titel "Apartheid Israel: The Politics of an Analogy" schrieb Mbembe, dass "die Zeit für eine globale Isolation" Israels gekommen sei. Es ist ein echtes Problem, wenn diese Zusammenschlüsse von Israel und allen Juden vollzogen werden - und man kann nicht über die israelische Apartheid sprechen, ohne sie als einen inhärenten Hass auf alle Juden zu betrachten.

Sogar Juden werden für diese Dinge angegriffen. Im vergangenen Jahr erhielt die Deutsch-Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden im Nahen Osten einen Friedenspreis der Stadt Göttingen, den Israel-Apologeten mit dem Hinweis auf die "falsche Art von Juden" gestrichen haben wollten. Im Jahr 2016 wurde nach einer Aufklärungskampagne der israelischen Regierung und ihrer lokalen Unterstützer das Bankkonto der Organisation geschlossen. Dies war in der Tat das erste Mal nach dem Zweiten Weltkrieg, dass ein Konto einer jüdischen Organisation in Deutschland geschlossen wurde. Es wurde ihnen ausdrücklich erklärt, dass dies aus politischen Gründen geschah - wenn sie ihre Unterstützung für den BDS zurückziehen würden, könnten sie das Konto wieder eröffnen. Erst nach einer massiven Protestaktion wurde ihnen erlaubt, das Konto wieder zu eröffnen.

Deutschland wendet in dieser Hinsicht eine staatlich geförderte Zensur auf Steroide an. Die Holocaustschuld, die von israelischen Diplomaten aktiv und zugegebenermaßen gefördert wird, dient als zentraler emotionaler Kern für diese Zensur, die Israel vor Kritik und Verurteilung schützen soll, indem sie jeden, der jemals über seinen Rassismus gesprochen hat, selbst als Rassist befleckt.    Quelle

 

 

 

 

Antisemitismusvorwürfe gegen Mbembe:"
Sehr viel Fantasie"
Der Antisemitismusbeauftragte des Bundes wirft dem Historiker Achille Mbembe vor, den Holocaust relativiert zu haben. Die Angriffe scheinen allerdings gegen jemand anderen gerichtet.
Jörg Häntzschel - 20. 4.2020

(...) Wäre er tatsächlich Antisemit, hätte das längst auffallen müssen: als er im letzten Jahr als Gastprofessor in Köln lehrte, als er den Ernst-Bloch- und den Gerda-Henkel-Preis erhielt (die Laudatio hielt die Staatsministerin Michelle Müntefering), bei den "Berliner Korrespondenzen", veranstaltet von Humboldt-Universität, Gorki-Theater und Auswärtigem Amt, oder als er 2015 mit dem nach den Widerstandskämpfern der Weißen Rose benannten Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet wurde.
Mbembe zeigt sich in einer Mail fassungslos

Weil wohl auch Deutsch seine vermeintlichen Belege etwas mager erschienen, bezeichnet er Mbembe - ohne Beweise vorzulegen - außerdem als "Aktivisten" der israelkritischen Gruppe BDS und behauptet, er sei Unterzeichner des BDS-Aufrufs zum akademischen Boykott Israels. Die eigentliche Adressatin der Angriffe scheint jedoch die Intendantin der Ruhrtriennale, Stefanie Carp, zu sein, die schon 2018 teils von denselben Personen beschuldigt wurde, BDS-Sympathisanten einzuladen.

Mbembe ist angesichts der Vorwürfe fassungslos. "Ich bin kein Mitglied oder Unterstützer des BDS oder sonst einer Organisation, die im israelisch-palästinensischen Konflikt involviert ist", schreibt er. Und ergänzt: "Ich halte nichts von einem allgemeinen Boykott israelischer Akademiker." Er kenne, so Mbembe weiter, "keinen ernsthaften Wissenschaftler, der das Apartheidsystem in Südafrika mit dem Holocaust vergleichen" würde. Und was seine Kritik an der "kolonialen Besatzung" angehe - er meint die Politik Israels im Westjordanland: "Auch mit sehr viel Fantasie lässt sich daraus kein Antisemitismus ableiten."

Auch Stefanie Carp ist entsetzt. Es handle sich um "erfundene, konstruierte Vorwürfe, die keiner Quellenuntersuchung standhalten", sagte sie der SZ. Sie sei "schockiert, dass das nicht ganz eindeutig von der Politik zurückgewiesen wird".  >>>

 

 

 

 

 


Antisemitenjagd in Zeiten von Corona
Ludwig Watzal - 20. 4. 2020

„Es ist nicht nur das Corona-Virus, das diese Gesellschaft gefährdet, es ist auch das Virus der Denunziation“, so Henryk M. Broder in „Broders Spiegel“ vom 20. April 2020. „Gut gebrüllt Löwe.“ Warum nicht auch in Sachen „Antisemitismus“? Wo war Deutschlands journalistischer Antisemitismus-Spürhund in der „Affäre“ Dr. Carp? Denunziantentum ist so alt wie das „älteste Gewerbe der Welt“. Es macht auch in Zeiten von Corona keine Pause.

So geschehen in einem faktenfreien Denunziationsschreiben des FDP-Politikers im NRW-Landtag, Lorenz Deutsch, an Dr. Stefanie Carp, Intendantin der Ruhrtriennale. Darin hatte er dem diesjährigen Festredner, Achille Mbembe, nicht nur eine Relativierung des Holocaust durch den Vergleich mit dem Apartheid-Regime in Südafrika, sondern auch eine Unterstützung von BDS (einer zivilgesellschaftlichen Protestbewegung gegen die israelische Besatzung) vorgehalten. Beides laut angeführten Quellen unhaltbar. Wie es scheint, entpuppt sich auch dieser „Antisemitismus-Vorwurf“ als konstruiert und an den Haaren herbeigezogen.  (...)

Als „angezählte“ Intendantin müsste ihr eigentlich Angst und Bange werden, wenn sie sich die Liste ihrer Gegner anschaut. Bei der Riege der Politiker, Antisemitismus-Beauftragten, den Vorsitzenden des Zentralrates der Juden nicht zu vergessen, scheint es nur ein Frage der Zeit, bis sie ihren Job verlieren wird. Das Schicksal des Direktors des Jüdischen Museums, Peter Schäfer, lässt grüßen. Auch damals hatte der allmächtige Zentralratsvorsitzende, Josef Schuster, harsche Kritik an Schäfer geübt. Auch im Falle Carp ist Schuster wieder von der Partie.

Seine Kritik an Carp dürfte den Ausschlag geben. Ihr wird sich kein deutscher Politfunktionär widersetzen. Die diversen Antisemitismus-Beauftragten („Judenreferenten“) blasen alle ins gleiche Horn, allen voran Felix Klein, der das unsägliche Referat im Bundesinnenministerium leitet.

Dass sich Carp gegenüber der „Süddeutsche Zeitung“ schockiert zeigt, „dass das nicht ganz eindeutig von der Politik zurückgewiesen wird“, zeigt nur, wie wenig sie vom politischen Geschäft versteht. Glaubt sie tatsächlich, dass sich ein deutscher Politiker für sie einsetzt, wenn der Gegner der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland ist und der Vorwurf des „Antisemitismus“ gegen Mbembe in der Luft hängt? Was die Hexenjagd gegen Israelkritiker oder Andersdenkende betrifft, ist nichts Neues aus Deutschland zu vermelden.  >>>

 

 

 

Achtung: Satire!
Wolfgang Pfannekuch - 20.04.2020

Wenn man die Stellungnahmen von Reiner Bernstein und von Rolf Verleger liest und deren familiengeschichtlichen Hintergründe kennt, erscheint es mir stets von neuem unfassbar, dass weder Bundesregierung (und nachgeordnete Institutionen) noch die Mehrheit unserer BT-Abgeordneten der Koalition, der GRÜNEN und der FDP auch nur mit einem Zucken der „geistigen“ Augenbrauen auf Bernsteins und Verlegers überzeugende Argumente reagieren. Auch unsere LINKE ist halbherzig und begeistert mich nicht gerade durch mutige Stellungnahmen. - Von der restlichen Opposition möchte ich keine Unterstützung ersehnen.

Die Antisemitismusbeauftragten, ob offizielle oder selbst ernannte, können sich stattdessen mit stereotypen, von einander anscheinend abgeschriebenen oder nachgeplapperten Sprechblasen gegen jegliche Kritiker israelischer Regierungspolitik, welche die Einhaltung von Völker- und Menschenrecht(en) anmahnen, auslassen, ihnen letztlich Maulkörbe verpassen, ihre Reputation, wie jetzt die von Achille Mbembe anzweifeln, ...

Und es ändert sich dennoch nichts an der offiziellen Linie, gerade so, als hätte es nie UN-Resolutionen gegen Besatzung, Illegale Besiedlung und sonstige Verletzungen internationaler Rechtsstandards zum Nachteil der Palästinenser gegeben. Hat unsere offizielle Politik nicht mal Sorge davor, von niemandem mehr außerhalb Deutschlands bei von Berlin aus gegen anderweitiges Unrecht auf unserem Erdball  erhobenen moralischen Zeigefingern ernst genommen zu werden?

Es ist doch eigentlich undenkbar, dass Berlin nicht erkennt, wie es durch seine sture Linie inländisch wie international gefährliche Sympathieverluste gegenüber Israel produziert und darüberhinaus das, was angeblich bekämpft werden soll, geradezu zum Nachteil Israels provoziert. - Grobe Fahrlässigkeit (Kriterium des inneren Tatbestandes: „wird schon gutgehen“) wäre insoweit bereits sträflich leichtsinnig, ... und billigendes Inkaufnehmen der Folgen (also dolus eventualis mit dem Gedanken „na wenn schon“ als Kriterium) oder gar bewusstes Hervorrufen dieses Effekts (bewusster Vorsatz) ist ja wohl hoffentlich ausgeschlossen.  - Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

Ich bin ratlos und frage mich beschämt, ob mein Fremdschämen über die „taktische“ Feigheit unserer Außenpolitik nicht völlige Energieverschwendung ist. Vor allem weiß ich nicht mehr, wie ich gegenüber ausländischen Gesprächspartnern diese Regierungspolitik erklären oder gar rechtfertigen könnte. - Mich fragen gute Bekannte, ob ihr Land sich auf den Beistand unserer Bundesregierung verlassen könnte oder ob diese ihnen und ihren Lieben zu Hause eher etwa Bärendienste leisten würde. Bedauernde Grüße  Wolfgang Pfannekuch

 

 

 

 

 

German cultural festival director urged to be fired for BDS antisemitism - BENJAMIN WEINTHAL APRIL 15, 2020 - "Once again, the director of the Ruhrtriennale Stefanie Carp sets an anti-Israel accent and stages the defamation of the Jewish state in the guise of freedom of art and expression,” said Uwe Becker. >>>
 
 

 

 

 

„Wer diese Haltung unterstützt, kann kein Redner bei der Ruhrtriennale sein“ -  06.04.2020 - Christiane Hoffmans, Stefan Laurin - (...)  Achille Mbembe fühlt sich auch als Wissenschaftler missverstanden. Er sei erstaunt, auf so viel Hass und Vorurteile zu stoßen, schließlich arbeite er für eine universale Toleranz und Versöhnung. Deutschs offenen Brief nennt er eine Diffamierungskampagne, die nicht nur dumm und ignorant, sondern auch ein Zeichen von Rassismus gegen einen unabhängigen, freien und international anerkannten afrikanischen Geist sei.  >>>

 

 

 

 Das koloniale Grundprinzip
Zu den Vorwürfen gegen Achille Mbembe.
Jörg Häntzschel - 19. April 2020

Deutschland hat ein wachsendes Antisemitismus-Problem. Übergriffe auf jüdische Bürger und jüdische Einrichtungen häufen sich. Letzter trauriger Höhepunkt war der Angriff auf die Synagoge in Halle im Oktober. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, hat die Bundesregierung 2018 das Amt eines Antisemitismusbeauftragten geschaffen. Besetzt wurde die Stelle mit dem früheren Diplomaten Felix Klein.

Angesichts der grassierenden Hetze und Gewalt gegen Juden in Deutschland ist es umso überraschender, dass für Klein antisemitische Gefahr nun ausgerechnet von einem weltweit bekannten und renommierten Wissenschaftler aus Kamerun ausgeht, dem Historiker, Politikwissenschaftler und Postkolonialismus-Denker Achille Mbembe.

Mbembe, der an der Universität Witwatersrand in Johannesburg lehrt, soll im August den Eröffnungsvortrag der Ruhrtriennale halten. Und das will Felix Klein verhindern. Mbembe sei "durch die Relativierung des Holocaust aufgefallen". Er habe in seinen Schriften "den Staat Israel mit dem Apartheidsystem Südafrikas gleichgesetzt, was einem bekannten antisemitischen Muster entspricht", und habe "das Existenzrecht Israels in Frage gestellt". Er würde mit seinem Vortrag der Ruhrtriennale "erheblichen Schaden" zufügen.

Von der FAZ um Belege für seine Vorwürfe gebeten, verwies Klein auf einen offenen Brief des kulturpolitischen Sprechers der FDP-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag, Lorenz Deutsch.   >>>


 

 

 

Alan Posener ist als unkritischer Lobbyist des Zionismus bekannt. Er hat auch keine Hemmung jemanden als Antisemit abzustempeln. Was in Palästina angerichtet wird, scheint ihn nicht zu bewegen. So ist er eines der deutschen Gesichter des Zionismus.

Es reicht mit dem steuerfinanzierten Israelhass!  - Alan Posener - 18.04.2020 - Achille Mbembe soll bitte nicht die Ruhrtriennale eröffnen. Zum wiederholten Mal lädt das Festival Gäste ein, die Israel nicht anerkennen. Das Problem ist leider strukturell – und hat mit den blinden Flecken der Postcolonial Studies zu tun. Ist der Philosoph Achille Mbembe ein Holocaustrelativierer und Israelhasser? Und wenn ja, darf er bei der Ruhrtriennale die Hauptrede halten? Die Antworten: Ja. Nein. Ist die Leiterin der Ruhrtriennale Stefanie Carp in Sachen Propaganda gegen Israel eine Wiederholungstäterin? Wenn ja, ist sie als Chefin des kulturellen Aushängeschilds des Landes NRW tragbar? Die Antworten: Ja. Nein. Haben Mbembe und Carp weiterhin das Recht, ihrem Israelhass freien Ausdruck zu verleihen? Selbstverständlich. Auch in Deutschland. Nur nicht steuerfinanziert und in offizieller Position. Deshalb geriet der Plan, Achille Mbembe die Eröffnungsrede der Ruhrtriennale halten zu lassen, zu Recht in die Kritik  >>>

 

 

 

Polemik statt Verstand
Reiner Bernstein - April 18, 2020

Da kommt also ein bisher politisch unauffälliger Abgeordneter des Landtags Nordrhein-Westfalen mit einem Antisemitismus-Vorwurf daher, um endlich öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Adressat ist der in Kamerun gebürtige Philosoph und Historiker Achille Mbembe, der an der Universität in Köln als Dozent und am Düsseldorfer Schauspielhaus tätig war.

Wie verhält sich der Bundesbeauftragte für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus Felix Klein dazu? Ohne in der Lage zu sein, den Vorwurf zu substantiieren, beruft er sich auf jenen Abgeordneten, um die Eröffnungsrede Mbembes bei der diesjährigen international besetzten Ruhrtriennale zu verhindern. Da stört es Klein nicht, dass der Wissenschaftler 2015 in München den Geschwister-Scholl-Preis aus den Händen von Oberbürgermeister Dieter Reiter erhielt und drei Jahre später mit dem Gerda-Henkel-Preis der gleichnamigen Stiftung geehrt wurde. Ja, der Beauftragte lässt es sich nicht nehmen, die Kritik Mbambes an der Anti-BDS-Bewegung so zu drehen, dieser stelle die „Existenz des Staates Israel in Frage“.

Da will der Frankfurter Stadtkämmerer Uwe Becker natürlich nicht nachstehen und haut in dieselbe Kerbe. Sein kommunales Mandat gibt er mal eben an der Garderobe ab und hüllt sich in die Pelerine des Ehrenamts als Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), die vom Berliner Auswärtigen Amt mit einer institutionalisierten Förderung von über 300.000 Euro pro Jahr bedacht wird.

Felix Klein hat dafür gesorgt, dass aus diesen Mitteln die Lesereise von Arye Sharuz Shalicar mitgetragen worden ist, der in seinem Buch „Der neu-deutsche Antisemit“ vom Bundespräsidenten abwärts reihenweise Politiker und Diplomaten, Medien und in den palästinensischen Gebieten tätige Hilfsorganisationen in die Ecke des Antisemitismus-Verdachts einsortiert. Auch die EU-Kommission und Japan, das mit erheblichen Mitteln Projekte in den palästinensischen Gebieten finanziert, sind vor üblen Nachstellungen nicht bewahrt worden.

Auf Nachfragen hat mir Klein vor anderthalb Jahren mitgeteilt, dass er nach reiflichen Überlegungen keinen Anlass sehe, die Förderung einzustellen, jedoch zugesagt, darüber mit der DIG zu sprechen. Da Shalicars Buch unredigiert weiter verkauft wird, lässt sich vermuten, was aus diesem Versprechen geworden ist. Dass der Autor nach seiner Mitarbeit im israelischen Ministerium für Strategische Angelegenheiten nunmehr mit stolz geschwellter Brust im Range eines Abteilungsleiters den Außenamtschef Israel Katz auf dessen Weltreisen begleitet und dass die Regierung in Jerusalem mit Millionenbeträgen dafür sorgen will, dass die Antisemitismus-Klage die Befassung mit der Politik gegenüber den arabischen Palästinensern verhindern will, scheint in Berlin bislang niemand zu stören. Wäre es anders, würde den Beschuldigungen, Mbembe ziele auf das Ende >>>

 

 

 

Philosoph Achille Mbembe : Unter Antisemitismusverdacht - Patrick Bahners -  17.04.2020 - Sollte man nicht annehmen, dass ein in Johannesburg lehrender Afrikaner weiß, wovon er redet, wenn er von Apartheid spricht? Achille Mbembe 2017 bei einem Vortrag in Hamburg

Neuer Streit um die Ruhrtriennale und Israel: Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung wirft dem Philosophen Achille Mbembe vor, den Holocaust zu relativieren. (...) Diese Warnung hat Felix Klein, der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, in der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ geäußert. Der Diplomat, der seinem Auftrag mit Unterstützung eines Referats im Bundesinnenministerium nachgeht, begründete seine Intervention mit der Finanzierung des Festivals aus öffentlichen Geldern und der damit gegebenen besonderen Verantwortung eines Eröffnungsredners. „Es sollte eine Person dafür ausgewählt werden, die dieser Verantwortung gerecht wird – und nicht in der Vergangenheit bereits durch die Relativierung des Holocaust aufgefallen ist.“ (...)


Um den bibliographischen Nachweis dieser Schriften gebeten, verwies Kleins Referat auf den Offenen Brief des FDP-Landtagsabgeordneten Lorenz Deutsch, der eine Schrift nennt, den >>>

 

 

 

Der der FDP NRW-Landtagsabgeordnete Lorenz Deutsch hatte einen  Offenen Brief an die Intendantin der Ruhrtriennale  geschrieben - wie vor zwei Jahren  geht es   um  den Vorwurf von BDS und Antisemitismus   >>>
 

 

 

 

Prof. Dr. Rolf Verleger - An Herrn Lorenz Deutsch, MdL Sprecher für Kulturpolitik der FDP-Fraktion im Landtag NRW - per e-mail: Lorenz.Deutsch@Landtag.nrw.de

Betr.: Ihr Offener Brief vom 23. 3. 2020 an die Intendantin der Ruhrtriennale

Sehr geehrter Herr Deutsch, Folgendes schreibe ich Ihnen sowohl aus persönlichem Antrieb – als jüdischer Sohn von Überlebenden der nazi-deutschen Judenvernichtung, der die moralische Botschaft und die ethischen Werte der jüdischen Tradition in Ehren hält – als auch, in direkter Folge davon, in meiner Eigenschaft als Gründer (u. a. mit Rupert Neudeck) und Vorsitzender des Bündnis für Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinensern e. V. Ihre Stellungnahme habe ich mit großem Unbehagen gelesen. 1) Antisemitismus Sie schreiben in Ihrem Offenen Brief, die BDS-Bewegung sei „in ihrem Kern“ antisemitisch, da sie durch Dämonisierung, Delegitimierung und Desinformation auf die Beendigung von Israels Existenz ziele. Wie kommen Sie zu Ihrem Urteil? Etwa durch das in der Resolution des Landtags NRW vom 11. 9. 2018 beispielhaft benannte Ereignis (nachdem es davor von manchen Medien hochgepusht worden war) in dem kleinen Seminarraum der Humboldt-Universität, als eine rechtsgerichtete israelische Knessetabgeordnete von BDS-Anhängern durch Zwischenrufe (u. a. „Apartheid“) am Reden gehindert wurde? Das soll antisemitisch gewesen sein? Diese zwischenrufenden BDS-Anhänger waren in Berlin lebende israelische Juden. Und ja, es saß eine "Holocaustüberlebende" neben der Knessetabgeordneten, möglicherweise (ich weiß es nicht) mit deren politischer Ansicht sympathisierend. Darf man solche Menschen nicht anschreien? Glauben Sie, ich hätte den spärlichen Teil meiner Verwandtschaft, der die Judenvernichtung überlebt hatte, einschließlich meiner Eltern, als Kind, Jugendlicher und Erwachsener stets nur im Flüsterton angesprochen? Die Bezeichnung dieses Ereignisses als „antisemitisch“ ist Bildzeitungs-Propagandaquatsch. Es handelte sich vielmehr um einen heftigen politischen Disput unter jüdischen Menschen. Haben Sie den Brief von 240 jüdischen Akademikern an den Deutschen Bundestag zur Kenntnis genommen, in der wir von dieser unsinnigen Klassifizierung der BDS-Bewegung als antisemitisch abrieten? Sind WIR, die wir diesen Brief unterzeichnet haben, die Antisemiten?   (pdf)  >>>

 

 

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