Der Verdacht
Warum Israel mit den Terrorvorwürfen gegen NGOs der palästinensischen Zivilgesellschaft schadet - und sich selbst
Peter Münch - 26. August 2022
Man kennt das aus diktatorischen oder autokratischen Staaten: Menschenrechtler werden zu Verbrechern gestempelt, NGOs werden drangsaliert und verboten. Israel, das sich als einzige Demokratie im Nahen Osten präsentiert, gehört nicht in die Liste solcher Staaten. Deshalb sollte Israel auch schnellstens damit aufhören, Menschenrechtler zu Verbrechern zu stempeln und NGOs zu drangsalieren und verbieten.
Das Vorgehen der israelischen Regierung gegen ein halbes Dutzend palästinensischer NGOs, die im vorigen Herbst zu Terrororganisationen erklärt und nun nach einer nächtlichen Armee-Razzia offiziell geschlossen wurden, wächst sich zu einem zunehmend irrationalen Skandal aus. Seit zehn Monaten verlangen Israels Partner, die USA und die Europäer, Beweise für den Terrorvorwurf gegen Organisationen, die gestützt durch westliche Finanzhilfe zu den Säulen der palästinensischen Zivilgesellschaft zählen. Diese Beweise wurden bislang nicht erbracht - und so erhärtet sich der Verdacht, dass Israel mit dem Terrorvorwurf lediglich unbequeme Kritiker seines Besatzungsregimes mundtot mehr >>>
So sieht die Verleumdung von Menschenrechtsorganisationen aus, die Unrecht anklagen ...
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Nahostkonflikt: Shawan Jabarin, Direktor der palästinensischen Menschenrechtsorganisation Al-Haq, in deren Büro in Ramallah wenige Tage nach der Razzia durch israelische Militärs.
Israel verärgert mit Verbot palästinensischer Hilfsorganisationen
Peter Münch - 26. August 2022
Am Eingang sieht man noch die Spuren - ein paar Brüche im Putz, ein paar kräftig hineingebohrte Löcher im Türrahmen. Doch drinnen in den Büros der palästinensischen Menschenrechtsorganisation Al-Haq in Ramallah herrscht strengste Normalität. Alles soll so sein wie immer. Die Klimaanlage surrt gegen die Hitze an, Shawan Jabarin sitzt mit hochgekrempelten Ärmeln an seinem Schreibtisch. "Die Israelis wollen uns zum Schweigen bringen und in Angst versetzen", sagt er. "Aber wir setzen unsere Arbeit fort."
Allein, dass Jabarin hier sitzt - in seinem Direktorenbüro der über die Grenzen des Westjordanlands hinaus bekannten und anerkannten NGO Al-Haq, für die der gelernte Anwalt seit 1987 arbeitet -, kann ihn schon ins Gefängnis bringen. Denn er missachtet damit das Verbot, das die israelische Besatzungsmacht in der vorigen Woche offiziell über seine Organisation verhängt hat. Bei einer nächtlichen Razzia hatten israelische Soldaten die Türen aufgebrochen und die Räume durchsucht. Und als sie wieder abzogen, schweißten sie vor die Eingangstür noch eine schwere Eisenplatte, auf der sie die Nachricht der Militärverwaltung hinterließen, dass Al-Haq nun jegliche Aktivität untersagt sei.
So wie gegen Al-Haq ging die israelische Armee in der gleichen Nacht noch gegen ein halbes Dutzend weiterer palästinensischer NGOs vor: gegen Addameer, die Rechtshilfe für palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen anbietet; gegen die palästinensische Sektion von Defence for Children International mit Zentrale in Genf; gegen einen Thinktank namens Bisan und gegen weitere Gruppierungen, die sich um Frauenrechte, Gesundheit und die Stärkung der Landwirtschaft kümmern. All diese Organisationen sind Stützen der palästinensischen Zivilgesellschaft, und oft genug sind sie auch ein Stachel im Fleisch der israelischen Besatzung. mehr >>> |