Ausgrenzung einer kritischen
Positionierung zum
Nahost-Konflikt - auf dem
Weg zur stromlinienförmigen
Universität
Die Story
Nahost-Experten beklagen zur
Zeit eine Kampagne, in der,
wenn es um Kritik an
israelischer
Regierungspolitik geht, alle
Bemühungen, über Realität,
Ursachen und Zusammenhänge
des Nahost-Konflikts zu
berichten, unter dem Label
‚Antizionismus=Antisemitismus‘
attackiert werden – und
Journalisten,
Wissenschaftler und sogar
Mitglieder der jüdischen
Gemeinde werden verleumdet
als „neue, moderne
Antisemiten“.
Dieser Zusammenhang
veranlasste Dr. Viktoria
Waltz (Planerin, langjährige
wissenschaftliche
Mitarbeiterin und
Partnerschaftsbeauftragte
der Universität Dortmund mit
der palästinensischen
Universität Birzeit zwischen
2000 und 2006,
Regierungsberaterin für das
Wohnungsministerium in Gaza
und Ramallah zwischen 1997
und 2000, langjährige
Expertin in Sachen
israelischer
Siedlungspolitik und
Verfasserin entsprechender
Artikel und Bücher), in der
DAVO (Deutsche AG Vorderer
Orient – d i e Vereinigung
moderner Orient- und
Islamforscher) eine
Initiative für einen sog.
‚Großen Blog‘ als
Informations- Plattform zum
Nahost-Konflikt
vorzuschlagen. Ein
entsprechender Rundbrief
ging an die über 1.000
Mitglieder. Dies diente auch
der Vorbereitung auf die
Jahrestagung und MV der DAVO
im Oktober, und wer mit
vorbereiten wollte, konnte
sich auf ihrer
Uni-Mailadresse @udo.edu
melden.
Wie sich später
herausstellte, wurde dieser
interne Mitgliederrundbrief
an demselben Abend auf der
Webseite ‚achgut‘ unter dem
Titel ‚Viktoria‘s Sekret‘
veröffentlicht. Unter dieser
Seite äußert sich, neben
einigen Neoliberalen u.a.,
der Publizist, Buchautor und
Mit-Herausgeber Henryk M.
Broder, ein ehemaliger 68er,
gern gesehener Gast im
Fernsehen, mehrfach geehrt
für seinen ‚mutigen
Journalismus‘ und jüngst
beim Hearing zum
Antisemitismus im Bundestag
als Experte eingeladen (und
nicht z.B. Felicia Langer,
die eigentlich auch
vorgesehen war). Auf dieser
Webseite ‚Achse des Guten‘
lädt Broder – in diesem Jahr
mehrfach verurteilt wegen
schmähender Aussagen,
Verleumdungen und
Diffamierungen (zuletzt
verlor er gegen Frau Hecht-
Galinski) – Gastschreiber
ein, die – wenn nicht er
selbst – gern unter der
Gürtellinie gegen Kritiker
israelischer Politik
vorgehen.
Drei Tage nach dieser
Veröffentlichung sorgt ein
Anruf der Israelischen
Botschaft (so die Prodekanin
der Universität bei einem
späteren Gespräch) oder eine
israelische Zeitung (so
später das Rektorat) im
Dekanat der Fakultät
Raumplanung für Aufregung:
Es gebe eine
Wissenschaftlerin, die
Israel mit Nazi-Deutschland
gleichsetze, und man werde
gerichtlich gegen diese
vorgehen‘. Am folgenden Tag
– bei den Recherchen für
einen aktuellen Artikel für
die Fakultät – kommt Frau
Dr. Waltz nicht mehr in das
Uni-Kommunikations-Netz
hinein. Am folgenden Tag
passiert das Gleiche. Im
Hochschulrechenzentrum gibt
man ihr die Auskunft, sie
habe ihr Passwort geändert –
was nicht stimmt. Gemeinsam
besteht der Verdacht auf
Hacker, ihr wird empfohlen,
umgehend ein neues Passwort
einzurichten, was sie tut.
Aber erneut scheint es nicht
zu gehen. Dann, nach
Rücksprachen mit der
Leitung, die Erklärung: ‚Das
Rektorat habe die Sperrung
angeordnet, weshalb, sei
unbekannt‘. Ein sofort
erfolgter Anruf im Rektorat
bleibt ohne Ergebnis: ‚Die
Herren müssen sich noch
abstimmen, Sie bekommen
Nachricht‘,
heißt es.
Tatsächlich liegt am
kommenden Morgen ein
Schreiben der Rektorin im
Briefkasten, datiert auf den
Tag der Sperrung, mit
Poststempel vom Tag ihres
Anrufs im Rektorat. Ohne die
Vorwürfe zu konkretisieren,
wird Frau Dr. Waltz
mitgeteilt, es bestehe der
Verdacht, die
Uni-Mailadresse @udo.edu
werde ‚für rechtswidrige
Zwecke‘ benutzt. Durch das
am selben Tag geführte
Gespräch mit der Prodekanin
ist klar, dass es um ihre
Positionen zum
Nahost-Konflikt geht.
Entsprechend protestiert
Frau Dr. Waltz, fordert
Erklärung und Aufklärung
über den Hintergrund der
Schließung und Zugang zu
ihrem Mailkonto. Nicht nur
kann sie die Uni-Mailadresse
(die offiziell jedem
Universitätsmitglied
‚lebenslang‘ gewährt wird)
nicht mehr verwenden,
sondern sie ist von einem
Tag auf den anderen und ohne
Vorwarnung vom
Uni-Kontaktsystem
abgeschnitten, so z.B. von
den Partner-Universitäten in
Istanbul (Türkei), Amman
(Jordanien), Birzeit
(Palästina) und Dohuk
(Nord-Irak), die sie
sämtlich in 2008 noch für
ihre Fakultät als Lehrende
besuchte (sie ist seit
Januar pensioniert) – sowie
zu ihren Partnern der
Universität Bremen, der TU
und der Humboldt Universität
Berlin, sowie zu
Institutionen wie der
Friedrich-Ebert-Stiftung,
der Heinrich-Böll-Stiftung
und zu anderen, die im
Migrationsbereich tätig
sind.
Als Antwort auf ihren
Protest erhält sie wenige
Tage später ein Schreiben
der Justiziarin, das den
Hintergrund ebenso wenig
aufklärt, aber den
Zusammenhang zur Webseite
Broders herstellt: Es gebe
Kenntnis, dass diese Adresse
‚im Zusammenhang mit
einseitiger politischer
Meinungsäußerung‘ genutzt
werde, und es bestehe die
Gefahr eines Nachteils für
die Universität, wenn eine
Uni-Mailadresse auf
Internetseiten wie z.B.
www.achgut.de erwähnt werde.
Wenig später erhält Frau Dr.
Waltz einen Anruf von
Benjamin Weinthal,
Journalist der Jerusalem
Post in Berlin, er wolle mit
ihr ein Interview zum Thema
‚akademischer
Antisemitismus‘ führen. B.
Weinthal ist immer wieder
einmal auch Gastautor auf
der Seite Broders und in der
umstrittenen islamophoben
Zeitung Jungle World – und
eng verbunden mit jenem
Netzwerk um ‚Honestly
Concerned‘, das mit
Textmanipulationen,
Unterstellungen und
diffamierenden
Herabsetzungen Jagd auf
Kritiker an der israelischen
Regierungspolitik macht.
Zwei Wochen später erhält
Frau Dr. Waltz eine
Mitteilung des Präsidenten
der Bundeszentrale für
Politische Bildung (BPB)
Thomas Krüger, man nehme sie
aus der Expertendatei
Migration heraus, u.a. weil
man ‚Hinweise aus dem
öffentlichen Raum‘ erhalten
habe, dass ‚Sie in jüngerer
Zeit offenbar einseitige und
fragwürdige Positionen im
Hinblick auf den Komplex
Nahost-Konflikt
vertrete(n)‘.
So wird deutlich, dass
zwischen dem Netzwerk rund
um H. M. Broder auch mit T.
Krüger offenbar intensive
Kontakte bestehen, denn das
Engagement von Frau Dr.
Waltz ist kein
Position-Beziehen ‚jüngerer
Zeit‘. Sie ist nicht nur in
der Universität bekannt mit
ihrem Engagement für eine
emanzipierte demokratische
und partizipatorische
Planungspolitik – ob es um
Mieter, Migranten oder
Alleinerziehende und Frauen
geht – und für den Dialog
mit Ländern der 3. Welt, ob
Tanzania, China oder die
Dominikanische Republik –,
sondern auch für Aufklärung
über den ‚ethnokratischen‘,
die Palästinenser
ausschließenden und
diskriminierenden Charakter
israelischer Planungspolitik
(siehe auch bei Oren
Yiftachel,
Planungstheoretiker an der
Ben Gurion Universität).
Vier Wochen lang werden ihr
ihre Adressen und
Informationen für ihre
wissenschaftlichen Arbeiten
und Dialoge vorenthalten.
Trotz Protestschreiben und
kritischer Anfragen von
Verdi, Personalrat,
Datenschutzbeauftragten und
diversen Einzelpersonen wird
Frau Dr. Waltz nach einem
ebenso wirkungslosen
Gespräch mit dem Referenten
der Rektorin nach fast zwei
Monaten mitgeteilt, dass das
E-Mail-Konto endgültig
geschlossen wird – trotz
ihrer langjährigen Lehr- und
Forschungstätigkeit (sie
erhielt u.a. eine
35-Jahre-‚Treuemedaille‘),
trotz ihrer Funktion als
langjährige
Vertrauensdozentin der
Heinrich-Böll-Stiftung, und
ungeachtet der Tatsache,
dass viele heutige
ProfessorInnen und
Planungsdezernenten einst
ihre Tutoren waren.
Annäherungen auf dem Weg zum
Kern der Geschichte
Broder, Krüger, Weinthal –
ein Zufall? Nein, Teil einer
Kampagne, einer Hetzjagd,
flankiert und forciert von
Gruppierungen wie ‚Honestly
Concerned‘, einem aus den
USA herüberreichenden Arm
der dortigen IPAC‘s (‚Israel
political action
committees‘), dortigen
christlichen
Fundamentalisten und den
sog. ‚Anti-Deutschen‘, deren
Motto unter anderem ‚Lang
lebe Israel,
nieder mit Deutschland‘ ist.
Einer von Broders typischen
Leitsprüchen ist „weniger
Toleranz, mehr Militanz“.
Der Einfluss dieser
Netzwerke wirkt bis in die
Parteienspitzen.
Die Jagdziele: Dr. Ludwig
Watzal (Journalist und bei
der Bundeszentrale für
politische Bildung Redakteur
der Publikation ‚Aus Politik
und Zeitgeschichte‘), Dr.
Norman Paech (MdB Die Linke
und ehemaliger
Hochschullehrer für
Völkerrecht), Rupert Neudeck
(Gründer von Cap Anamur),
Norbert Blüm (ehem.
Minister), Evelyn
Hecht-Galinski (Tochter des
ehem. Vorsitzenden des
Zentralrats der Juden in
Deutschland) und viele mehr
– auf Webseiten diffamiert,
bei Vorträgen angepöbelt,
durch Zitatklitterung als
angebliche Antisemiten
denunziert.
Broder, der auf Spiegel
online schreibt: „Das
Problem der Palästinenser
ist nicht, dass sie
vertrieben wurden, sondern
dass sie nicht weit genug
vertrieben wurden. Viele von
ihnen leben in ‚Lagern‘ und
können mit bloßem Auge dahin
schauen, wo ihre Eltern und
Großeltern mal gelebt
haben.“ (am 08.05.2008) und
der Dr. Alfred Grosser als
„Ekel Alfred‘ tituliert
usw., bekommt Preise für
seine Art ‚mutigen
Journalismus‘ (H. v. Bingen
u.a.).
Diese Israels
Besatzungspolitik
uneingeschränkt
verteidigenden Gruppen und
Personen agieren für die
Interessen des real
existierenden
‚Neo-Zionismus‘ im Nahen
Osten im Verein mit den
Neo-Konservativen, eine
brisante Mischung aus
Islamophobie und Hass auf
jedweden unabhängigen Geist,
vor allem, sobald der sich –
ob Journalist, Humanist,
Wissenschaftler oder
Politiker – mit den
realpolitischen
Gegebenheiten israelischer
Politik kritisch
auseinandersetzt. Zurzeit
propagieren sie mit großen
Medienkampagnen eine
gewaltsame Lösung des
Konflikts mit dem Iran. Wer
auf die Website
„Palästina-Portal“ geht,
findet eine aufschlussreiche
Dokumentation, die die
Zusammenarbeit dieser
‚Achse‘ zeigt
(www.palaestina-portal.org).
Und die Wissensanstalt
Universität? Kann sie noch
kritische Geister
hervorbringen und ertragen?
Die Dortmunder nennen sich
seit Kurzem Technische
Universität. Der neue
Universitätsrat,
vorgeschlagen und genehmigt
von der Landesregierung –
auf Grundlage der neuen von
Schwarz-Gelb durchgesetzten
Hochschulgesetzgebung in NRW
- ist in Dortmund allein aus
uni-externen Mitgliedern
zusammengesetzt (laut Gesetz
könnten es 50% Interne
sein), darunter Vertreter
von Krupp/Thyssen, Jaeger
Akustik, Signal Iduna und
WAZ, sie üben seit Neuestem
die Rolle eines
Aufsichtsrats für das
Unternehmen Universität aus.
Bestimmen sie diesen neuen
Kurs?
Die erst seit dem 1.9.2008
amtierende neue Rektorin
Prof. Gather fängt gut an,
wenn sie ihre engagierten
kritischen
WissenschaftlerInnen so das
Duckmäusertum lehrt und weit
entfernt von demokratischen
Gepflogenheiten den Geist
von Unfreiheit, Technokratie
und Maulhalten einziehen
lässt. Und noch: Entspricht
ihr Verhalten der
Fürsorgepflicht, die man
auch seinen (ehemaligen)
Mitarbeitern gegenüber hat?
Zeigen Sie dieser
Universität, was Sie von
solch einer Entwicklung
halten:
Kein Maulkorb für notwendige
kritische Stimmen in und
außerhalb der Hochschule!
Rettet das kritische Denken,
die Übernahme von
Verantwortung für die
gesellschaftlichen Zustände
und Mitgefühl für die Opfer
von Gewalt und
Unterdrückung, von Armut und
Diskriminierung – überall!
Das sind wir den Opfern des
Faschismus‘ schuldig. Und
Schweigen sollte uns nicht
zu neuen Tätern werden
lassen.
Ausgabe Nr. 2 Ruhrgebiet 19.
Dezember 2008 brisant ist
ein je nach Bedarf
erscheinender
(elektronischer)
Informationsdienst der
Zeitschrift ViSdP: Hartmut
Dreier, Redaktion (Marl) –
Ute Hüttmann, Verlag (Marl).
E-Mail:
redaktion@amos-zeitschrift.de
– Web:
www.amos-zeitschrift.de
brisant
Eingestellt von Dr. Viktoria
Waltz um 24.12.08
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