Essay:
Kurze Chronik einer Kette von
Brandstiftungen in Israel/Palästina und den Nachbarländern
Reuven Moskovitz
Dieser Text wurde im
September 2006 geschrieben und in der Zwischenzeit
mehreren Zeitungen angeboten, bis schließlich im Januar
diesen Jahres der „Freitag“ eine gekürzte Fassung
veröffentlichte
Die aktuellen
kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Hamas und
Fatah - sieht R.M. in ihren Ursachen als Ergebnis von
fortgesetzten Brandstiftungen wie sie unten beschrieben
werden. Wichtig ist ihm nicht die Aufzählung dieser
historischen Provokationen, sondern die Tatsache, dass man
in den vergangenen Jahrzehnten nicht von diesen Methoden
gelassen hat.
Unter uns Juden stellt man
schon mal die Frage „Wie kommt es, dass so viele Juden eine
lange Nase haben?“ Die schlagfertige Antwort lautet: „Weil
es Moses gelungen ist,
die Juden 40 Jahre
lang in der Wüste an der Nase herumzuführen“.
Die zeitgenössischen
israelischen Machthaber können sich mit einem Rekord
schmücken: Es ist ihnen gelungen, die meisten Juden und
einen großen Teil der Welt 60 Jahre
lang an der Nase herumzuführen und sich dennoch als
glaubwürdige Vertreter des gefährdeten jüdischen Volkes zu
zeigen, die nur Frieden und Sicherheit suchen.
Mit dem Schimmer von Hoffnung
angesichts des Rückzugs aus Gaza und der angekündigten
Friedensschritte von Ariel Sharon konnte ich nichts
anfangen. Und tatsächlich, wer Mut hat, der
Wahrheit ins Auge zu schauen, muss eingestehen, dass der
Rückzug aus Gaza nur ein Scheinmanöver war, um weiter in
der Westbank und auch in Gaza uneingeschränkten Terror
walten zu lassen. Man redet von Hamas und Hezbollah als
Verantwortliche und Befürworter des Terrors. Man übersieht
dabei, was wirklich hätte Hoffnung machen können: dass die
Palästinenser ausgesprochen demokratisch einen Präsidenten
gewählt haben, der sich eindeutig vom Terror distanzierte,
der sich im Einverständnis mit den Hamas-Führern an den
Waffenstillstand gehalten hat. Im vergangenen Jahr blühte
darauf hin bis zu der Brandstiftung in Gaza und im Libanon
der Tourismus auf und Hunderttausende Menschen aller Welt
haben Israel und die heiligen Stätten wieder besucht. Die
schreckliche Mauer sahen sie meist nur von außen. Dass die
meisten palästinensischen Orte tagtäglich schrecklichem
Terror ausgesetzt sind, Massenfestnahmen, gezielten
Hinrichtungen, nächtlichen Hausdurchsuchungen und vielen
Schikanen mehr, wissen hauptsächlich die direkt
Betroffenen, nämlich die etwa 3 Millionen Palästinenser in
Gaza und der Westbank.
Auch die Wahlen für das
palästinensische Parlament sind demokratisch gelaufen, aber
sie stellten die Welt nicht zufrieden: für die meisten
Israelis und ihre Politiker, die Medien und alle Wiederkäuer
der israelischen Klischees
und Feindbilder in
Deutschland und der ganzen Welt handelte es sich bei den
Gewählten einfach um die Falschen. Auch der demokratisch
gewählte Präsident, Abu Maazen, der sich eindeutig von
Terror und Gewalt distanzierte, gilt den meisten
israelischen Politikern nicht als würdiger Gesprächspartner,
schon gar nicht die „Hamas-Terroristen“. Also: ideale
Umstände für den ungestörten Staatsterror Israels und für
den sinnlosen und ineffektiven Terror der Gruppe Djihad
Islami, der
hauptsächlich den
Palästinensern schreckliches Leid zufügt.
Die gezielte Brandstiftung in
Gaza, Libanon und Israel war ein unausweichliches Ergebnis
des oben beschriebenen Zustandes. Angesichts des Schweigens
der Welt und der Illusion, dass die „zivile“‘ Koalition von
Olmert, Peres und Perez die ‚Roadmap’ wieder in Bewegung
setzen wollte, kann man die neue Eskalation ruhig als
weiteres Glied in der Kette traditioneller Brandstiftungen
der israelischen Politik benennen.
Traditionell? Ja. Leider gibt
es eine lange Tradition erfolgreicher betrügerischer
Strategie in der israelischen Sicherheitspolitik. Über den
jüdisch-arabischen Konflikt wurden sicherlich Hunderte von
Büchern geschrieben, aber nur wenige Autoren und Leser sind
fähig, die Wahrheit zu durchschauen.
Dabei wird eine sichere und zuverlässige Quelle fast völlig
ignoriert,
und das sind die
Tagebücher von Moshe Sharett – der Israels erster
Außenminister und zweiter Ministerpräsident war.
Moshe Sharett hat im Grunde genommen so viel zur Gründung des
Staates beigetragen wie Ben Gurion. Gemeinsam mit diesem
versuchte er, die Palästinenser von der politischen
Landkarte des Nahen Ostens verschwinden zu lassen. Er wollte
keinen palästinensischen Staat, kein Rückkehrrecht der
palästinensischen Flüchtlinge und keinen Verzicht auf die
eroberten Gebiete,
die die Vereinten
Nationen
den Palästinensern zugeteilt hatten. Er wollte aber der
kriegerischen Gewalt Grenzen setzen, auf diplomatischem Wege
versuchen, das Flüchtlingsproblem zu lösen und die
Anerkennung Israels als legitimer Staat und Partner im Nahen
Osten erreichen.
Ben Gurion dagegen, der Verfasser des Sicherheitskonzeptes,
meinte, dass Israel sich nur durch militärische Gewalt und
nur als Supermacht im Nahen Osten durchsetzen könne. Dies
geschah dann in der Tat als Ergebnis einer gezielten und gut
durchdachten Strategie von Brandstiftungen und
Kriegsauseinandersetzungen.
Noch kurz vor der Errichtung des Staates, 1947, hatte Ben
Gurion öffentlich erklärt, dass Israel den Teilungsplan der
Vereinten Nationen akzeptiere. Dennoch betonte er, dass
Israel „nicht ein jüdischer Staat in Palästina, sondern
Palästina ein jüdischer Staat“ werden müsse – durch
militärische Überlegenheit. Im Januar 1948 schrieb er: „Die
Weisheit Israels ist die Weisheit, Kriege zu führen
und nichts anderes“. Dementsprechend handelte er und
provozierte auch nach der erfolgreichen Staatserrichtung
gezielt eine Reihe von mörderischen militärischen Aktionen,
die oft in Israel und in der ganzen Welt Erschütterung
auslösten. Eine dieser Aktionen. fand z.B. 1953 in einem
Dorf namens Kibya statt, wo als angebliche Racheaktion für
eine ermordete jüdische Frau und ihre zwei Kinder Dutzende
von Häusern zerstört und etwa 60 Frauen, Kinder und Männer
ermordet wurden. Die öffentliche Empörung veranlasste
damals Ben Gurion, als Ministerpräsident zurückzutreten. Er
zog sich in die
Wüste zurück und stellte sich gern als
“Vorbild für die israelische Jugend“ und “als Vertreter
des Pioniers-Geistes“ dar. Währenddessen provozierte er
mit seiner Camarilla - Dayan, Peres und anderen
Kriegstreibern - insgeheim
kritische
Situationen, um dann später wieder als Retter an die Macht zu kommen.
Während des Rückzuges von Ben Gurion wurde Moshe Sharett zum
Ministerpräsidenten und Außenminister gewählt. Von diesem
Moment an schrieb er Tagebuch. Lassen wir ihn jetzt zu Wort
kommen:
„Ich habe über die lange Kette von falschen Vorfällen und
Feindseligkeiten, die wir erfunden haben, nachgedacht; über
die vielen Zusammenstöße, die wir provoziert haben, die uns
so viel Blut kosten; über die Rechtsverletzungen unserer
Männer – die alle schlimmes Unheil brachten und den Lauf der
Ereignisse festlegten und zur Sicherheitskrise beitrugen“.
Als Sharett durch eine Zusammenarbeit von Israel, den
angrenzenden arabischen Staaten und den Vereinten
Nationen
Grenzsicherheits-Vereinbarungen verabschieden wollte, um die
gefährlichen Vergeltungsanschläge zu
vermeiden, reagierte Moshe Dayan zornig :
„Solche Garantien könnten Israel die Hände binden. Die
Vergeltungsschläge sind unser Lebensnerv. Sie helfen uns, in
der Bevölkerung und der Armee eine hohe Spannung aufrecht
zu erhalten....um junge Männer in den Negev zu bringen,
müssen wir hinausschreien, dass sie in Gefahr sind.“
(26.5.1955. S.1021)
Am 11. Oktober 1953 wurde Sharett, als Außenminister und
zukünftiger Premier, vom
Staatpräsidenten Ben
Zvi empfangen. Über diesen Empfang schreibt er erschüttert:
„Wie gewöhnlich warf Ben Zvi einige Fragenkomplexe
begeistert auf, die keinen Sinn ergeben, wie z.B., ob wir
eine Chance hätten, den Sinai zu erobern, und wie wundervoll
es doch wäre, wenn die Ägypter eine Offensive begännen, die
wir niederschlagen und mit einer Invasion dieser Wüste
beantworten könnten. Er war sehr enttäuscht, als ich ihm
sagte, daß die Ägypter keinerlei Neigung erkennen ließen,
durch eine internationale Provokation ihrerseits uns diese
Besetzung leicht zu machen“ (11.10.1953; Seite 27).
Lässt sich dieses Zitat mit dem Klischee, dass Ägypten immer
Israel überfallen hat, um es ins
Meer zu treiben, vereinbaren?
Bald wurde eine Krise entfacht durch israelische Arbeiten zur
Ableitung des Jordans.
Sharett kommentiert:
„Eine wirklich schändliche Tat. Ich erkundigte mich
mehrmals danach – und jedes Mal wurde es mir feierlich
versichert -, dass kein arabisches Land berührt worden sei.
Nachdem (der UN-Beobachter, der dänische General )
Benike mir erzählte, dass ihm Beweise vorlagen, dass unsere
Arbeit auf arabischen Land begonnen wurde, ... befragte ich
Amir noch einmal (den Leiter der
‚Wasserwerks-Abteilung), der jetzt die Fakten zugab. So
mußte ich vor der ganzen Welt als Lügner erscheinen!“
(13.10.1953; Seite 32)
Drei Tage danach
äußerte sich Sharett
über den von Ben Gurion geplanten und von Sharon
durchgeführten Kibya-Angriff, den ich oben schon erwähnte:
„Ich muss unterstreichen, dass ich nicht
einmal entfernt solch ein Blutbad erwartete, als ich mich
gegen die Aktion aussprach. Ich dachte, ich widerspräche
einer jener Aktionen, die in der Vergangenheit Routine
geworden sind. Hätte ich auch nur entfernt geahnt, dass
solch ein Massaker stattfinden sollte, hätte ich Himmel und
Hölle dagegen in Bewegung gesetzt“
(16.10.1953; Seite 44). Und weiter:
Es wurde nachher vorgeschlagen...“ zu sagen, dass die Armee
nicht an der Operation beteiligt gewesen sei, sondern dass
die Einwohner der Grenzdörfer – von vorangegangenen
Vorfällen auf die Palme gebracht und Rache fordernd –
selbständig operierten (16.10.53;S.. Diese lügnerische
Version wurde mit der Unterstützung Ben Gurions tatsächlich
veröffentlicht.
Sharett „verurteilte...
die Kibya-Affäre, die uns vor der ganzen Welt als Bande von
Blutsaugern hinstellte, fähig zu Massenmord, scheinbar ohne
Rücksicht darauf, ob ihre Aktionen zu Krieg führen oder
nicht. Ich warnte, dass dieser Blutfleck für viele
zukünftige Jahre an uns kleben und nicht wegzuwaschen sein
wird (18.10.1953; S.51).
Es sind weitere
Provokationen im Gespräch:
Am 26. Oktober 1953 notierte Sharett nach einem Vortrag des
Generalstabs-Mitglieds Matti Peled:
„Erstens betrachtet die Armee die
gegenwärtige Grenze mit Jordanien als absolut inakzeptabel.
Zweitens plant die Armee einen Krieg, um den Rest des
Westens von Eretz Israel zu besetzen“
(26.10.1953; Seite 81).
Sharett wollte die Vergeltungsschläge untersagen, aber Moshe
Dayan als Oberbefehlshaber meinte es anders:
„Moshe Dayan zog einen Plan nach dem anderen für ‚direkte
Aktionen‘ hervor. Der erste: was getan werden sollte, um die
Blockade der Straße von Eilat zu beenden. Ein Schiff unter
israelischer Flagge sollte losgeschickt werden, und falls
die Ägypter es bombardierten, sollten wir den ägyptischen
Stützpunkt aus der Luft bombardieren, oder (wir sollten)
Ras-e naqueb erobern oder uns auf den Weg von Süden her
zum Gaza-Streifen bis zur Küste hinauf bahnen. Es gab einen
allgemeinen Tumult. Ich fragte ihn: Bist du dir klar, dass
das Krieg mit Ägypten bedeuten würde? Er antwortete:
natürlich ...“ (31.1.1954; Seite 331)
Angriffspläne aber existieren nicht nur gegen Ägypten. Am
25.02.1954 lesen wir z.B. über Syrien bei Sharett
folgendes:.
„Nach dem Essen nahm Lavon
(Verteidigungsminister von Sharett – Anhänger
von Ben Gurion) mich zur Seite und versuchte, mich zu
überreden: Dies ist der richtige Moment zu handeln – diese
ist der Zeitpunkt, vorwärts zu marschieren und syrische
Grenzpositionen jenseits der entmilitarisierten Zone zu
besetzen. Syrien ist am Zerfallen. Ein Staat, mit dem wir
ein Waffenstillstandsabkommen geschlossen haben, existiert
nicht mehr. Seine Regierung ist im Begriff, gestürzt zu
werden und keine andere Macht ist in Sicht. Zudem ist der
Irak praktisch in Syrien einmarschiert. Dies ist eine
historische Gelegenheit, die wir nicht vorübergehen lassen
sollen. .... Ich zögerte, solch einen Blitz-Plan zu billigen
und sah uns am Rande des Abgrundes eines katastrophalen
Abenteuers. Ich fragte, ob er vorschlägt, sofort zu handeln,
und ich war schockiert, als mir klar wurde, dass er es tat.
...“(25.2.1954, Seite 374)
Dieser Plan wurde von Sharett nicht gebilligt.
Am 12. Dezember 1954 wurde Sharett als Ministerpräsident
überrascht durch die Entführung eines syrischen
Zivilflugzeuges. Er schreibt darauf an Lavon:
„Es muss Dir klar sein, dass wir keine wie
auch immer geartete Rechtfertigung dafür hatten, das
Flugzeug zu entführen, und dass wir es – wenn es schon
einmal zur Landung gezwungen wurde – sofort hätten
freilassen und die Passagiere nicht einem 48-Stunden-Verhör
hätten unterwerfen dürfen. Ich habe keinen Grund, an der
Wahrheit der Bestätigung des US-Außenministeriums zu
zweifeln, dass unsere Aktion in der internationalen
Geschichte einmalig ist. ... was mich schockiert, ist die
Engstirnigkeit und Kurzsichtigkeit unserer militärischen
Führer. Sie scheinen anzunehmen, dass der Staat Israel sich
auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen nach den
Gesetzen des Dschungels benehmen darf – oder sogar muss.“
(22.12.1954, Seite 607)
Man muss wissen, dass am 11. Dezember – einen Tag, bevor die
israelischen Militärs diese Welturaufführung der
Luftpiraterie inszenierten, fünf israelische Soldaten auf
syrischem Gebiet gefangen genommen worden waren, während sie
am syrischen Telefonnetz Abhöranlagen installierten.
Selbstverständlich wurde in der Presse gemeldet, dass die
fünf
Soldaten gewalttätig von
den Syrern entführt worden sind. Einer der
fünf hat Selbstmord begangen, was einen großen Aufruhr in Israel
bewirkte.
Dazu
Moshe Sharett:
„Ein junger Mann wurde für nichts geopfert,
... jetzt werden sie sagen, dass sein Blut an meinen Händen
klebt. Wenn ich nicht die Freilassung des syrischen
Flugzeuges angeordnet hätte
(hätten wir jetzt unsere Geiseln),
hätten die Syrer gezwungen werden können, die fünf
freizulassen. Der Junge...wäre noch am Leben..“
„Es ist klar, dass es Dayans Absicht ist, ...(syrische) Geiseln zu nehmen, um die Freilassung unserer
Gefangenen in Damaskus zu erreichen. Er hat es sich in den
Kopf gesetzt, dass es notwendig ist, Geiseln zu nehmen und
wird nicht davon ablassen“ (10.2.1955; Seite 714).
Ich erinnere daran, dass jetzt, im Jahr 2006, die offizielle
Version der israelischen Regierung lautet, dass der
neuerliche Libanon-Krieg durch die Geiselnahme zweier
israelischer Soldaten verursacht wurde ... anscheinend weiß
niemand mehr, dass Entführungen und Geiselnahmen eigentlich
ein israelisches Patent sind, praktiziert in den Fünfziger
Jahren, lange, bevor es einen PLO-Widerstand oder eine
Hezbollah gab.
Es ist Sharett gelungen, die kriegerischen und
expansionistischen Absichten von Ben Gurion, Lavon, Dayan
und Co. zu verhindern. Aber: Menschen, Generäle oder
Politiker, die besessen sind von kriegerischer Lust, können
nicht davon lassen.
Trotz der absoluten Ruhe an der Grenze zwischen Libanon und
Israel schmiedete Ben Gurion mit seinen Kriegstreibern einen
Plan: Durch die Errichtung eines christlich-maronitischen
Staates als Vasall
Israels, wollte man
Libanon destabilisieren. Lesen wir wieder, was Sharett über
ein Treffen am 27. Februar 1954 schreibt:
„Dann ging er (Ben
Gurion) zu einem anderen Thema über. Jetzt ist es Zeit,
sagte er, den Libanon– und das heißt, die Maroniten im Land
- zu drängen, einen christlichen Staat auszurufen. Ich
sagte, dass es Unsinn wäre ...Ich erklärte, dass es keinen
Faktor gebe, um solch eine Situation herzustellen und dass
wir uns auf ein Abenteuer einließen, das Schande über uns
bringen würde, wenn wir selbst solch eine Situation schaffen
und dazu ermutigen würden. Hier entstand eine Welle von
Vorwürfen wegen meines mangelnden Wagemuts und meiner
Engstirnigkeit... Ich wurde es müde, gegen einen Wirbelwind
anzukämpfen.“ (27.2.1954; Seite 377)
Ben Gurion, der sich angeblich mit der Urbarmachung der Wüste
und buddhistischer Philosophie
beschäftigte, versuchte den Plan
durchzusetzen. In einem langen Brief an Moshe Sharett
versuchte er wieder zu überzeugen, wie
wichtig es wäre, den Libanon zu spalten. Sharett zitiert aus
Ben Gurions‘ Brief:
„Wir müssen unsere ganzen Anstrengungen auf dieses Thema
konzentrieren.... Dies ist eine historische Gelegenheit. Sie
zu versäumen wäre unverzeihlich. In diesem Plan liegt eine
Kampfansage an die Weltmächte... Nach meiner Meinung sollte
alles schnell und unter Volldampf getan werden.
Natürlich wird das Ziel nicht ohne
Einschränkung der Grenzen des Libanon erreicht werden.“
(27.2.1954; Seite 2397-2398)
Ein langer und gut argumentierender Antwortbrief von Sharett
beruhigte die kriegstreibende Gruppe nicht, wie ein Zitat
von Moshe Dayan illustriert:
„Nach seiner
(Dayans)
Meinung sei es einzig und allein notwendig, einen Offizier,
vielleicht sogar einen Major zu finden. Wir sollten entweder
sein Herz gewinnen oder ihn mit Geld kaufen, um seine
Zustimmung zu erlangen, dass er sich selbst zum Retter der
maronitischen Bevölkerung ausruft. Dann wird die israelische
Armee in den Libanon einmarschieren, das notwendige Gebiet
besetzen und ein christliches Regime einsetzen, das sich mit
Israel verbünden wird. Das Gebiet südlich des Litani(-Flusses) wird Israel völlig einverleibt werden und alles wäre in Ordnung.
...“
Scharett schrieb dazu:“..Vor seinen Offizieren wollte ich
mich nicht mit Ben Gurion streiten und beschränkte mich auf
den Hinweis, dass dies... Krieg zwischen Israel und Syrien
bedeuten könnte...(16.5.1954;Seite 996).
Auch diesem Druck hat Sharett widerstanden.
Die Provokationen aber gingen weiter. Mysteriöser Weise wurde
in der Nähe von Safed am 22. September 1954 ein Bus
angegriffen. Zwei Personen wurden getötet und zehn
verwundet. Ohne auf eine Untersuchung zu warten, die
feststellen sollte woher die Angreifer kamen, schlug Dayan
vor, eine Vergeltungsaktion zu starten. Ein libanesisches
Dorf wurde als Ziel ausgesucht. Die Bevölkerung sollte
nachts evakuiert und die Häuser gesprengt werden.
Auch diesmal hat sich Sharett mutig gewehrt gegen eine neue
Front an dieser friedlichen Grenze.
Das Dayans Ziel war die Destabilisierung des Libanon und die
Suche nach einem Wegbereiter für Major Saad Haddad, der 1977
dann tatsächlich einen maronitischen Staat ausrief.1982
marschierte
Ariel Sharon im
Libanon ein, um dort eine neue Ordnung zu schaffen. Was
natürlich nicht gelang. Der Krieg kostete Milliarden Dollar
und Zigtausende das Leben - Libanesen, Israelis,
Amerikaner, Franzosen . . . Ein Teil Libanons wurde zerstört
und Beirut erobert. Der einzige ruhmlose ‚Erfolg‘ Sharons
waren das Massaker in Sabra und Shatilla und die Entstehung
von Hezbollah, die schließlich im Jahre 2000 die
israelische Armee vertrieben hat.
Zurück zum Jahr 1954-55 .Der Plan einer Invasion des Libanon
wurde temporär aufgegeben, da 1955 von den
USA grünes Licht kam für einen Angriff auf Ägypten. Damit
konnte 1956 der erste große Angriffskrieg begonnen werden,
der mit
großer Konsequenz und Zielstrebigkeit von Dayan, Ben Gurion
u.Co durch die zynisch provozierten mörderischen
Vergeltungsaktionen vorbereitet worden war.
Moshe Sharett wurde durch ein ‚sauberes‘ Komplott ins Abseits
gedrängt. Ben Gurion wurde als Retter, zunächst als
Verteidigungsminister, später als Ministerpräsident,
zurückgerufen und damit der
Weg zu den sinnlosen
Kriegen und Wirbeln von Gewalt und Gegengewalt, die bis
heute die Region destabilisieren, geebnet. Durch die
uneingeschränkte Gewaltpolitik Israels, fälschlich
bezeichnet als Sicherheitspolitik, ist der Nahe Osten in
einen
brodelnden Vulkan verwandelt worden
und gefährdet nicht nur die Überlebensaussichten Israels und
den Frieden der im Nahen Osten lebenden Völker, sondern
Europa und vielleicht andere Teile der Welt.
Die Zitate stammen aus der 8-
bändigen hebräischen Ausgabe der Tagebücher Moshe Sharetts (Joman
Ishi), die deutsche Übersetzung der Zitate ist folgendem
Buch entnommen:
Livia Rokach, Israels heiliger
Terror. Eine Studie auf Basis von Moshe Sharetts
persönlichem Tagebuch und anderen Dokumenten seiner Zeit.
Mit einer Einführung von Noam Chomsky. Aus dem
Amerikanischen von Gerd Albartus. Minotaurus-Projekt,
3.Aufl.1982
"Der Historiker Dr.Reuven
Moskovitz ist Jude und Israeli und seit Jahren in der
israelischen Friedensbewegung aktiv. Er ist Mitbegründer des
Friedensdorfes Neve Shalom/Wahat Al Salam, in dem
israelische Juden und Palästinenser zusammen leben. Er
kämpft für die Verständigung und Aussöhnung zwischen
Palästinensern und Israelis und bemüht sich auch um die
deutsch-israelische Versöhnung. Im Jahr 2001 wurde ihm der
Mount Sion Award zuerkannt und 2003 der Aachener
Friedenspreis.
Sein Buch "Der lange Weg zum
Frieden - Deutschland - Israel - Palästina", erscheint in
der 5. Auflage."
Die Tagebücher von
Moshe Sharett – der Israels erster Außenminister und
zweiter Ministerpräsident war.
Sharetts Tagebuch und Livia Rokachs
Studie -
Sharett hat ein
hebräisches Tagebuch geführt, aus dem sein Sohn Yaqov
Sharett 1979 politisch wichtige Eintragungen
veröffentlichte. Dem Tagebuch zufolge betrieben David
Ben Gurion und seine Kabinette, Sharett eingeschlossen,
systematisch die Expansion Israels auf Kosten aller
seiner Nachbarstaaten. Die eingesetzten Mittel mißfielen
Moshe Sharett, darunter Massaker, die
Flugzeugentführung, die Einschleusung von Attentätern,
die Vortäuschung von Bluttaten der Gegner mit
einkalkulierten israelischen Opfern und der Plan zur
Errichtung eines Maronitenstaates im Südlibanon. Doch
Sharett begehrte nie auf. 1980
veröffentlichte Livia Rokach, die Tochter des
Innenministers unter Sharett, Israel Rokach, auf
Englisch eine politische Studie mit Auszügen aus den
Tagebüchern Moshe Sharetts und weiteren Dokumenten. Das
Buch zeichnet von den politischen Zielen und Methoden
des frühen Staates Israel ein Bild des Grauens. Unter
dem Deckmantel der Vergeltung für gegnerische Taten
trieb Israel seine Expansion mithilfe blutiger
Provokationen voran. Rokach schreibt in ihrer
Einleitung über Sharett: „Er erkannte sehr
klar, dass die Logik hinter Israels Sicherheitsdoktrin
nichts anderes als Faschismus war und sah ganz richtig
die daraus resultierende moralische Korruption im Innern
und die zunehmende Gewalt auf regionaler Ebene voraus.“
mehr >>>
Moshe Sharett: Diplomatie
statt Gewalt -"Dieses Buch ruft dem deutschen Leser zum
ersten Mal eine alternative Position in der Politik des
frühen israelischen Staates ins Bewußtsein." -
Prof. Dr. Michael Brenner,
Historisches Seminar der Universität München, Abteilung
Jüdische Geschichte und Kultur - Moshe Sharett gehört zu
den Gründungsvätern Israels. Aber anders als sein
Gegenspieler Ben-Gurion ist Sharett, Regierungschef
(1953-55) und langjähriger Außenminister (1949-56) seines
Landes, heute weitgehend vergessen. Dabei steht er, wie
diese Studie zeigt, für ein grundsätzlich anderes Verhältnis
Israels zu seinen Nachbarn als es sich in der Folgezeit
etablierte, für eine andere Konzeption der israelischen
Politik. Somit ist die vorliegende Arbeit - die nicht nur
auf der israelischen Forschung fußt, sondern auch bislang
wenig beachteten Quellen, teils in hebräischer Sprache,
erschließt – ein wichtiger Beitrag zur Geschichte des
Nahost-Konflikts, zur Genese eines der gefährlichsten
Krisenherde der Welt >>>
Israels Heiliger
Terror. Eine Studie auf der Basis der Tagebücher Moshe
Sharetts und anderen Dokumenten von Livia Rokach - Amazon
Essay:
Kurze Chronik einer
Kette von Brandstiftungen in Israel/Palästina und
den Nachbarländern -
Reuven
Moskovitz - Unter uns Juden stellt man schon
mal die Frage „Wie kommt es, dass so viele Juden
eine lange Nase haben?“ Die schlagfertige Antwort
lautet: „Weil es Moses gelungen ist,
die Juden
40 Jahre lang in der Wüste an der Nase
herumzuführen“. Die zeitgenössischen israelischen
Machthaber können sich mit einem Rekord schmücken:
Es ist ihnen gelungen, die meisten Juden und einen
großen Teil der Welt 60 Jahre lang an der Nase
herumzuführen und sich dennoch als glaubwürdige
Vertreter des gefährdeten jüdischen Volkes zu
zeigen, die nur Frieden und Sicherheit suchen...
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