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Gedanken am Internationalen Frauentag – 8. März
2017
Reuven Moskovitz
Als ich nach Deutschland kam, ist mir dort in den
verschiedenen Geschichtsbüchern der deutsche Michel
aufgefallen. Im Mittelalter wurde er oft als der
erwähnt, der sich mit Dingen abfindet, auch wenn sie
seinen Auffassungen für Anständigkeit widersprechen.
In unseren Zeiten wiederholt sich diese Haltung
durch die Art, wie er "seine" deutschen Regierenden
im Umgang mit der israelischen Chuzpe, die die
elementarsten Gesetze und Beziehungen zwischen
Völkern verletzt, gewähren lässt.
So ist es z.B. selbstverständlich, dass zwei Staaten
mit diplomatischen Beziehungen ein konsulares
Verfahren haben, das den jeweiligen Pass
respektiert. Man kann sich überhaupt nicht
vorstellen, dass die deutschen Behörden die Einreise
eines Israelis verbieten, auch wenn dieser Mensch
einigen "Dreck am Stecken" hat.
Das ist anders, wenn es um die Einreise von
nicht-israelischen Bürgern nach Israel geht, die
nicht den Erwartungen der israelischen Behörden
entsprechen. Auf den "Schwingen der Shoah" leistet
es sich Israel ohne weiteres, Menschen, die einen
gültigen Pass besitzen, die Einreise zu verweigern.
Nach außerordentlich langwierigen und unangenehmen
Befragungen werden sie bei der ersten Gelegenheit
gezwungen zurückzufliegen.
Vom rechtlichen Standpunkt aus gesehen, ist das
illegal, und neulich wurde dieses Verfahren auf
deutsche Geistliche, Christen, angewendet, da sie
die BDS (Boycott, Divestment, Sanctions) - Kampagne
gegenüber Israel unterstützen.
Tatsächlich ist es so, dass durch die
Auseinandersetzung mit der wachsenden
Unzufriedenheit als Folge der israelischen Besatzung
und Verletzung der Menschenrechte der Palästinenser
mehrere Menschen – auch in Deutschland - Israel mit
dem ehemaligen Südafrika und dessen Apartheid
vergleichen. So hat die israelische Knesset
entschieden, das unverschämte Verfahren der
Einreiseverweigerung nicht nur anzuwenden, sondern
in einem Gesetz zu verankern. So können deutsche
Bürger, die kein Ja-Sager bezüglich der israelischen
Besatzungspolitik und des Apartheid-Syndroms sind,
durch ein klares Gesetz sanktioniert, d.h.
Abgewiesen werden. In diesem Fall bestätigt sich die
Parallele zu dem deutschen Michel, durch das
Schweigen gegenüber dieser flagranten Verletzung der
Menschenrechte.
Höhepunkt meines Entsetzens ist die Entscheidung von
deutschen Bischöfen und Kardinälen, die christliche
Friedensbewegung, Pax Christi, durch Entzug
finanzieller Hilfsmitteln, abzuwürgen.
Es sind jetzt 500 Jahre nachdem Martin Luther – ein
gottgläubiger Mönch – nein sagte an allen Bischöfe,
Päpste, Kaiser und Könige – und die Kirche
reformierte.
Wenn ich an Deutschland denke, das seine
schreckliche Vergangenheit aufgearbeitet hat, frage
ich mich, wie kann ich weiter dieses Deutschland
angesichts dieser Feigheit achten und lieben?
Ein Doppelgänger für den deutschen Michel ist eine
jüdische Figur in der jüdischen Folklore mit Namen
Bonzi (Ben Zion = Sohn von Zion) Schweig. Er war ein
bescheidener Mensch, der sehr oft misshandelt und
missbraucht, ausgelacht und ausgebeutet wurde, der
alles verschwiegen hat und dabei geblieben ist.
Bonzi hatte das Glück, lange zu leben und wurde nach
seinem Tod im Himmel von allen Heiligen empfangen,
von Engeln und auch vom Heiligen Geist. Es wurde ein
sehr großen Tisch gedeckt, und dann erschien der
heilige Geist und sagte: Ja mein Sohn Bonzi, großes
Gefallen habe ich an Dir gehabt, wahrend du auf der
Welt lebtest. Schweigend hast du gelitten und nicht
die Misshandlungen und Beschimpfungen vergolten,
denen Du ausgesetzt warst. Nun aber, bist du nach
hause gekommen – du gehörst zum Paradies in der
Gesellschaft von Heiligen und reinen Seelen. Was du
auf der Erde vermisst hast, kannst du dir jetzt hier
wünschen. Schüchtern und mit zitternden Stimme
antwortete er: Ja, mein lieber Gott, wenn es nicht
zu frech ist, hätte ich mir eine heiße Tasse Kaffee
und ein warmes Brötchen mit Butter gewünscht.
Der deutsche Michel hat überlebt, ist reich und
stark geworden, wieder geachtet von Völkern und
Nachbarn. Dieser Michel schweigt jedoch noch immer
und wagt es nicht, gegen Ungerechtigkeiten zu
protestieren.
Dürfen wir uns fragen: Können, dürfen wir
einverstanden sein mit Politikern, die ungebrochen
alle Verbrechen der Vergangenheit wiederholen und
übertreffen wollen? Wenn ich über meinen Staat rede
und denke, dann fällt mir der jüdischen kategorische
Imperativ vom großen Hillel ein: Tue Deinen Nächsten
nichts, was Du selbst hasst.
Ich frage mich als Jude und Mensch: Woher sollen die
Liebe, die Barmherzigkeit, die Geduld, die
Großzügigkeit in einer Welt kommen, die mit Waffen,
die die Erdkugel zerstören können, schwer gerüstet
ist?
In der Zeit, da Martin Luther lebte, gab es auch
Erasmus, der „Laus stultitiae " = Lob der Dummheit)
geschrieben hat. Diese Dummheit, die damals Erasmus
angeprangert hat, regiert heute die Welt. Diese
Dummheit steckt in der Politik meiner israelischen
Regierenden, die aus jeder Lösung ein Problem
machen, und sie schreiben die Geschichte vom einen
Krieg zum anderen.
Der israelische Journalist Gideon Levy
schrieb in Ha'aretz vom 2. 3. 17 in seinem Artikel
mit dem Originaltitel „Israel loves war", übersetzt
von Ellen Rohlfs folgendes Zitat:
„Gaza verwöhnt Israel mit Luxuskriegen. Es gibt
nichts, was Israel mehr liebt als einen Krieg gegen
eine Nicht-Armee, gegen jene, die keine
Luftschutzkeller haben, keine Waffen, keine
Artillerie, nur eine Armee von Barfüßigen und
Tunnel, die Israel erlaubt, Geschichten von Helden
zu erzählen und von trauerndem Verlust. Israels
Bombardements der Hilflosen – aus irgendeinem Grund
Krieg genannt, mit minimalen israelischen
Todesfällen und maximalen palästinensischen
Todesfällen – das ist es, was wir am Krieg lieben.
Da sollte ein großer Schrei gewesen sein, der von
einem Ende zum andern Ende tönte, doch wurde er vom
Unsinn der Tunnel verschlungen. Jedes Kind in Gaza
weiß, dass es eine Alternative gibt: wenn Gaza sich
in die Welt hinaus öffnet, dann wird es ganz anders
sein. Aber dafür werden mutige israelische Führer
nötig sein – doch von diesen gibt es keinen. Massen
von Israelis wären nötig, um unmißverständlich
„Nein" zu sagen, nein zu Kriegen – und die gibt es
auch nicht. Warum? Weil Israel Kriege liebt."
Diese Dummheit prangerte auch Bonhoeffer an, der ein
paar Tage vor dem Ende des zweiten Weltkriegs
umgebracht wurde.
Diese Zeilen schreibe ich am internationalen
Frauentag. Die Frau, die das Leben gebärt und die
Liebe vertritt, bleibt für mich die einzige
Hoffnung, einem schrecklichen Untergang zu
entkommen.
Wir brauchen die aufschreienden Mütter „Nie wieder
Krieg"!
Herzlichst,
Reuven
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