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Reuven Moskovitz
19. Februar 2005

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

 seit mehreren Wochen beschäftigen mich Gedanken, die ich Euch mitteilen möchte. Manche meiner Gedanken scheinen für friedfertige Deutsche im Sinne von „political correctness“ zu radikal. Unter den wenigen Reaktionen zu meinem Jahresbrief, sind einige, die meine scharfe Beurteilungen von   Sharon und  Präsident Bush als Vertreter der Macht des Bösen, nicht nachvollziehen können. Einer der Briefe will mich erinnern, dass auch Al-qaida und Saddam Hussein das Böse vertreten. Ich habe für diese Reaktionen Verständnis, weil sie ein Ausdruck der deutschen Krankheit als einer Folge des verbrecherischen Nationalsozialismus sind: nur nicht Anti-Israel,  nur nicht Anti-Amerika sein! Dabei vergisst man, dass pro-Israel zu  sein bedeutet, sich  gegen das  friedenssuchende Israel zu stellen. Nur pro-Amerika zu sein bedeutet, gegen eine knappe Hälfte von Amerikanern zu sein, die mit Entsetzen die die neu-konservative und klerikale Politik in Amerika  beobachten.

 Was ich aber in meinem Jahresbrief schrieb, ist noch nicht das Schlimmste. Ich bin z.B. furchtbar verärgert und zutiefst traurig über das Trauerspiel, das im Januar d.J. bezüglich 60 Jahre Befreiungserinnern in Auschwitz stattfand. Dass Auschwitz das größte und  schrecklichste Verbrechen in der menschlichen Geschichte ist, steht für mich außer Frage. Aber die ‚Regie‘ und manche der ‚Schauspieler‘ bei der Veranstaltung haben mich zutiefst empört und verletzt. Nie in der Geschichte wurde so erfolgreich ein enormes Verbrechen und eine Ausrottung von einem Teil eines Volkes in den  Dienst der gegenwärtigen Politik genommen. Man besteht auf der Einmaligkeit von Auschwitz und dies zu Recht. Wer aber vertritt das ganze jüdische Volk mit dem Aufschrei „nie wieder“? - Es ist der  Chef der israelischen Außenpolitik, Silvan Shalom, der unter  die radikalsten ‚hardliner‘ zu zählen ist. Wer hat auf der Veranstaltung die  ermordeten, geschundenen und entwürdigten Ausschwitz-Häftlinge vertreten?

Eli Wiesel, der Friedensnobelpreisträger, der ein empörendes Schweigen zeigt, angesichts der verbrecherischen „Lappalien“ wie Mord, Vertreibung, Enteignung, Drangsalierung  von Hunderttausenden von Palästinensern. Ich stelle die Menschlichkeit von Eli Wiesel nicht in Frage. Ohne Zweifel aber ist ihm der berühmte Spruch vom Edmond Burke bekannt: „Weil die Anständigen schweigen, können die Bösen siegen“. Auch im humanistischen Judentum hätte Eli Wiesel ein paar zutreffende Zitate zum Thema Schweigen finden können. Eli Wiesel aber schweigt, Silvan Shalom schreit „nie wieder“, die deutsche Presse ist mit Auschwitz beschäftigt, mit dem Bestechungsskandal eines Schiedsrichters, mit dem ‚Visa-Skandal‘ des Außenministers, schweigt aber ziemlich auffällig, wenn es geht um die unverantwortliche Politik aller israelischen Machthaber,  die Israel/Palästina seit knapp 60 Jahren in einen Wirbel von Gewalt, Hass und Zerstörung verstrickt haben. Einen nicht unwichtigen Anteil  an diesem Wirbel haben auch die palästinensischen und arabischen Anführer oder Machthaber. Seit knapp 30 Jahren aber hat die israelische Außenpolitik und anti-palästinensische Unterdrückungspolitik den Löwenanteil an Verantwortung für diesen blutigen Wirbel. Ich schreibe diese Zeilen blutenden Herzens. Auschwitz ist das Schrecklichste, aber Vergangenheit! Das gegenseitige Gemetzel  von Juden und Palästinensern ist  düstere Gegenwart!

 

Nun aber kommt ein Schimmer der Hoffnung: der Trennungsplan von Sharon, die demokratischen Wahlen in Palästina, die Wahl von Abu Maazen (Mahmud Abbas), der sich entschieden hat,  die Spirale der Gewalt und Gegengewalt zu stoppen, die begeisternde Konferenz in Sharm el Scheik, die tröstenden Aussagen von beiden Seiten über das Ende der Arafat-Ära. Ist das nicht einen Grund zum Jubeln?

 

Leider, leider kann ich da nicht mitmachen. Ich weiß um die Wichtigkeit der Hoffnung und die Tatsache, dass der Mensch ohne Hoffnung nicht leben kann. Oft aber wird die Hoffnung von schlauen und manipulierenden Politikern missbraucht und in Dienst der Hoffnungslosigkeit gestellt. Ganze Bücher über die Hoffnung habe ich gelesen. In diesem Fall  frage ich mich, ob die Hoffnung nicht irreführend ist, wenn man die Weichen nicht neu gestellt hat, damit sie zu einer hoffnungsvollen Zukunft führen. Die Frage ist: sind tatsächlich: sind die Weichen der arabischen und israelischen Extremisten neu gestellt worden? In Ägypten, Jordanien, Palästina und ich wage zu sagen auch in Syrien, sind die Weichen zu einem erträglichen Frieden gestellt worden. Wie aber sieht es bei uns aus?

Noch ehe das Echo der hoffnungsvollen Wende verklungen war, meldet sich die Stimme der Anführer der Geheimdienste, die Stimme von dubiosen Wissenschaftlern und Anti-Terror-Spezialisten mit der Warnung zu Wort, dass die „Zugeständnisse von Sharon“ zu weitgehend seien. „Die Eile  ist vom Satan“, sagte der Hauptredner Silvan Shalom bei der Auschwitz - Gedenkfeier in New York. Als tatkräftiger Mann schlägt er eine Volksbefragung  über die Räumung des Gaza-Streifens vor.

Dabei geht es ihm eigentlich darum, die Räumung auf die lange Bank zu schieben. In einer normalen Demokratie hätte Sharon das Recht gehabt, seinen Außenminister zu feuern, als Gegner seiner Politik, die Sharon in der öffentlichen Weltmeinung als Friedensengel erscheinen lässt. Sharon aber lächelt, wenn er von der fremden Presse gefragt wird, warum er Silvan Shalom als Außenminister duldet. Ich habe keine Zweifel, dass Sharon kein Friedensengel  und sehr weit davon entfernt ist,  die Weichen in den Beziehungen zwischen Israel und Palästina neu zu stellen, so dass es zu einem freien und unabhängigen Staat Palästina kommen kann.

Nehmen wir an, dass sein Trennungsplan der erste Schritt in der Verwirklichung der viel gelobten Roadmap von Bush ist. Lassen wir die Frage weg, warum eine überwiegende Mehrheit in der Knesset, einschließlich der Opposition Shinui und Shass gegen den Rückzug aus den 1967 eroberten Gebieten ist. Wie aber kann man  erklären, dass in der israelischen Politik  mangelnde Anerkennung,  Arroganz, Dämonisierung und  Entmenschlichung des palästinensischen Volkes vorherrschen? Zwei Völker, die sich im Krieg befinden und sich für den Frieden entscheiden, schicken in einem  ersten Schritt die Kriegsgefangenen nach Hause.  In den Augen der israelischen Regierung sind  palästinensische Kriegsgefangene,  „nichts weiter als Verbrecher und Mörder, die ihre Hände mit Blut beschmiert haben“. Hingegen sind die Hände unserer politischen und militärischen Befehlshaber und die Hände der Mordvollstrecker „rein gewaschenund mit duftender Myrthe gesalbt“. Wie kann es bei einem solchen Ungleichgewicht Frieden geben? Unsere zivilisierten Demokraten haben angeblich immer nur den Schutz der  eigenen Heimat im Sinn.

 

Der Herausgeber der liberalen und humanistisch orientierten Zeitung, Josef Joffe, behauptet, dass die Osloer Verträge gescheitert sind  wegen der verbrecherischen Selbstmordattentate und der Aufstellung  einer zu großen palästinensischen Polizei. Von Verletzungen der Osloer Verträge, von Zerstückelungen der palästinensischen Gebiete, von Einsperrung, Umzingelung und Drangsalierung von Hunderttausenden von Palästinensern, scheint er keine Ahnung zu haben. Er ist nicht der einzige Wiederkäuer der offiziellen  israelischen Version. Wenn aber Israelis aus der Friedensbewegung versuchen, die Verletzungen der Menschenwürde und –rechte der Palästinenser in der deutschen Presse publik zu machen, werden deren Stimmen entweder ignoriert oder ihre Meinung im besten Fall zensiert wiedergegeben.

 

Ich gehöre nicht zu den zynischen Kleingläubigen, bin aber auch kein Blauäugiger. Frieden schafft man nicht zwischen Herren und Sklaven, sondern zwischen gleichberechtigter Völker und Menschen. Solange wir in Israel die Herren sind, und die Palästinenser unsere Schuhputzer, oder im besten Fall unsere Untertanen bleiben, dämonisiert, verleumdet als „wilde Tiere oder Ungeziefer“, als „Unmenschen, die eine Brandmarkung benötigen, um das mörderische Gen umzustellen“, gibt es keine Hoffnung auf Frieden.

 

Richtigerweise habe ich meinem Buch  den Titel „Der lange Weg zum Frieden“ gegeben. Jetzt wird mir von Tag zu Tag bewusster, dass ich einen sehr langen Weg zur Wahrheit gehen muß. Der jüdisch-palästinensische Konflikt ist 125 Jahre alt und die Wahrheit über die Ursprünge dieses Konfliktes sind von beiden Seiten sehr verzerrt worden.

 

 

Ich kann die bedauerliche Befangenheit Deutschlands aufgrund der deutschen Geschichte verstehen, aber nicht rechtfertigen. Ich bin der Meinung, dass die Frage der deutschen Schuld überholt ist, nicht aber die nach der deutschen Verantwortung. Die Solidarität mit Israel und dessen Recht zu existieren ist bewundernswert, nicht aber das Schweigen angesichts der herzlosen und hochmütigen Unterdrückung der Palästinenser. Dieses Schweigen schadet nicht nur den Palästinensern, sondern auch uns und nicht nur uns. Israel als regionale Supermacht, ist ein Stachel nicht nur im Fleisch der arabischen und moslemischen Welt, sondern auch eine Gefahr für Europas Sicherheit. Europa und Deutschland müssen sich bnabeln von einer Politik, die nicht nur den israelisch-palästinensischen Konflikt fördert, die nicht nur Irak und Afganistan in Brand gesetzt hat, sondern möglicherweise jetzt auf Krieg gegen Iran und Syrien zielt. Wer in Deutschland weiß schon, dass der syrischen Staatspräsident Bashar el Assad, den Wunsch geäußert hat, nach Jerusalem zu kommen, um wie Sadat die Weichen für Frieden zu stellen? Wer weiß schon von den Initiativen von Saudi Arabien, Joschka Fischer und vielen anderen?

 

Ich bin verwundert und leicht enttäuscht über die wenigen Reaktionen auf meinen Aufruf  zum Friedensmarsch und meine Bitte, mir mit Rat und organisatorischer Unterstützung zu helfen. Ich kann nur wiederholen, dass ich entschieden bin, diesen Friedensmarsch zu machen, zusammen mit Julie Gerschtel, einer Frau, die bei einem Selbstmordattentat schwer verletzt wurde und einen langen Weg machte, um ‚ihren Terrorist‘ zu verstehen. Dieser Weg hat sie nicht zu einem verstärkten Hass geführt, sondern zur Notwendigkeit von gegenseitigem Verzeihen und Versöhnen. Darüber hat sie einen Film gedreht unter dem Titel „Mein Terrorist“. Nach dem Erfolg dieses Filmes hat sie einen neuen Film gedreht unter dem Namen „Mein Land Zion“. Diese Filme sind eine dramatische und plastische Darstellung eines schmerzhaften langen Weges zur Wahrheit und Friedensarbeit.

 

Ich wiederhole meine Bitte an alle Freundinnen und Freunde, alle Friedensvereine, Initiativen und Koordinierungsgruppen, zu überlegen, wie sie mich bei meinem Vorhaben des Friedensmarsches von Brüssel nach Hannover und eventuell weiter nach Berlin im  Mai unterstützen können.

 

Reuven Moskovitz

 

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