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Deutscher Emil Zola gewünscht.
Reuven Moskovitz im November 04

 

 

 

Liebe Freundinnen und Freunde,                                                 Reuven Moskovitz, Juni 2005

 

Mit leichter Ironie wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass ich meine Freundinnen und Freunde nicht nur mit meinen Weihnachtsbriefen ‚bereichere‘, sondern  nun auch mit Oster-, Pfingst - oder solchen Briefen, die meine Empörung zu Ausdruck bringen z.B.

über den ‚Auschwitzkult‘ und den ‚Erinnerungskult

Seit mehreren Monaten ist die öffentliche Meinung in Israel und Deutschland beschäftigt mit Auschwitz- und Holocaustgedenken, mit Erinnerungen an Israels Staatsgründung an 60 Jahre Kriegsende und 40 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel,

Ich möchte unterscheiden zwischen einer Erinnerungskultur, die für jedes Volk und jeden Staat wichtig ist, und einem Erinnerungskult. Die Veranstaltungen zum Gedächtnis an Auschwitz und Holocaust in der UNO, in Jerusalem und sicherlich auch anderswo, und dazu noch die Einweihungsszenarien der neuen Gedenkstätte in Jerusalem und des Denkmals in Berlin scheinen mir eine Banalisierung, wenn nicht Vulgarisierung der gewünschten Erinnerungskultur zu sein.

 

Bin ich der Einzige, der argwöhnisch immer wieder eine Instrumentalisierung wahrnimmt – und darüber hinaus eine so entstehende eigenartige privilegierte Behandlung? Demokratisch bewusste deutsche Bürger könnten sich fragen, warum die Sicherheit des israelischen Staatspräsidenten viel wichtiger ist als die Sicherheit der ganzen politischen Führung Deutschlands. In Berlin blieb zum Beispiel der Charlottenburger Schlosspark mehrere Tage für die Bürger geschlossen, nur weil der israelische Staatspräsident und andere jüdische Prominenz sich an den Feierlichkeiten zu den 40 Jahren diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und Deutschland beteiligten. Demgegenüber konnte auf dem Kirchentag in Hannover, an dem mehr als hunderttausend Menschen teilnahmen, jeder Anwesende den Vorträgen fast der gesamten deutschen politischen Prominenz frei und ungehindert beiwohnen.

Deutsche Bürger haben dieses merkwürdige Missverhältnis anscheinend nicht wahrgenommen und die Medien haben es auch nicht kommentiert. Bedeutet das, dass die deutsche Öffentlichkeit nicht nur das Selbstverständnis der israelischen Sicherheitsbedürfnisse übernommen hat, sondern auch die Auffassung führender israelischer Politiker, dass der palästinensische Terror sich gegen Juden wendet, nur weil sie Juden sind?

Damit wird die Tatsache, dass der Staatspräsident einen Staat vertritt, der ein anderes Volk unterdrückt und seiner politischen und bürgerlichen Freiheit beraubt, völlig ausgeklammert.

Wer von den anwesenden VIPs hätte gewagt, bei diesen Gedenkfeiern über das neue Unrecht an neuen Opfern zu sprechen – ausgeübt durch die Opfer von damals?

 

Nun, um wieder zu meinen gegenwärtigen Überlegungen und Zweifeln zu kommen.

Ich muß mich dazu bekennen, dass ich manche Hindernisse auf dem Weg zum Frieden falsch eingeschätzt habe. Ich habe nicht geahnt, wie sehr außer dem kalten Krieg, auch die Restaurationszüge des Neokonservatismus und Neoliberalismus von amerikanischen Präsidenten wie Reagan, zum Höhepunkt gekommen in der Politik von Bush Junior, die Eskalation des Konfliktes beeinflußt haben. Ich habe falsch eingeschätzt nicht nur die israelische Holocaust-Identität als Stützpunkt der Gewalt und annexionistischen Politik, sondern auch die deutsche Schuld-Identität, die raffiniert und brutal eingesetzt wurde um die deutsche Außenpolitik im Nahost-Konflikt zu einer verhängnisvollen Verlegenheit und Lähmung zu bewegen. Das Schuld-Syndrom, zusätzlich zu falschen real-politischen Überlegungen, hat auch Staaten wie Frankreich und England heimgesucht. Auffallend aber, und konsequent, hat sich die Bundesrepublik Deutschland dafür eingesetzt, klare und wirksame politische Schritte zu vermeiden, um die israelische Gewalt und den Annexions-Wahnsinn wirksam in die Schranken zu weisen. Dieses Schuld-Syndrom findet sich auch den Kirchen, den meisten intellektuellen Kreisen und höchst wahrscheinlich einer Mehrheit des deutschen Volkes. Dieses ist mir mehr und mehr bewusst geworden seit meiner Entscheidung, nicht nur über den langen Weg zum Frieden, sondern über den langen Weg zur Wahrheit zu sprechen. Das Schuld-Syndrom und die Angst als Antisemit verunglimpft zu werden, verhindern offensichtlich in Deutschland eine nüchterne und rationelle Einschätzung der israelischen Politik, die hauptverantwortlich ist für die Eskalation der Gewalt und Gegengewalt, mindestens seit dem dramatischen Besuch von Sadat in Jerusalem 1977. Ich bin oft erstaunt und erschüttert von dem Unbehagen, mit welchem viele Deutsche, unterdessen auch nicht wenige meiner Freunde, auf meine scharfe und klare Kritik reagieren. Die vielen Bemühungen, meine Stimme auf dem Kirchentag in Hannover hören zu lassen und die zu lange verzögerte Zustimmung, mir ein entsprechendes Podium zur Verfügung zu stellen, haben meine Zweifel über die Wirksamkeit meiner langjährigen Versuche, die oben genannte Verlegenheit und Lähmung zu beseitigen, bestätigt.

 

Seit langem wurde die Frage der jüdisch-deutsche Symbiose thematisiert. Meiner Meinung nach ist es falsch über eine Symbiose zwischen Völkern zu sprechen. Im Bereich der Kulturidentität hat sie ohne Zweifel stattgefunden. Ein sehr guter und zuverlässiger Schriftsteller, Amos Elon, stellt in seinem neuen Buch fest, dass man nur über ein Requiem der jüdisch-deutschen Symbiose sprechen kann. In der Gegenwart neige ich dazu festzustellen, dass die einzige deutsch-jüdische Symbiose zum Ausdruck kommt in der post-nationalsozialistischen jüdischen und deutschen Identität. Für Juden ist der Holocaust ein wichtiger Bestandteil der nationalen Identität und für Deutsche ist das die Schuld-Identität. Zweifellos führt diese Schuld-Identität dazu, dass kein Mensch in Deutschland die Tatsache, dass 60 Jahre nach der Befreiung, im neu eröffneten Holocaust Museum, keine Mini-Ecke zur Würdigung des deutschen Widerstands gegen die Nazis gefunden wurde, in Frage stellt.

 

Nun schreibe ich diese Zeilen am 5. Juni 2005 - 38 Jahre nach dem Sechstage Krieg. Noch heute ist der Großteil meines Volkes überzeugt, dass wir damals von Ägypten, Syrien und Jordanien angegriffen worden sind. Genauso denken auch Menschen in Deutschland, wenn sie sich überhaupt noch an diesen Krieg erinnern. Die Wahrheit aber bleibt Wahrheit auch, wenn sie in Vergessenheit gerät oder durch raffinierte Lügen manipuliert wird.

 

Entsprechend der festgefahrenen Tradition des ‚Erinnerungskults‘ wird in Israel, vielleicht auch in Deutschland, daran erinnert, dass, hätte Israel diesen glänzenden Sieg nicht errungen, die Juden in Israel vor dem totalen Untergang gestanden hätten. Die fast unerträgliche Wahrheit jedoch ist, dass der Rausch und die Euphorie des Siegens, die Maßlosigkeit der Erwartungen an ausgeweitete Grenzen (auf Kosten von Palästina und den arabischen Nachbarn) zu politischem Wahnsinn und blutiger Gewalt und Gegengewalt geführt haben. Hinter diesem zerstörerischen Wahn der militärischen Supermacht im Nahen Osten, der geduldet wird von dem demokratischen und friedfertigen Teil der Welt, wie auch hinter der unsinnigen Erwartung, absolute Sicherheit erreichen zu wollen durch Gewalt und nur durch Gewalt, lauert die Gefahr des Untergangs Israels.

 

Man kann mir hundert mal sagen, dass nur Amerika imstande ist, die Politik Israels in die Schranken zu weisen. Ich werde hundertfünfzig mal erwidern, dass sich Europa von der amerikanischen Politik abnabeln und Deutschland, Frankreich und Spanien die Führungsrolle dabei übernehmen müssen. Dass es inzwischen in der Europäischen Union kriselt, könnte ein Anzeichen dafür sein, dass die bewunderungswürdigen 60 Jahre Geschichte von Frieden, sozialer Demokratie und Menschenrechten zu einem tragischen Ende kommen können. Ich bin mir nicht sicher, ob die politischen und militärischen Weichen in Europa für noch weitere 60 Jahre von Frieden und Achtung vor Menschenrechte weiterhin richtig gestellt sind. In Deutschland scheinen sich ‚Thatcherismus’, der globalisierte Neokonservatismus und Neoliberalismus auf einem besorgniserregenden Triumphmarsch zu befinden.

Werden die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Kräfte, die die Bundesrepublik in den vergangenen 60 Jahren gestaltet haben, Kraft und Mut genug haben,um wirksam gegenzusteuern?

 

Reuven Moskovitz

 

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