Die ehemaligen Mossad-Chefs
Nahum Admoni, links, Danny Yatom und Tamir
Pardo.
Was Ex-Mossad-Chefs wirklich
über gezielte Tötungen denken
In seltenen Interviews anlässlich des 70.
Jahrestages der Gründung der Organisation,
teilten drei ehemalige Direktoren ihre
Ansicht über Attentate als Instrument der
nationalen Sicherheit mit und deckten auf,
wer tatsächlich die Schüsse gefordert hat.
Yossi Melman, 26.05.2020
Eins der heikelsten Themen, praktisch ein
Tabu-Thema innerhalb der israelischen
Geheimdienst-Gemeinschaft sind Attentate.
Die Leiter des Mossads, Shin Bet, die
Sicherheitsdienste und der
Militärgeheimdienst haben kein Interesse an
einer öffentlichen Diskussion darüber.
Jedoch in diesem Monat bekamen wir einen
seltenen Einblick, was die drei Mossadchefs
über dieses kontroverse Thema denken. Alle
drei, Nahum Admoni, Danny Yatom und Tamir
Pardo, gewährten dem Journal des „Intelligence
Heritage and Commemoration Center“
(Vermächtnis- und Erinnerungszenter des
Geheimdienstes) anlässlich des 70.
Jahrestages der Mossadgründung Interviews.
Man kann die (gezielten) Tötungen in drei
Gruppen teilen: Morde, die als Teil von
Militäroperationen in der Westbank, Gaza,
Syrien und dem Libanon geschehen;
Mordanschläge, für die der Shin Bet
verantwortlich ist, wie die im großen Stil
in der Westbank und dem Gazastreifen,
hauptsächlich von Flugzeugen während der
zweiten Intifada verübten (Anschläge), und
Attentate, die auf das Konto des Mossads,
der Einheit 504 (Abteilung menschlicher
Militärgeheimdienst) und von
Spezialeinheiten gehen, die außerhalb
Israels Grenzen operieren. Die letztere
Gruppe beinhaltet keine sehr lange Liste.
Mordanschläge, die Israel angerechnet
werden, im Nahen Osten: Libanon, Jordanien,
Iran, Dubai, Syrien; in Asien (Malaysia),
Afrika (Tunesien) oder auf europäischem
Territorium (Italien, Malta, Norwegen,
Frankreich, Zypern, Griechenland und weitere
Länder).
Man geht davon aus, dass der Mossad für die
Ermordung von 50 – 60 Terroristen in dieser
Kategorie verantwortlich ist, sowie von
Wissenschaftern, die in ausländischen
feindlichen Ländern arbeiteten. Keiner der
Ermordeten war israelischer Staatsbürger.
Allgemein gesagt, wenn außerhalb Israel ein
Mord geschieht, benutzen die israelischen
Medien Formulierungen, wie z.B.: „Laut
ausländischen Berichten...“ oder „Israel
angelastete...“, wenn man darüber
diskutiert. Selbst, wenn die gesamte Welt
weiß, dass Israel für eine bestimmte Tat
verantwortlich ist, bestätigt es dies
nicht. Weder gibt es diese zu, noch
verneint es diese. Das war zum Beispiel der
Fall bei dem Mord in Dubai an Mahmoud
al-Mabhouh, einem Top-Mitglied der Hamas,
Anfang 2010.
Nur ganz selten – üblicherweise, wenn etwas
schief läuft – wurden die israelischen
Regierungen gezwungen, Mordanschläge
zuzugeben oder Informationen freiwillig
preiszugeben. Das geschah, als der Mossad
und Sayeret Matkal (die
Elite-Sondereinsatztruppe des Generalstabs)
Yasser Arafats Stellvertreter, Abu Jihad, in
Tunis 1988 ermordete. 1996 drückte Israel
„sein Bedauern“ aus (ohne
Schuldeingeständnis) und zahlte an die
norwegische Familie des marokkanischen
Kellners, Ahmed Bushiki, der in Lillehammer
von Mossad-Agenten 1973 aufgrund einer
Verwechslung (mit einem der Attentäter
bei der Olympiade in München /I.Gelsdorf)
ermordet worden war.1997 gab der
Mossad zu, versucht zu haben, Khaled Meshal,
den damaligen Leiter des politischen Büros
der Hamas, in Amman zu vergiften. Israel
musste ein Gegengift senden, um sein Leben
zu retten.
Bemerkung der Übersetzerin: König Hussein
von Jordanien hielt die Mossadagenten
gefangen, übte auf Israel Druck zur
Herausgabe des Gegengiftes aus, das
produziert worden war, falls bei dem
Versuch, Khaled Meshal auf der Straße
anzurempeln und ihm dabei das Gift zu
verabreichen, etwas schief ging und die
Nadel der giftigen Spritze versehentlich
einen der Agenten treffen würde. Aber – wie
immer – erreichte Israel die Freilassung der
in Jordanien inhaftierten und zum Tode
verurteilten Agenten im Gegenzug für das
Gegengift. Die Agenten konnten unbehindert
nach Israel zurückkehren. Meshals wachsamer
Chauffeur hatte den Anschlag bemerkt, mit
anderen die Täter verfolgt und gefasst.
König Hussein handelte sofort, nur dadurch
wurde Meshals Leben gerettet. (siehe Alan
Hart, „Wer ist der wahre Feind der Juden –
Band III Konflikt ohne Ende?“)
Kosten gegen Nutzen - Nahum
Admoni, Leiter des Mossads von 1982 – 1989,
lehnte ein Interview über die Organisation
konsequent ab.
In all den Jahren lehnte er mehrere meiner
Interview-Anfragen ab – und das auch wieder
diese Woche. Admoni sagte, seine
Entscheidung sei eine Sache des Prinzips und
im Alter von 91 Jahren sei er zu einer
Meinungsänderung nicht bereit. Daher haben
seine Äußerungen, die er dem Journal des „Intelligence
Heritage und Commemoration Centers“gegenüber
abgab, eine besondere, vielleicht
historische Bedeutung.
„Indem wir die feindlichen Aktivitäten von
Tunesien beobachteten, sahen wir, dass Abu
Jihad von dort aus die erste Intifada
leitete, und wir beschlossen, ihn aus dem
Spiel zu nehmen“, sagte Admoni. „Wir planten
eine Operation, um ihn zu ermorden. Wir
brachten Sayeret Matkal, unter der Leitung
von „Bogie“ (Moshe Ya‘alon) in die
Operation. Ich weiß nicht, weshalb wir das
taten. Es ist jammerschade, dass Shabtai (Shavit
– Admonis Stellvertreter und späterer
Nachfolger) mir sagte: ‚Warum kann unser
Team das Attentat nicht durchführen? Wir
haben die Sayeret Matkal-Leute zum Ziel
gebracht.“… Der Leiter des
Caesarea-Departments (Mossads Abteilung für
Operationen) sagte mir danach, er hätte
Sayeret Matkal zur Durchführung dieser
Aufgabe bevorzugt. Im Nachhinein denke ich
nicht, dass die Ermordung von Abu Jihad
irgendetwas am Verlauf der Intifada geändert
hat. Es gab lohnende Attentats-Operationen.
Mehrere waren es nicht wert, andere waren
vollkommen nutzlos.“
Die Frage von Kosten gegen Nutzen – d. h.,
ob die Durchführung von Attentaten zur
nationalen Sicherheit beiträgt – ist eine,
mit der die Geheimdinstchefs ringen. Sie
haben keine definitive Antwort darauf.
Aufgrund einer Reihe von mit Spitzenagenten
geführten Gesprächen würde ich sagen, sie
glauben, dass das ein Instrument ist, dessen
Beitrag bestenfalls ziemlich begrenzt ist.
Die Meisten geben zu, dass sehr wenig
Attentate einen entscheidenden strategischen
Beitrag zur nationalen Sicherheit geleistet
haben.
Der ehemalige Militärgeheimdienstchef
General Major Uri Sagi, der 1992 das
Komplott zur Ermordung von Abbas Musawi, dem
Hizbollah-Führer, förderte, gestand im
Nachhinein, dass das eine Fehlentscheidung
war. Er sagte, das habe harte
Vergeltungsmaßnahmen und Rache der
schiitischen Organisation (unterstützt vom
iranischen Geheimdienst) provoziert, was in
der Bombardierung der israelischen Botschaft
in Argentinien 1992 und der Bombardierung
des AMIA-Zenters der jüdischen Gemeinde in
Buenos Aires gipfelte. 114 Menschen wurden
bei den beiden Angriffen getötet und circa
500 verwundet. Darüber hinaus war derjenige,
der den eintönigen und unscheinbaren Musawi
als Hizbollah-Führer ersetzt hat, der
talentierte und charismatische Hassan
Nasrallah, der das Leben der Israelis bis
zum heutigen Tage immer noch erschwert.
Andererseits würden die meisten
Geheimdienstchefs zustimmen, dass zumindest
die (folgenden) beiden Morde ganz klar
notwendig waren und eine große Auswirkung
hatten. Der erste war der an Fathi Shaqaqi,
dem Gründer und Führer des palästinensischen
islamischen Jihad, vor 25 Jahren in Malta;
der zweite war der an Imad Mughniyeh, dem
„Verteidigungsminister“ der Hizbollah, 2008
in Damaskus durch eine Operation, an der der
Mossad und die CIA beteiligt waren.
Wer empfiehlt und wer genehmigt (sie)?
- In seinem Interview mit dem
Journal verschaffte Tamir Pardo einen
weiteren Einblick in Bezug auf Attentate.
„Ephraim Halevey (Mossad-Chef von 1998 –
2002) widersetzte sich gezielten Tötungen,
mit der Begründung, sie hätten nur einen
limitierten Wert – und er hatte damit
Recht“, sagte Pardo.
„Unter einer gezielten Tötung ist zu
verstehen, dass man auf verschiedenen Ebenen
gleichzeitig agiert. Sie sind Ermittler,
Ankläger und Sie sind auch derjenige, der
die Handlung vollzieht“, fuhr er fort,
„wichtig ist, zu beachten, dass der Zweck
des gezielten Tötens nicht ist, jemanden
für seine Verbrechen zu bestrafen, sondern
zukünftige Aktionen zu verhindern. Es ist
keine Bestrafung! Gleichzeitig gibt es
Ausnahmen, bei denen der tatsächliche
strategische Wert der Operation direkt
gemessen werden kann. Ein weiterer
entscheidender Faktor, der zu
berücksichtigen ist, ist (die Chance) eine
bekannte feindliche Operation, die
ausgeführt werden soll, zu stoppen!“
Pardo fuhr fort, indem er sagte: „Bei
Berücksichtigung der Frage über die Jahre
hin, scheint der strategische Wert der
Methode begrenzt (zu sein). Lassen Sie uns
darin deutlich sein, wie sie funktioniert!
In den meisten Fällen schlägt der Mossad
Operationen vor, indem er die Rechtfertigung
dafür darlegt und dem Premierminister
präsentiert. Entweder genehmigt dieser sie
oder nicht. Der Premierminister beauftragt
den Mossad nicht mit einer Attentat-Mission,
er ist nicht der Initiator. Dies ist der
korrekte und gesunde Weg, das Ganze zu
betrachten.“
Pardos Kommentare werfen Fragen auf, was mit
Danny Yatom, der den Mossad lediglich zwei
Jahre leitete (v. 1996 – 1998), nach dem
missglückten Attentatsversuch auf Khaled
Meshal geschah.
„Der Mossad hat den (Angriff) auf Meshal
nicht empfohlen“, sagte Yatom der
Geheimdienstpublikation. „Als Netanyahu die
Anweisung gab… und ich entbinde mich nicht
von jeglicher Verantwortung, da ich Bibi
hätte sagen können: „Wie kann es sein, dass
Sie als Premierminister entscheiden, dass
ich die Kämpfer zurückbringe, die ich
bereits in ein anderes Land (er bezog sich
auf Yatoms ursprüngliche Anweisung, in einem
anderen Land eine andere Person der Hamas zu
ermorden), in die entgegengesetzte Richtung
zu Jordanien gesandt habe, tausende
Kilometer von Israel entfernt, und Sie mir
sagen: „Bringen Sie sie nach Hause, wir sind
hinter einem der Hamasführer im globalen
Hauptsitz der Hamas in Amman her.“ Ich
brauchte zwei Tage, um die Möglichkeit (Meshal
in Jordanien zu töten) zu prüfen, und ich
kam zu dem Schluss, dass es möglich war.“
Yatom der zuvor mehrfach über die
Angelegenheit gesprochen hatte, enthüllte
auch, dass außer dem Premierminister noch
ein anderes Gremium in diese Entscheidungen
involviert war: Das Komitee der Leiter der
Geheimdienste (bekannt unter dem hebräischen
Akronym Varash), dessen Aufgabe es ist,
Aktionen der verschiedenen Geheimdienste zu
koordinieren. Der Mossad-Chef ist der Leiter
des Komitees.
Varash wurde im April 1949 als oberstes
dienstübergreifendes Koordinationskomitee
nach der Hinrichtung von Major Meir
Tobiansky, der unter dem Verdacht stand, für
die britische Regierung spioniert zu haben,
in einem Scheingericht (Känguruh-Gericht).
Die Mitglieder des Komitees kamen vom Shin
Bet, der politischen Abteilung des
Außenministeriums, dem Militärgeheimdienst
und der Israel-Polizei.
Nach dem Vorbild des Koordinationskomitees
schloss Varash die Leiter des Mossads,
Militärgeheimdienst, Shin Bet und den
nationalen Polizeikommissar ein. Während der
Amtszeit Admonis wurde beschlossen, die
Teilnahme des Polizeikommissars bei allen
Diskussionen zu beenden. Seitdem hat das
Komitee vier Mitglieder, die drei Leiter der
Geheimdienste sowie den Militärsekretär des
Premierministers. Admoni sagt, dass zu
seiner Zeit: „Varash nichts beigetragen hat.
Der Shin Bet hielt seine Aktivitäten immer
geheim. Der Militärgeheimdienst – besonders
unter der Leitung von Ehud Barak – war nur
daran interessiert, was es bei dem Treffen
zu essen gab.“(das Essen, das bei dem Mossad
serviert wurde, galt bei Geheimdiensten als
das beste.
Laut Admoni drehte es sich bei den Treffen
hauptsächlich um Unstimmigkeiten bezüglich
der Kompetenzverteilung, besonders zwischen
dem Militärgeheimdienst im Hinblick auf
SIGINT (Abhöraktionen).
„Der Militärgeheimdienst will die
Verantwortung für unsere Lauschangriffe und
Abhöroperationen haben, und wir waren
entschieden dagegen“, sagte er. (Seitdem
wurden mehrere verschiedene Komitees
gegründet, um die Frage der Autorität und
Verantwortung bei den Geheimdiensten zu
behandeln. Die getroffenen Vereinbarungen
wurden als „Magna Carta 1“ und „Magna Carta
2“ tituliert. Aber die Uneinigkeiten bleiben
auch weiterhin bestehen.
Yatom stimmt Admoni zu, dass die
dienstübergreifende Agentur-Kooperation
immer noch zu wünschen übrig lässt. „Zu
meiner Zeit hat Varnash kaum etwas
beigetragen – abgesehen von der Bestätigung,
dass bestimmte Menschen, deren Namen von
Shin Bet und Mossad aufgebracht wurden,
ermordet werden konnten. …
Quelle
(übersetzt von Inga Gelsdorf)
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