sehr geehrter Herr Botschafter, leider
sehe ich Anlass, mich zu schämen, für den Staat, den sie
repräsentieren. Das, was Sie mit dem Palästinenser Firas Maraghy
anstellen, nur weil er kein Jude ist, erinnert mich an die
dunkelsten Tage der europäischen Geschichte und ganz besonders und
direkt auch an die dunkelsten Tage der Geschichte meiner eigenen
Familie, in diesem Fall meines Vaters.
Als mein Vater, der 1939 als Flüchtling
in Paris gelebt hat, auf Verlangen der französischen Behörden seinen
polnischen Pass verlängern sollte, weil man ihn sonst abgeschoben
hätte, verweigerte der antisemitische polnische Botschafter meinem
Vater die Verlängerung des Passes mit ähnlichen Argumenten, wie Sie
jetzt gegenüber Herrn Firas Maraghy gebrauchen. Mein Vater war für
ihn kein echter Pole, da er kein polnisch sprach und in Berlin
aufgewachsen ist, und deshalb fühlte er sich für ihn nicht
zuständig. Er solle nach Warschau fahren und dort beim
Innenministerium einen neuen Pass
beantragen. Es war August 1939 und der zweite Weltkrieg hat meinen
Vater in Warschau erwischt, wohin er gezwungenermaßen fahren musste.
Das hat ihm schließlich, um es kurz zu machen, zwar das Leben
gerettet, aber auch einen mehrjährigen Aufenthalt in Sibirien
gebracht und, und, und…
Sie und ihresgleichen verlangen und
erwarten, dass man nicht vergleichen soll. Mit Ihrer Politik zwingen
Sie uns aber solche Vergleiche auf. Dabei gehört Firas Maraghy
sicherlich mehr nach Jerusalem, als mein Vater nach Warschau und die
Tatsache, dass Israel ihm keinen Pass ausstellt, nachdem es immerhin
Ostjerusalem, wo die Familie Maraghy seit Generationen lebt,
völkerrechtswidrig annektiert hat, ist ein Skandal und ein Unrecht,
das zum Himmel schreit. Schließlich hat Firas Maraghy nicht darum
geben, dass Sie sein Land, seine Stadt und sein Haus besetzen und
ihm die elementarsten Bürgerrechte verweigern: Das Recht in sein
Land, in seine Stadt, in sein Haus zurückzukehren.
Aber der Staat Israel betrachtet sich
ja nicht als Staat seiner Bürger und schon gar nicht der zwangsweise
annektierten Bürger, sondern nur als Staat seiner Juden, mehr noch,
als Staat aller Juden auf der ganzen Welt und praktiziert damit eine
verabscheuenswerte rassistische Politik, eine lupenreine Apartheid
Politik, die ich und inzwischen viele andere Juden und Israelis
verabscheuen und ablehnen. Erst vor wenigen Tagen hat das Oberste
Gericht in Israel gezeigt, wie rassistisch und menschenverachtend es
ist, als es einen Palästinenser zu achtzehn Monaten Haft verurteilt
hat, weil er mit einer jüdischen Israelin Geschlechtsverkehr hatte.
Statt die Rassistin, die sich beklagt hatte, dass sie betrogen
wurde, weil der Mann, mit dem sie nach zwei Stunden Bekanntschaft
ins Bett gegangen ist, sich nicht vor dem Geschlechtsakt als Jude
ausgewiesen hat, sondern seine Herkunft verschwieg, zu verurteilen,
haben die Richter des Obersten Gericht daraus eine Vergewaltigung
gemacht und damit den althergebrachten verabscheuenswerten Rassismus
lächerlich. Weil sie sich nicht getraut haben ihn wegen
„Rassenschande“ zu verurteilen, haben sie daraus eine Vergewaltigung
gemacht. Da waren die deutschen Rassisten schon konsequenter. Sie
haben die deutschen Frauen, die sich mit Juden einließen, als
„größte Sau am Ort“ durch die Straßen gejagt. Die jüdische „Sau“,
die sich mit einem nicht jüdischen Semiten eingelassen hat, wird von
rechtsradikalen und rassistischen Kreisen noch gelobt. Die
„Nürnberger Gesetze“ sind in Israel schon längst implementiert und
keiner will es wahrnehmen. Israel wird dem Dritten Reich Schritt für
Schritt ähnlicher. Wie kann man da noch still stehen und nicht
vergleichen?
Und wieder werden Sie sich darüber
ärgern, dass ich Vergleiche anstelle und mich als „selbst
hassenden“ Juden ab qualifizieren. Es
wird Ihnen aber nicht nützen. Die Menschen, die davon hören und
lesen, können nur mit dem Kopf schütteln und sich wundern, oder auch
nicht, was aus dem Herzlschen Zionismus geworden ist: Kein OR
LAGOJIM, Licht für die Nichtjuden, sondern ein tiefer Abgrund an
Heuchelei, Korruption und Selbstgerechtigkeit, die bis zum Himmel
stinkt.
Obwohl Firas Maraghy erst vier Jahre in
Deutschland lebt, teilte ihm das israelische
Innenministerium schon nach eineinhalb
Jahren mit, dass er jegliche Rechte als Einwohner verloren hatte.
Selbst das drakonische rassistische und völkerrechtswidrige Gesetz,
den sich die Zionisten selbst gemacht haben, der aber von der ganzen
Welt nicht anerkannt wird, sieht ein solches Verhalten nicht vor.
Nach zZt gültigem israelischem Unrecht-Gesetzt, verliert ein
Palästinenser erst nach sieben Jahren seine Aufenthaltsberechtigung.
Ich aber lebe schon länger als fünfzig Jahre in Deutschland und sie
wollen mir meine Aufenthaltsgenehmigung für Israel nicht entziehen,
obwohl ich Sie darum schon mehrmals gebeten habe.
Als Jude und Israeli kann man sich nur
abwenden und auf seine israelische Staatsbürgerschaft verzichten,
wenn Sie mir das nur bestätigen würden. Ich versuche schon seit fünf
Jahren Ihnen meinen israelischen Pass zurückzugeben, aber selbst auf
einen solch selbst hassenden und sich schämenden Israeli wie mich,
wollen Sie nicht verzichten. Mich wollen Sie behalten, aber der
Tochter von Firas Maraghy wollen Sie nicht einmal ein Reisedokument
ausstellen, weil ja Israel frei sein soll von nicht jüdischen
Semiten, von nicht jüdischem Blut. Israel soll ein reiner Judenstaat
werden. Fragt sich nur wie?
Ironie der Geschichte ist aber, dass
die echten Hebräer die Palästinenser sind und die zionistischen
Juden, die sich als Nachfolger der Hebräer sehen, ein grandioses
Mischvolk aus den verschiedensten Ethnien, Rassen und Völker sind.
Ich habe nichts gegen eine solche Blutschande, aber hören Sie
endlich auf zu behaupten, dass ihr eine Blutverbindung mit Palästina
habt. Diese Jahrtausende alte Verbindung haben diejenigen, die dort
seit Jahrtausenden leben, nämlich die Palästinenser, die niemals
ihre Dörfer und Städte seit Urzeiten verlassen haben und mit der
Eroberung des Landes jeweils die Religion des Eroberers angenommen
haben, zuerst das Christentum und dann den Islam. Das hat vor mehr
als hundert Jahren kein geringerer als David Ben-Gurion schon richtig gesehen und
geschrieben.*
Was soll denn dieses ganze rassistische
Gerede von einem „Jüdischen Staat“? Heißt das, ein Staat nur für
Juden? Bedeutet das nicht das Streben nach der Reinheit der Rasse,
wie es die Nazis wollten und in das sie sich verrannt haben? Wollen
Sie wirklich einen Staat mit „reinem Blut“? Haben Sie von dem
Wahnsinn der Nazis nichts gelernt? Und wie kann man dann noch
behaupten, dass Israel eine Demokratie sei? Wie kann ein Staat
rassistisch und demokratisch zugleich sein? Ist es nicht
vorteilhafter und humaner in einem gerechten Staat zu leben, als in
einem „jüdischen“ Staat?
Mit Verachtung und Abscheu vor Ihnen
und Ihren Methoden
Abraham Melzer
* David Ben Gurion und Itzchak Ben Zwi,
Eretz Israel baawar u bahowe, 1918