Todesurteil für das Refaim-Tal *
Zafrir Rinat, Haaretz, 15.6.05
Die
Umweltorganisationen kämpften seit Jahren darum, dieses Tal, das
sich vom Süden nach Jerusalem schlängelt, zu retten. Sie überzeugten
die Straßenplaner, eine größere Straße durch Tunnels unterhalb des
Tales entlang zu führen. Es gelang ihnen auch, den Bau eines neuen
Jerusalemer Stadtteils zu verhindern. Doch jetzt sind sie wirklich
machtlos, den Bau des Trennungszaunes zu verhindern, der die
südlichen Teile des Tales zerstören und für das Leben der
Palästinenser in seiner Nähe großen Schaden anrichten wird.
Die Landschaft des
Refaim-Tales ist teilweise durch Beispiele einer der ältesten
Ackerbaukulturen geprägt und war bis jetzt weitestgehend von
Entwicklung und Bauten verschont geblieben. Die vor kurzem
renovierte Eisenbahnlinie Tel-Aviv-Jerusalem läuft wohl durch das
Tal, hat aber nur begrenzten umweltschädlichen Einfluss.
Seit ein paar
Wochen steht der Baubeginn des Trennungszaunes auf dem Zeitplan. Er
soll entlang der südlichen Felsen führen, die auf das Tal hinabsehen,
das zu einem Nationalpark erklärt worden war und der nach den
Jerusalemer Stadtverwaltungsplänen als Park der Metropole dienen
sollte. Der Zaun soll am Rande der palästinensischen Dörfer Walaja
und Batir entlang laufen und mitten durch die Terrassenfelder, die
von den Dorfbewohnern bearbeitet werden. Er wird sie von Jerusalem
abschneiden und wird die Einmaligkeit dieser Landschaft zerstören.
Das
Verteidigungsestablishment war bis vor kurzem mit einer letzten
Inspektion der Zaunroute im Walaja-Batir-Gebiet beschäftigt, obwohl
keine realen Veränderungen geplant sind, sondern nur verschiedene
Vorschläge, die die Breite des Zaunbereiches betreffen. Die Route
selbst ist schon festgelegt worden, und mit dem bevorstehenden
Treffen zwischen den für den Zaunbau verantwortlichen
Sicherheitsbeamten und dem Generaldirektor der israelischen Natur-
und Parkbehörde (INPA), Eli Amitai, werden keine bedeutsamen
Veränderungen erwartet.
Walaja wird
außerhalb des Zaunes gelassen, wird aber von fast jeder Seite
eingeschlossen.
Die Bewohner werden
dann nur in Richtung Bethlehem einen freien Ausgang haben. „Dies ist
ein Dorf, das das Land noch nach sehr alter Tradition
landwirtschaftlich bearbeitet und von den beiden Quellen am Hügel
abhängig ist,“ sagt Ze’ev Hacohen, ein INPA-Wärter, der den
Fortgang des Trennungszaunbaues in den Hügeln von Jerusalem
verfolgt. „Eine der Quellen wird vom längsten unterirdischen
Wassertunnel in den Judäischen Bergen versorgt. Der Zaun wird direkt
über den Quellen verlaufen. Und selbst wenn sie ihn um ein paar
Meter verschieben würden, ist er immer noch direkt über ihnen.
Bar Kochbas letzter Standort
Der Zaun wird nach
Westen zu einem Checkpoint an der Umgehungsstraße von Walaja führen.
Von dort wird er das Dorf Batir erreichen, das eine besondere
Beziehung zur israelischen Regierung hat. Israel erlaubte 1949 den
Bewohnern, die auf jordanischer Seite blieben, ihr Land auf
israelischem Territorium zu bearbeiten. Die Bewohner von Batir sind
nicht gegen die Jerusalemer Eisenbahnlinie vorgegangen und
bemühten sich, in den vergangenen Jahren, ihren friedlichen
Lebensstil fortzusetzen. Nun verspricht ihnen das
Verteidigungsestablishment, die alten Abkommen mit Batir, die das
Bearbeiten des Landes betreffen, zu achten. Aber diese Garantie kann
die Terrassen nicht retten oder die Qualität des Lebens bewahren.
Nachdem der Zaun
mitten durch das Terrain der Dorfschule läuft, wird er mitten durch
die landwirtschaftlich genutzten Terrassen gehen - zum Teil als
Betonmauer, die einige der Terrassen vollkommen zerstören wird. Der
nächste Mauerabschnitt wird zu den Felsen hinaufklettern, wo der
archäologische Hügel es alten Betar liegt – wo 135 n.Chr. Bar
Kochbar seinen letzten Standort hatte.
Der größte Schaden
wird weiter südlich erwartet, dort wo der Zaun Nahal Hamayanot, den
„Bach der Quellen“, kreuzt. Nach Meinung vieler Experten alter
Besiedlung und Landwirtschaftskultur ist dies eines der
einzigartigsten und schönsten Gegenden des landwirtschaftlich
genutzten und erhaltenen Kulturerbes der Region. Das Quellwasser
bewässert kleine Landstücke an einem Kanal und an den Abhängen des
Hügels entlang. Dies wird auf der Seite von Batir bleiben und man
wird weiter dort arbeiten können. Aber selbst die besten
Landschaftsplaner und Architekten können alte landwirtschaftlich
genutzte Terrassen nicht mit einem elektronischen Zaun kombinieren.
Der Trennungszaun
wird weiter westwärts verlaufen und nahe an die Häuser von Wadi
Fukin, einem anderen palästinensischen Dorf heranreichen, das auch
ein kompliziertes System alter Feldkultur hat, das sogar noch
ausgedehnter als das von Batir ist. Es hat den Vorteil von neun
Quellen und Dutzenden von Wasserauffangbecken.
Gemeinsame
Bemühungen haben kürzlich zwischen Bewohnern von Wadi Fukin und der
Umweltgruppe „Freunde der Erde, Naher Osten“ begonnen. Hier sind
Israelis und Palästinenser gemeinsam mit den Bewohnern des nahen
israelischen Dorfes Zur Hadassa aktiv. Man wollte einen „Nachbarweg“
schaffen, der es Touristen ermöglicht, auf beiden Seiten der Grünen
Linie zu wandern, um sich an der alten erhaltenen Kultur dort zu
erfreuen.
Nun ist nicht klar,
was davon gerettet werden kann.
„Wir verstehen wohl
die Sicherheitsbelange des Zaunes“, sagt Mike Leiter, ein Bewohner
von Zur Hadassah, der zur Ortsgruppe der „Freunde der Erde“ gehört.
„Aber so wie wir das sehen, muss den Bewohnern von Wadi Fukin nicht
das landwirtschaftlich genutzte Land genommen werden. Inzwischen
haben sie aber schon Benachrichtigungen erhalten, was Enteignung
von Land bedeutet. Es ist nicht klar, warum der Zaun hier von der
Grünen Linie abweicht. Ist es die Absicht, auf der andern Seite
Landreserven für jüdische Siedlungen zu schaffen? Dann sollte man
sich fragen, ob es gerechtfertigt ist, die Lebensgrundlage der
Bewohner, die nichts Unrechtes gemacht haben, zu schädigen, nur um
dieses Ziel zu erreichen – dabei aber ungute Gefühle von
Ungerechtigkeit unter ihnen erzeugt..“...
Das wäre auch das
Ende eines Traumes, der in ferner Zukunft das Refaimtal als einen
Park sah, der internationale Grenzen überschreitet, in dem die
landwirtschaftlich genutzte Landschaft der Palästinenser, einem
alten Kulturerbe, in eine natürliche Landschaft übergeht.
- westlich
von Bethlehem gelegen, arab. Wadi al Sarar
(dt. und
gekürzt: Ellen Rohlfs)
|