Mit Gottes Hilfe wurde
Jerusalem geteilt
B. Michael, Yesioth Ahronot, 12.7.05
In dieser
Woche wurden alle emotionalen Worte, all die entschiedenen
Bekenntnisse und alle Eide und Klagelieder ( über Jerusalem)
schließlich zur ewigen Ruhe gelegt.
Genau zur
richtigen Zeit – und keinen Augenblick zu früh wurde Jerusalem
schließlich geteilt. Die Regierung entschied in dieser Woche,
den „Jerusalemer-Umschlag“-Zaun – genau mit diesem irreführenden
Namen - fertig zu stellen.
Aber zuerst
einige Korrekturen und Überlegungen: Der „Zaun“ ist kein Zaun,
sondern eine enorm hässliche Mauer. Dreimal so hoch wie die
Berliner Mauer und genau so hässlich. Der „Umschlag“ hüllt nicht
ein, sondern zerlegt, trennt und verletzt – genau wie die
Berliner Mauer. Und Jerusalem, das in diese Abscheulichkeit
eingeschlagen wird, ist nicht Jerusalem, sondern eine kleinere
Stadt als vorher, der unnötige Landstücke angefügt wurden;
landwirtschaftlich genutzte Flächen, die absolut nichts mit
Jerusalem, seiner Heiligkeit, Judaismus oder Geschichte zu tun
haben. Die gierige Vision einiger siegestrunkener Generäle, die
entschieden, die Weltgeschichte revidieren zu müssen,
veerwandelten so die heilige Stadt in ein Monster.
Und die
größte Lüge von allen: „der Zaun soll für Sicherheit sorgen.“
Doch wer hält mit aller Macht an diesem Nicht-wissen-wollen
fest? Derjenige, der bestimmt nicht weiß, wo die Mauer
verläuft, wen sie teilt, wie und warum sie das tut, der kann
dann unschuldig glauben, dass nur Sicherheiterwägungen im
Spiele sind. Selbst wenn wir annehmen, dass der Zaun das
richtige Mittel wäre, um Sicherheit zu erreichen, gibt es nur
eine Linie, die wirklich die Juden Jerusalems von denen trennt,
die sie für ihre Feinde halten: mehr oder weniger die Grüne
Linie, die Jerusalem von El-Quds trennt, aber auf dieser Linie
wurde die Mauer nicht gebaut.
Zu unserer
großen Schande wissen nicht einmal Jerusalemer etwas über die
Mauer, die in ihrer Stadt immer länger wird. Wenn wir doch nur
alle Bürger Israels oder wenigstens die Jerusalemer dahin
bringen könnten, die Länge des „Umschlags“ entlang zu laufen und
mit seinen Opfern zu reden und die Zerstörung des Lebensgefüges
anzusehen, die von dieser dummen Boshaftigkeit durch Bulldozer
und Betonplatten verursacht wird. Dann würden sie mit ihren
eigenen Augen sehen, dass die Jerusalemer Mauer nicht ist wie
die, die Nikosia teilt oder wie das Stacheldrahtlabyrinth von
Belfast. Dort trennen die Grenzen und Barrieren feindliche
Bevölkerungen, feindliche Nationen und Hasser. Das ist hier
nicht der Fall. Die Jerusalemer Mauer ähnelt allein der Berliner
Mauer – verflucht sei sie auf immer ! Genau wie diese verfluchte
Mauer zerteilt die Jerusalemer Mauer ein Volk, trennt die
Glaubenden von ihren Gebeten, Schüler von ihren Schulen, Kranke
von ihren Ärzten, Familienmitglieder von einander.
Da gibt es
aber noch eine Abscheulichkeit, die nicht einmal die Berliner
Mauer hatte: die Absicht der ethnischen „Ausdünnung“. Es war
nicht zufällig, dass die Grenzlinie so gewählt wurde, dass 130
000 registrierte Jerusalemer auf der anderen Seite bleiben. 55
000 leben tatsächlich innerhalb des Großstadtbereichs, 70 000 an
der Peripherie. Es war nicht unabsichtlich, dass man den
Palästinensern auf beiden Seiten die Bürde schwerer macht.
Und es war
nicht ohne Absicht, dass die Regierung eine „Gemeindeverwaltung“
einrichtete, um diese Bevölkerung zu „behandeln“, eine
Entscheidung, die ein zynischer und heuchlerischer Akt ist. „
Krankenhäuser werden errichtet, Fahrten werden organisiert, die
Grenzübergänge sollen einfacher gemacht werden, Postnebenstellen
sollen zusammen mit Vertretungsbüros des Innenministeriums
errichtet werden ....“ Alles, was während der letzten 30 Jahre
nicht gemacht wurde, soll jetzt auf einmal gemacht werden – um
die Fertigstellung der Mauer zu feiern.
Und doch
darf man ein wenig (Schaden-?)Freude empfinden: seit dieser
Woche ist die Stadt geteilt worden. Seit dieser Woche sind
alle gefühlvollen Worte, alle entschiedenen Eide und
Klagelieder über die auf ewig dauernde Einheit und Ganzheit und
die Verbindung mit dem kommenden Messiah beerdigt worden . All
das gibt es auf einmal nicht mehr. Und zu der Freude über die
Teilung kann man noch ein bisschen Befriedigung hinzufügen über
die historische Ironie, dass ausgerechnet Ehud Olmert die
Teilung beaufsichtigt. Darin liegt ein bisschen poetische
Gerechtigkeit.
Und als
Paraphrase zur witzigen Bemerkung, die George Bernard Shaw
zugeschrieben wird : Man kann jetzt auch über Jerusalem sagen:
Was sie ist und welche Prinzipien ihre Zukunft bestimmen, das
ist bekannt. Es bleibt nur noch die Frage der Linie.
(dt. Ellen
Rohlfs) |