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Der fünfte Holocaust  ( 4)

 Gideon Samet, Haaretz, 28.7.04

 

Unkontrollierte israelische Hysterie hat seit Jahren den Terminus Holocaust mit Verkehrsunfällen, den Oslo-Abkommen, dem Aktienmarktkollaps in Verbindung gebracht; während einer Wasserversorgungskrise wurde sogar von einem Holocaustniveau des Genezarethsees gesprochen. Gestern wurden zwei echt israelische Holocausts  gebrandmarkt, zwei von vier.

Seit dem Yom-Kippur-Krieg, als Moshe Dayan die Zerstörung der Dritten Republik (2) fürchtete, ist nie wieder so viel  über den Weg zum 5. Holocaust geplappert  worden. Dieser katastrophale Weg zeugt schon viel von extrem fanatischen Eifer und die messianische Sehnsucht nach irgendeiner jüdischen Heiligkeit. Ein ziemlich zahlreiches Publikum teilt diese Gefühle, und dann gibt es die chronische Blindheit der übrigen.  Aber im Gegensatz zu allen vorausgegangenen Holocausts schickt die „Führung für Sicherheit“ sehr spezielle Warnungen über eine greifbare Gefahr hinaus.

Der dritte Holocaust war natürlich die Folge der unvernünftigen  Rebellion gegen die Römer etwa 60 Jahre nach der Zerstörung ( des Tempels) im Jahre 70 . Sie wurde  nach Ansicht vieler von einem gefährlichen Zeloten, nach Ansicht anderer von einem Wunder wirkenden Messias angeführt. Bar Kochba führte mit der Unterstützung des größten Torahweisen jener Zeit  zum Tode der Mehrheit der Juden  von etwa 600 000 Menschen im Land. Trotzdem wird er in der israelischen Folklore wie ein Held bewundert. „Er war ein Held“ singen Generationen von leichtgläubigen, „brainwashed“ (3)  Kindern, „ er machte mich frei, und alles Volk liebt ihn.“ Nur ein paar dieser Leute, die ihn so liebten, überlebten, um zu sehen, was er bewirkt hat. Das hat nicht verhindert, dass eine verzerrte Tradition heute wieder zum Leben erweckt wurde, und ein  so wahnsinniges Verhalten gepredigt wird, mit dem Ziel, die Moschee auf dem Tempelberg   im Namen von Israels Erlösung zu zerstören

Yehuda Etzion, ein Mitglied des jüdischen Untergrunds, der wegen Versuchs solcher Taten 1980  schuldig gesprochen wurde, erklärte in dieser Woche gegenüber Yaron London und Mordechai Kirshenbaum ( Rundfunkkanal 10), dass das Erbauen des Tempels anstelle der Al-Aqsa Moschee „der Sinn unserer Existenz“ sei. Der Mann, der sieben Jahre im Gefängnis saß, sagte, dass es auch Hindernisse auf dem Weg  zur Staatsgründung gegeben hätte und es keinen Grund gebe, sich zu fürchten. Die Interviewer verhielten sich ihm gegenüber, als ob er ein Kuriosum wäre. Mit dem Galgenhumor einer Talkshow schlugen sie die nächste Zerstörung für den 9. Av (Erinnerungstag der beiden Zerstörungen des Tempels) vor, damit wir nicht noch einen Fastentag hätten.

Der Scherz wäre belustigend gewesen, falls die Gefahr nicht als  ernst zu nehmende nationale Katastrophe tief in die Programme offizieller israelischer Politik eingraviert wäre. Der frühere Generaldirektor von Bnei Akiva Amnon Shapira  entrüstete sich sehr über seinen Kollegen von der religiösen zionistischen Bewegung Yonatan Bassi, dass er sich damit einverstanden erklärte, die Rückzugsverwaltung  zu übernehmen. „ Es gab auch Angestellte während des Holocaust, die sich nur mit den technischen Angelegenheiten befassten“, sagte Shapira und wies darauf  hin, was er zu opfern bereit wäre, um den Rückzug zu verhindern

 

Es gibt  keine geschmackloseren Vergleiche als die, die den Holocaust für flüchtige politische Zwecke benützen. Aber die weit reichenden Dimensionen der rechten und religiösen Politik tun noch Schlimmeres.  Vielleicht ohne es zu bemerken, haben sie seit Jahren Ausdrücke benützt, die an das klassische faschistische Lexikon jener Periode erinnert. Von Effi Eitan bis Uzi Landau  hören wir über die „Heiligkeit des Landes“, das „Rückgrat der Nation“, die „Schwäche des Regimes“, die „Notwendigkeit einer spirituellen Erlösung“, eine romantische „Rückkehr des Volkes zu seinen heiligen Werten“ und vom „Messer, das die Regierung in den Rücken der Siedler  stößt“.

Solch ein Gerede würde in den Seitengräben der Nationalstraße  landen, wenn nicht entlang dieser Rhetorik eine bedeutsame politische Stärke wachsen würde, so wie sie beim Likud-Referendum zum Vorschein kam, als es das Rückzugsprogramm ( der jüdischen Siedler aus dem Gazastreifen) ablehnte. Man könnte  Fernsehzuschauer auch weiterhin an Gedenktagen mit vergangenen Holocausts unterhalten, wenn es nicht die Warnung des Shin Bet  und anderer über die schlimmste Art von Szenarien gäbe: den Tempelberg in die Luft  sprengen, den Mord an einem Ministerpräsidenten, einen neuen jüdischen Untergrund schaffen.

 

Die Gefahr ist real, erschreckend und womöglich sogar gegenwärtig. Wenn die Palästinenser nur unbedeutende Drohungen machen, werden sie schon erschossen und ihre Häuser zerstört. Wenn einer deshalb (nur) in Administrativhaft gesteckt wird, kann er sich glücklich preisen. Der Oberste Gerichtshof würde „moderaten physischen Druck“ (3)  ausüben, gemäß der Landaukommission. Wenn die Extremisten des Landes darauf bestehen, über den 5. Holocaust zu reden, wäre es das beste, ihnen große Aufmerksamkeit zu schenken. Es ist möglich, dass sie direkt  vor der Nase einer mit sich selbst beschäftigen  Nation diejenigen sein werden, die das geschehen lassen.

 

Bemerkungen der Übersetzerin

(1       einer Gehirnwäsche unterzogen

(2       Moshe Dayan nannte anscheinend den heutigen Staat Israel – nach Davids Reich und dem jüdischen Staat des Herodes – das „3. Commonwealth“.

(3       Was Folter bedeutet

(4  Dieser Artikel ist insofern interessant, als in rechten Kreisen Israels der Terminus Holocaust großzügig, fast inflationär  verwendet wird, wenn es sich um jüdisch-israelische Probleme -  besonders der Siedler - handelt. Bei der Solidaritätsmenschenkette zwischen Gush Kativ und Jerusalem gab es  ein Poster : Stop the Roadmap to Auschwitz“ mit den Schienen zum Tor des Auschwitz-KZ-Tores mit großem Hakenkreuz. Es seien in Gush Kativ schon KZ-Anzüge in Auftrag gegeben worden . (s. FAZ vom 27.7.04, H.C.Rössler...)

 Wenn dagegen im Zusammenhang mit den Überfällen des israelischen Militärs gegen Palästinenser und den Zerstörungen und Tötungen  in Jenin und Rafah  israelische Stimmen  laut und bekannt werden, weil sie dieses Szenario an Szenen erinnern, die mit dem Holocaust zu tun haben --- herrscht große Empörung. Eine beim Militär beliebte israelische Sängerin wurde  deshalb auf einmal boykottiert, der Minister Lapid zur Ordnung gerufen .( vgl. Uri Avnery Artikel.: Tommy’s Großmutter )  .....Auch hier:  ein Messen mit zweierlei Mass.

 

(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs)

 

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