Streubomben
hinterlassen „Spielzeuge“, die Kinder töten.
Hala Jaber, Yuhmur, Süd-Libanon, 27.8.06
Nach 34 Kriegstagen, die die
Familie von einem Schutzraum zu einem anderen trieb, verloren drei ihrer
Kinder letzte Woche fast ihr Leben, als sie in ihr verwüstetes Dorf
zurückkehrten und nach draußen zum Spielen gingen und dabei nicht an die
Streubomben rund um sie dachten.
Marwa al-Miri, 10, und ihre Cousins
Sikna,12, und Hassan , 10, sprangen in den ruinierten Häusern von Aita
al Shaab spielend auf Schatzsuche herum. Dann hörten sie ein makabres
Geräusch und gingen dem nach.
„Wir gingen zum Haus meines
Großvaters. Man hatte uns gesagt, da sei israelisches Blut vom Kampf zu
sehen. Wir waren neugierig und wollten es sehen,“ erklärte Sikna.
Plötzlich entdeckte Sikna ein
seltsames Ding. Es war klein, rund, aus Metall und mit einer Spitze, die
wie das Ende einer Zigarette aussah. Sie hob es auf und zeigte es ihren
Cousins.
Da erinnerten sich Marwa und Hassan
an Warnungen, ja keine fremden Gegenstände zu berühren. „Es ist eine der
Bomben,“ schrie eines der Kinder. Sikna geriet in Panik, ließ die
Streubombe fallen, die sofort explodierte.
„Hassan flog 2-3 Meter weg und ich
flog auf die andere Seite“, sagte sie langsam im Krankenhausbett. „Ich
lag auf dem Boden. Blut kam aus meinem Magen. Ich fing zu schreien an.
Mein Magen machte ein lustiges Geräusch, als ob er pfeifen würde.“
Ärzte entdeckten später, dass
Metallsplitter ihre Leber durchdrungen hatten. Während Marwa
verhältnismäßig leichte Verletzungen erlitt, war Hassan in den Unterleib
getroffen.
„Meine Gedärme kamen heraus. Ich
hielt sie fest und begann zu laufen und schrie: „Allahu Akbar! “, sagte
Hassan. Ich wurde ohnmächtig und mein Onkel hob mich auf und brachte
mich ins Krankenhaus.
Wie Sikna verbrachte er zwei Tage
auf der Intensivstation. Beide Kinder versuchen zu verstehen, was
geschehen ist. „Sie hinterlassenen uns Spielzeuge, die uns töten
wollen,“ sagte Hassan erschrocken.
Der Krieg im Libanon mag vorüber
sein, aber die Dörfer im ganzen Süden beben täglich von lauten
Explosionen.
Der Südlibanon ist übersät mit
Tausenden von nicht explodierten Streubomben. Sie sind kleiner und
tödlicher als Handgranaten und sie liegen noch da, wo sie hingefallen
sind: in Häusern, Gärten und Bäumen und bedrohen die Menschen noch
Monate oder gar Jahre lang.
Clustermunition (Streubomben) von
Artillerieangriffen verstreuen kleine Bomben über ein weites Gebiet und
ein Viertel von ihnen explodiert nicht beim Aufschlag. Die UNO hat 285
israelische Streubombenangriffe im Südlibanon gezählt.
Die kleinen Bomben haben seit dem
Waffenstillstand nach 13 Tagen schon 8 Leute getötet, einschließlich
zweier Kinder. Nach Sean Sutton von der in Groß-Britannien
beheimateten Mines Advisory Group (MAG) ist fast die Hälfte von
inspizierten 40 Dörfern im Raum Nabatiyeh voller Streubomben.
In Yuhmur, einem Dorf, nur 5 Meilen
von der israelischen Grenze entfernt, ist die Situation verzweifelt,
sagte Sutton: „Das ganze Dorf ist schwer kontaminiert, auch die Häuser
und Gärten.“ Nur 30 % der Bewohner kehrten zurück. Der Rest wartet
darauf, zu erfahren, dass ihre Häuser von Streubomben gereinigt wurden.
Magnus Rundstrom, MAGs Teamchef in
Yuhmur lenkte vier Mienenräumer langsam und peinlich genau durch jedes
Haus. Die Bananenplantagen und Ölbaumhaine müssen noch warten – auch
wenn die Verzögerung bedeutet, dass es in diesem Jahr keine Ernte gibt.
(dt. Ellen Rohlfs)