„NY
Times“-Berichterstattung des
israelisch-palästinensischen Konflikts „verzerrt“
GAZA, 14. Juni 2005 (IPC + IAK), Quelle:
www.aljazeerah.info
Eine in Amerika herausgegebene Studie, die sich mit
der Berichterstattung der amerikanischen
Tageszeitung New York Times über den
israelisch-palästinensischen Konflikt befasst, legt
offen, dass die Times der Berichterstattung über
israelische Tote sieben- bis zehnmal mehr Bedeutung
beimisst als jener über palästinensische Opfer.
Die Studie mit dem Titel „Off the Charts“
wurde von der gemeinnützigen Organisation If
Americans Knew (falls Amerikaner wüssten)
IKA durchgeführt, die sich auf
Medienanalysen spezialisiert hat.
If
Americans Knew wies aus, dass im Jahre
2004, als innerhalb eines bestimmten Zeitraumes acht
israelische Kinder und 176 palästinensische Kinder
getötet wurden – ein Verhältnis von 8 : 22 –
Times-Überschriften und Leitartikel über die toten
israelischen Kinder 6,8mal mehr als über die
getöteten palästinensischen Kinder berichteten.
Eine einmonatige Unterstudie belegte, dass dieses
Missverhältnis noch zunimmt, wenn der gesamte
Artikel analysiert wird. Den erwähnten getöteten
israelischen Kindern wird (aufgrund von
Wiederholungen der Toten, über die in den
vorausgegangenen Tagen schon einmal berichtet wurde)
10mal mehr Bedeutung als den getöteten
palästinensischen Kindern zugemessen.
Die Berichterstattung über Tote jeglichen Alters
zeigte eine ähnliche Verzerrung – obwohl sie in der
Studie eine weniger dramatische Schieflage ergab.
Gemäß der Studie berichtete die Times im ersten Jahr
der gegenwärtigen Intifada, die im September 2000
begann, vorzugsweise über israelische Tote und zwar
annähernd dreimal mehr als über palästinensische
Tote. Während dieses Zeitraumes wurden jedoch über
dreimal mehr Palästinenser als Israelis getötet.
Autoren dieses Berichtes präsentierten ihre
Ergebnisse dem Vertrauensmann der New York Times.
Laut der Organisation IKA wurden telefonische
Anfragen bei den Nachrichtenredakteuren der New York
Times nicht beantwortet.
„Unsere Ergebnisse sind besonders beunruhigend“,
betont IAK-Geschäftsführer Alison Weir, „weil es
dermaßen wichtig ist, dass amerikanische
Steuerzahler, die 8 bis 15 Millionen Dollar pro Tag
für Israel bereitstellen, genau über diese
Angelegenheiten informiert werden.“
Weir erwähnte, dass 82 der palästinensischen Kinder
getötet worden waren, bevor irgendein
israelisches Kind getötet wurde. „Dennoch ist
sich fast niemand dieser Tatsache bewusst, da die
Times-Berichterstattung konsequent die Meldungen
über diese palästinensischen Opfer wegließ oder
bagatellisierte.“
„Wir fanden heraus, dass die
Times-Berichterstattung dem Leser regelmäßig den
Eindruck vermittelte, dass auf beiden Seiten die
gleiche Anzahl Menschen ums Leben gekommen wären –
oder dass mehr Israelis getötet worden seien –
während in Wirklichkeit immer weit mehr
Palästinenser getötet wurden.“
„Insbesondere ergaben unsere Recherchen, dass
die Times-Meldungen derart oft die Berichte über
getötete israelische Kinder wiederholten, so dass
in einigen Zeitabschnitten mit einem Satz von 400 %
über israelische Opfer berichtet wurde. Im Gegensatz
dazu wurde die Mehrzahl der palästinensischen
Toten – insbesondere die toten Kinder – überhaupt
nie von der Times gemeldet.“
Weir äußerte, dass die Times oft als „DIE offizielle
Tageszeitung“ betrachtet werde. Durch hunderte
Tageszeitungen, die den Nachrichtenservice der New
York Times abonnieren, würden die Verzerrungen der
Veröffentlichungen überall in den Vereinigten
Staaten wiederholt.
„Da die Times-Meldungen ausführlicher sind als
es der Platz in anderen Tageszeitungen hergibt,
werden sie fast immer gekürzt. Weil palästinensische
Tote häufig am Ende eines Artikels erwähnt werden,
bedeutet dies, dass viele amerikanische
Tageszeitungen über palästinensische Opfer sogar
noch weniger als die Times berichten“, sagte
Weir. „Unbeabsichtigt berichten Redakteure im
ganzen Land über diese Dinge mit einer auf
Ethnizität begründeten Verzerrung, der sich die
meisten von ihnen widersetzen würden, wenn sie
sich ihrer Handlungsweise gewahr wären.“
If
Americans Knew
hat viele Berichte und Analysen herausgegeben, die
sich auf amerikanische Medienberichterstattung des
israelisch-palästinensischen Konflikts beziehen; sei
es für Tageszeitungen, TV-Sender oder die offizielle
Berichterstattung der amerikanischen Regierung.
Die Organisation IAK stellt auf ihrer
Webseite Berichte über die amerikanische Hilfe für
Israel bereit, Berichte über viele andere Probleme,
wie die derzeitige Intifada sowie die illegalen
israelischen Siedlungen, die palästinensischen
Gefangenen in israelischen Gefängnissen, die
Häuserzerstörungen durch Israel u.a.
Den kompletten Bericht „Off the charts“
über die Berichterstattung der New York Times können
Sie unter diesem Link (Übers.: englisch mit
eindrucksvollen Grafiken) lesen:
http://www.ifamericansknew.org/media/nyt-report.html
Anmerkung von Al-Jazeerah: Die in einigen
Abschnitten vertretenen Ansichten liegen in der
alleinigen Verantwortung der Autoren und stellen
nicht die Meinung von Al-Jazeerah dar.
15.06.2005, Übers. v. Gabriele Al Dahouk