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Bitte um einen mutigeren Papst
Und andere Bitten eines palästinensischen Priesters aus Gaza
Von Rupert Neudeck  - 18.3.2012

 

Das ist ein wunderbares und schreckliches Buch. Es ist schrecklich, weil es Menschen zeigt, die unterdrückt und bombardiert werden, die eigentlich Menschen wie Sie und ich sind, denen aber die Wohltaten und Rechte eines normalen Lebens verwehrt sind. Das Buch besteht aus Interviews, geführt mit einem Handy, das der Interviewer und katholische Priester (Pax Christi Italien) Nandino Capovilla und der Abuna (Priester) Manuel Mussalam zwischen Venedig und Gaza geführt haben. Es geht um die Hölle. Es gab einen Angriff, der am dritten Weihnachtstag 2008 begann und am 18. Januar 2009 pünktlich aufhören musste, damit die Inaugurationsfeiern für den neugewählten Präsidenten Obama nicht gestört würden durch die Gräuel des Waffenganges Israels. Das Wort Krieg verbietet sich eigentlich, weil das kein Gegner war, der die israelische Luftwaffe und Armee hätte aufhalten können.

 

Diese Gespräche sind bewegend bis zum Zerbersten. Der Abuna war selbst Zeuge in seiner christlichen Gemeinde und weiß gar nicht, warum wir in Europa das immer vergessen, dass es Christen auch in Palästina, ja auch in Gaza gibt, und dass deren Tradition manchmal weiter zurückreicht als unsere in Europa.

Das Buch ist gleichzeitig tröstlich, weil es so viele gute Nachrichten in dem Schrecken der Zerstörung, der Morde und der Verwüstung übermittelt: Die Muslime und die Christen leben dort sehr eng zusammen. Weihnachten werden die Klassenzimmer geschmückt und die Muslime sind die ersten, die zum Fest kommen. Manchmal singen sie unsere christlichen Lieder. „In unserer Schule lehren wir sie den Koran. Wir behandeln die

Jugendlichen und die Kinder alle gleich, ungeachtet ihrer Religion“.

Die Schüler in Gaza lernen zusammen. Sie treffen sich, sie besuchen sich daheim. Die Tradition wurde beibehalten. Es ist rührend, wenn sich die Muslime und die Christen, die zusammen in der gleichen Schule waren, nach Jahren zufällig auf der Strasse begegnen und sich brüderlich umarmen.

 

Der Abuna sagt auch: Die Kirche in Palästina sei auch die Kirche der Muslime. Damit meint er nichts Unanständiges: „Ich glaube sogar, dass unsere Heiligen Schriften allen miteinander gehören. Die Bibel gehört den Muslimen, wie der Koran den Christen gehört. Es ist die Teilhabe an der gleichen Erde und der gleichen Kultur.“

Nach dem Irak Krieg müssen die Christen heute – so Abuna Musallam – die Nicht Christen überzeugen, niemandes Feind zu sein.

 

Man könne das Werk großer Politiker nicht nach ihrer Religionszugehörigkeit beurteilen.

Er beklagt, dass die Israelische Armee verbotene Waffen eingesetzt hat, DIME (Dense Inert Metal Explosive)-Bomben, Pfeilbomben, weiße Phosphorbomben. Bomben mit weißem Phosphor wurden abgeworfen, das Innenmaterial ist flüssig und diese Flüssigkeit qualmt. Wenn die Ärzte glauben, „den getroffenen Körper gereinigt zu haben, entzündet sich dieser bei der Berührung von Sauerstoff von neuem. Bei der Erstbehandlung der Verwundeten im Krankenhaus reinigten die Ärzte die Wunde, ohne zu wissen, dass es sich um Verletzungen durch Phosphor Bomben handelte. Sie haben es erst begriffen, als einige bereits als versorgt heimgeschickte Patienten zurückkamen, deren Wunden brannten und qualmten“.

Es geht, so der Abuna, nicht nur um materielles Wohlbefinden, es geht immer auch um die Würde. Er sei überzeugt, dass kein Volk und kein Mensch sich derart von einem anderen Volk erniedrigen lassen darf.

 

Wunderbar, wie der Abuna beschreibt, wie vier Kleine Schwestern Jesu sich in Gaza weigerten, sich evakuieren zu lassen. Das Evangelium und die Kirche hat eine reiche Tradition: 400 nach Christus habe es 300 Christen gegeben in Gaza bei einer Bevölkerung von 18.000 Einwohnern. Heute sind es 3500 Christen. Über zwei Drittel sind Flüchtlinge aus Jaffa, Ramla und Lod, alle Opfer der Vertreibung durch Israel 1947/1948. Die ersten Flüchtlinge wurden damals im lateinischen Kloster untergebracht. 1957 wurde das Christen Camp eingerichtet, wo es eine Klinik und ein Office und einen Raum der Jerusalemer Caritas gibt. Der Abuna beschreibt, wie Kinder, Schulkinder hier hungrig zu Bett gehen.

 

Der Abuna bitte am Schluß Israel als Christ und als Palästinenser, „endlich die Lage zu ändern und nicht länger zu warten. Israel sollte den Mut zur Veränderung aufbringen“.

Als Priester akzeptiere er nicht, „Sklave der israelischen Regierung zu sein. Und weil er frei sei, habe er das Recht zu denken. Ich akzeptiere nicht dass sie uns beherrschen, weil wir Fundamentalisten sind. Nein. „Netanyahu führt sich uns gegenüber wie ein Fundi auf. Die Palästinenser werden allesamt dargestellt, als wären sie liebend gern Märtyrer. Die Palästinenser sind jedoch gegen die Demütigungen, die Siedler, die Beschlagnahme der Grundstücke und gegen den Krieg“.

 

Eine solche klare und mutige Stimme haben wir in Deutschland lange nicht gehört. An dem Tag, da ich das Buch lese, hat der SPD-Vorsitzende bei einem Besuch in Hebron das gesagt, was man sagen muss, wenn man nicht absichtlich blind sein will. Das sei in Hebron eine Apartheid Situation. Dafür bekommt er Prügel vom Zentralrat der Juden, zieht den Schwanz ein und nimmt das zurück.

 

Der Abuna kritisiert den Papst. Der Papst habe bei seinem Besuch in Israel Palästina nicht genügend für die Palästinenser und die Christen der Palästinenser getan. Er wäre in Gaza zufriedener und sicherer gewesen als in jedem anderen Landesteil von Palästina.

Abuna Manuel Musallah sagt. „Wir Palästinenser und wir Christen hätten uns einen mutigeren Papst gewünscht!“.

 

 

Nandino Capovilla/Abuna Manuel Masallah: Ein Priester in der Hölle.

Zambon Verlag Frankfurt 2011 159 Seiten

Preis 12 Euro

 

Bestellmöglichkeit hier: zambon@zambon.net

 

 

 


 

 

 

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