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Rechtlos sein in der eigenartigen Demokratie im Nahen Osten. - Die Bus-300-Affäre von 1984

Der Shin Bet, Shimon Peres und Yaakov Neeman als Vertreter des Unrechts.

 

Felicia Langer, eine Zeitzeugin und Beteiligte berichtet. (Auszug aus der Autobiografie von  Felicia Langer – Zorn und Hoffnung)

 

Gnade vor Recht

Am 12. April 1984 wurde ein Omnibus der Eged-Kooperative auf Linie 300 entführt. Zwei der vier Kidnapper des Omnibusses, Madschdi Ali Abd El Fatah und Subhi Schahada Abu Dschuma, kamen lebend aus dem Buss, die beiden anderen starben, als der Bus von der israelischen Armee gestürmt wurde. So jedenfalls lautete die erste offizielle Meldung im israelischen Radio. Danach würde plötzlich eine andere Meldung durchgegeben: Alle vier Kidnapper seien getötet worden. – Der Widerspruch zwischen diesen beiden Verlautbarungen wurde von den israelischen Behörden nicht erklärt. Vertreter des Roten Kreuzes fragten nach, und man sagte ihnen, daß die beiden – Madschdi und Subhi – auf dem Weg zum Krankenhaus gestorben seien. Diese Version wurde nie mehr wiederholt.

(…) Der Onkel erkannte den Leichnam von Madschdi, dessen Kopf von Blut und Sand bedeckt war, ein Arm war verbunden. (…)

Als er zu Hause in Beni Subela angekommen war, empfingen ihn seine Verwandten und teilten ihm mit, Madschdi sei am Leben! Sie erzählten von einer Journalistin, die gekommen sei und ihnen ein Foto gezeigt hatte, auf dem Madschdi ohne irgendwelche Verletzungen vom Bus abgeführt wird. (…) Der Onkel zögerte erst, aber dann erzählte er, daß er den Leichnam von Madschdi identifizieren mußte und daß er bereits beerdigt sei. Die Familie, die gerade den gesunden lebendigen Sohn auf dem Foto gesehen hatte und überzeugt war, daß er bereits beerdigt sie. (…)

Ganz ähnlich erging es der Familie von Subhi. Die offiziellen Meldungen waren widersprüchlich. Nach der einen war die Person auf dem Foto einer der Fahrgäste, der versehentlich festgenommen worden war.

Ein Dementi folgte dem anderen. Schließlich wurde die Veröffentlichung des Fotos vom Zensor verboten. In meiner Anzeige faste ich wie folgt zusammen:

„Wie ungeheuerlich der Gegenstand der Anzeige meiner Mandanten ist, darüber braucht man kein Wort zu verlieren. Die Sache reicht weit über die Tötung selbst hinaus. Sie wird zu einem Problem der Moral und der Wahrung des Gesetzes für die, die im Auftrag des Staates handeln, per se und gegenüber jeder anderen Person, die sich in ihren Händen befindet. (…) In Anbetracht des oben Gesagten möchten meine Mandanten erreichen, daß diejenigen, die den Tod ihrer Söhne verschuldet haben, vor Gericht gestellt werden.“

Die Behörden ignorierten meine Schreiben, so blieb nichts anderes übrig, als das Oberste Gericht mit der Forderung anzurufen, alle Befunde und Protokolle der Ermittlungskommission unter dem Vorsitz des Generals der Reserve Meix Sorea herauszugeben. (…)

Während der Verhandlung in dieser Sache, die am 5. September 1984 stattfand, wurde im Auftrag des Verteidigungsministers ein Geheimhaltungsbefehl zum Bericht der Sorea-Kommission eingereicht. Dieser versperrte mir praktisch jede Möglichkeit die Wahrheit zu erfahren. Unter dem Vorbehalt, das Gericht erneut anzurufen, falls ich zu der Überzeugung gelangen sollte, daß die Beschlüsse der Prüfungskommission die rechtfertigten, zog ich daher meinen Antrag zurück.

Die Kommissionsbeschlüsse, so wie sie in den Medien veröffentlicht wurden, besagten, daß praktisch niemand für den Tod der beiden Menschen verantwortlich war; sie wurden von einigen Menschen verprügelt und unter ihnen Brigadegeneral Mordechai, und verstarben infolgedessen. Brigadegeneral Mordechai wurde nicht wegen Tötung vor Gericht gestellt und auch nicht wegen schwerer Körperverletzung, da seine Handlungen nicht einschlossen, was den Tod der beiden schnell herbeiführen konnte. (…)

Ich wandte mich an den Rechtsbeauftragten der Regierung Prof. Yizhak Samir, und beantragte weitere Einzelheiten zu erfahren. Dader Bericht der Geheimhaltung unterworfen sei, so seine Antwort, könne er mir keine Angaben zur Sache machen.

Allerdings entschieden sich drei Shin-Beth-Agenten, nicht länger zu schweigen, und berichteten dem Premierminister, der gemäß Gesetz für die Aktivitäten des Shin Beth verantwortlich ist, daß der Chef des Shin Beth und andere die Sorea-Kommision und andere Personen belogen und das Shin-Beth-Agenten die Entführer getötet hatten. Der Premierminister entschied sich sehr schnell und feuerte die „Denunzianten“. Die riefen ihrerseits das Oberste Gericht an um der Entlassung zu widersprechen, und dadurch platzte die Affäre.

Infolge der Veröffentlichung in der ausländischen Presse tauchten auch in Israel Meldungen auf, wonach Prof. Samir beschlossen hatte, gegen den Chef des Shin Beth zu ermitteln. Der Mann wurde verdächtigt, seinen Beamten befohlen zu haben, die zwei Kidnapper zu töten. Auf seine Anweisung hin wurden die Agenten des Shin Beth, die in die falschen Aussagen verwickelt waren, ihrer Ämter enthoben.

Im weiteren Verlauf wandten sich alle Shin-Beth-Agenten, die in diese Affäre verwickelt waren, an den Staatspräsidenten, um begnadigt zu werden. Und sie wurden tatsächlich von ihm begnadigt, bevor sie verurteilt waren. Prof. Samir dagegen bezahlte für seine mutige, konsequente Haltung in der Affäre mit seinem Amt.

 

Am 6. Juli 1986, zwei Jahre nachdem ersten Antrag, reichte ich einen weiteren Antrag im Namen der Familien der Entführer ein, in dem die zuständigen Stellen der Regierung und der Staatspräsident aufgefordert wurden, darzulegen, wie es zur Vertuschung der Verbrechen durch höchste Regierungsstellen und zur Begnadigung der Täter durch das Staatspräsidium kommen konnte.

 (…) Das Gerichtsurteil, das  im Oktober 1986 gefällt wurde, war enttäuschend. Meine Kritik an diesem Urteil wurde in der Zeitschrift „Haarez“ vom 11.Oktober unter der Überschrift „Recht, das nicht gesprochen wurde“ veröffentlicht. Hier ein Auszug:

„… Aber es fehlten nicht nur die Fakten im Urteil. Das Oberste-Gericht zog es darüber hinaus vor, bei seiner Prüfung der Begnadigung seitens des Präsidenten nicht ins Detail zu gehen und begnügte sich mit der Klärung der Frage der Kompetenz, Gesetzesbrecher, die noch nicht verurteilt sind zu begnadigen.


Im Urteil des Richters Barak, das im Gegensatz zu seinen beiden Richterkollegen in Zukunft von Demokraten als Meinung der Minderheit öfter zitiert werden wird, wonach der Präsident nicht die Kompetenz besaß, die Agenten des Shin Beth zu begnadigen, wird eindeutig festgestellt, daß es „keine Sicherheit ohne Gesetz gibt“. Die Erwägung, die den Präsidenten bei der Entscheidung über die Amnestie geleitet haben, wurden aber nicht im einzelnen zur Sache geprüft.

 

Hätten die Richter eine tiefergehende juristische Kritik in bezug auf die Handlungen des Präsidenten angewandt und seine Begründungen im einzelnen kritisch beleuchtet, hätten sie zwangsweise feststellen müssen, ob er willkürlich handelte oder von fremden Überlegungen beider Begnadigung geleitet worden ist. Sie hätten feststellen müssen, ob es darum ging, wie der Präsident erklärt hat, diesen Teufeltanz um die Affäre zu beenden und Schaden von dem Shin Beth abzuwenden, und ob die Begnadigung zu diesem Zweck Rechtens war. Jene, welche die Demokratie verteidigten und die Vertuschung der Verbrechen aufdeckten, wurden verteufelt, und das Gericht zitiert die Verteuflung ganz neutral.

Das Ergebnis ließ nicht lange auf sich warten. Die Lobbyisten der jüdischen Terrororganisation, die von denjenigen, die gerade erst begnadigt worden sind, Verstärkungen erhielten, stehen Schlange mit der Forderung, weitere Verurteilte zu begnadigen, unter ihnen auch solche, die wegen Mordes verurteilt wurden. ….

 

Die Bücher von Felicia Langer >>>

 

 

Der Shin Bet-Skandal, der niemals stirbt -  Gideon Levy - Es gibt einige Skandale, die sich weigern zu sterben, weil sie entweder nie vollständig untersucht wurden oder weil jene Verantwortlichen nie den Preis zahlten, den sie hätten zahlen sollen. Die Bus-300-Affäre von 1984 fällt in die zweite Kategorie: es ging um den Mord an zwei festgenommenen Busentführern durch Shin Bet-Sicherheitsoffiziere und die folgende verheimlichte Tatsache. Fast alles war damals klar, aber trotzdem weigert sich der Fall zu sterben, weil die meisten jener dafür Verantwortlichen nie bestraft wurden. Sie zahlten nie den Preis weder durch das Gericht noch durch das Gericht der öffentlichen Meinung. Und dann am Vorabend von Rosh Hashana lebte der Fall neu auf, als Gidi Weitz einige der Gerichtsprotokolle des Falles in Haaretz aufdeckte. Vieles war von diesem  eindrucksvollen Knüller schon bekannt, aber man kann nicht umhin, wieder wütend zu werden, nachdem man gelesen hat, was in der Nacht zum 13. April 1984 geschehen ist und in den  Monaten unbegründeter Berichte, Vertuschungen, Bemühungen, dass die Zeugen schweigen, Verdrehungen und Lügen, die folgten – selbst noch nach 30 Jahren. Der Ärger wird sogar  angesichts der Tatsache noch größer, dass fast nur die Leute den Preis zahlen, die jene Agenten des Shin Bet waren, die  den Fall enthüllten. Andrerseits ist einer, der am schwersten darin verwickelt war, kein anderer als unser viel bewunderter Präsident Shimon Peres. Jemand, der  auch in dem Fall mitgemischt hat, ist niemand anders als der jetzige Justizminister Yaakov Neeman. Diese beiden Männer, denen jetzt die Durchführung des Gesetzes anvertraut ist, bewiesen damals, wie sie wirklich mit dem Gesetz verbunden sind. Außerdem gab es den Kommandeur der Mörder der Terroristen, Ehud Yatom, der, nachdem seine Missetaten enthüllt worden waren, sogar in die Knesset gewählt wurde. >>>

 

 

 

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