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Wie lange noch?
Gedanken an Jerusalem
Felicia Langer - 31. 10. 2014
„5.
Juni 1968. Das arabische
Jerusalem ist in Aufruhr. Es ist ein Jahr seit
Beginn der israelischen Okkupation. Der Schmerz ist
noch immer quälend frisch. Tausende fangen an, eine
Trauerdemonstration zu organisieren: Trauer um die
Opfer des Krieges und Protest gegen die Besatzung.“
So habe ich es in meinem ersten Buch (auf deutsch
„Mit eigenen Augen“) festgehalten.
Meine Anwaltskanzlei befand sich seit
Ende 1967 bis zur Schließung 1990 in Jerusalem, und
zwar bewusst in West-Jerusalem, weil ich die
Okkupation und Annektierung von Ost-Jerusalem nie
anerkannt habe.
Wenn ich jetzt, im Jahre 2014, über
die tragischen Geschichten aus dem okkupierten
Ost-Jerusalem lese, über Enteignungen und
Häuserzerstörungen, die in letzter Zeit noch
intensiviert wurden, über die stetig fortschreitende
Judaisierung der palästinensischen Stadtviertel,
über das willkürliche Töten von Palästinensern und
die gefährlichen Provokationen um Al Aksa, kommt die
Vergangenheit zu mir zurück:
Mein erster, fast zu Tode gefolterter
palästinensischer Mandant stammte aus Jerusalem,
Is’hak Ali al Ma’raji, mein erster Mandant in
Administrativhaft war Naim al Ashab, und danach
kamen viele andere, deren Häuser Israel zerstört hat
oder die deportiert wurden. – Und auch die Zeit der
Steine in Jerusalem während der ersten Intifada holt
mich wieder ein.
Das okkupierte Ost-Jerusalem war für
mich immer ein Synonym für Unterdrückung und Leid,
und so ist es leider geblieben.
Jerusalem ist für mich ein Symbol der
totalen Ablehnung der israelischen Besatzung durch
die Palästinenser. Keine Mauer, keine Enteignung und
Kolonisierung werden dies ändern. Die israelische
Politik in Jerusalem ist ein Verbrechen gegen das
Völkerrecht. Die israelische Regierung ist eine
kriegsbetreibende Regierung und stellt eine Gefahr
für die ganze Region dar.
Ich frage mich, wo sind die
Weltmächte, die genau wissen, dass die Okkupation
und Annektierung von Ost-Jerusalem
völkerrechtswidrig sind? Wo ist der
Weltsicherheitsrat? Israels verbrecherische Politik
genießt offenbar Immunität und wird bis dato nahezu
stillschweigend geduldet; gelegentliche verbale
Protestnoten bleiben leere Floskeln, solange ihnen
keine Taten folgen, und sind nur dem Protokoll
geschuldet. Die Weltgemeinschaft ist gefragt: „Wie
lange noch?“