Warum wir?
Von
Tanya Reinhart
Middle East
Times -09. Mai 2005
Eine
Entscheidung pro Boykott wie gefällt durch die Britain’s Association
of University Teachers
(übersetzt etwa:
Verband der Universitätslehrkräfte in Großbritannien)
gegen
zwei israelische Universitäten verursacht natürlich ein Zeter und
Mordio unter den Israelis. Warum wir? Und warum jetzt „gerade wenn
Verhandlungen mit den Palästinensern wieder aufleben können“?
Jedoch könnte es
sich lohnen, sich anzuschauen, wie die Welt uns wahrnimmt. Im Juli
2004 hatte der Internationale Gerichtshof in Den Haag das Urteil
gefällt, dass Israel sofort diejenigen Teile der Mauer abbauen
müsse, die auf palästinensischem Boden errichtet worden sind. Wir
ignorierten die Entscheidung. Wir haben die West Bank in ein
Gefängnis für die Palästinenser umgebaut, so wie wir es im Laufe der
38jährigen Besatzung schon mit Gaza gemacht hatten – jeder Vorgang
ein Verstoß gegen UN-Resolutionen.
Seit 1993
verhandeln wir mit den Palästinensern und haben seit dieser Zeit
unsere Siedlungen fortwährend ausgeweitet. In seinem Urteilsspruch
hatte der Gerichtshof der UN vorgeschlagen, Israel mit Sanktionen zu
belegen, falls seine Entscheidung nicht befolgt würde. Die
israelische Antwort – kein Grund zur Sorge! Solange Amerika
hinter uns steht, wird die UN nichts zuwege bringen.
In den Augen der
Welt steht die Frage: Was kann getan werden, wenn die relevanten
Organisationen es nicht fertig bringen, dass internationales Recht
durchgesetzt wird? Das Boykott-Modell stammt aus der Vergangenheit:
Südafrika missachtete ebenfalls UN-Resolutionen. Damals zögerte die
UN (unter amerikanischem Druck!) ebenfalls, unverzügliche Sanktionen
zu verhängen.
Der Boykott
gegen Südafrika begann als Graswurzelbewegung - ausgelöst von
Einzelpersonen und unabhängigen Organisationen. Er wuchs langsam
aber stetig, bis er schließlich zu einem vollständigen Boykott
herangewachsen war – Boykott von Produkten, Sport, Kultur,
Hochschulen und Tourismus. Südafrika wurde allmählich dazu
gezwungen, die Apartheid abzuschaffen.
Die
internationale Gemeinschaft beginnt momentan, in allen Bereichen
dasselbe Modell auf Israel anzuwenden, von den
Caterpillar-Planierraupen, die palästinensische Häuser niederreißen,
bis zum sportlichen und kulturellen Bereich. Aus Sicht der
internationalen Gemeinschaft ergibt sich die relevante Frage, ob der
israelischen Hochschule (Israeli Academy) auf der Grundlage
ihrer Aktivitäten das Recht eingeräumt wird, vom generellen Boykott
ausgenommen zu werden.
Innerhalb der
israelischen Hochschule (Israeli Academy) sind viele als
Einzelpersonen gegen die Besetzung Palästinas. Aber in der Praxis
hat kein israelischer Universitätssenat jemals einen Beschluss
gefasst, der beispielsweise die Schließung palästinensischer
Universitäten verurteilt hätte. Sogar jetzt, wenn die Mauer
Studenten und Dozenten von ihren Universitäten abschneidet, hört man
keinen Protest der Hochschule (Academy). Der britische
Boykott ist selektiv; zwei Universitäten wurden ausgewählt, um der
israelischen Hochschule (Israeli Academy) zu signalisieren,
dass das Augenmerk auf sie gerichtet ist. Aber die israelische
Hochschule (Israeli Academy) hat immer noch die Option, sich
aus dem Kreis der passiven Unterstützung der Besetzung
zurückzuziehen.
Ein Rätsel bleibt noch übrig:
Warum gerade wir? Warum wurde Israel herausgegriffen? Wie wär’s mit
Russland in Tschetschenien? Wie wär’s mit den Vereinigten Staaten?
Was hat die USA in Fallujah veranstaltet … kein israelischer General
hätte dies je zu versuchen gewagt! Allerdings impliziert die Logik,
die hinter einem Boykott gegen Israel steckt, dass ein ebensolcher
gegen die Großmächte vollkommen gerechtfertigt wäre. Nur weil die
Erfolgswahrscheinlichkeit, einen kleinen Staat zu stoppen, größer
ist, gerät Israel in den Fokus. Dennoch, falls eine Anstrengung
gemacht würde, um erst einmal die Palästinenser zu retten bzw.
zumindest den Mauerbau einzustellen, könnten wir dann diese
Anstrengung als unmoralisch einstufen? Ist es moralisch
hochwertiger, die Rettung eines Individuums zu unterlassen - so
lange, bis es möglich ist, alle Betroffenen zu retten?
Wie immer
glauben wir, dass die Lösung im Bereich der Macht liegt. Als das
Basketballteam aus Valencia im März 2004 versuchte, Israel zu
boykottieren, und ankündigte, dass es nicht an der Ligameisterschaft
teilnehmen würde, falls diese in Israel stattfände, wurde die
Dampfwalze in Betrieb gesetzt. Es gab Drohungen, und es wurde über
Verträge geraunt, bis Valencia gezwungen war, einzulenken und hier
zu spielen.
In ähnlicher
Weise hat die weltweite israelische Lobby im Falle des akademischen
Boykotts einen nach dem anderen ausfindig gemacht, der sich für die
Unterstützung des Boykotts ausgesprochen hatte, um dessen Leben zur
Hölle zu machen. Die Bestrebung der Haifa-Universität, Ilan Pappe im
Jahr 2002 zu entlassen, wurde initiiert, weil Pappe öffentlich den
Boykott unterstützte und die britische Originalpetition
unterschrieb, die dazu aufrief.
Es mag möglich
sein, dass der Bulldozer, der inzwischen Israel symbolisiert, bei
der Entscheidung der AUT (Association of University Teachers) in
England erfolgreich den Rückwärtsgang einlegen kann. Aber wird dies
Forscher davon abhalten, uns still und leise zu boykottieren – ohne
die Medien einzubeziehen? Vielleicht wäre es lohnenswerter für die
israelische Hochschule (Israeli Academy), ihren Groll gegen
die Regierung zu richten und zu verlangen, dass diese endlich jener
Mauer ein Ende macht.
Aus dem
Hebräischen ins Englische von Mark Marshall.
Aus dem Englischen ins Deutsche von Gabriele Al Dahouk.
Tanya Reinhart
ist Professor an der Tel Aviv-Universität und Autor von „How to End
the 1948 War“ (Wie kann der 1948er-Krieg beendet werden?) – „Détruire
la Palestine“ (Zerstörung Palästinas).
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