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Wie Israel das Völkerrecht verachtet

Felicia Langer

 

 Das Völkerrecht, ius gentium, Recht der Völker, ist eine überstaatliche aus Prinzipien und Regeln bestehende Rechtsordnung (Wikipedia).

 Art. 25 des Grundgesetzes besagt, dass die allgemeinen Regeln des Völkerrechts  Bestandteil des Bundesrechts sind. Sie erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes (Machtpolitik und Völkerrecht, N. Paech, G.   Stuby).

 

Eines der wichtigsten Dokumente des Völkerrechts ist die „Charta der Vereinten Nationen“ (San Francisco, 26. Juni 1945). Ich zitiere ihre ersten, so vielsagenden Worte:

Wir, die Völker der Vereinten Nationen fest entschlossen
, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat, unseren Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit, an die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie von allen Nationen, ob groß oder klein, erneut zu bekräftigen, Bedingungen zu schaffen, unter denen Gerechtigkeit und die Achtung vor den Verpflichtungen aus Verträgen und anderen Quellen des Völkerrechts gewährt werden können, den sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu fördern, ……
 
 

Die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ vom 10. Dezember 1948 (der 10. Dezember wird inzwischen weltweit als Tag der Menschenrechte gefeiert) hat eine besondere Bedeutung für die Bewahrung der Menschenrechte. Ihre Präambel, die ich so oft in israelischen Militärgerichten zitiert habe, lautet:

Präambel - Da die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt bildet, da Verkennung und Missachtung der Menschenrechte zu Akten der Barbarei führen, die das Gewissen der Menschheit tief verletzt haben, und da die Schaffung einer Welt, in der den Menschen, frei von Furcht und Not, Rede- und Glaubensfreiheit zuteil wird, als das höchste Bestreben der Menschheit verkündet worden ist, da es wesentlich ist, die Menschenrechte durch die Herrschaft des Rechtes zu schützen, damit der Mensch nicht zum Aufstand gegen Tyrannei und Unterdrückung als letztem Mittel  gezwungen wird….

 

Israel ist schon seit fast 50 Jahren eine Besatzungsmacht, die UNO-Resolutionen missachtet. Ich möchte eine solche Resolution des Weltsicherheitsrates zitieren:

Die Lage in den von Israel besetzten arabischen Gebieten - Sicherheitsrat – Resolution 446 (1979)  22. Mai 1979

Der Sicherheitsrat,
nach Anhörung der Erklärung des ständigen Vertreters Jordaniens und anderer vor  dem Rat abgegebener Erklärungen, unter Betonung  der dringenden Notwendigkeit, einen umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden im Nahen Osten herbeizuführen, erneut erklärend, dass das Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten auf alle seit 1967 von Israel besetzten arabischen Gebieten einschließlich Jerusalems anwendbar ist:

  1. stellt fest, dass die israelische Politik und Praxis der Errichtung von Siedlungen in den palästinensischen und anderen seit 1967 besetzten arabischen Gebieten keine rechtliche Gültigkeit haben und ein ernsthaftes Hindernis für die Erzielung eines umfassenden, gerechten und dauerhaften Friedens im Nahen Osten darstellen;
     

  1. beklagt lebhaft, dass Israel die Resolutionen des Sicherheitsrats 237 (1967) vom 14. Juni 1967, 252 (1968) vom 21. März 1968 und 298 (1971) vom 25. September 1971 sowie die Konsenserklärung des Präsidenten des Sicherheitsrats vom 11. November 1976 und die Resolutionen der Generalversammlung 2253 (ES-V) und 2254 (ES-V) vom 4. und 14. Juli 1967, 32/5 vom 28. Oktober 1977 und 33/113 vom 18. Dezember 1978 nicht befolgt hat;
     

  1. fordert Israel als Besatzungsmacht erneut auf, das Genfer Abkommen von 1949 peinlich genau zu befolgen, seine früheren Maßnahmen rückgängig zu machen und alle Handlungen zu unterlassen, die zu einer Veränderung des Rechtsstatus und des geographischen Charakters der seit 1967 besetzten arabischen Gebiete einschließlich Jerusalems sowie zu einer faktischen Veränderung ihrer Bevölkerungszusammensetzung führen würden, und insbesondere keine Teile seiner eigenen Zivilbevölkerung in die besetzten arabischen Gebiete umzusiedeln.

     

Israel erfüllte diese Forderung nicht nur, sondern führte und führt weiterhin Maßnahmen durch, die in dieser Resolution untersagt werden, und konnte sich nicht einmal auf das Argument berufen, diese Resolution sei nicht bindend. Resolutionen des Sicherheitsrates sind im Gegensatz zu Resolutionen der Vollversammlung bindend. Aber da keine Sanktionen erfolgt sind noch zu erwarten sind, kann es bis zum heutigen Tag die Regeln des Völkerrechts straffrei missachten.

Die von israelischen Rechtsexperten vertretene Ansicht, die Genfer Konventionen von 1949 hätten in den besetzten arabischen Gebieten einschließlich Jerusalems keine Geltung, wird von internationalen Völkerrechtsexperten und Institutionen der Vereinten Nationen kategorisch abgelehnt.

Ich möchte hier aus den Genfer Konventionen vom 12. August 1949 – auf Englisch “Geneva Convention Relative to the Protection of Civilian Persons in Time of War“ – zitieren. Im Folgenden sind einige Artikel angeführt, die Verbote zum Ausdruck bringen. Ich kann als Augenzeugin bestätigen, dass Israel diese Verbote total ignoriert und die Menschen misshandelt, kollektive Strafen eingeführt hat, das Eigentum der Einwohner enteignet etc.

Article 31

Prohibition ofCoercion

No physical or moral coercion shall be exercised against protected persons, in particular to obtain information from them  or from third parties.

 

 

Article 32

Prohibition of
 corporal
 punishment
 torture, etc.



The High Contracting Parties specifically agree that each of them is prohibited from taking any measure of such a character as to cause the physical suffering or extermination of protected
persons in their hands. This prohibition applies not only to murder, torture, corporal punishments, mutilation and medical or scientific experiments not necessitated by the medical treatment of a protected person, but also to any other measures of brutality whether applied by civilian or military agents.

 

 

Article 33

Individual
responsibility
collective
penalties
 pillage
reprisals 



No protected person may be punished for an offence he or she has not personally commited. Collective penalties and likewise all measures of intimidation or of terrorism are prohibited. Pillage is prohibited. Reprisals against protected persons and their property are prohibited.


Auch Besiedlung und Kolonisierung der besetzten Gebiete, mittlerweile leben schon circa 700.000 israelische Siedler in den besetzten Gebieten, sind verboten.
Artikel 49 lautet: “The Occupying Power shall not deport or transfer parts of its own population into the territory it occupies….”
 

 

Als Finale möchte ich den Artikel 147 anführen, der sich mit  ’’grave breaches“, d.h. schwerwiegenden Verstößen, de facto Kriegsverbrechen, befasst:

Article 147

II
Grave
breaches

Grave breaches to which the preceding Article relates shall be those involving any of the following acts, if committed against persons or property protected by the present Convention: wilful killing, torture or inhuman treatment, including biological experiments, wilfully causing great suffering or serious injury to body or health, unlawful deportation or tra nsfer or unlawful confinement of a protected person, compelling a protected person to serve in the forces of a hostile Power, or wilfully depriving a protected person of the rights of fair and regular trial prescribed in the present Convention, taking of hostages and extensive destruction and appropriation of property, not justified by military necessity and carried out unlawfully and wantonly.


Fast alles hier Erwähnte hat Israel auf seinem Gewissen; es tritt das Völkerrecht seit Jahrzehnten mit Füßen – straffrei, bis dato….

Ich bin Augenzeugin von Häuserzerstörungen als Kollektivstrafe, Landraub, Besiedlung der Gebiete, Folterungen, Administrativhaft, Vertreibung. Ich habe auch als Zeugin vor den Vereinten Nationen ausgesagt und in meiner aktiven Zeit als Anwältin in allen Bereichen juristisch gegen diese Völkerrechtsverstöße zu kämpfen versucht, leider zu oft vergeblich, weil das Rechtssystem der Besatzer eine Farce ist.

 

Die Brutalität und Intensität der israelischen Kriege gegen den Libanon, gegen die Palästinenser und insbesondere gegen Gaza, das größte Freiluft-Gefängnis der Welt, sind erschreckend. Der letzte Krieg im Sommer 2014 hat eine Welle der Solidarität mit den Bewohnern Gazas zur Folge.


Am 9. August 2014, auf einer Demonstration des Vereins Arabischer Studenten und Akademiker in Tübingen, sagte ich:

Die „moralischste Armee der Welt”, auch die vierte Militärmacht der Welt, Israel, hat ihre Waffen in Gaza ausprobiert, eine Armee, die mit Absicht Kinder tötet, was ich mit eigenen Augen im Video gesehen habe, wie man vier spielende Kinder am Strand von Gaza tötet…Über 2000 Palästinenser wurden ermordet, ganze Familien wurden ausgelöscht. 80 % der Opfer sind Zivilisten, 31 % Kinder, 9.500 sind verletzt. Jetzt haben wir 64 tote israelische Soldaten und drei Zivilisten. Es gibt schon jetzt in Gaza tausende traumatisierte Kinder, Menschen haben Augen und Gliedmaßen verloren. Das war ein Völkermord im Ghetto und eine Zerstörung von Infrastruktur, die unfassbar ist: Krankenhäuser, Schulen, auch UN-Schulen, Kraftwerke, tausende Wohnhäuser. Das alles sind Kriegsverbrechen und die Täter müssen zur Rechenschaft gezogen werden, in Den Haag. Zu lange genießen sie Straffreiheit! Es war kein Verteidigungskrieg, sondern ein Massaker im Käfig, in Gaza unter Abriegelung, dem größten Freiluft-Gefängnis der Welt. Eine Schande für Israel. Das Völkerrecht fordert von der Besatzungsmacht, die Bevölkerung in den besetzten Gebieten zu schützen, und nicht kollektiv zu bestrafen, wie Israel es straffrei tut! Ich bin gegen die Raketen aus Gaza gegen israelische Zivilisten. Aber die Schuld trägt die fast 50 Jahre dauernde kolonialistische israelische Besatzung, die ein Inbegriff der Gewalt ist! Das sagen auch die israelischen Friedenskämpfer, die unsere Unterstützung brauchen. Eine von ihnen, die kritische Journalistin Amira Hass schrieb: „ Israels moralische Niederlage wird uns noch viele Jahre verfolgen….“    

 

Im Januar 2015 wurde ein unabhängiger Untersuchungsbericht vom israelischen Partner von medico, den „Ärzten für Menschenrechte“ veröffentlicht. Das Fazit war:

„No safe place in Gaza, d.h. keine sicheren Orte in Gaza während des Krieges!” Der Bericht erhärtet den Verdacht, dass zahlreiche Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zu hohen Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung geführt haben. Bernd Eichner von medico schreibt u.a.:

Verantwortlich für eine hohe Zahl von Opfern sind sogenannten „Doppelschläge“, bei denen nach einem Angriff die zu Hilfe eilenden Verwandten und Rettungskräfte von nachfolgendem Beschuss getroffen werden.

Außerdem stellen die Experten das Versagen des Koordinierungsmechanismus zwischen der israelischen Armee, dem Roten Kreuz und dem Palästinensischen Halbmond fest. Durchschnittlich vergingen zehn Stunden bis zur Bergung der Verletzten. Vielfach wurde sie gänzlich unmöglich gemacht. In extremen Fällen, wie bei den Angriffen auf Khuza’a in der Nähe von Khan Younis, nahm die Koordination bis zu acht Tage in Anspruch.

Viele Zeugenaussagen dokumentieren Angriffe auf medizinische Einrichtungen und Rettungskräfte, obwohl das palästinensische Gesundheitsministerium die Kennzeichnungen von Krankenwagen und medizinischen Teams sowie die Koordinaten der Gesundheitseinrichtungen an die israelische Armee übermittelte.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation und des palästinensischen Gesundheitsministeriums wurden 23 medizinische Fachkräfte getötet und 83 weitere verletzt. 45 Krankenwagen, 17  Krankenhäuser und 56 Gesundheitseinrichtungen wurden beschädigt oder zerstört.
 

 

Aber etwas hat sich geändert: Die Palästinenser sind auf dem Weg, volle Mitgliedschaft im Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag zu erwerben. Schon jetzt, nach der Unterzeichnung des Statuts von Rom wird eine Voruntersuchung zur Lage in Israel und Palästina erfolgen. Israel setzt alle Hebel in Bewegung, um diese Entwicklung zu blockieren, und findet in den USA einen willfährigen Komplizen. Sogar die Finanzierung des Gerichtshofs aus dem Ausland soll unterbunden werden. Es ist kaum zu fassen, wie tief die israelische Regierung gefallen ist. Was für eine Schande! Aber auch diejenigen weltweit, die Israel und seine Völkerrechtsverstöße unterstützen, machen sich gewissermaßen der Beihilfe schuldig und sollten sich schämen.    
 

26. 01. 2015 - Erstveröffentlichung im "Das Palästina Portal" - http://www.palaestina-portal.eu/  -

 

 

 

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