TRANSLATE
Ramadam Kareem
von der Netanyahu und Obama-Regierung
Jeff
Halper, 11. August 2010
Gestern, einen Tag bevor der
muslimische Ramadanmonat begann, kamen um 2 Uhr 30 am Morgen von den
israelischen Behörden geschickte Arbeiter, die von Dutzenden
Polizisten geschützt wurden, und zerstörten die Grabsteine des
letzten Teiles des Mamilla Friedhofes, einer historischen
muslimischen Begräbnisstätte mit Gräbern aus dem 7. Jahrhundert, die
bis jetzt unberührt geblieben waren. Die Regierung Israels war sich
immer der besonderen Bedeutung dieses Ortes voll bewusst. Schon
1948, als die Kontrolle des Friedhofes auf Israel überging, erkannte
das israelische Ministerium für religiöse Angelegenheiten Mamilla
als einen der „prominentesten muslimischen Friedhöfe an, wo 70 000
muslimische Krieger aus (Saladins) Armee mit vielen muslimischen
Gelehrten begraben liegen. Israel würde diesen Ort immer zu schützen
und zu achten wissen.“ Deshalb und trotz israelischer Aufregung,
wenn irgendwo auf der Welt jüdische Friedhofe geschändet werden,
ist das Auflösen des Mamilla Friedhofes systematisch geschehen.
1960 wurde der „Unabhängigkeits-Park über einem Teil von ihm
angelegt; danach wurde über ihn eine städtische Straße gebaut,
größere elektrische Kabel wurden über die Gräber gelegt und ein
Parkplatz über einem andern Teil des Friedhofes angelegt. Jetzt
wurden 1500 muslimische Gräber bei nächtlichen Operationen
beseitigt, um Platz zu machen --- für ein $ 100 Millionen Museum für
Toleranz und menschliche Würde, ein Projekt des Simon
Wiesenthal-Zentrums in Los Angeles. (Ironischerweise erschien Rabbi
Marwin Hier, der Direktor des Wiesenthal-Zentrums beim TV-Sender Fox
News und sprach sich gegen den Bau einer Moschee in der Nähe des
Ground Zero in Manhattan aus , weil der Ort des 9.11-Angiffs ein
Friedhof sei).
Die monatelange Periode zwischen
Netanyahus Julibesuch in Washington und dem Anfang des Ramadan hat
Israel eine Gelegenheit gegeben - nach einer frustrierenden
Unterbrechung - klaren Tisch mit den Hauszerstörungen zu machen, die
von der „alten“ ..Obama-Regierung veranlasst wurde. Es ist
allerdings keine Garantie dafür, dass Israel nicht auch während des
Ramadan Häuser zerstört, besonders weil es die Zeit bis zu den
Novemberwahlen ausnützen möchte, weil sie weiß, dass Obama sich
nicht offen gegen das stellen wird, was in den besetzten Gebieten
gemacht wird. Tatsächlich hat die Zerstörung von palästinensischen
Häusern nie aufgehört. Am 6. Juni z.B. – ein Jahr nach der
Zerstörung von 65 Strukturen und der erzwungenen Umsiedlung von mehr
als 120 Personen, einschließlich 66 Kindern - erhielten neun
Familien aus Khirbet Ar Ras Ahmar im Jordantal (70 Personen), eine
neue Runde von „Evakuierungsordern“. Eine Woche später bestimmte die
Zivilverwaltung die Durchführung derselben gegen illegale
palästinensische Bauten in Zone C, die 60 % der Westbank unter
voller israelischer Kontrolle einnimmt, zu verstärken.
Und so wurden am 13. Juli nach
Netanyahus Rückkehr drei palästinensische Häuser in Ost-Jerusalem
von Issawiya zerstört und danach gleich drei weitere Häuser in Beit
Hanina. (Pal. Häuser werden nicht ohne das OK des
Ministerpräsidentenbüros zerstört). Die Jerusalemer Stadtbehörde
kündigte auch die für diesen Monat geplante Zerstörung von weiteren
19 Häusern in Issawiya an. In der Westbank demolierte die
israelische „zivile“ Verwaltung 55 Strukturen, die 22 pal. Familien
im Hmayer-Gebiet von Al Farisye im nördlichen Jordantal gehören an,
einschließlich 22 Wohnzelten und 30 anderen Strukturen, die als
Schutz für Tiere und für landwirtschaftlich genützte Geräte benützt
wurden. Nach dem UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten (OCHA): „In
der Woche vom 14.-20.Juli nach Netanyahus Rückkehr aus Washington
wuchs die Zahl der Zerstörungen in Zone C auf mindestens 86
Strukturen, die im Jordantal und in der südlichen Westbank,
einschließlich Bethlehem- und Hebrondistrikt, 2010 demoliert
wurden. 2010 sind mindestens 230 palästinensische Strukturen in Zone
C demoliert und 1100 Personen, davon 400 Kinder vertrieben worden .
etwa 600 andere sind auch irgendwie davon betroffen. Zwei Drittel
der Zerstörungen von 2010 geschahen seit Netanyahus Treffen mit
Obama . Mehr als 3000 Zerstörungsorder in der Westbank stehen noch
aus und 15 000 im pal. Ost-Jerusalem.
Die Zerstörung von Häusern/ Wohnungen
sind natürlich nur ein kleiner, wenn auch schmerzvoller Teil der
Zerstörung, die Israel täglich dem pal. Volk antut. Während der
letzten paar Wochen fand eine gewalttätige Kampagne gegen
palästinensische Bauern in einem der fruchtbarsten und
landwirtschaftlich genützten Gebiete der Westbank, im Bakatal,
statt, in das ständig große Vororte von Kiryat Arba/ Hebron
vordringen. Israel nimmt 85 % des Wassers der Westbank für den
eigenen Gebrauch oder für die Siedlungen. (Siedler verwenden fünf
mal mehr Wasser/pro Kopf als die Palästinenser. Und Maaleh Adumim
baut gerade einen Wasserpark zusätzlich zu seinen vier
Gemeinde-Swimmingpools, und vier große Brunnen fließen ständig im
Stadtzentrum) oder es wird ins eigentliche Israel gepumpt – alles
mit flagranter Verletzung der Vierten Genfer Konvention, die einer
Besatzungsmacht verbietet, die Ressourcen aus dem besetzten Gebiet
zu nützen.
Die israelische Wassergesellschaft
Mekorot hat in den letzten Wochen die Bauern angeklagt, „Wasser zu
stehlen“ – ihr eigenes – und hat, unterstützt von der zivilen
Verwaltung und dem Militär Dutzende von Wasserquellen/Brunnen –
einige davon sehr alt - und Regenreservoirs, die auch illegal
seien- zerstört. Hunderte Hektar landwirtschaftlich genutztes Land
sind vertrocknet, weil die Bewässerungsröhren herausgezogen und
konfisziert wurden… Felder von Tomaten, Bohnen, Auberginen und
Gurken sind kurz vor der Ernte eingegangen. Und die
Weintraubenindustrie dieses reichen Tales ist von der Zerstörung
bedroht. „Ich sehe mit eigenen Augen, wie mein Leben vor mir
austrocknet,“ sagt Ata Jaber, ein pal. Bauer, dessen Haus schon zwei
mal zerstört wurde und dessen Land zum größten Teil unter der
Siedlung Givat Harsina (Kiryat Arba) liegt und dessen
Plastikbewässerungsschläuche jährlich kurz vor der Ernte von der
Zivilen Verwaltung zerstört werden. „Ich hatte gehofft, dass ich
meine Ernte wenigstens für $ 2000 vor Ramadan verkaufen kann, aber
es ist alles verdorben.“
Siedlungen werden natürlich
weitergebaut. Der großspurig verkündete Siedlungsstopp hat sich als
ein vorübergehendes Anhalten von Bauen herausgestellt – Netanyahu
sprach auch nur von Baupause. Nach dem Augustbericht von Peace Now-
Settlement-watch sind wenigstens 600 Hauseinheiten während der
„Pause“ in mehr als 60 verschiedenen Siedlungen gebaut worden…die
israelische Regierung verkündete den geplanten Bau von 1600
Wohnungseinheiten in Siedlungen, als Vizepräsident Biden (Israel)
besuchte – wenn man sich erinnert – um die verlorene Zeit schnell
nachzuholen, wenn im September die Baupause zu Ende ist. Nach
Haaretz warten etwa 2700 Wohnungseinheiten darauf, gebaut zu werden.
Die Tatsache, dass die sog.
Siedlungsbaupause das Bauen nicht wirklich gestoppt hat, ist
offensichtlich. Die amerikanische Regierung scheint bereit zu sein,
das Lippenbekenntnis nur von Israels zu akzeptieren, gegen die
Palästinenser aber mit brutalen Drohungen zu kommen, wenn sie sich
diesem Affentheater nicht fügen. Palästinensische Unterhändler
enthüllten letzte Woche, dass die Obama-Regierung alle Verbindungen
mit den Palästinensern abbrechen würde, die politischen und
finanziellen, wenn sie weiter auf einem wirklichen Baustopp der
Siedlungen oder gar auf klaren Rahmenbedingungen , worüber
verhandelt werden sollte, bestehen würden. ( Netanyahu weigert sich,
selbst die elementarsten Prinzipien der 1967er-Grenzen als Grundlage
für Gespräche zu akzeptieren)
Genauso destruktiv für jeden realen
Friedensprozess jedoch ist die Tatsache, dass das Sich-konzentrieren
auf den Stopp des Siedlungsbau, die Aufmerksamkeit von Versuchen
Israels ablenkt, „ irreversible Tatsachen vor Ort“ zu schaffen, die
den eigentlichen Verhandlungsprozess vereiteln. Selbst wenn Israel
einen Siedlungsbaustopp respektieren würde, gibt es keine Forderung,
keine Erwartung, absolut nichts, was die Fortsetzung des Mauerbaus
verhindert (das Einschließen des Shuafat-Flüchtlingslagers innerhalb
Jerusalems und der Stadt Anata steht in diesen Tagen vor dem
Abschluss, und das Dorf Wallajeh verliert sein Land, alte
Olivenbäume und Häuser…).Nichts hindert Israel daran, die
palästinensische Bevölkerung einzusperren und durch seine 20Jahre
lange wirtschaftliche „Absperrung“ – einschließlich der Belagerung
des Gazastreifens - verarmen zu lassen und die palästinensische
Wirtschaft völlig zu zerstören. Nichts hindert Israel, ein
paralleles Apartheid-Schnellstraßensystem zu vollenden ( wenn auch
verschieden in Größe und Qualität). Die breiten gehen über
palästinensisches Land – für Israelis; die schmalen sind für die
Palästinenser. Nichts hindert Israel, Palästinenser aus ihren
Häusern zu vertreiben, damit jüdische Siedler einziehen können – am
29. Juli kehrten neun Familien aus dem muslimischen Viertel in der
Altstadt abends von einer Hochzeit zurück und fanden sich aus ihren
eigenen Wohnungen von Siedlern ausgeschlossen, ja auch die Polizei
hinderte sie daran, ihre Wohnungen zu betreten. (Palästinenser
haben natürlich keine legale Stelle, an die sie sich wenden können,
um ihren Anspruch auf ihren Besitz zu reklamieren. Ganze Dörfer,
Städte, Stadtteile, Farmen, Fabriken und Geschäfte wurden 1948 und
danach konfisziert.)
Nichts hindert Israel daran, die
palästinensische Bevölkerung zu terrorisieren, entweder durch ihre
eigene Armee oder die Ersatzmilitia, die von der USA gegründet und
von der palästinensischen Behörde betrieben wird, um die eigene
Bevölkerung zu befrieden, oder durch die Siedler, die Palästinenser
schlagen oder auf sie schießen, ihre Ernten verbrennen, ohne
befürchten zu müssen, verhaftet zu werden; oder durch
Undercover-Agenten, denen von Tausenden Palästinensern geholfen wird
( die zur Kollaboration gezwungen wurden, oft nur damit ihre Kinder
medizinische Behandlung bekommen oder einfach, dass sie ein Dach
über dem Kopf haben. Oder durch Vertreibung oder eine der Unmengen
administrativer Beschränkungen eines kafkaesken Systems totaler
Kontrolle und Einschüchterung. Nichts stellt sich gegen Israels
Boykott des palästinensischen Volkes, das von der Welt durch von
Israel kontrollierte Grenzen isoliert wird oder eine Politik, die
palästinensische Schulen und Universitäten effektiv boykottiert,
indem das Funktionieren verhindert wird. Und nichts, absolut nichts
stoppt Israel vor dem Zerstören palästinensischer Häuser – seit 1967
sind es 24 000 in den besetzten Gebieten …
Vielleicht kommt diese Art, den Ramadan
zu begrüßen, was die besetzten Gebiete betrifft, nicht
überraschend . Es ist aber eine völlig andere Sache, wenn am 26.
Juli mehr als 1300 israelische Grenzpolizisten, die Schocksoldaten
der Yassam-„Spezialeinheit“ und regulären Polizei, von Hubschraubern
begleitet, über das Beduinendorf Al-Arakib, nördlich von Beer Sheba,
herfallen – über eine Gemeinde innerhalb Israels mit israelischen
Bürgern. 45 Wohnungen wurden zerstört, 300 Menschen zwangsweise
vertrieben. Eine der absurdesten und bestürzendsten Teile dieser
Operation war, dass israelisch jüdische Gymnasiasten als
Freiwillige des Zivilschutzes dazu benützt wurden, den Besitz ihrer
Mitbürger vor der Zerstörung aus den Wohnungen zu holen. Außer
Berichten über Wandalismus und Verachtung für ihre Opfer wurden die
Studenten photographiert, wie sie sich in den Möbeln vor den Augen
ihrer Besitzer aalten. Als schließlich die Bulldozer mit der
Zerstörung begannen, jubelten die Freiwilligen und feierten. Während
der nächsten Woche, als israelische Aktivisten den Bewohnern halfen,
die Teile zusammen zu lesen und ihre Heime wieder aufzubauen,
schickte der Jüdische Nationalfond, die israelische Landbehörde, das
Innenministerium und die Grüne Patrouille des
Landwirtschaftsministeriums (von Sharon gegründet, damit die
Beduinen nicht die Negev „übernehmen“) die Polizei und Bulldozer und
zerstörten das Dorf zum zweiten Mal.
Obwohl Al-Araqib eines der 44 nicht
anerkannten Beduinendörfer im Negev ist – von denen nur 11 primitive
Bildungs- und medizinische Einrichtungen haben, keinen Strom und
sehr begrenzten Zugang zu Wasser und keine festen Straßen – ist es
trotzdem von israelischen Bürgern bewohnt, von denen einige sogar
Militärdienst abgeleistet haben. Während die Zerstörung arabischer
Häuser innerhalb Israels kein neues Phänomen ist – zerstörte die
israelische Regierung im letzten Jahr drei mal mehr Häuser von
israelischen (arabischen ) Bürgern innerhalb Israels als in den
besetzten Gebieten ( abgesehen von den 8000 Häusern bei der Invasion
in den Gazastreifen) – das macht deutlich, dass der Terminus
„Besatzung“ nicht allein auf die Westbank, Ost-Jerusalem und den
Gazastreifen ( und die Golanhöhen) bezogen werden kann. Die
Situation der arabischen Bürger in Israel ist fast so unsicher wie
die der Palästinenser der besetzten Gebiete, und ihr Ausschluss aus
der israelischen Gesellschaft ist fast vollkommen. Während rund 1000
Städte und landwirtschaftliche Dörfer seit 1948 in Israel – nur für
Juden - errichtet wurden, ist keine einzige arabische Siedlung
gegründet worden – mit der Ausnahme von sieben Wohnhausprojekten
für Beduinen im Negev, wo keiner der Bewohner Landwirtschaft treiben
oder Tiere halten darf. Tatsächlich verbieten Gesetzesregeln
palästinensischen Bürgern Israels das Leben auf 96% des Landes. Sie
sind nur für Juden.
Die Botschaft der Bulldozer ist klar:
Israel hat zwischen dem Mittelmeer und dem Jordan eine bi-nationale
Entität geschaffen, in der sich eine Bevölkerung (die Juden) selbst
von der anderen getrennt hat und ein Regime von permanenter
Herrschaft errichtet. Das ist genau die Definition von Apartheid.
Und die Botschaft ist in den Wochen und Tagen, die zum Ramadan
führten, deutlich ausgesprochen worden. Es steht sogar mit feinen
Worten auf Papier. Netanyahu veröffentlichte ein Statement: „Wir
kennzeichnen diesen bedeutenden Monat inmitten von Versuchen,
direkte Friedensgespräche mit den Palästinensern und
Friedensverträge mit unsern arabischen Nachbarn zu erreichen. Ich
weiß, ihr seid Partner mit demselben Ziel, und ich bitte euch um
eure Unterstützung im Gebet und bei jeder anderen gemeinsamen
Bemühung, eine wirklich friedvolle und harmonische Koexistenz zu
schaffen.“ Obama und Clinton sandten auch ihre Grüße an die
muslimische Welt. Obama, indem er feststellte, dass der Ramadan „
uns an die Prinzipien erinnert, die uns gemeinsam sind, und an die
Rolle des Islam: Gerechtigkeit, Fortschritt, Toleranz und die Würde
aller Menschen voran zu bringen.“ Das Weiße Haus und das
Außenministerium werden ( am Ende des Ramadan) Iftar-Mahle halten.
Aber die Bulldozer und andere
Äußerungen der Apartheid …sprechen eine andere Sprache.
Jeff Halper ist Direktor des
israelischen Komitees gegen Hauszerstörungen (ICAHD er kann über
jeff@icahd.org erreicht werden.
Das israelische Komitee gegen
Hauszerstörungen hat seinen Standort in Jerusalem und hat
Vertretungen in England und den USA.
Bitte besucht unsere Internetsites:
www.icahd.org
www.icahduk.org
www.icahdusa.org
(dt u. geringfügig gekürzt: Ellen
Rohlfs)
|