Rabbiner Arthur Waskow zur
Selbstverbrennung in Tel Aviv am 14.7.2012
Liebe Deinen Nächsten wie dich
selbst: verbrenne deinen Nächsten, verbrenne dich
selbst.
Ein israelischer Jude Moshe
Silman hat sich am Samstag in Tel Aviv öffentlich
angezündet. Nach dem letzten Bericht befindet er
sich in einer kritischen Lage mit 90% Verbrennungen
seines Körpers. Bevor er sich anzündete, verteilte
er diesen Brief an die Mengen:
„Ich bin Moshe Silman (Nummer
des Personalausweises und Adresse in Haifa)
Der Staat Israel hat mich
bestohlen und ausgeraubt und ließ mich mit nichts
und das Tel Aviver Distriktgericht hat mir nicht
zur Gerechtigkeit verholfen.
Hanan Brenner,
Registraturbeamter des Tel Aviver Distriktgerichts,
der das Gesetz verletzte,
unterbrach - arroganterweise -
das Prozessverfahren.
Der Staat will mir nicht mit
einer Rente helfen. Zwei Komitees des
Wohnungsministeriums haben mich zurückgewiesen,
obwohl ich einen Schlaganfall hatte und 100%
arbeitsunfähig bin. Fragt den Manager von Amidar in
Haifa an der Prophetenstraße.
Ich klage den Staat Israel an.
Ich klage den
Ministerpräsidenten Bibi Netanjahu und den
Finanzminister Javal Steinitz an, wegen der
Demütigung, die die schwächsten Bürger tagein,
tagaus durchmachen müssen,
Die Schurken, die von den
Armen nehmen und den Reichen geben.
Ich klage die Arbeitnehmer im
öffentlichen Dienst an, besonders Ben David, den
Manager der Orderausführung und den Manager der
Schadenersatzbehörde (Lincolnstr. Tel Aviv), die
unrechtmäßig meinen Gemüsewagen genommen haben.
Ich klage die
Nationalversicherung in Haifa an, die mich ein Jahr
lang warten ließ, bis ich
Erwerbsunfähigkeitsrente
erhielt.
Dass ich von 2300 Schekel pro
Monat Versicherung und mehr für Medikamente zahlen
muss
Ich habe kein Geld für Medizin
oder Miete.
Ich kann nicht zurecht kommen,
nachdem ich Millionen an Steuern gezahlt habe
Ich war in der Armee und bis
46 machte ich meinen Reservedienst.
Ich will nicht obdachlos sein
– deshalb protestiere ich gegen alle
Ungerechtigkeiten des Staates, die er gegen mich und
andere wie ich begeht.
Silman zündete sich an, nachdem
er am Marsch von Tausenden teilnahm, die den
Jahrestag des „Sozialen Protestes“ und der
Zeltstädte in Israel begingen. Silman selbst nahm
an den Protesten teil. Er wurde als völlig normale
Person, die in Tel Aviv lebt, beschrieben, bis sein
Geschäft zusammenbrach. Dann wurde er Taxifahrer bis
er einen Schlaganfall erlitt, der ihn arbeitsunfähig
machte. Er zog von Tel Aviv nach Haifa um, weil er
sich das Leben in Tel Aviv nicht mehr leisten
konnte .
„Liebe deinen Nächsten wie dich
selbst“. Ist dies eine schwermütige Hoffung oder
eine genaue Beschreibung der Realität?
Liebe deinen Nächsten wie dich
selbst“ Wenn du deinen Nächsten liebst, wirst du
materielle und spirituelle Bedingungen schaffen,
wie du sie liebst. Wenn du deinen Nächsten
unterdrückst, dann wirst du dich schließlich selbst
unterdrücken.
Israel, einst die egalitärste der
demokratischen Gesellschaften, ist jetzt eine
Gesellschaft mit ungleichster Verteilung des
Reichtums und eine der schwächsten, was die sozialen
Dienste betreffen. Deshalb brach im letzten Jahr die
soziale Protestbewegung aus. Deshalb zündete Silman
sich selbst an.
„Liebe Deinen Nächsten wie dich
selbst ….
Israel opferte die Vision seiner
Gründer, eine Demokratie mit gleichen Rechten für
alle, für das Idol der Besatzung. Die spirituelle
und materielle Einstellung und das Verhalten der
israelischen Regierung gegenüber den Palästinensern
hat ihr Verhalten auch gegenüber den Israelis
korrumpiert.
Arroganz gegenüber den
Palästinensern infiziert die Haltung der 1% Israelis
gegenüber den 99% Israelis. Die Ausgaben für
Hunderttausende von Israelis in luxuriösen
Siedlungen auf dem einzigen Land, das einen
palästinensischen Staat stützen könnte, plus die
Ausgaben für den militärischen Schutz dieser
Eindringlinge, plus die Ausgaben für die
Schnellstraßen ‚nur für Juden’ und Hunderte von
Checkpoints nicht nur zwischen Israel und einem
möglichen Palästina, sondern innerhalb des möglichen
Palästina selbst, was eine Stadt von der anderen
trennt und palästinensisches Land vom
palästinensischen Bauern, der es zu bearbeiten
versucht --- all dies macht es unmöglich, billigere
Wohnungen in Israel zu bauen, einen mitfühlenden
Gesundheitsdienst aufzubauen, eine für alle gleiche
Ausbildung anzubieten .
All dies konzentriert Reichtum
und Macht bei wenigen, all dies schafft Arroganz,
die sich keiner Macht unterstellt. All dies hilft
und begünstigt die 1% Israelis großartig zu leben,
während die anderen leiden.
Gestern die Westbank, morgen Tel
Aviv.
Im alten Heiligen Tempel war das
Brandopfer dazu da, die Herzen der Leute für Reue
zu öffnen und von da zur Sühne. Möge das Brandopfer
von Moshe Silman uns, uns alle zur Reue führen und
zum Handeln – und mag unser Handeln die Regierung
Israels zur Reue, zur Sühne und zur Gerechtigkeit
bringen.
Shalom, Salaam ---
Arthur
(dt.
geringfügig
gekürzt: Ellen Rohlfs)
office@theshalomcenter.org
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