„Die Regierung lässt uns alle ertrinken“
Uri Avnery wurde von rechten Schlägertypen
angegriffen
Ein Unglück wurde gestern (5. Juni) auf Tel Avivs Museumsplatz
verhindert, nachdem Rechte eine Rauchbombe in die Mitte der
Protestdemo warfen, offensichtlich mit der Hoffnung, dass eine Panik
ausbricht und die Demonstranten übereinander trampeln. Aber die
Demonstranten blieben ruhig, keiner fing zu rennen an, und nur ein
kleiner Raum in der Mitte der Menge blieb leer. Der Sprecher ließ
sich nicht irritieren, auch nicht, als die Rauchwolke das Podium
erreichte. Unter den Zuhörern waren viele Kinder.
Eine halbe Stunde später griffen ein Dutzend rechte Schlägertypen
Gush Shaloms 86Jährigen Uri Avnery an, als er in Gesellschaft seiner
Frau, von Adam Keller und seiner Frau Beate Silversmidt auf dem Weg
nach Hause war. Avnery war gerade in ein Taxi gestiegen, als ein
Dutzend rechter Schlägertypen ihn angriffen und versuchten, ihn aus
dem Taxi zu ziehen. Im kritischen Augenblick kam die Polizei und
machte es möglich, dass der Wagen abfahren konnte. Der
Gush-Shalom-Sprecher Adam Keller sagte: „Diese Feiglinge wagen uns
nicht anzugreifen, wenn wir viele sind – aber sie sind Helden, wenn
sie Avnery alleine erwischen.“
Der Vorfall ereignete sich, als die mehr als 10 000 Demonstranten
auseinander gingen, nachdem sie durch die Straßen von Tel Aviv
gegangen waren aus Protest gegen den Angriff auf die für Gaza
bestimmte Hilfsflotte.
Dies war nicht nur seit langem die größte Friedensdemo – sondern
auch das erste Mal, dass alle Teile des Friedenslagers teilnahmen -
von Gush Shalom und Hadash bis Peace Now und Meretz – und sich auf
eine gemeinsame Aktion einigten.
Der Hauptslogan war „Die Regierung lässt uns alle ertrinken“ und
„Wir müssen auf den Frieden hin rudern“ – auf den Angriff auf die
Flotille anspielend. Die Demonstranten riefen mit einer Stimme:
„Juden und Araber weigern sich, Feinde zu sein!“
Die Demonstranten versammelten sich auf dem Rabin-Platz und
marschierten zum Museumsplatz, wo die Protestrallye gehalten wurde.
Ursprünglich war eine Demo gegen die Besatzung geplant, die jetzt
genau 43 Jahre dauert, und für Frieden, der sich auf die
„Zwei-Staaten für zwei Völker“ und auf „Jerusalem – Hauptstadt von
zwei Staaten“ gründet. Aber die Ereignisse der letzten Woche machte
die Demo hauptsächlich zu einem Protest gegen den Angriff auf die
Gaza-Flotille.
Neu war der Anblick der großen Anzahl von Nationalflaggen, die
zusammen mit der roten Flagge von Hadash und der grünen von Meretz
flatterte und dem Zwei-Flaggen-Emblem von Gush Shalom. Viele
Friedensaktivisten hatten entschieden, dass man die Nationalflagge
nicht länger den Rechten überlassen sollte.
„Die Gewalt der Rechten ist eine direkte Folge der Gehirnwäsche, die
während der ganzen letzten Woche stattfand,“ kommentierte Avnery. „
Eine große Propagandamaschine hat die Öffentlichkeit aufgehetzt, um
die schrecklichen Fehler, die unsere politische und militärische
Führung gemacht haben und die von Tag zu Tab schlimmer wurden, zu
verdecken.“
(dt. Ellen Rohlfs)
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