Die Schule fauler Äpfel
von Yitzhak Laor
Wer hat nur den
barbarischen Mord an Eden Natan Zada begangen? Wir
kennen sie nicht. Irgendwann werden wir uns mit
ihnen befassen. Israel ist ein gesetzestreues Land.
Die Durchsetzung des Gesetzes ist wichtig.
Gelegentlich setzt der Staat sogar Gesetze gegen
Juden durch, die Araber töten. Nicht immer – wie
z.B. im Fall des Siedlers Pinhas Wallerstein. Falls
jemand darüber nachdenken sollte - wir kennen auch
die Opfer von Natan Zadas nicht. Allgemein
gesprochen sind sie ein Teil der demographischen
Gefahr. Die Gebärmutter ihrer Mütter ist eine
tickende Bombe – einigen ihrer Söhne wird nicht
einmal erlaubt, mit ihrem Vater zu reden auf Grund
der hohen Mauern von Gesetzen, oder Mauern aus Beton
und Stacheldraht und zwingt sie, mit ihnen allein
übers Telefon zu reden und zu fragen, wann sie ihn
oder die Großmutter besuchen kommen können.
Weil sie eine „demographische Gefahr“ darstellen –
und das müssen sie täglich hören, weil sie Kinder
zeugen – und falls ihre Kinder die Rückständigkeit
überwinden, die von oben auf sie gelegt wird, und
sie es trotzdem bis zur Universität schaffen, dann
werden sie auch hier wissenschaftlichen Diskussionen
zuhören, in denen es um die Gefahr ihres natürlichen
Wachstums geht.
Wer wird denn jetzt unter anderem auch an die
Experten der „demographischen Gefahr“ denken, die
für die Hetze ( gegen Araber) verantwortlich sind?
Als Regel gilt, dass die Araber eine Gefahr sind, es
ist nur eine Frage der Zeit. Wie viel Zeit? Das ist
nicht klar. Aber bis dahin gehören sie im
öffentlichen Diskurs nicht auf die gleiche
politische Ebene. Wir werden darum gebeten, sie
nicht in die demokratische Mehrheit einzuschließen,
die das Schicksal des Landes entscheidet, eben weil
sie nicht in diese Diskussion gehören. Auf jeden
Fall gehören sie nicht zu anderen alltäglichen
Diskussionen – über Kino, Tourismus, Musik oder
Architektur. Sie sind nur ein Teil des Problems.
Der Mord wurde von denen ausgeführt, die niemals in
die Versöhnungskampagne der Tzav Piyus-Organisation
eingeschlossen wurden, die zig Millionen Shekel
gekostet hat, weil sie nicht auf Bilder passen, die
jüdische Lebensfreude zeigen. Ihren Städten fehlt es
an Geld, die Dörfer erhalten nicht die Straßen, wie
sie die Herren des Landes erhalten, und es ist
legitim, vorzuschlagen, dass sie in den
palästinensischen Staat ausgewiesen werden sollen,
falls der überhaupt eine Chance hat. Sie sind es,
die ihre Wohngebiete nicht über 2% des Landes
ausdehnen dürfen, obwohl sie 20% der Bevölkerung
darstellen. Sie sind es, für die seit 75 Jahren kein
neuer Ort gegründet wurde, abgesehen von ein paar
armseligen Städten im Negev. Die Arbeitslosenrate
ist dort groß und wird immer größer.. Sie können nur
weit weg von zu Hause und ihren Kindern Arbeit
finden. Oder bei der Grenzpolizei.
Im allgemeinen stärkt ein Mord, wie ihn Natan Zada
beging, die Solidarität der Mehrheit und festigt sie
in ihren Positionen. Das ist die Funktion eines
Verbrechens und der Worte: „ er war ein fauler
Apfel“ oder „ es ist die Tat eines Wahnsinnigen“. So
geschah es auch nach der Ermordung von Rabin. Statt
gegen die zu kämpfen, die die Gräueltat ausführten,
bemühte man sich, sie zu umarmen, und ein
Gewissenskampf en masse begann. Zwischen wem?
Natürlich zwischen Juden. Nach dem
Goldstein-Massaker ( Baruch Goldstein, ein jüdischer
Arzt, ermordete 1994 29 betende Araber in der
Abrahamsmoschee in Hebron) war es nicht anders. Nach
Jahren erhielt die „Jüdische Gemeinde in Hebron“
sogar gelegentlich Komplimente von Armee-Offizieren
– trotz des Slogans „ Araber in die Gaskammern !“,
die die „faulen Äpfel“ dort an die Mauern schmierten
– und trotz der täglichen Schikanen gegenüber den
Hebroner Bewohnern. Die Schulen der Aufrührer liegen
überall in den besetzten Gebieten in den Siedlungen.
Natan Zada erhielt seine Schulung in solch einer
Siedlung, die zusammen mit ihren Nachbarn, auf
täglicher Basis die palästinensischen Olivenpflücker
und Palästinenser bei der Erntearbeit misshandelte
und schikanierte. Die Gerichte haben ihre Verbrechen
immer sehr milde verurteilt.
Natan Zada kam aus einem elenden Stadtteil von
Rishon Lezion, wuchs in einer erbärmlichen und
sozial hoffnungslosen Schicht auf und wurde Mitglied
einer neuen in Israel gegründeten Religion – der
Religion des Landes, die eine Verbindung zwischen
religiösen und säkularen Leuten bildete und die
sogar Zeitungen als Teil einer Stimmung verkauft,
wie: „Zusammen werden wir den Abzug aus dem
Gazastreifen schon schaffen!“ Dieses
Zusammengehörigkeitsgefühl schließt nie die ein, von
denen Natan Zada einige tötete. Diese sehen uns nur
dann vom Fernsehschirm an, wenn etwas Schreckliches
geschehen ist.
Als ich einmal mit meinem fünfjährigen Sohn in
Metula war, stellte ich ihm den Dichter Salman
Masalha vor und sagte ihm: „Salman ist ein Araber.“
Das Kind sagte ganz ruhig zu mir: „Er sieht aber gar
nicht wie ein Araber aus.“ Ich fragte ihn: „ Wie
sieht denn ein Araber aus?“ Er sagte in aller
Ernsthaftigkeit: „Wie jemand, der sich nach einem
Autounfall schrecklich aufregt.“ Araber existieren
hier nur als Sicherheitsproblem. Natan Zada hatte
dies verstanden. Aber er hatte nicht verstanden,
dass man dies Problem nicht mit zwei vollen
Magazinen einer Waffe lösen kann. Vielleicht hat er
nicht mal gelernt, wie man eine Waffe neu auflädt.