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Israels Mauer ist tabu
Maulkorb für einheimische Reiseleiter
Von Andreas F. Kuntz
Als die Tourismusminister im November
2004 eine gemeinsame Absichtserklärung vorstellten, schien der Tourismus
in Israel und der Palästinensischen Autonomie endlich wieder besser zu
werden. Tatsächlich gab es Ruhe, und die Zahl der Besucher in Israel
stieg für Pessach und Ostern 2005 um etwa 40 Prozent verglichen mit dem
Vorjahr. Derweil zerreißt die Annexions-Mauer und der dazugehörige Zaun
das Land, schließt die palästinensische Bevölkerung von ihrem
kulturellen und religiösen Zentrum Ostjerusalem und so manchen
Olivenbaumbesitzer von seinen Feldern aus. Bei den palästinensischen
Tourismusunternehmen wächst die Unsicherheit über die Folgen der Mauer:
Werden eines Tages sogar die palästinensischen Busfahrer aus
Ostjerusalem nur bis zum neuen Terminal im Norden Bethlehems fahren
können, während die Touristen umsteigen müssen? Muss das Unternehmen
erhöhte Kosten an der neu befestigten und nach Bethlehem
hineingeschobenen "Grenze" kalkulieren?
Was geschieht bei einem Besuch in
Bethlehem heute? Meistens handelt es sich um eine Stippvisite in
Bethlehem, wie er in den Pilgerprogrammen als ein Muss vorhanden ist.
Der Besuch wird organisiert und
bezahlt von einem großen Souvenirhändler in Bethlehem. Für jede Gruppe
erhält die israelische Seite, Busfahrer, Reiseleiter und auch die
Agentur eine Kommission, in der Hoffnung, dass die Gruppe ordentlich
einkaufen wird. Die Gruppe steigt in einen lokalen Bus um und erhält
einen Reiseleiter aus Bethlehem, sofern sie nicht Ostjerusalemer
Personal nutzt. Die Bethlehemer Reiseleiter sind meistens für das ganze
Heilige Land lizenziert, erhalten aber keine Erlaubnis der israelischen
Militärbehörden, sich nach Israel oder Ostjerusalem zu begeben.
Das Programm besteht aus einem
Kurzbesuch in einer der ältesten arbeitenden Kirchen der Welt, der
Geburtskirche, und aus einem Stopp beim jeweils organisierenden
Souvenirhändler. Die 1999 sanierte Altstadt oder gar
Kulturveranstaltungen werden nicht besucht, geschweige denn eine
interkulturelle Erfahrung für die Reisenden ermöglicht. Schon in den
90er Jahren hatten sich viele arabische Christen gewundert, wie die
pilgernden Gäste gerade am Ort der Menschwerdung Gottes ihre Mitmenschen
so gründlich verfehlen können. Diese Praxis droht sich 2005 erneut zu
festigen. Letztlich vermeiden die Besucher fast jegliche nachhaltige
Investition vor Ort.
Für die einheimischen Reiseleiter ist
die Situation besonders schwer. Viele hoffen auf die Freizügigkeit, wie
sie für den Austausch von Waren und Dienstleistungen im Zuge des
Oslo-Prozesses vereinbart wurde und die auch die gegenseitige
Anerkennung der Lizenzen mit einschließt. Doch alles hängt von der
Erteilung einer Erlaubnis ab.
Über die aktuellen Auswirkungen des
Mauerbaus sollen die Reiseleiter während der Stippvisite allerdings
schweigen. Manche Reiseleiter arbeiten inzwischen nur noch für das
Trinkgeld der Gruppen, um überhaupt eine Tätigkeit zu haben. Wer will
sich schon die Zukunft verbauen? Ein Bethlehemer Reiseleiter: "Als ich
die Gruppe zum Kontrollpunkt zurückbrachte, fragte mich mein
israelischer Kollege: Hast du etwas über die Mauer gesagt?"
http://www.tourism-watch.de/dt/39dt/39.israel/index.html
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