Eine andere Art von
Heiligland-Kreuzfahrern *
Daphna Berman, 15.10.04
Sie sitzt auf
einer Couch und lehnt sich an viele Kissen, ihr geschwollenes
Bein hat sie hochgelegt und den gebrochenen Arm so gut wie
möglich auf die Seite gelegt. Kim Lamberty gibt zu, dass sie
schon bessere Zeiten gesehen hat. Obwohl die 44 jährige
Friedensaktivistin jetzt wieder in der Lage ist, zu gehen und
die meisten Verletzungen von ihrem Gesicht und Körper
verschwunden sind, so ist es ein schwieriger Monat gewesen, wie
sie sagt.
Es sind mehr
als zwei Wochen vergangen, seitdem jüdische Siedler Kim Lamberty
brutal zusammengeschlagen haben, als sie und eine andere
Aktivistin palästinensische Kinder aus Tuba im Gebiet der
Hebroner Hügeln zu ihrer Elementar-Schule in einem nahen Dorf
begleiteten. Aber als sie sich in dieser Woche im Quäkerhaus
auf dem Ölberg in Jerusalem erholte, sah sie nicht im geringsten
müde oder abgeschreckt aus. „Ich kannte die Risiken meines
Hier-seins“ sagte sie nur.
Als Mitglied
des Christian Peacemakers Team (CPT) glaubt Lamberty, eine
Amerikanerin aus Washington D.C, fest daran, wie wichtig
internationale Präsenz in der Westbank ist. „Ich dachte, dass
mit solcher Präsenz die Siedler wahrscheinlich weniger
gewalttätig seien.“, sagte sie und zeigte auf ihr bandagiertes
Knie, „was anscheinend nicht stimmt.“
Die Angreifer
wollten uns einschüchtern, abschrecken und uns zwingen,
wegzugehen. Aber das wird nicht geschehen; denn wenn die Gewalt
eskaliert, werden wir mit mehr Gewaltlosigkeit reagieren“.
CPT ist eine
internationale pazifistische Organisation mit 200 aktiven
Mitgliedern, die rund um die Welt stationiert sind. Sie haben
Basisgruppen in Bagdad, Columbia und Kanada, wo die Organisation
für den Schutz der Rechte des „First Nation People“
(Ureinwohner) arbeitet. In der Vergangenheit hat CPT mit der
eingeborenen Bevölkerung von Mittelamerika gearbeitet. Vor
kurzem schlossen sie dies Projekt, dessen Ziel es war, illegale
mexikanische Grenzgänger vor Polizeigewalt zu schützen. Seit
1995 haben sie eine Präsenz in der Westbank aufgebaut. Doch ihre
Zahl fluktuiert, weil jedes Mitglied nur ein kurzes drei Monate-
Touristik-Visum erhält . Die Gruppe in der Westbank besteht im
Augenblick aus neun Freiwilligen.
Die Mitglieder
von CPT sind alle Christen, die fest an den Pazifismus des
Evangeliums glauben. Für sie ist das Praktizieren von
Gewaltlosigkeit so etwas wie ein religiöses Mandat. Sie
verbringen ihre Tage damit, palästinensische Schulkinder zu
begleiten, die militärischen Kontrollpunkte zu beobachten und
auf den Straßen zu patrouillieren. Damit sie nicht mit Siedlern
verwechselt werden, tragen sie Hüte in leuchtenden Farben.
„Wir sind nicht
einseitig“, erklärt CPT-Mitglied Diane Jenzen, eine Mennonitin
aus Kanada. Sie fügt noch hinzu, dass Mitglieder der
Organisation auch schon in Bussen gefahren sind, um
Selbstmordattentäter abzuschrecken oder dass sich einer einem
Palästinenser in den Weg stellte, der einen Soldaten mit einem
Messer angreifen wollte.
Die
Freiwilligen beginnen jeden Tag mit einem halbstündigen Gebet.
Und da mehrere christliche Denominationen vertreten sind, kann
dies alles einschließen: vom stillen Gebet der Quäker bis zur
katholischen Liturgie. „Ich frage mich selbst, bin ich Christin
oder bin ich es nicht?“ sagt Kim Lamberty, die als Protestantin
aufgewachsen ist und 1990 zum Katholizismus übergetreten ist.
„Und wenn ich wirklich Christin bin, dann sollte ich bereit
sein, um der Gerechtigkeit und des Friedens willen, auch Risiken
auf mich zu nehmen. Ich muss mit meinen Leben reden, weil ich
nur dies habe.“
Lamberty ist
nicht das erste Mitglied des CPT, das ein Opfer von Gewalt
wurde, aber der Angriff gegen sie und ihre Kollegin Chris Brown
war der ernsteste in der Geschichte der Organisation.* Noch
besteht die Gefahr, dass christliche Aktivisten dem ausgesetzt
sind. Sie verstehen dies als Teil ihrer religiösen Erfahrung.
„Jetzt ist die
Zeit, um unseres Glaubens willen alles zu riskieren, dass Jesus
der Weg des Friedens ist,“ verkündigte der Theologe Ron Sider
1984 bei der Weltkonferenz der Mennoniten in Straßburg. Diese
Rede sollte zur Inspiration für CPT werden.
„Wir müssen
bereit sein, zu Tausenden zu sterben“, sagte er weiter.
„Diejenigen, die an den Frieden durch das Schwert glaubten,
haben nicht gezögert zu sterben. Stolz und mutig gaben sie ihr
Leben. Immer wieder opferten sie eine glänzende Zukunft der
tragischen Illusion, dass ein weiterer gerechter Kreuzzug in
ihrer Zeit Frieden bringen würde - und Millionen gaben ihr
Leben ...Wenn wir nicht zu sterben bereit sind, um neue
gewaltlose Versuche zu entwickeln, um die Konflikte zu
reduzieren, sollten wir bekennen, dass wir niemals wirklich
glaubten, dass das Kreuz eine bessere Alternative ist als das
Schwert.“
Am Ende ihres
mehrfachen drei-Monate-Aufenthalts kehren Aktivisten wie Cal
Carpenter, ein episkopales Mitglied von CPT aus Minnesota, nach
Hause zurück und berichten von ihren Erfahrungen auf der
Westbank. Sie hoffen, dass sie in ihrer Kirche mehr politisches
Bewusstsein wecken, damit Gewaltlosigkeit mehr als nur ein
religiöses Ideal wird. Sie würden gern mehr gegen die große und
laute christlich-zionistische Bewegung in den USA ankämpfen,
doch geben die Aktivisten zu, dass ihre Anhängerschaft im
Vergleich zu der des Fernsehevangelisten Pat Robertsons sehr
begrenzt ist.
Bald wird
Lamberty nach Hebron zurückkehren, wo sie dann den Bürodienst
machen wird, den keiner tun mag. Sie würde auch lieber auf den
Straßen patrouillieren und palästinensische Kinder zur Schule
begleiten. Aber der Stock, mit dem sie jetzt gehen muss, macht
die umliegenden Hügel für sie unbegehbar. Sie tröstet sich noch
immer mit der Erinnerung an die wenigen Tage in
palästinensischen Dorf T.. „Wenn das Leben von irgend jemand
leichter oder weniger demütigend gemacht wurde, weil ich irgend
etwas getan habe, dann gibt mir dies ein gutes Gefühl.“ sagte
sie.
*Andere
internationale Gruppen die wie CPT arbeiten: Mitglieder der
ISM-Gruppe (Internationale Solidaritätsbewegung) haben
schon einige Opfer der Gewalt zu beklagen: Rachel Corrie wurde
absichtlich und tödlich von einem Bulldozer überfahren, weil sie
versucht hatte, ihn daran zu hindern, noch ein Haus von völlig
friedlichen Palästinensern in Rafah zu zerstören. Tom Hurndal
wurde angeschossen, als er Kinder aus dem Schussbereich des
Militärs brachte. Er lag monatelang im Koma und starb dann in
England. Einem dritten, dessen Namen ich leider vergessen habe,
wurde das halbe Gesicht weggeschossen – er lebt noch – nach
vielen Operationen – aber fragt nicht wie.
Es gibt dann
noch die e.a. (ekumenical accompagniers) und die IWPS
(International Women Palestine Solidarity), die alle zusammen
mit israelischen Friedensgruppen und mit Palästinensern
gewaltlos gegen die Mauer demonstrieren oder im Augenblick bei
der Olivenernte helfen, weil die pal. Dorfbevölkerung von
Siedlern angegriffen wird, oder vom Militär nur für drei Tage
zur Ernte ihrer eigenen Bäume die Erlaubnis erhalten, oder weil
nur Frauen zu den Olivenhainen jenseits der Mauer zugelassen
werden oder vielen anderen unmenschlichen Restriktionen
ausgesetzt sind. Alle sind Zeugen der isr. Besatzung und sie
berichten weltweit.
Natürlich
versucht die isr. Regierung diese internationalen Helfer und
Zeugen loszuwerden. Vor kurzem wurde Angie Zelter , die ich auch
persönlich kenne (Sie erhielt mit Gush Shalom den Alternativen
Nobelpreis 2001), verhaftet und abgeschoben --- und manch einer
wird kein 2. Mal hineingelassen. ER.
(dt. Ellen Rohlfs)
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