Wie Israels Propaganda funktioniert
Das Erfolgsrezept: die Fakten unsichtbar machen
und moralische Apathie erzeugen
Arn Strohmeyer
Es war nicht Josef Goebbels, der den Begriff und
die Methoden der Propaganda kreiert hat (wie man
irrtümlich denken könnte), sondern der
Amerikaner Edward Barnays (1891 – 1995). Er war
der einflussreichste „Propagandist von
Propaganda“ und hat die Grundlagen und Techniken
in seinem 1928 erschienen Buch „Propaganda“
dargelegt. Der Kern seiner Aussagen lässt sich
so zusammenfassen: Als Propaganda sind alle
systematischen Versuche anzusehen, die darauf
abzielen, die natürliche Urteilsfähigkeit von
Menschen zu unterminieren und Einstellungen,
Überzeugungen und Meinungen zu erzeugen, durch
die sich Menschen zum Vorteil der jeweils
herrschenden Eliten missbrauchen lassen. Bernays
Buch wurde zum Klassiker in Politik und
Business. Josef Goebbels schöpfte aus diesem
Werk, wobei ihn auch nicht störte, dass Barnays
Jude war. Barnays nahm aber umgekehrt die
Sympathie des obersten Nazi-Propagandisten für
sein Buch 1948 zum Anlass, den Begriff
Propaganda als belastet anzusehen. Er ersetzte
ihn durch „Public Relations“.
Eine hoch aktuelle Auseinandersetzung mit der
Propaganda-Problematik findet sich in dem sehr
lesenswerten Buch von Rainer Mausfeld „Warum
schweigen die Lämmer? Wie Elitendemokratie und
Neoliberalismus unsere Gesellschaft und unsere
Lebensgrundlagen zerstören“ (Westend-Verlag,
Frankfurt/ Main 2018). Wie der Titel angibt,
belegt der Autor, der emeritierter Professor für
Allgemeine Psychologie ist, sehr eindrucksvoll
und anschaulich, dass die Regierungsform der
repräsentativen Demokratie eigentlich eine
Scheindemokratie ist, weil das Volk als die
große Mehrheit der Gesellschaft an den wirklich
wichtigen Entscheidungen gar nicht beteiligt
ist, diese auch nicht von der jeweiligen
Regierung und dem Parlament gefällt werden,
sondern von der kleinen neoliberalen Elite, die
aber gar keine demokratische Legitimation
besitzt.
Zu einer solchen Herrschaftspraxis gehört
natürlich auch ein Volk, das so etwas mit sich
machen lässt und sich eher passiv verhält, also
nicht selbst politisch aktiv und tätig wird. So
erklärt sich auch der metaphorisch zu
verstehende Titel von Mausfelds Buch: Die Lämmer
(das Volk) brauchen den Hirten (die Autorität,
die Regierung, das Parlament). Der Hirt ist aber
gar nicht in erster Linie dem Wohl seiner Herde
verpflichtet, sondern dem Herdenbesitzer (dem
Vertreter der herrschenden Elite). Die sehr alte
Hirtenmetapher dient also vor allem der
Rechtfertigung des Status der Machteliten.
Um die Widersprüche zwischen Herrschenden und
Beherrschten zugunsten ersterer zu minimieren
und so dem Duck nach gesellschaftlichen
Veränderungen zu entgehen, setzen die Eliten
Propaganda ein, euphemistisch auch
„Demokratie-Management“ genannt. Mausfeld geht
ausführlich auf die Methoden und Praktiken
dieser Art von Massenbeeinflussung ein, die ja
nicht auf einen Staat oder ein Land beschränkt,
sondern universell gültig sind. Israel erwähnt
er dabei nur am Rande, aber seine Aussagen
lassen sich gut auf den zionistischen Staat
anwenden, der es ja in der Ausübung der Hasbara
(hebräisch Propaganda) zu großer Meisterschaft
gebracht hat.
Schon vor Jahren hat der inzwischen verstorbene
israelische Publizist Uri Avnery darauf
hingewiesen, dass das Image Israels durch seine
Landeroberungskriege und die brutale
Unterdrückung der Palästinenser sehr schlecht
sei. Die Lösung des Problems finde sich aber in
der Bibel. „Denn mit List sollst Du Kriege
führen!“ heiße es dort. So hätten die
zionistischen Führer von Anfang an gewusst, dass
ihre Vision eines jüdischen Staates in Palästina
ein großes Maß an Tarnung benötige. Denn es sei
unmöglich – so Avnery – , ein Land wie Palästina
zu übernehmen, das von einem anderen Volk
bewohnt werde, ohne das Ziel zu vertuschen und
seine Taten vor Ort hinter einem Schirm blumiger
Wort zu verbergen. „Tarnung“ und „blumige Worte“
sind eine gute Umschreibung für das, was man in
Israel „Hasbara“, eben Propaganda nennt.
Mausfeld nennt vier allgemeine Techniken, die
Bewusstsein und Meinungsbildung möglichst
nachhaltig und langfristige steuern sollen:
1.
Deklariere Fakten als Meinungen. In der Haltung,
mit Tatsachen so umzugehen, als handle es sich
um bloße Meinungen, liegt, wie Hannah Arendt
bemerkte, einer der erschreckendsten Aspekte
totalitärer Denksysteme.
2.
Fragmentiere die Darstellung eigentlich
zusammenhängender Fakten so, dass der
Sinnzusammenhang verloren geht.
3.
Dekontextualisiere Fakten, löse sie aus ihrem
eigentlichen Zusammenhang, so dass sie als
isolierte Einzelfälle erscheinen.
4.
Rekontextualisiere Fakten, bette sie so in einen
neuen, mit „positiven“ Begleitvorstellungen
versehenen Kontext ein, dass sie ihren
ursprünglichen Sinnzusammenhang und ein damit
möglicherweise verbundenes Empörungspotential
verlieren.
Zu den einzelnen Punkten lassen sich sehr gut
konkrete Beispiele anführen. Zu Punkt 1.: Auf
Kritik an seinem Vorgehen gegen Menschenrechte
und Völkerrecht reagiert der Staat Israel mit
seiner Propaganda auf verschiedene Weise. Er
nimmt diese Kritik entweder gar nicht zur
Kenntnis oder wehrt sie eben als bloße Meinungen
ab, was ja heißt, die Fakten schlicht zu
leugnen. Nimmt Israel Vorwürfe und Kritik doch
zu Kenntnis, setzt es in der Regel sein
Diffamierungs- und Denunziationspotential ein,
d.h. es reagiert mit seiner schärfsten Waffe:
dem Antisemitismus-Vorwurf.
Mausfeld bezeichnet solche Diffamierungs- und
Denunziationsbegriffe (nicht allein auf Israel
bezogen, sondern auf alle westlichen
Demokratien, aber für Israel sehr zutreffend)
als „Mentalvergiftung“. Er schreibt: „Diese
Begriffe [er nennt die Begriffe ‚Querfront‘,
‚Verschwörungstheorie‘, ‚Populismus‘,
‚Antiamerikanismus‘ und ‚Antisemitismus‘] haben
eine perfide Logik: Sie beruhen auf einer
bestimmten Form einer gedanklichen Verklammerung
unterschiedlicher Themenbereiche, durch die
suggeriert wird, zwei gänzlich unabhängige
Themenbereiche seinen gleichsam ihrem Wesen nach
miteinander verwoben. Auf diese Weise sollen
speziell Themen, deren öffentliche Diskussion
die Machteliten und die sie stützenden
Elitengruppen als unerwünscht und abträglich für
ihren Status ansehen, dadurch in Diskredit
gebracht werden, dass sie mit Themen verklammert
werden, die geächtet sind oder als anrüchig
gelten – wie etwa rechtsextreme oder
rassistische Auffassungen. Durch eine solche
Verklammerung können sich die Macht- und
Funktionseliten vor Kritik immunisieren, indem
sie bestimmte Themenbereiche aus dem
öffentlichen Diskussionsraum verbannen.“
In diesen Zusammenhang der israelischen
Propaganda gehört das Vorgehen dieses Staates,
seine Untaten möglichst unsichtbar zu machen
oder sie moralisch zu rechtfertigen. Denn Israel
gesteht sich auf Grund der jüdischen
Leidensgeschichte kulminierend im Holocaust –
und auf Grund des jüdischen
Auserwähltheitsgedankens – eine Sonderstellung
zu, gehört (wie die gesamte „westliche
Wertegemeinschaft“) zu den „Guten“ auf dieser
Welt – im Gegensatz zu den „bösen Anderen“, in
diesem Fall die Palästinenser. Der zionistische
Staat will deshalb seine Taten grundsätzlich
anders bewertet wissen als die von anderen
Staaten begangenen. Ihm ist wegen seiner
Sonderstellung „alles erlaubt!“
Diese Auffassung wird auch durch die
zionistische Einstellung zur Menschenwürde
gestützt. Der Jura-Professor und Rechtsphilosoph
Paul Tiedemann (Gießen) merkt in seinem Buch
„Menschenwürde als Rechtsbegriff“ an: „Der
zionistische Begriff von Menschenwürde ist nicht
universal. Er ist identisch mit dem Begriff der
jüdischen Ehre. Die Verletzung der Menschenwürde
von Nicht-Juden, etwa der Palästinenser, wird
von diesem Begriff nicht erfasst und bleibt
deshalb innerhalb der zionistischen Reflexion
unsichtbar.“
Die israelische Propaganda bemüht sich also mit
allen Mitteln, die Verbrechen dieses Staates
gegen die Palästinenser unsichtbar zu machen.
Sie finden hinter der Mauer und hohen Zäunen
statt. Die Propaganda tut diese Fakten aber als
bloße Meinungen oder Falschbehauptungen ab. Die
Freunde, Anhänger und Verteidiger Israels
schließen sich diesem Vorgehen an, nähmen sie
die Fakten zur Kenntnis, könnten sie nicht so
argumentieren, wie sie argumentieren – eben mit
dem Antisemitismus-Vorwurf. Ein gutes Beispiel
hierfür ist der Bundestagsbeschluss zu BDS, der
auf die Besatzung und Unterdrückung der
Palästinenser mit keinem Wort eingeht. Die
israelische Propaganda entfaltet also auch in
Deutschland ihre Wirkung. Ihre Positionen und
Methoden haben sich auch die Mainstream-Medien
in Deutschland einschließlich der
öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und
Fernsehanstalten zu eigen gemacht, für die die
Berichterstattung über die brutale
Okkupationspolitik Israels ein völliges Tabu
ist.
Zu Punkt 2.: Israel stellt sich in seiner
Propaganda als ein friedliebender demokratischer
Staat dar, als „lebendige Demokratie“, ein
blühendes High-Tech-Land, das obendrein über
schöne Landschaften, eine hohe Kultur und
gastfreundliche Menschen verfügt. Um dieses
Image zu erzeugen, heuert Israel die
renommiertesten Werbeagenturen der Welt an und
gibt viel Geld für die „richtige“
Selbstdarstellung aus. Der zionistische Staat
lässt aus Image-Gründen die Tour de France in
Jerusalem starten, richtet den Europäischen Song
Contest aus, schickt eine Rakete zum Mond und
rekrutiert eine ganze Armee von Cyber-Kriegern,
die rund um die Uhr im Internet surfen, um
positive Nachrichten über das Land zu verbreiten
bzw. schlechte zu „korrigieren“.
Die Besatzung und die Unterdrückung von fast
fünf Millionen Menschen im Westjordanland und im
Gazastreifen, die über keine bürgerlichen und
politischen Rechte verfügen (und im Gazastreifen
wegen der totalen israelischen Abriegelung ein
Elendsdasein führen müssen), kommen in den
schönen Werbebildern natürlich nicht vor. Auch
nicht der tägliche Landraub, die
Häuserzerstörungen, die nächtlichen Razzien mit
ihren Verhaftungen und die fast täglichen
Bombardierungen Gazas. Auch nicht, dass die
Palästinenser, die in Israel leben (20 Prozent
der Bevölkerung) durch das neue
„Nationalstaatsgesetz des jüdischen Volkes“ ganz
offiziell zu Bürgern zweiter Klasse degradiert
worden sind. Genau das ist die „fragmentierte
Darstellung zusammenhängender Fakten, sodass der
Sinnzusammenhang verloren geht.“
Zu Punkt 3.: Wirft man Israel vor, in den
besetzten Gebieten Kriegsverbrechen zu begehen,
weil es bei seinen Angriffen auf die
Palästinenser die Zivilbevölkerung nicht schont,
sondern stets massiv angreift, dann leugnet der
zionistische Staat solche Fakten in der Regel
oder er zieht sich auf die Ausrede zurück, es
handele sich dabei um „Einzelfälle“ und man
werden den Fall selbstverständlich untersuchen.
Die Kritik, Fakten aus dem Kontext zu reißen,
gilt auch für Israels Interpretation der eigenen
Geschichte. So leugnet das israelische Narrativ
die Nakba (die Vertreibung der Palästinenser
1948 und den Raub ihres Landes) wie auch die vom
Zionismus ausgehende Gewalt. Die Juden hätten
sich nur gegen den „Terror“ und die Übergriffe
der „Anderen“ gewehrt. Sollte es doch einmal von
jüdischer Seite zu Attacken auf die „andere
Seite“ gekommen, sein, seien das eben isolierte
Einzelfälle gewesen.
Zu Punkt 4.: Dieses Kriterium kann man sehr gut
an Hand der in der israelischen Propaganda
verwendeten Sprache belegen. Der israelische
Journalist Jonathan Mendel hat diese
Ausdrucksweise untersucht und belegt, wie die
israelische Propaganda mit Hilfe der Sprache ein
ganz neue Wirklichkeit schafft und damit
negative Fakten rekontextualisiert, also in
einen ganz neuen Sinnzusammenhang einordnet, um
so Kritik und Empörung zu verhindern und ein
positives Image zu erzeugen.
Mendel demonstriert, wie die israelische
Propaganda vorm allem mit „Weichspülern“
arbeitet. Er führt eine Fülle solcher täglich
gebrauchter Begriffe an. Wenn etwa Palästinenser
bei einer Auseinandersetzung getötet oder
verletzt werden, heißt es – zumeist ohne Angabe
der Quelle der Information – , dass „die
Palästinenser etwas behaupteten“, was den
Wahrheitsgehalt der Aussage natürlich mindern
soll. Palästinenser werden nie von israelischen
Soldaten ermordet oder getötet, sie „finden den
Tod“ - als hätten sie ihn gesucht. Nehmen die
Palästinenser einen Israeli gefangen (etwa den
Soldaten Gilad Shalit), wird er „entführt“.
Holen Israelis nachts Palästinenser aus dem Bett
und führen sie ab (was sehr oft vorkommt),
werden sie „verhaftet“ - was völlig willkürlich
und ohne jeden Haftbefehl geschieht.
Die israelische Armee, schreibt Mendel, ergreift
nie die Initiative, sie entscheidet nie über
einen Angriff oder eine Militäraktion, sie
reagiert immer nur: auf Qassam-Raketen und
Terrorakte – eben auf palästinensische Gewalt.
Die israelische Armee ist „gezwungen“ zu
kämpfen, Häuser zu zerstören, Palästinenser zu
erschießen und „4485 von ihnen in sieben Jahren
zu töten“. Für keine dieser Aktionen sind die
Soldaten selbst verantwortlich. „Die Tatsache,
dass ihre Aktionen – Ausgangssperren,
Verhaftungen, Belagerung auch vom Meer her, das
Schießen und Töten – die Hauptursachen für die
Aktionen der Palästinenser sind, scheint die
Medien nicht zu interessieren.“
Wenn die israelische Armee überfallartige
Aktionen in die besetzten Gebiete unternimmt,
sind das „Akte der Selbstverteidigung“.
Palästinenser verteidigen sich aber nie selbst,
sie begehen „terroristische Aktionen“. Israel
verkündet immer wieder, dass es palästinensische
Gefangene entlassen will, aber „nur solche ohne
Blut an den Händen“. Israelis haben aber niemals
„Blut an den Händen“. Israelis leiden auch, sind
offenbar „leidensfähig“ (etwa nach Verlusten
oder Verletzungen der eigenen Leute),
Palästinenser leiden dagegen nie, sind offenbar
„strapazierfähiger“. Das Wort „Besatzung“ kommt
im Sprachschatz der israelischen Medien so gut
wie nicht mehr vor, „Vertreibung“ wird zum
„Transfer“. Die besetzten Gebiete hießen zuerst
„verwaltete“ oder „umstrittene“ Gebiete, dann
nach dem Alten Testament „Judäa“ und „Samaria“,
heute werden sie einfach nur noch als die
„Gebiete“ bezeichnet.
Mendel bemerkt hierzu: „Der Terminus hilft, die
Vorstellung zu bewahren, dass Juden die Opfer
sind, dass es das jüdische Volk ist, das nur in
Selbstverteidigung handelt – die moralische
Hälfte der Gleichung – und die Palästinenser die
Angreifer, die Bösen, sind, die grundsätzlich
aggressiv sind.“ Der frühere Präsident des
israelischen Parlaments (Knesset) Abraham Burg
resümiert diese sprachliche Praxis so: „Aber wir
dürfen nicht ignorieren, dass die moderne
hebräische Sprache verharmlosende, beschönigende
Begriffe benutzt, um eine arrogante,
gewaltgeprägte und sogar rassistische
Einstellung zum arabischen Feind zu kaschieren.“
Und: „Beschönigende, verharmlosende Worte
ermöglichen uns, schmutzige Realitäten als
sauber wahrzunehmen. Diese Methode haben wir
nicht erfunden, aber verbessert, als ob wir
nichts von den Bösen gelernt hätten, die vor uns
die Sprache beschönigt haben.“
Äußerst zynisch und menschenverachtend sind im
Übrigen auch die Bezeichnungen der israelischen
Militäraktionen gegen Palästinenser. Diese
Unternehmen, die Tod und Zerstörung bringen
sollen, haben oft sehr positiv klingende und
bisweilen sogar lyrisch anmutende Namen: so
„Schutzschild“ (die Invasion 2002 ins
Westjordanland, die die gesamte Infrastruktur
des besetzten Gebietes zerstörte). Oder die
Einfälle oder Bombardierungen des Gazastreifens:
„Erster Regen“, „Sommerregen“, „Herbstwolken“
und „Gegossenes Blei“. Letztere war die
Bezeichnung des Überfalls auf den Streifen an
der Jahreswende 2007/08, die wohl Assoziationen
an Bleigießen zu Silvester im trauten
Familienkreis wecken sollte.
Eine noch radikalere Analyse der Medien nimmt
der israelische Historiker Ilan Pappe vor. Er
spricht von einer regelrechten „Militarisierung
der Medien“ und sieht eine frühe, sehr enge
Kooperation mit dem Militär, die so weit gehe,
dass jede wesentliche Kritik oder alternative
Denkansätze gebremst würden. Die Unterordnung
der Medien unter das Militär ginge bis zur
Korruption. Er führt das Beispiel der zweiten
Intifada an. Bei diesem (zunächst gewaltlosen)
Aufstand der Palästinenser hätten es die Medien
der Armee erlaubt, zur einzigen Quelle von
Informationen und Interpretationen zu werden:
„Die elektronischen und die Printmedien
versorgten ihre Leserschaft mit einem
eindimensionalen und verzerrten Bild der
Realität. Die Botschaft war simpel: Israel
befand sich wieder einmal im Krieg gegen einen
barbarischen Gegner, der ohne Grund angegriffen
hatte.“ Friedliche Proteste der Palästinenser
seien als „Anschläge auf die Soldaten“
dargestellt worden. Reporter vor Ort hätten die
Lage ganz anders beschrieben. Aber ihre Berichte
seien in den Redaktionen an das verlangte Bild
angepasst worden. Pappes Schlussfolgerung:
Israels Medien sind zumeist tendenziös und
nationalistisch und belieferten Leser, Zuschauer
und Zuhörer zumeist mit verfälschten Berichten
und Bildern. Sie seien von Hass, Angst und
Ignoranz angetrieben und übernähmen völlig
unkritisch und mit vorauseilendem Gehorsam
Darstellungen und Interpretationen der Regierung
und des Militärs.
Das Ziel jeder Propaganda-Sprache, die die
Wirklichkeit so schönfärberisch verstellt, ist,
eine neue Wirklichkeit zu schaffen. Die
israelische Propaganda arbeitet auf diese Weise
sehr erfolgreich, weil es ihr wirklich gelingt,
die verheerende Wirkung der israelischen Politik
zu vertuschen. Mit der Mystifizierung des
Konflikts durch seine Umdeutung zum klassischen
kolonialen Kampf zwischen zivilisierten (weißen)
Menschen des Westens gegen (dunkelhäutige)
Barbaren schafft die israelische
Propagandasprache es, den Kern des Problems, das
Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung in
ihrem historischen Heimatland zu vernebeln, die
Täter-Opfer-Kategorien zu verwischen und so jede
Verantwortung für den Konflikt von sich zu
weisen.
Für Abraham Burg ist die Propaganda-Sprache
Israels der Sprache des Todes erheblich näher
als der Sprache des Lebens. Er zitiert in diesem
Zusammenhang den israelischen Schriftsteller
David Grossmann, der schrieb: „Ein Staat in
Aufruhr erfindet ein neues Vokabular für sich.
Israel ist nicht der erste Staat, der das tut,
(...) aber es ist empörend, Zeuge der
allmählichen Entstellung zu werden. Nach und
nach wird eine neue Gattung rekrutierter,
betrügerischer Worte entwickelt: Worte, die ihre
ursprüngliche Bedeutung verloren haben, Worte,
die die Realität nicht beschreiben, sondern zu
kaschieren suchen.“ Israels hellsichtige
Intellektuelle versöhnen den Außenstehenden
immer wieder mit einem Land, das eine so
verhängnisvolle Politik betreibt.
Zur Propaganda des Staates Israel gehören auch
die Mythen und Legenden, die die Existenz und
Legalität des Staates rechtfertigen sollen. Auch
hier werden Fakten in einen völlig neuen
Sinnzusammenhang eingebettet. Etwa, dass das
Land Palästina „leer“ gewesen sei, als die
ersten zionistischen Siedler dorthin kamen, dass
den Juden das Land gehöre, weil Gott es ihnen
geschenkt habe und weil sie es nur vorübergehend
verlassen hätten und nun wieder in ihre „Heimat“
zurückgekehrt seien, dass die Palästinenser 1948
ihre Heimat ihre Städte und Dörfer freiwillig
verlassen hätten und und…
Das alles sind Mythen und Legenden, die
israelische Historiker längst widerlegt haben,
die aber für den Zionismus von großer Bedeutung
sind. Denn womit soll man sonst die gewaltsame
Gründung eines Staates in einem Land
rechtfertigen, das vollständig von einem anderen
Volk bewohnt und in dessen Besitz war? So
verstieg sich denn der Zionistenführer und erste
israelische Ministerpräsident Ben Gurion zu der
Behauptung, dass der starke Glaube an den Mythos
ihn in Wahrheit, ja in Wirklichkeit verwandle.
Das alles ist sehr durchsichtig und leicht
widerlegbar. Und dennoch muss man sich
eingestehen, dass die israelische Propaganda mit
der Scheinwirklichkeit, die sie schafft,
außerordentlich erfolgreich und effektiv
arbeitet. In Israel schafft sie es, das eigene
Volk so einzulullen, dass es nicht aufbegehrt
und eine gerechte Friedenslösung verlangt, die
die eigene Zukunft sichert. Außerhalb Israels
und speziell in Deutschland halten sehr viele
Menschen – beeinflusst durch die Israel
gegenüber zumeist völlig unkritischen Medien –
die Aussagen der zionistischen Propaganda für
die Realität in diesem Land und denunzieren dann
Menschen, die die wirkliche israelische Realität
wahrnehmen und kritisieren, eben als
„Antisemiten“.
18.06.2019
|