Israelische
Visa-Politik treibt Tausende von Palästinensern in ein legales Dilemma
Greg Myre Ramallah
Sam Bahour, ein
amerikanischer Bürger palästinensischer Herkunft, sollte eigentlich ein
Nachbar sein, den Israel willkommen heißen müsste.
Herr Bahour, 41,
hat einen akademischen Grad der Wirtschaftswissenschaften der Tel Aviver
Universität. Er betreibt eine erfolgreiche Beratungsfirma. Er
entwickelte ein hervorragendes 10 Millionen Dollar Einkaufszentrum in
Ramallah, wo er seit 13 Jahren mit seiner palästinensischen Frau Abeer
und ihren beiden Töchtern lebt.
Doch in all den
Jahren hat Israel nie Herrn Bahours Antrag auf Palästinensische
Identität genehmigt, die ihm erlauben würde, ständig mit seiner Familie
in der Westbank zu leben . Er musste sich stattdessen darauf verlassen,
dass sein Drei-Monate-Touristenvisum – nachdem er 1993 von Ohio nach
Ramallah kam – immer wieder erneuert wird. Und nun sagt Israel, das
Visum könne nicht mehr verlängert werden.
„Ich stehe vor
einer schwierigen Entscheidung,“ sagt Bahour. „Wenn ich gehe, ist es mir
wahrscheinlich nicht mehr möglich, hierher zu kommen, wo der Mittelpunkt
meines Lebens ist. Und wenn ich bleibe, dann bin ich illegal hier.“
Bahour ist einer
von Tausenden, oder gar Zehntausenden von Leuten, die durch Israels
Politik, die die Einwanderung in die palästinensischen Gebiete seit der
2. Intifada 2000 tatsächlich eingefroren hat, wie in einer Falle
sitzen. Seit dem letzten Frühjahr, nachdem die radikal-islamische Gruppe
zur Macht gekommen ist, trennte Israel die meisten Kontakte zur
palästinensischen Behörde und bemühte sich, das letzte Schlupfloch
seiner Einwanderungspolitik zu schließen – das erneuerbare
Touristenvisum.
Während der
letzten 6 Jahre haben mehr als 70 000 Personen, die meisten
palästinensischer Abstammung, erfolglos Anträge gestellt, um in die
Westbank und in den Gazastreifen einzuwandern - nach B’tselem, einer isr.
Menschenrechtsgruppe, die sich mit diesem Problem befasst . Viele, die
wie Bahours gegen dieses Verbot der Touristenvisa arbeiteten, haben nun
keine legale Möglichkeit mehr zu bleiben.
„Diese Leute
sind eigentlich keine Touristen – sie leben und arbeiten hier ohne
legale Aufenthaltsgenehmigung,“ sagt Shlomo Dror, der der Sprecher der
Abteilung für palästinensische Angelegenheiten in der israelischen
Regierung ist.
„Ich weiß, diese
Leute haben auf diese Weise, ein schwieriges Leben, und sie tun mir
leid,“ sagte er. „ich denke, wir können dieses Problem lösen, wenn wir
unsere Beziehungen zur palästinensischen Behörde erneuern – doch im
Augenblick reden wir nicht mit ihr.“
Herr Bahour
weiß, dass er Optionen hat, die anderen in derselben Situation fehlen.
Seine Töchter 12 und 6 Jahre alt, sind auch US-Bürger und seine Frau hat
eine grüne Karte, die ihr erlaubt, in den USA zu leben und zu arbeiten.
Er und seine Frau besitzen in Youngstown, Ohio, eine zweite Wohnung. Er
wurde dort geboren und ist dort aufgewachsen. Und sein Beruf als
Wirtschaftsberater kann er auch woanders ausüben .
„Aber die
Familie hat sich darauf festgelegt, ihre Zukunft hier aufzubauen,“ sagte
er.
„Leute fragen,
warum ich nicht einfach weggehe,“ sagt Bahou, „dann sag ich ihnen, weil
ich mich hier am Aufbau beteiligen will.“
Im Allgemeinen
sind es Familien, bei denen nur ein Ehepartner eine palästinensische
Identitätskarte hat, während der andere Teil einen ausländischen Pass
hat. Für sie es schwierig oder gar unmöglich, wo anders zu leben.
Viele
Palästinenser sagen, dass Israel eine systematische Politik der
Bevölkerungsbegrenzung in den palästinensischen Gebieten verfolgt, auch
wenn dies Familientrennung bedeutet.
„Fast jeder
Palästinenser kennt jemanden mit solch einem Problem,“ sagt Sarit
Michaeli, eine Sprecherin von B’tselem.
Ihrer Ansicht
nach verfolgt die israelische Politik verschiedene Zwecke: politischen
Druck auf die Palästinenser ausüben; ein Verhandlungschip zu haben, das
bei zukünftigen Verhandlungen eine Rolle spielt und als Mittel in der
demographischen Schlacht.
Die größte
einzelne Kategorie, die von der israelischen Politik betroffen ist, sind
jordanische Frauen palästinensischer Herkunft, die mit Palästinensern
verheiratet sind und die in die Westbank ziehen wollen, um mit ihrem
Ehepartner zusammenleben zu können, sagte Fr.Michaeli.
Viele dieser
Frauen kommen zur Westbank mit einem Touristenvisum und bleiben dann
dort, auch wenn das Visum abgelaufen ist. Komplikationen gibt es dann,
wenn diese Frauen nach Jordanien reisen und ihre Verwandten dort
besuchen wollen. Wenn sie die Westbank verlassen, riskieren sie, dass
die israelischen Behörden ihnen bei der Rückfahrt die Einreise
verweigern.
Palästinenser
sagen auch, dass es israelische Politik sei, gut ausgebildeten und
politisch gemäßigten Mitgliedern der Mittelklasse und aus der pal.
Diaspora möglichst keine Einreise zu genehmigen. Es sind die Leute, die
bei der Entwicklung der palästinensischen Gesellschaft eine wichtige
Rolle spielen könnten.
Ali Aggad, ein
jordanischer Bürger mit palästinensischen Wurzeln, hatte seit 1999 in
der Westbank gearbeitet. Er ist nun der Generalmanager der
Unipal-Haupt-Handelsgesellschaft, die Konsumgüter für internationale
Gesellschaften wie Procter & Gamble verteilt.
Sieben Jahre
lang hatte Israel ihm routinemäßig ein Touristenvisum gewährt und ihm
erlaubt, die Wochentage in der Westbank zu arbeiten und zum Wochenende
in Amman bei seiner Frau und seinen beiden Söhnen zu sein. Ohne Warnung
verweigerte ihm Israel ohne Vorwarnung vor kurzem zweimal die Einreise
in die Westbank. Das Büro von Procter & Gamble in Tel Aviv versucht,
diesen Fall mit den israelischen Behörden zu regeln. „Das einzige, was
ich jetzt tun kann, ist abwarten, dass es gut gehen wird,“ sagte er.
In den letzten
paar Monaten haben mehr als 50 US-Bürger sich bei us-diplomatischen
Büros gemeldet, dass man sie daran gehindert habe, in die Westbank
einzureisen,“ sagte Micaela Schweitzer-Bluhm, eine Sprecherin des
US-Konsulats in Jerusalem.
„Dies ist ein
Problem, mit dem wir uns schon seit ein paar Monaten befassen und das
wir bei den israelischen Behörden zur Sprache bringen,“ sagte sie.
Viele Leute
palästinensischen Ursprungs versuchen, in die palästinensischen Gebiete
zurückzukehren, nachdem Israel und die Palästinenser 1993 ein
Interim-Abkommen unterzeichnet hatten. Nach einer Absprache von 1995
waren die Israelis damit einverstanden, 3000 Immigranten/ pro Jahr in
die palästinensischen Gebiete einreisen zu lassen – als Teil einer
Familienzusammenführung, sagte M. Dror, der israelische Beamte.
Die Nachfrage
hat sich als so groß erwiesen, dass Israel die Zahl auf 20 000/ pro Jahr
erhöhte. Doch als Israel 2000 diesen Prozess einfror, standen noch 50
000 auf der Warteliste. …Einer auf der Warteliste war Sam Bahour. Er
sagte, er habe 1994 ein ständiges Wohnrecht beantragt, aber nie eine
Antwort erhalten. Nun läuft sein Touristenvisum zum 1. Oktober ab und
die israelischen Behörden hatten „Letzte Genehmigung“ in seinen US-Pass
geschrieben.
„Ich weiß noch
nicht, was ich machen werde,“ sagt er, „Aber ich werde nicht gehen, wenn
ich es vermeiden kann. Wenn ich jetzt wegginge, dann habe ich das
Gefühl, ich würde meine Volk im Stich lassen,“ sagte er.
(dt. Ellen Rohlfs)