Palestina en el corazon_
Zehn Jahre nach Beginn des Mauerbaus
Maria M. Delgado
- 16.09.2012
Zehn Jahre nach Baubeginn - wer denkt noch
an die israelische Apartheidmauer?
Sie ist fast dreimal so hoch und sechs Mal
so lang wie die von Berlin. Aber für den Westen – der so sensibel auf
die deutsche Mauer reagierte – scheint die israelische Mauer unsichtbar
zu sein. Zehn Jahre nach Baubeginn reflektiert sich die Gleichgültigkeit
im Schweigen, mit dem die internationalen Medien diesen Jahrestag der
Schande übergehen.
"Ende 2002 marschierte ich durch die Gassen
von A-Ram, einem Dorf in der Umgebung von Jerusalem. Der Protest
richtete sich gegen die Pläne, mitten im Dorf eine Mauer zu errichten;
als mir die Aktivisten des Ortes den Plan für ihren Verlauf zeigten,
dachte ich naiverweise, es müsste sich um einen Irrtum handeln. Wenn ich
um mich sah, sah ich ein Dorf wie alle anderen, mit Häusern, Geschäften,
Büros und Schulen zu beiden Seiten der Hauptstrasse. Wie könnte es sein,
dass mitten drin eine Mauer errichtet und das Dorf in zwei Teile geteilt
werden sollte? (...) Zehn Jahre später teilt eine Betonmauer von 10
Metern Höhe A-Ram in zwei Teile. Wenn man an der Mauer entlanggeht –
durch die selbe Hauptstrasse - , kann man nur die Hälfte der Häuser,
Geschäfte, Büros und Schulen sehen, die man früher sah. Der Ort und
ebenso das Leben der tausend Einwohner ist in zwei Teile geteilt." (Haggai
Matar, israelische Aktivistin). (1)
Ziel: "So viel palästinensisches Land wie
möglich, so wenig palästinensische Bevölkerung wie möglich"
Vor genau 10 Jahren begann Israel mit dem
Bau einer Trennungsmauer zwischen seinem Territorium und dem von ihm
besetzten palästinensischen Territorium. Das vorgebrachte Argument war
wie immer die Sicherheit. Es schien nicht schwer zu sein, diese
Entscheidung vor der Welt zu rechtfertigen: 2002 war das blutigste Jahr
der zweiten Intifada, die mit Massendemonstrationen begonnen hatte, die
Israel blutig unterdrückte, und die mit einer Eskalation der
palästinensischer Selbstmordattentate weiterging.
Aber aus den Rohdaten zur Mauer kann man
leicht schließen, welche Absicht wirklich hinter der Initiative steckte:
die Annexion und die Fragmentierung des palästinensischen Territoriums,
um – ebenso wie der Bau der jüdischen Siedlungen – fertige Fakten zu
schaffen und die Existenz eines souveränen palästinensischen Staates
unmöglich zu machen.
Tatsächlich wurde die Mauer zu 85% innerhalb
des Westjordanlandes und nur zu 15% auf der Grünen Linie errichtet
(anerkannte Grenze seit dem Waffenstillstand von 1949, der den
Palästinensern 78% ihres Territoriums raubte). Ihr gewundener und
willkürlicher Verlauf, der mehr als doppelt so lang ist wie die Grüne
Linie, ist so geplant, dass er die wichtigsten jüdischen (nach dem
Völkerrecht illegalen) Siedlungen auf israelische Seite bringt. Wenn sie
einmal fertig gestellt ist, wird sie das bereits auf Bantustans
verkleinerte palästinensische Territorium noch mehr fragmentiert und das
Westjordanland auf der Höhe von Jerusalem in zwei Teile geteilt haben.
(2)
Seit Ariel Sharon den Bau der Mauer
angekündigt hat, wurde sein Verlauf abgeändert oder zu bestimmten Zeiten
eingestellt. In beiden Fällen auf Grund einer innerisraelischen
Kontroverse, einmal darüber, wie viel man vom palästinensischen
Territorium annektien sollte, oder weil die Klagen der betroffenen
Kommunen den Obersten Gerichtshof zwangen, den Bau während der Prüfung
der Klagen zu stoppen. In einzelnen Ausnahmefällen (die zwei
bekanntesten sind Budrus und Bil'in wegen des hartnäckigen Kampfes
seiner Einwohner) ordnete der Gerichtshof eine Änderung des
Mauerverlaufs an, um den palästinensischen Gemeinden einen Teil (niemals
alles) des geraubten Landes zurück zu geben.
Sicherheit oder Annektierung?
Die Mauer und ihr Verlauf gaben
verschiedenen Interessengruppen in Israel Anlass zur Diskussion: die
radikaleren Siedler widersetzten sich dem Bau, da er ihre Ambitionen
nach einer unbegrenzten Expansion in das palästinensische Territrium
bremste. Andere, dem militärischen Establishment nahe stehende Gruppen
behaupten, Israel würde damit, dass es die Mauer nicht auf der Grünen
Linie errichtet hat, die Sicherheit seiner Bewohner und des
Wachpersonals gefährden, und den Interessen einer speziellen Gruppe
(der Siedler) auf Kosten der allgemeinen Sicherheit den Vorrang geben.
Folgt man dem Mauerverlauf, trifft man auf
verschiedene Plätze, wo die Mauer abrupt unterbrochen ist und man
relativ leicht auf die israelische Seite gelangen kann. Es gibt
verschiedene und manchmal nicht bekannte Gründe dafür, dass diese
Abschnitte nicht fertiggestellt sind: aus Geldmangel, weil noch eine
gerichtliche Entscheidung aussteht, die den Verlauf in Frage stellen
könnte, oder weil der palästinensische Widerstand sehr stark ist und die
internationale Aufmerksamkeit und Verurteilung auf sich gezogen hat.
Einige Analysten sagen, dass Israel den
Mauerbau gar nicht vollenden will, aus demselben Grund, aus dem es seine
Grenzen noch nicht definiert (und auch noch keine Verfassung) hat: ihn
zu vollenden würde bedeuten, auf das Land östlich der Mauer zu
verzichten und es den Palästinensern zu überlassen, während alle Welt
weiss, dass für die israelischen Regierungen das "Land Israel" (Erez
Israel) unteilbar ist vom Mittelmeer bis zum Jordan. Abgesehen von den
Annexions-Absichten ist das Sicherheitsargument in sich schwach: es ist
wahr, dass die Selbstmordattentate zurückgegangen sind, sogar aufgehört
haben, der Grund liegt aber in einer politischen Entscheidung des
palästinensischen Widerstands, sie zu beenden und andere Strategien zu
wählen. Tatsächlich gehen täglich etwa 60.000 Palästinenser zum Arbeiten
nach Israel (nur die Hälfte legal mit Genehmigung).
Ein jüngstes Beispiel war der Ramadan
vergangenen Monat: zum ersten Mal wurde der Zugang nach Jerusalem
liberalisiert, man schätzt, dass ungefähr 300.000 Personen aus dem
Westjordanland nach Israel kamen (manche sogar bis an den Strand von Tel
Aviv), viele zum ersten Mal in ihrem Leben. Sogar tausende junge Männer,
die keine Erlaubnis bekommen hatten, kletterten über die Mauer und
gelangten illegal (nach Israel), ohne dass eine einzige Gewalttat
registriert worden wäre; das zeigt, dass die
Menschenrechtsorganisationen Recht haben, wenn sie seit Jahren
behaupten, ein ganzes Volk wegen der Taten einer Handvoll von Menschen
einer Kollektivstrafe zu unterziehen, ist eine nicht zu rechtfertigende,
unmenschliche und rassistische Politik – außerdem nach der Vierten
Genfer Konvention ein Kriegsverbrechen.
Katastrophale Auswirkungen
Die vom Büro der Vereinten Nationen für
Humanitäre Angelegenheiten (OCHA oPT) vorgelegten Daten sprechen für
sich und sind dramatisch:
–
Die palästinensische
Bevölkerung aus dem Westjordanland hat keinen Zugang zu Jerusalem. Nur
jene, denen es gelingt, Spezialgenehmigungen zu bekommen, können durch
einen der vier Checkpoints rund um Jerusalem hineingelangen. Autos mit
dem Kennzeichen des Westjordanlands dürfen in Jerusalem nicht fahren;
das betrifft auch palästinensische Ambulanzwägen, die, am Checkpoint
angelangt, ihre Patienten – so schwer krank sie auch sein mögen – in
einen israelischen Ambulanzwagen bringen müssen (falls er eine
Einreisegenehmigung hat). Das erklärt, warum an den israelischen
Checkpoints schon viele Menschen gestorben sind und dutzende Frauen ihr
Kind zur Welt gebracht haben.
–
Innerhalb von Ostjerusalem hat
die Mauer viele Stadtteile, Vororte und Weiler des Stadtgebiets
"außerhalb der Stadt" gebracht. Die Familien waren jetzt getrennt, die
Einwohner außerhalb der Stadt hatten keinen Zugang mehr zu ihren
Krankenhäusern, Schulen, Universitäten, Moscheen und Zentren des
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens. Ihre Gebiete liegen
in einem Niemandsgebiet, sterbend, ohne kommunale oder städtische
Dienstleistungen, ohne Sicherheit und Behörden, der wachsenden
Kriminalität ausgeliefert.
–
Im Westjordanland brauchen die
7.500 Personen, die zwischen der Mauer und der Grünen Linie "gefangen"
sind (die Zone ist als "Naht" bekannt), Sondergenehmigungen, um in ihren
eigenen Wohnungen leben zu dürfen, sie können nur durch einen Checkpoint
hinauskommen und dürfen keine Besuche empfangen. Dadurch ist der Zugang
zu Arbeitsstellen und Unterricht erschwert, das soziale Leben, das
Familienleben, auch die Versorgung mit Dienstleistungen für diese
Kommunen (Ambulanzen, Feuerwehr, Zulieferung von Lebensmitteln und
Treibstoff usw.) liegt darnieder. Wenn die Mauer einmal fertig gestellt
sein wird, werden sich weitere 23.000 Menschen in dieser Situation
befinden.
"Wo wir leben, das ist halb
Gefängnis, halb Hölle. Unser Dorf ist klein, nur 500 Menschen, es gibt
weder ein Krankenhaus noch eine Klinik noch eine Schule, keine Geschäfte
oder Arbeitsplätze, sodass jeder durch den Checkpoint muss. Das dauert
mindestens eine Stunde. Kommst Du im Auto zurück, musst du deinen Wagen
komplett ausräumen und jeden kleinsten Gegenstand durch ein Röntgengerät
schieben; dann wird das Fahrzeug manuell durchsucht, dann beriecht ein
Hund alles, dann nehmen sie von jeder Flüssigkeit, die du dabei hast
(auch Wasser oder Öl) eine Probe, um sie im Labor analysieren zu lassen.
So schaut jeden Tag meine Rückkehr nach Hause aus."
(Qasab Sa'ur, Einwohner von A-Ramadin)
–
150 Ortschaften, deren Land
auf der anderen Seite der Mauer geblieben ist, benötigen eine
"Besucher"-Genehmigung, um durch "Landwirtschafts-Tore", die von
Soldaten kontrolliert werden, dorthin zu gelangen. In ihrer Mehrheit
werden diese Tore nur sechs Wochen im Jahr für die Olivenernte geöffnet,
und nur für eine begrenzte Stundenzahl pro Tag.
–
Während der Ernte 2011 wurden
42% der Anträge auf Genehmigung abgelehnt, unter Angabe von
"Sicherheitsgründen" oder "fehlender Bindung an das Land". Die Zahlen
von OCHA zeigen einen systematischen Rückgang der jährlich ausgestellten
Genehmigungen. Beim Büro der Vereinten Nationen zur
Schadensregistrierung (UNRoD) sind bis heute allein aus dem nördlichen
Westjordanland mehr als 26.000 Beschwerden über materielle Schäden durch
den Mauerbau eingegangen. (Haggai Matar)
–
Als Folge dieser
Einschränkungen mussten die Bauern rentablere Produktionen aufgeben und
zu geringer wertigem Getreideanbau wechseln, der weniger Pflege braucht
(mit den entsprechenden wirtschaftlichen Verlusten). Viele mussten ihr
Land ganz aufgeben; der israelische Staat hat es jüdischen Siedlungen
übergeben, womit sich die wahren Absichten zeigen.
–
Durch die Mauer verloren
zehntausende Palästinenser ihre Arbeit in Israel. Bei einer
strangulierten Wirtschaft zwingt die hohe Arbeitslosigkeit sie heute
noch, nach einer solchen Möglichkeit zu suchen, sei es dass sie ab vier
Uhr morgens stundenlang am Checkpoint warten (falls sie eine Genehmigung
haben) oder heimlich über die Mauer klettern und riskieren, verletzt
oder verhaftet zu werden oder sogar das Leben zu verlieren durch die
Hände der Militärpolizei.(3).
"Jetzt können wir nur durch diesen
Flaschenhals von Checkpoint durchkommen. Das heißt, um 3 Uhr aufstehen,
stundenlang am Checkpoint in der Schlange stehen und warten, dass die
Sonne aufgeht. Du kommst in der Nacht nach Hause, schläfst ein bißchen,
und musst schon wieder aufstehen. Es ist so, als kämen wir jeden Tag aus
einem Gefängnis und kehrten wieder dorthin zurück, aber wir haben keine
andere Möglichkeit." (Palästinensischer
Arbeiter aus Qalqilia).
"Für uns bedeutet zur Arbeit zu
gehen das gleiche wie in den Krieg zu gehen. Du musst darauf gefasst
sein, verletzt, getötet oder verhaftet zu werden. Wenn wir von zu Hause
weggehen, verabschieden wir uns von unseren Kindern, denn wir wissen
nicht, ob wir zurückkommen. Ich muss für meine sieben Kinder, meine Frau
und meine Mutter sorgen. Wir arbeiten für Israel, wir bauen ihre Häuser.
Das einzige, was ich mir wünsche ist, dass es meinen Kindern einmal
besser geht als mir." (Nidal Kawasba, 31
Jahre, arbeitet seit 15 Jahren illegal in Israel)
Internationale Verurteilung und lokaler
Widerstand
2004 hat der Internationale Gerichtshof in
La Haag auf Ersuchen der UN-Generalversammlung ein Gutachten über die
Mauer abgegeben, in dem er kurz und bündig feststellt, dass Israel zwar
das Recht hat, seine Grenzen schützen, der Verlauf der Mauer aber die
Vierte Genfer Konvention verletzt und Israel die auf palästinensischem
Boden errichtete Mauer abbauen muss; (der Gerichtshof) rief außerdem
alle Mitgliedsstaaten der UNO auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um
Israel dazu zu bringen das Völkerrecht zu respektieren. Bis heute weist
Israel dieses Urteil zurück, so wie auch viele andere UN-Resolutionen.
Mit dem Mauerbau begann auch der
palästinensische Widerstand. Als die Menschen in den Dörfern sahen, wie
ihr Leben über Nacht massiv beeinträchtigt würde, begannen sie mit
friedlichen Demonstrationen, um ihre Olivenbäume und ihr Land zu retten
und erhielten dabei Unterstützung von israelischen und internationalen
Aktivisten. Heute artikulieren sie sich im Koordinationskomitee des
Volkswiderstands und bleiben beim gewaltfreien Widerstand trotz der
brutalen Repression der (israelischen) Armee: hunderte wurden bereits
getötet, verletzt oder verhaftet, dutzende Olivenbäume wurden
angezündet, dutzende Tiere starben durch das Tränengas und die
israelische Munition.
Das Dorf al-Walaja kämpft seit 2007 mit
wöchentlichen Demonstrationen, kulturellen und künstlerischen
Veranstaltungen, mit Anträgen bei Gericht und internationalen Aktionen,
um die im Bau befindliche Mauer zu stoppen, die, wenn sie einmal
fertiggestellt ist, das Dorf auf allen Seiten einschließen und von
seinem Land, von Bethlehem und den Nachbardörfern trennen wird. Neben
der Isolierung von al-Walaja wird die Mauer durch das Land des Klosters
Cremisan bei Beit Jala verlaufen und die Mönche von den Nonnen des
Nachbarklosters trennen. In beiden Fällen wurde der Mauerverlauf so
geplant zu Gunsten des Ausbaus der jüdischen Siedlungen von Gilo und Har
Gilo.
"Niemand verlangt von Israel
Rechenschaft für sein Handeln; es hat die volle Unterstützung der
Großmächte, und solange es diese hat, wird es mit seinen Verbrechen
fortfahren. Aber ich bin sicher, dass sich das eines Tages ändern wird.
Vielleicht dauert es noch 10 oder 15 Jahre, aber die Dinge werden sich
ändern; und wenn es so weit ist, wird Israel nicht nur mit den
Palästinensern konfrontiert sein, sondern mit der ganzen arabischen
Welt. Ich hoffe wirklich, dass die Israelis das jetzt verstehen und wir
eine Lösung finden, die uns nicht dazu führt, uns gegenseitig
umzubringen. Aber ich sehe nicht, dass sie versuchen würden, dieses
Schicksal abzuwenden." (Shirin Al-Araj,
soziale Führerin in Al-Walaja)
Bis heute hat der palästinensische
Widerstand erreicht, dass das die Mauer anstatt der vorgesehenen 17%
nur 9% des (palästinensischen) Landes annektiert; und noch wichtiger: er
zog die internationale Aufmerksamkeit auf die Unmenschlichkeit des
israelischen Projekts. Die Palästinenser meinen, einer ihrer
wichtigsten Erfolge sei es, "der Welt zu zeigen, dass wir nicht die
Terroristen sind, sondern die Opfer des Terrors". (Mohamed Khatib,
Führer in Bil'in). Israel und seine Verbündeten verstopfen sich aber die
Ohren vor den Klagen der Palästinenser, dem Mandat des CIJ (Center for
Investigative Journalism) und der Verurteilung durch die internationale
Zivilgesellschaft.
Über die Mauer hinaus
Die Mauer ist das stärkste Symbol für die
Besatzung Palästinas und kann ohne das dazugehörige System von
Genehmigungen und 500 Checkpoints, den Abriegelungen und der
Fragmentierung (nicht zu vergessen der Blockade des Gazastreifens) nicht
analysiert werden; das alles schafft ein perverses Projekt, das dazu
dienen soll, die Bewegung der Palästinenser in ihrem eigenen Territorium
zu behindern, sie von ihren urbanen Zentren (vor allem von ihrer
Hauptstadt, Ostjerusalem) zu trennen und mehr und mehr von ihrem Land
für den Siedlungsbau zu rauben, letztlich um die Entstehung eines
palästinensischer Staates unmöglich zu machen. Zusammen gefasst: das
sind die modernen Formen der ethnischen Säuberung Palästinas.
Immer mehr Intellektuelle, Politiker und
soziale Aktivisten stimmen darin überein, dass dass die (von der UNO
1947 vorgeschlagene und in den Oslo-Verträgen implizierte)
Zwei-Staaten-"Lösung" keine taugliche Option mehr ist, und dass man sich
zu einem anderen Paradigma hin bewegen muss: das eines einzigen
demokratischen, säkularen, nicht zionistischen Staates im ganzen
historischen Palästina mit gleichen Rechten für alle seiner Einwohner –
unabhängig von ihrer ethnischen, politischen oder religiösen
Zugehörigkeit. Faktisch gibt es heute einen Staat vom Mittelmeer bis zum
Jordan mit zwei verschiedenen Rechts-, Gerichts- und politischen
Systemen für die beiden verschiedenen Bevölkerungsgruppen: Israel ist
eine Demokratie für die, die eine jüdische Nationalität haben, und ein
Apartheidsregime für die arabische Bevölkerung.
Das ist genau die Falle (Täuschung), in der
sich der zionistische Staat heute befindet: wie seine Kritiker im und
außerhalb des Landes sagen, war es Israel selbst, das mit seiner
Besatzungs- und Kolonisierungspolitik das Projekt zweier Staaten
zunichte gemacht hat, und jetzt ist es mit einem schwierigen Problem
konfrontiert: wirklich eine Demokratie zu werden (mit den
ausschließlichen Privilegien für den jüdischen Staat aufzuhören) oder
das Apartsheidsregime, dem es heute die arabische Bevölkerung zu beiden
Seiten der Grünen Linie unterwirft, zu verstärken.
Die Pessimisten meinen, dass sich für Israel
das Problem mit der bequemsten Option löst: den Status quo beizubehalten
(mit der hohlen Rhetorik von seiner Bereitschaft zu
"Friedensverhandlungen"), nachdem – zumindest bis heute – weder der
palästinensische Widerstand noch der internationale Druck stark genug
waren, damit Israel den politischen Preis für sein Handeln hätte zahlen
müssen.
Dagegen behaupten die Optimisten, das
gegenwärtige Regime sei unhaltbar und man irre sich, wenn man glaubt,
im 21. Jahrhundert könne ein Staat unbegrenzt über ein Territorium
herrschen, indem er die Hälfte seiner Bevölkerung institutionalisierter
Diskriminierung, brutaler Unterdrückung und totaler Verweigerung seiner
Rechte unterwirft; früher oder später wird es einen unkontrollierbaren
Knall geben, besonders in dieser so unstabilen und sich verändernden
Region.
Vielleicht werden die Ersteren kurzfristig
Recht behalten und die anderen auf lange Sicht. Sicher ist, dass sich
die Menschen weltweit der Unrechtmäßigkeit der israelischen Apartheid
täglich mehr bewußt werden; dazu kommen die eindrucksvollen Erfolge der
ebenfalls wachsenden BDS-Bewegung (Boykott, Desinvestition, Sanktionen),
um die Apartheid zu beenden. Das Gespenst von Südafrika ist immer
präsent, und aus einer historischen Perspektive kann man sich unschwer
vorstellen, wie das Ende des Dramas sein wird. Es ist eine Frage der
Zeit; und das palästinensische Volk hat bewiesen, dass es das
geduldigste und zäheste Volk ist.
Anmerkungen:
(1)
Haggai Matar, The Wall
Project, auf +972 Magazine. Die Zeugenaussagen in diesem Artikel
stammen aus der gleichen Quelle.
(2)
Die Trennungsmauer ist rund um
die palästinensischen Städte und Dörfer eine Betonmauer und in den nicht
urbanen Regionen ein Zaun (mit elektronischer Warnanlage, Gräben zu
beiden Seiten des Weges, Rasierklingen scharfeM Stacheldraht,
Überwachungskameras, Militärpatrouillen und HundeN). Hier nennen wir
einfach beide Arten "Mauer".
(3)
Der Dokumentarfilm "Nine to
five" (2009) des israelischen Regisseurs Daniel Gal zeigt die Probleme,
mit denen palästinensische Arbeiter konfrontiert sind, wenn sie heimlich
über die Mauer steigen, um in Israel zu arbeiten.
Quelle:
http://www.mariaenpalestina.wordpress.com/2012/09/16/diez-anos-detras-del-muro/
aus dem Spanischen übersetzt von K. Nebauer
Sehenswert sind die Fotos, Videoclips und
Ausschnitt aus dem Dokumentarfilm "Nine to five" im Quellentext!
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