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Felicia Langer: „Mit Leib und
Seele“
Norman Paech
Felicia
Langer hat nur ein Thema:
die Menschen in Palästina, ihr Schicksal, ihr Leiden, die
Enteignung ihrer Geschichte, die Zerstörung ihrer Gegenwart und
die Unsicherheit ihrer Zukunft. Das Thema ist so groß, daß es
ihr ganzes Leben füllt. Alles steht im Dienste ihrer Mission für
die Palästinenserinnen und Palästinenser.
Das ist auch so mit ihrem neuen
Buch. Doch ist der schmale Band auf eine charakteristische Weise
anders als die vorangegangenen, in denen es um Aufklärung und
Information über die elende Lage der Palästinenser ging.
Felicia Langer lebt seit Jahren in
Deutschland, nicht mehr vor Ort, sie ist keine Zeitzeugin mehr.
So hat sich ihre publizistische Arbeit in den letzten Jahren
mehr auf ihren eigenen Kampf in der Bundesrepublik, die
permanenten Auseinandersetzungen mit den unsäglich dummen
Anwürfen und ihren zumeist aus dem Hinterhalt agierenden Gegnern
konzentriert.
Das Buch „Mit Leib und Seele“ ist
wie schon „Um Hoffnung kämpfen“ aus dem Jahr 2008 vorwiegend
autobiographisch. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Kraft
und Unerschrockenheit diese Frau den Aufgaben ihrer früheren
Berufstätigkeit in Jerusalem und den besetzten Gebieten treu
geblieben ist.
Als Anwältin hatte sie die
Verteidigung von Palästinenserinnen und Palästinensern vor den
israelischen Militärgerichten übernommen, zumeist chancenlos.
Lange Jahre hielt sie – nur zögernd unterstützt von wenigen
Kollegen – der allgemeinen Feindseligkeit in der israelischen
Gesellschaft ihr gegenüber stand. Bis sie resignierte und sich
nach Tübingen zurückzog, nicht um sich zur Ruhe zu setzen,
sondern um den Kampf an neuer Front wieder aufzunehmen. Ihre
Gegner hier sind nicht weniger ätzend und beleidigend als in
Israel, aber ihr gelang es, durch ihr überzeugendes, von
unbestreitbarer Empathie für die notleidende palästinensische
Bevölkerung erfülltes Auftreten, breite Sympathie, Solidarität
und Unterstützung zu erreichen. Davon gibt auch das Buch wieder
zahlreiche Beispiele, dessen zwölf Kapitel mit vielen Episoden,
Begegnungen und Konfrontationen zugleich eine kleine
Zeitgeschichte sind – ein eindringlicher Kommentar zur
verklemmten deutschen Auseinandersetzung mit einem
offensichtlich unangenehmen Kapitel der deutschen
Gegenwartsgeschichte, welches den Namen Israel trägt. Man kann
die Aktivitäten und Veröffentlichungen von Felicia Langer auch
als einen unaufhörlichen Kampf um eine offene und unverstellte
Auseinandersetzung der Deutschen mit einer in allen Aspekten
völker- und menschenrechtswidrigen Besatzungspolitik der
israelischen Regierungen seit 1967 verstehen. Ein Ziel, das
wahrscheinlich erst mit der Beendigung der Besatzung selbst
erreicht werden kann.
Was nützt da das
Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, wenn sich nicht die Politik der
Bundesregierung ändert? Die Liste von Langers Auszeichnungen ist
lang – bis hin zu einem Orden von Präsident Mahmoud Abbas. Sie
braucht sie genauso wie ihre Feiern im Kreise der Familie und
Freunde, ob zum 80. Geburtstag ihres Mannes Mieciu oder zur
diamantenen Hochzeit. Denn bei aller Vitalität und
Unerschütterlichkeit der Autorin, der Kampf ist kräftezehrend,
darüber kann auch ihr Optimismus in den Zeilen dieses
lesenswerten Buches nicht hinwegtäuschen.
Norman Paech
FELICIA LANGER
MIT LEIB UND SEELE
Autobiographische Notizen
ISBN: 978 3 88975 201 7 - 10,00 € -
, Zambon-Verlag, 149 Seiten,
www.zambon.net
Rezension von Dr. Ludwig Watzal
Rezension von Prof. Dr. Werner Ruf