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Unglaubliches!
Dieter Neuhaus
Moshe Feiglin, stellvertretender Sprecher der
israelischen Knesset und Mitglied der Regierungspartei Likud, hat am
15 Juli, als Israels militärische Brutalität gegen die verzweifelten
palästinensischen Menschen im hermetisch abgeriegelten Gazastreifen
einen neuen Höhepunkt erreicht hatte, Folgendes erklärt:
„Gaza ist Teil Israels und wird es immer bleiben.
Die (kriegerische) Befreiung unseres Landes ist der einzige Grund,
das Leben unserer (israelischen) Soldaten zu riskieren, um das Land
zu erobern. Nach der Beseitigung des Terrors, der von Gaza kommt,
wird dieses Gebiet Israel zugeschlagen und es wird mit Juden
besiedelt werden.“ Weiter meint Feiglin, dass die meisten Araber
Gaza ohnehin verlassen möchten. Die ägyptische Sinaiwüste müsse das
Ziel ihrer Vertreibung sein.
Dieser Mann ist schon mit weiteren merkwürdigen
Sprüchen aufgefallen, etwa:
- „Ein Haar auf dem Haupt eines israelischen
Soldaten ist kostbarer als die gesamte Bevölkerung von Gaza“
- „Nur Juden verdienen es, Bürger Israels zu
sein (‚full citizens’)
-
„2000 Jahre haben die Juden von
einem jüdischen Staat geträumt, nicht aber von einem demokratischen
Staat“.
-
Bezogen auf Araber: „Man kann einem
Affen nicht das Sprechen beibringen und keinen Araber die Demokratie
lehren. Wir haben es mit einer Gesellschaft von Dieben und Räubern
zu tun. Die Araber zerstören alles, was sie anfassen“.
-
Die Tat des extremistischen
israelisch-jüdischen Massenmörders Baruch Goldstein, der 29 Muslime
in einer Moschee erschossen hat, bezeichnete Feiglin als „Akt des
Widerstands“.
- „US-Vizepräsident Biden ist ein kranker
Aussätziger“
-
„Hitler war ein unvergleichliches
militärisches Genie. Der Nazismus hat Deutschland aus der Niederung
in eine phantastische physische und ideologische Höhe erhoben“.
-„Es gibt kein palästinensisches
Volk“.
Der guten Ordnung halber sei darauf hingewiesen,
dass Feiglins Karriere auch nicht dadurch gestoppt werden konnte,
dass er gelegentlich Widerspruch aus der eigenen Partei oder der
Knesset erfuhr. Großbritannien hat ihm die Einreise verboten, was
ihn aber nicht anfocht: “Da Großbritannien Terroristen wie Ibrahim
Mousavi mit offenen Armen empfängt, verstehe ich, dass Ihre Politik
darauf abzielt, Terror zu ermutigen und zu unterstützen“.
Aber Feiglins Äußerungen sind nicht einmal die
Spitze des rassistischen und völkermörderischen Eisbergs in Israel.
Mehrere bekannte Politiker und Rabbiner haben sich ebenfalls in
einer Weise geäußert, die an ihrer Zurechnungsfähigkeit zweifeln
lässt und die Frage nahelegt, wie es sein kann, das dies keine
strafrechtlichen Folgen wegen Rassismus nach sich zieht. Der frühere
Chefrabbi Mordechai Elyahu hat seine Regierung und die Armee
aufgefordert, gegen die Palästinenser Nazi-Methoden anzuwenden. Er
forderte die durchgängige Tötung von Zivilisten, und zwar aus
religiösen Gründen. Und Eli Yishai, ehemaliger stellvertretender
Ministerpräsident, forderte, Gaza in das Mittelalter zurückzubomben,
alles zu zerstören: Infrastruktur, Straßen, Wasserversorgung. Und
wie weit sich solche Ansichten auch in Gesellschaft und Medien
verbreitet haben, zeigen die Worte des israelischen Journalisten
Gilad Sharon: „Wir müssen ganze Stadtteile platt bomben, ganz Gaza
platt bomben (‚flatten’)“. Und ein Parlamentsmitglied meint: „Es
gibt keine Unschuldigen in Gaza. Mäht sie nieder. Tötet die Menschen
in Gaza ohne nachzudenken und ohne Gnade“. Und nicht zuletzt der
Transportminister, der in diesem Punkt mit Moshe Feiglin
übereinstimmt: “Gaza muss so stark bombardiert werden, das die
Bevölkerung nach Ägypten flieht“. Er meint sicher den ägyptischen
Sinai
Übrigens stand auf einer israelischen Webseite,
dass Moshe Feiglin „weithin als brillanter Intellektueller mit
hochoriginellen Gedanken zu zahlreichen Themen“ angesehen sei.
Wenn mir jemand sagen würde, dass der Mann
schlichtweg bekloppt ist und einer entsprechenden Behandlung
zugeführt werden sollte: Ich würde dem sofort und ohne Wenn und Aber
zustimmen. Aber er übt in Israels Regierungssystem eine wichtige
Funktion aus und ihm wird eine große Karriere in der Likud-Partei
vorausgesagt.
Aber Moshe Feiglin ist bei Weitem nicht der
Einzige, der als Mitglied der Regierung oder deren Parteienbündnis
durch „reinrassige“ antiarabische Sprüche unangenehm aufgefallen
ist. Es ist also kein Wunder, dass sich das Krebsgeschwür des
Rassenhasses und des jüdischen Überlegenheitswahns tief in die
israelische Gesellschaft hineingefressen hat.
Und so wird auch nachvollziehbar, dass die
israelische Armee bis zu 150 Palästinenser in Rafah an der Grenze zu
Ägypten bei schwersten Bombardements ermordet hat. In diesem Fall
aber nicht, um einen ihrer Soldaten zu retten, sondern um seine
Festnahme durch die Hamas zu verhindern. Das war ihr so wichtig,
dass sie neben den 150 Palästinensern auch den eigenen Soldaten
zerbombte. Das bezeichnet man in Israel als die „Hannibal-Doktrin“.
Im Internet sind unzählige unvorstellbare
Grausamkeiten dokumentiert, die die israelische Armee bei ihren
brutalen Angriffen auf Gaza und seine eingekerkerten Menschen verübt
hat. Dankenswerter Weise gibt es immer wieder israelische Soldaten,
die stolz ihre Schandtaten im Internet veröffentlichen. Aus diesen
sei nur das Beispiel eines israelischen Scharfschützen (David Ovadia)
herausgegriffen, der sich damit brüstet, an einem einzigen Tag 13
Gazakinder getötet zu haben und im Übrigen die Muslime zur Hölle
wünscht.
Allem in Allem erscheint die Frage sehr
berechtigt, ob Israel als gescheiterter Staat anzusehen sei. Diese
dürren, aber bedenkenswerten Worte sind der Untertitel zu dem Text
„Israel, der Frieden und die Besatzung“, den am 8. August 2014 die
renommierte Zeitschrift „Zenith“ veröffentlicht hat. Passender Weise
hat der „Zenith“- Mit-Herausgeber Christian Meier seinem Text ein
Foto des „Hass-Politikers“ Moshe Feiglin vorangestellt. Fazit des
Textes: „In seinem gegenwärtigen Zustand besitzt Israel nicht die
Reife, über fremdes Gebiet zu herrschen“. Ich füge hinzu: Israel hat
auch keinerlei Recht dazu, wie dies die gesamte Völkergemeinschaft
schon seit Jahren festgestellt hat, wie übrigens jüngst auch wieder
die deutsche Bundesregierung.
Und was die Hetze angeht, die Israel vor allem im
Internet überschwemmt: Dazu hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung
am 9.8. einen informativen Text veröffentlicht. Dort erfährt der
erschütterte Leser, dass Sarit Michaeli, Sprecherin der bekannten
israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem als „Tochter einer
arabischen Hure“ beschimpft und ihr Tod mit einer fingierten
Traueranzeige angekündigt wurde. Auch Gideon Levy, Uri Avnery und
Zeev Sternhell werden mit Palästinensertuch und Logo der Hamas
versehen auf Facebook abgebildet. Das kommt einem Mordaufruf gleich.
Der Journalist Uri Misgav, der sich ebenfalls auf der Hass-Liste der
Rechten wiederfindet, kommentiert wie folgt: „Wir befinden uns in
einer Situation, die jener der dreißiger Jahre in Deutschland
ähnelt“.
Und zum Schluss: Zu der oben zitierten
Vorstellung von Moshe Feiglin und des Transportministers: „Alle
Araber in den Sinai“ gäbe es eine interessante Alternative. Israel
hat es mit seinen Bombardements geschafft, den Gazastreifen in
weiten Teilen unbewohnbar zu machen. Die Vereinten Nationen hatten
schon wiederholt vor der Gefahr gewarnt, dass der Gazastreifen auf
mittlere Sicht nicht mehr bewohnbar sein werde. Israel hat es mit
seinem Krieg geschafft, diesen Prozess zu beschleunigen. Was wäre,
wenn sich die Menschen in Gaza entschließen würden, nach Israel und
in das Westjordanland zu ziehen, in das Land ihrer Väter, die von
dort vertrieben wurden? In einer endlosen Karawane. Die Menschen
haben in Gaza nichts mehr zu verlieren. Wie würden sich die
israelische Regierung und seine Armee verhalten, wenn
Hunderttausende Frauen, Kinder und Männer über die Grenze strömen
würden? Die Antwort mag sich jeder selbst geben.
Dieter Neuhaus - 9.8.14