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Texte von Hajo Meyer

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„Israel streut der Welt Sand in die Augen“

 

Hajo G. Meyer im Interview mit Arn Strohmeyer

 Hajo G. Meyer (Jahrgang 1924) ist deutscher Jude und Auschwitz-Überlebender. Er floh vor den Nazis nach Holland, wurde dort verhaftet und in das Todeslager der SS verschleppt. Nach dem Krieg ging er wieder nach Holland zurück und arbeitete nach dem Studium der Physik in der Entwicklungsabteilung bei Philips. Meyer nimmt eine äußerst kritische Position gegenüber dem Zionismus und der israelischen Politik ein. Zu diesen Thema hat er mehrere Bücher verfasst.

 

 Warum ist der Nahost-Konflikt offensichtlich so unlösbar? Warum kann Israel nun schon seit über vierzig Jahren seine Besatzung aufrechterhalten und die Palästinenser unterdrücken? Auch so genannte Friedensverhandlungen führen zu nichts. Selbst der neue amerikanische Präsident Obama scheint in dieser Sache ziemlich machtlos.

 

Eine vollständige Antwort auf diese Frage würde wenigstens das Schreiben einer vollständigen Dissertationen erfordern. Ich kann hier nur ein paar Punkte nennen:

  1. Die ganze westlich-christliche Welt erlaubt sich keine einzige Kritik an der Politik Israels, weil sie ein schlechtes Gewissen wegen des Holocausts hat, das mit unglaublichem Geschick durch Israel instrumentalisiert wird um die Welt zu erpressen.

  2. Wenn Israel das Wort „Frieden“ gebraucht, tut es das nur, um der ganzen Welt Sand  in die Augen zu streuen. Das allerletzte, was Israel will, ist wirklicher Frieden und das völlige Schweigen jeglicher Waffen. Denn nur solange diese in Gebrauch sind, kann Israel damit fortfahren, mehr palästinensisches Gebiet zu besetzen und zu bebauen und auf diese Weise Tatsachen zu schaffen, die nicht mehr umkehrbar sind.

  3. Präsident Obama ist darum so machtlos, weil auch er durch die zionistische Lobby in Amerika unter Druck steht.

 

Welche Rolle spielt der Zionismus bei der Unlösbarkeit des Problems?

 

Die Rolle des Zionismus ist ohne jeden Zweifel hauptverantwortlich für die Unlösbarkeit des Problems. Dies kommt daher, dass der real existierende politische Zionismus nur ein einziges politisches Ziel anerkennt und seit den vierziger Jahren auch tatsächlich anstrebt. Dieses Ziel kann in einem Satz formuliert werden: Maximum an Land in Palästina mit einem Minimum – am liebsten gleich null – der Zahl der dort wohnenden Palästinenser“.

 

 

Sie vergleichen die Unterdrückung der Palästinenser durch Israel mit der Unterdrückung der Juden durch die Nazis von 1933 bis 1939, also vor dem Holocaust. Ist dieser Vergleich historisch korrekt und moralisch vertretbar?

 

Ein Vergleich von zwei historischen Situationen setzt nie eine Gleichheit voraus, Gleichheiten gibt es in der Geschichte nicht, wohl aber Situationen, die zwar vergleichbar aber durchaus auch immer verschieden sind. Historisch korrekt ist in dieser Sache die Unterdrückung und Diskriminierung einer bestimmten ethnischen Gruppe durch eine andere ethnische Gruppe.

Moralisch vertretbar ist dieser Vergleich durchaus aus verschiedenen Gründen:

  1. Die Rechts-Ungleichheit bis zum November 1938 in Nazideutschland war vermutlich geringer als die der Palästinenser heute in Israel.

  2. Der Zugang zu Unterricht und Ausbildung war bis zu diesem Datum (Nov. 1938) in Deutschland und bis zu April 1943 in den besetzten niederländischen Gebieten besser als im heutigen Palästina und Israel.

  3. Wie in meinem Buch Tragisches Schicksal ausführlich dargelegt habe, war bis 1942 kein Massenmord, sondern „nur“ die Vertreibung der Juden geplant. Auch dies ist ein Grund dafür, dass ein gewisser Vergleich zwischen den zwei Situationen gerechtfertigt ist.

 

 

Glauben Sie, dass die gegenwärtige Politik Israels die Zukunft des Staates sichern kann?

 

Nein, im Gegenteil. Mit seiner heutigen Politik, die durch unrationale aber erklärbare und bewusst hervorgerufene paranoide Gefühle bestimmt wird, treibt Israel sich selbst, die Palästinenser, aber vermutlich auch die ganze Welt immer näher an den Abgrund.

 

 

Kritische Israelis – etwa Abraham Burg, Moshe Zuckermann und Felicia Langer – werfen Israel die Instrumentalisierung des Holocaust vor. Vor allem: Israel nehme sich mit Berufung auf den Holocaust das Recht heraus, in seiner Politik und seinen Militäraktionen keine Rücksichten auf irgendjemanden zu nehmen. Aus dem selben Grund schlage es auch das Völkerrecht und UNO-Resolutionen in den Wind. Instrumentalisiert Israel den Völkermord an den Juden für seine Zwecke?

 

Ja, ich bin vollständig mit den hier genannten kritischen Israelis einer Meinung und gehe noch einen kleinen Schritt weiter: Das Judentum ist in Israel, und leider auch in anderen sich jüdisch nennenden Organisationen, die aber zionistisch sind, ersetzt worden durch die Holocaustreligion des hohen Priesters Eli Wiesel.

 

Sie sagen, der Zionismus verhält sich zum Judentum wie der Nationalsozialismus zum Deutschtum. Das ist ein sehr hartes Urteil. Ist der Zionismus infolgedessen in Ihren Augen eine Deformation oder eine Verirrung des Judentums?

 

Es geht hier um mehr als eine Deformation oder Verirrung: Der Zionismus steht dem Judentum, das in Mitteleuropa und in Amerika bis zum Zweiten Weltkrieg die Hauptrichtung darstellte, diametral entgegen. Das Judentum der das „Reform Judentum“ ist humanitär auf höchster mitmenschlich-ethischer Stufe, also universalistisch. Der heutige politische  Zionismus dagegen ist xenophob, nationalistisch, Blut-und-Boden-gebunden, ethnisch säubernd und leider auch rassistisch.

 

 

Sie haben die Hölle von Auschwitz selbst erlebt. Was ist für Sie die moralische Konsequenz, die man ganz allgemein und auch in Bezug auf den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern aus der Judenvernichtung durch die Nazis ziehen muss?

 

  1. Wenn eine (dominante) Gruppe eine andere Gruppe von Menschen diskriminieren, unterdrücken und darum entmenschlichen will, dann kann sie das nur erreichen, wenn erst die Individuen der dominanten Gruppe selbst durch Propaganda und Indoktrination entmenschlicht sind. Welche Uniformen die Entmenschlicher auch tragen mögen, sie sind selbst keine Menschen mehr, und das ist der einzige Grund, warum sie die Aufgabe erfüllen und die Befehle befolgen, die sie von ihren Befehlshabern bekommen haben.

  2. Da jegliche mit-menschliche Ethik von Konfuzius bis Buddha, von den ethischen Kapiteln des Alten Testaments bis zur Aufklärung, und schließlich zur universellen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen davon ausgeht, dass alle Menschen fundamental gleichwertig und in ihrer menschlichen Würde ebenbürtig sind, ist die unter 1. genannte Entmenschlichung, die man in Auschwitz versucht hat, bei den Juden zu erreichen, ein starkes Warnsignal, das etwas derartiges nie mehr und nirgendwo und gegenüber niemandem je mehr passieren darf.

 

In Deutschland ist aufgrund der Vergangenheit die enge Freundschaft mit Israel „Staatsräson“. Ist die Politik, die aus dieser Maxime folgt, ein Beitrag zum Frieden im Nahen Osten? Die Deutschen liefern ja sogar schwere Waffen an Israel. Oder anders gesagt: Welche Gründe bewegen deutsche Bundesregierungen zu einer solchen Politik? Sind es vor allem auch wirtschaftliche Rücksichten auf die sehr einflussreichen großen jüdischen Organisationen in den USA?

 

Diese Politik der Staatsräson ist der größte politische Skandal der Nachkriegszeit in Deutschland. Sie kann keine andere Gründe haben, als dass sich die deutsche Politik erpressen lässt durch das durchaus berechtigte Schuldgefühl der Deutschen, das der Holocaust verursacht hat und das noch immer nicht verschwunden ist. In einer Erpressungs-Situation ist zwar der Erpresser der Hauptschuldige, aber der Erpresste ist durchaus mitschuldig. Es gibt im holländischen ein wunderbares Sprichwort, das sagt: Es sind deine Freunde die dir deine Fehler zeigen. In dem Sinn sind die deutschen Politiker gar keine Freunde von Israel, sondern nur Mittäter im Verbrechen der Erpressung. Diese verbrecherisch unkritische Haltung gegenüber der Politik Israels ist die dialektische Umkehrung des noch immer vorhandenen Antisemitismus. Nur jemand der die Juden als völlig gleichwertige Mitmenschen betrachtet, kann gegenüber ihnen auch berechtigte Kritik äußern. Wer das nicht kann, ist irgendwo noch tief in seinem innersten noch nicht frei von antisemitischen Gefühlen.

 

Wie sollte eine „bessere“ deutsche Nahost-Politik denn aussehen?

 

Sie sollte endlich die Unterdrückung, Diskriminierung und Entmenschlichungsversuche der Palästinenser an den Pranger stellen und diese Politik als eine letzte Erscheinungsform eines verbrecherischen Kolonialismus kritisieren und bestreiten.

 

 

Aber auch die EU ist Israel gegenüber sehr kritiklos und übt keinen Druck auf die Regierung in Jerusalem aus. Gerade erst hat Brüssel ein neues Handelsabkommen mit Israel geschlossen, das ihm große Vorteile einräumt.

 

Dies ist völlig in Übereinstimmung mit dem oben Gesagten. Nazideutschland hat zwar den Holocaust begonnen, aber kein einziges Land im westlichen Europa, inklusive den USA, hat einen Dreck dagegen getan. Daher fühlen sich alle westlichen, christlich orientierten Länder mitschuldig und lassen sich wie Deutschland erpressen. Zweifelsohne spielen in allen Fällen auch wirtschaftliche Motive eine Rolle, Handel oder Zugang zum Öl oder was auch immer betreffend.

 

Kritik an Israel gilt in Deutschland als tabu. Dürfen Deutsche Israel und seine Politik kritisieren? Oder sogar an Boykottaktionen gegen Israels oder Produkte aus den besetzten Gebieten teilnehmen?

 

Sieh meine Antworten auf  die Fragen zwei und drei Absätze höher.

 

Vielen Deutschen scheint der Unterschied zwischen Antisemitismus und Antizionismus nicht klar zu sein. Wie würden Sie diesen Unterschied definieren?

 

Für einen Antisemiten ist alles, was ein Jude tut oder sagt einfach darum schlecht, weil es aus einer jüdischen Seele kommt, die wegen ihrer rassischen Eigenschaften prinzipiell nichts hervorbringen kann, das zu irgendetwas gut wäre. Ein Antizionist ist dagegen jemand der die Politik des zionistischen Staates Israel wegen dessen Verstößen gegen die Menschenrechte und das internationales Recht kritisiert. War etwa Heinrich Mann, der die Kriegs-Politik des Kaisers kritisierte, ein Antideutscher? (nicht im heutigen Sinn des Wortes gemeint). Keineswegs, im Gegenteil!

 

Es gibt in Deutschland seit einiger Zeit sehr radikale philosemitische Gruppen – etwa einige Deutsch-Israelische Gesellschaften, die Freunde Israels oder die so genannten „Anti-Deutschen“ – , die inquisitorisch jede Kritik an Israel verfolgen und deren Urheber sofort als „Antisemiten“ anprangern. Was halten Sie von diesen Leuten?

 

Wie oben schon gesagt, das sind tatsächlich die heutigen Antisemiten, die Juden nicht als normale Menschen sehen können. Da aber der klassische Antisemitismus ohne Mantel nicht mehr als salonfähig gilt, verkleiden sie sich als Antideutsche oder tauchen unter in einer Deutsch-Israelischen Gesellschaft.

 

Es gab in letzter Zeit massive Kritik am Zentralrat der Juden in Deutschland. Er sei zu einseitig Israel-freundlich, hieß es. Außerdem sei er so etwas wie eine „Reue-Anmahnungs-Institution“. Teilen Sie diese Kritik?

 

Zu mehr als 100 Prozent! Der Zentralrat ist genau das, was Friedensorganisationen im Kalten Krieg waren. Das waren von der Sowjetunion mit Geld und Propagandamaterial unterstützte Organisationen mit den Ziel, den Kommunismus zu fördern. So ist der Zentralrat eine zionistische Mantelorganisation, die letztlich nur Israels Interessen vertritt. Das gilt auch für viele jüdische Gemeinden in Deutschland, die auf fanatische Weise zionistische Propaganda betreiben. .

 

Was sagen Sie Juden, die Sie auf Grund Ihrer Positionen als „jüdischen Selbsthasser“ oder sogar als „jüdischen Antisemiten“ bezeichnen?

 

Die mache ich lächerlich, weil sie die elementarsten Begriffe wie Antisemitismus und Antizionismus bewusst oder unbewusst nicht auseinander halten können. Weil die wirklichen und schlimmsten jüdischen Selbsthasser beweisbar die ersten Zionisten waren. Die haben Texte hinterlassen, auf die Alfred Rosenberg oder Heinrich Himmler stolz sein könnten. Über diese Sache habe ich ein kleines Buch geschrieben.

 

Sie waren in Auschwitz und haben Deutschland von seiner schrecklichsten Seite kennengelernt. Sie leben schon seit Jahrzehnten in den Niederlanden. Wie stehen Sie zum Nachkriegs- und heutigen Deutschland? Haben Sie Vertrauen in seine Politik und Kultur? Oder anders gefragt: Glauben Sie, dass den Deutschen so etwas wie die Bewältigung Ihrer Vergangenheit gelungen ist?

 

Diese Frage ist auf implizite Weise schon oben beantwortet. Einerseits hat natürlich Deutschland mit der Wiedergutmachung – etwas was nie wieder gutgemacht werden kann – sein äußerstes getan, um Reue über das Geschehene zu zeigen und in schweren Zeiten doch noch viel Geld für die überlebenden Opfer und für den Aufbau des Staates Israel abzuzweigen. Da die Indoktrination des Volkes mit Antisemitismus nur während 12 Jahren der NS-Herrschaft intensiv sein konnte, gelang es Deutschland, nach dem Krieg auch wieder eine gute Demokratie zu werden. Andererseits ist aber die übertriebene Liebe zu Israel und Die Sonderbehandlung der Juden in Deutschland eine neue Form von Antisemitismus. Leider wird die deutsche Politik hierbei ganz stark von Israel und seinen Mantelorganisationen unterstützt. Wie oben schon erwähnt gilt dies alles, mutatis mutandis, für die ganze westliche christliche Welt; nur ist es in Deutschland noch etwas deutlicher als in den meisten anderen Ländern. Frau Merkels unkritisches und devotes Verhalten gegenüber den israelischen Regierungen ist mehr als peinlich.

 

 

 
 

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