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Erzbischof Elias Chacour, ein Mann der Seligpreisungen: Vorstellung einer ergreifenden Biographie
Von Angela Reddeman



MÜNCHEN, 26. April 2007 (ZENIT.org).- Das kürzlich bei Herder erschiene Buch „Elias Chacour – Israeli, Palästinenser, Christ“ von Pia de Simony und Marie Czernin, die Lebensbeschreibung des Erzbischofs von Galiläa, macht mit einem Christen bekannt, der unter Lebensgefahr unbeirrt für Versöhnung und Frieden kämpft.

Wer die 225 Seiten des atemberaubenden Buches liest, spürt: Hier weiß ein Mann aus eigener Erfahrung, was die konkrete Umsetzung der Seligpreisungen, was christlich-islamischer Dialog bedeuten.

Die Biographie Chacours ist ein ergreifendes historisches Lebenszeugnis für die konsequent gelebte Option von Gewaltverzicht und total engagierter Existenz. Das Buch entführt den Leser ins Heilige Land, führt zurück in die Vergangenheit und zeigt, wie hier konkrete Menschen aus einem konkreten Volk sich unter enormen Anfechtungen dazu durchringen, Jesu Bergpredigt zu leben.

Als Bauernsohn im 1.500-Seelendorf Biram geboren, empfing Elias Chacour von seinen Eltern im Schoß einer melkitischen Familie ein „wertvolles geistiges Erbe“.

Er war acht Jahre alt, als seine Familie 1947 von israelischen Soldaten aus dem Heimatdorf vertrieben wurde. Nunmehr gehörte zu denen, die zu „Flüchtlingen im eigenen Land“ geworden waren. Er erlebte Hass und Terror, verstand es aber, die Weisungen seines Vaters konsequent umzusetzen: „Wenn euch jemand je wehtun sollte, könnt ihr ihn zwar verfluchen, doch das wäre sinnlos. Bittet stattdessen den Herrn, den zu segnen, der sich selbst zu eurem Feind macht“ (Elias Chacour, 21).

Chacour lernte von seinem Vater, sich in die Verletzungen des jeweiligen Angreifers hinein zu versetzen, die Wunden der Vergangenheit der Israelis als Folie der militärischen Überreaktionen zu lesen.

Aus unmittelbarer Nähe zum Herzstück seiner tiefsten Absichten und Grundhaltungen beschreibt das Autorenteam, wie Elias Chacour im Lauf der Jahre das Erbe seiner Familie antritt, sich der Führung Gottes unterstellt und zu einem spirituellen Energiezentrum des christlich-jüdisch-muslimischen „Trialogs“ wurde. Sein Leben kann paradigmatisch zum Vorbild werden, Jesus Christus im „Hier und Jetzt“ bis in die tiefste Verlassenheit des Kreuzes zu folgen.

Elias Chacour, der im Jahre 1939 geboren wurde, ist ein Grenzgänger. Der christliche Palästinenser gehört zu den wenigen, die in Paris und an der Hebräischen Universität in Jerusalem christliche und jüdische Theologie studieren durften.

In Europa litt er daran, zu einem in der internationalen Öffentlichkeit einseitig gebrandmarkten Volk zu gehören. Während seiner Studienzeit in Paris wurde ihm „voll bewusst, dass es in westlichen Augen eine Schande sei, Palästinenser zu sein – ausgestoßen, wie ein Leprakranker“ (Elias Chacour, 42).

Die neue Biographie entlarvt mit seiner Gesamtschau des jahrzehntelang schwelenden Nahostkonfliktes mit entwaffnender und ungeschminkter Ehrlichkeit jedes Vorurteil und einseitige Schwarz-Weiß-Denken. Jenseits aller Rechthaberei eröffnet es das Ringen eines Arabers mit den tiefsten Prinzipien seiner christlichen und priesterlichen Existenz.

Das bewegte Leben des melkitischen (griechisch-katholischen) Erzbischofs in Israel formte sich jahrzehntelang, fast verborgen, als Seelsorger im Dorf Ibillin.

Die Dorfgemeinschaft aus Moslems, griechisch-orthodoxen Christen und Melkiten war seit den Bürgerkriegswirren der 1940er-Jahre innerlich gespalten. Das Buch zeigt, wie er als Streitschlichter und Friedenstifter nicht umhin kam, auch mit seinen eigenen Untiefen konfrontiert zu werden: „Er begriff plötzlich, dass alle Menschen – auch jene die geschliffene Umgangsformen besaßen – zu schrecklichen Gemeinheiten fähig sein konnten…, auch er selber.“ (Elias Chacour, 83). Nur im Bewusstsein seiner eigenen Armut und Unzulänglichkeit konnte er ein Mann der Seligpreisungen, ein Hoffnungsträger für das Heilige Land werden.

Das Buch zeigt exemplarisch, wie das Leben dieses Priesters in Treue zu seiner Vision der Einheit und friedlichen Koexistenz aller ein Hoffnungsstrahl für das schwierige Leben von Millionen Menschen ist, die mit einem Konflikt leben müssen, der in Palästina immer noch andauert.

Die Biographie wird zu einem lebendigen Beweis dafür, dass die Besatzung und alles, was aus ihr folgt – Freiheitsbeschränkung, Mauer, Straßensperren, Enteignungen, Mord, Verhaftung, Zerstörung –, nicht verhindern können, das Menschen sich mit Gottes Hilfe versöhnen.

Das Lebenswerk von Elias Chacour besteht unter anderem in der Gründung einer weiterführenden Schule in den 1980er-Jahren, die allen jungen Menschen der Region offen steht. Sie kostet ihn Blut und Tränen. Anschaulich beschreibt das Buch auch die jeweiligen Etappensiege seiner Mühen. Als der israelische Außenminister Shimon Peres im Jahre 1994 den Friedensnobelpreis erhielt, wollte er seine erste Rede über den Frieden im Zentrum von Ibillin halten, der Gründung von Chacour.

„Fast 20 Jahre lang haben wir Sie als Feind Israels betrachtet“, erklärte der israelische Politiker damals. „Im Laufe der Zeit haben wir aber in Ihnen einen Freund entdeckt, der uns mit der Wahrheit konfrontiert, auch wenn es uns schwer fällt, diese zu akzeptieren. (...) Ab jetzt möchte ich Ihr Vermittler sein“ (Elias Chacour, 152).

Der langjährige Kampf mit den israelischen Behörden gipfelte im Jahr 2003 in der Gründung der ersten christlich-arabische Hochschule in Israel, Mar Elias Educational Institutions (Elias Chacour, 191).

Mehr als die Hälfte der Studierenden sind Frauen und Muslime. Die Angebote reichen vom Kindergarten bis zum Universitätsstudium. Mehr als 4.500 junge Menschen werden gegenwärtig im „Mar-Elias-Zentrum“ ausgebildet.

Wie wird sich der blutige Nahostkonflikt weiterentwickeln? Das Leben von Elias Chacour zeigt: Hass kann verwandelt werden, Frieden ist möglich.
ZG07042608

 

 
 

 

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