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Die
Karawane für Palästina - Reisende in Sachen
Völkerrecht
Sophia Deeg am 21.7.2005
Seit dem 5.Juli 2005 waren über hundert Menschen aus
zahlreichen europäischen und einigen anderen Ländern
in einer Fahrzeugkarawane unterwegs nach Palästina.
Die Reise begann in Strasbourg, dem Sitz des
Europäischen Parlaments, und sollte am 19. Juli in
Jerusalem enden, wo palästinensische und israelische
AktivistInnen die Internationalen - seit gestern
wissen wir: vergeblich - erwarteten. Denn die
israelischen „Sicherheits“kräfte, die nicht nur die
Grenzen Israels, sondern auch die des besetzten
Palästina kontrollieren, haben den gewaltfreien
DemonstrantInnen die Einreise verweigert und sie in
Richtung Jordanien verfrachtet. Dazu wurden sie in
einen ihrer Busse förmlich hineingeprügelt und
abtransportiert.
Reisen scheint durchaus eine vielversprechende politische
Aktivität zu sein. Auch Außenminister Fischer war
kürzlich in Israel/Palästina unterwegs, zuvor
bereiste die US-Außenministerin die Region. Von
Behinderungen bei der Einreise ist nichts bekannt.
Wir sind es gewohnt, den Mächtigen und ihren VertreterInnen
beim bedeutungsvollen, konfliktlösenden Reisen
zuzusehen, ihren Verlautbarungen, Ermahnungen und
Absichtserklärungen zu lauschen und die Früchte
ihrer Reisediplomatie, Road Maps und Ähnliches, zur
Kenntnis zu nehmen. Sie sind ständig unterwegs, und
zwar für den Frieden und vorgeblich in unserem
Namen. Wir sind es auch gewohnt, dass in den Medien
und der Öffentlichkeit ausschließlich diese
Reisetätigkeit wahrgenommen wird, obwohl sie keinen
Konflikt je im Sinne des internationalen Rechts und
auf der Grundlage der Wahrheitsfindung über die
Ursachen der Konflikte gelöst hat.
Doch, so der israelische Autor und Aktivist Michel
Warschawski beim Weltsozialforum in Porto Alegre
2003, „es gibt keine ‚Konflikte’, es gibt
Angriffskriege, Befreiungskämpfe, Streiks...Und die
Verhandlungslösungen, die für Israel/Palästina
bisher vorgeschlagen wurden, sind „klare Beispiele
dafür, wie man einen ‚Konflikt’ NICHT löst“. Denn
sie „basieren auf der Annahme eines Konflikts und
nicht auf der einer Besatzung.“ Eine Besatzung ist
aber nach internationalem Recht genau definiert, mit
Pflichten seitens des Besatzers, Bedingungen unter
denen sie andauern darf oder zu beenden ist, mit
Rechten der Zivilbevölkerung des besetzten Gebietes,
zum Beispiel auf Schutz und Versorgung durch die
Besatzungsmacht. Was also zu geschehen hat, um den
rechstfreien Zustand in den besetzten Gebieten zu
beenden, um der sogennten „Spirale der Gewalt“
Einhalt zu gebieten, um Frieden zu ermöglichen, ist
bekannt, festgeschrieben durch die Genfer
Konventionen, UN-Resolutionen, internationales Recht
und menschenrechtliche Übereinkünfte.
Was jedoch seit 38 Jahren tatsächlich geschieht, ist genau
das Gegenteil. Und auch während die Karawane des
Rechts sich in Richtung Palästina bewegt, macht sich
die Besatzungsmacht in gewohnter Manier auf
Menschenjagd, liquidiert Verdächtige, verhängt
Kollektivstrafen als Reaktion auf einen
Selbstmordanschlag, der selbstverständlich zu
verurteilen und vor allem aufzuklären ist. Mit
seinen Methoden jedoch vertieft Israel einmal mehr
den Zustand der Rechtsfreiheit, der auch den eigenen
Bürgern schwer schadet.
Der „Karawane für Palästina, Karawane des Rechts“ wurden bei
der Abreise in Strasbourg von EU-ParlamentarierInnen
aller Fraktionen, vor allem aber der Fraktion der
Linken und der skandinavischen Grünen, die besten
Wünsche mit auf den Weg gegeben. Francis Wurtz, der
Vorsitzende dieser Fraktion erinnerte daran, dass
das EU-Parlament bereits im April 2002 mehrheitlich
die Aussetzung des europäisch-israelischen
Assoziationsabkommens gefordert hat. Das Abkommen
enthält als Bedingung für die gemeinsame
Freihandelszone von beiden Partnern einzuhaltende
Menschenrechtsklauseln. Es ist allgemein bekannt,
dass diese durch Israel und seine Siedlungs- und
Besatzungspolitik unausgesetzt verletzt werden. Doch
der Ministerrat, allen voran Außenminister Fischer,
der sich gerne als Vorkämpfer für – mancher Menschen
– Menschenrechte hervortut, ist jedoch nicht bereit,
den Parlamentsbeschluss umzusetzen.
Seit etwa einem Jahr planen Einzelpersonen und AktivistInnen
aus den sozialen Bewegungen Frankreichs, der
Niederlande, Spaniens und Italiens die Karawane für
Palästina. Manche von ihnen waren bereits ein- oder
mehrmals in Palästina und haben gesehen, dass sich
die humanitäre Lage der Bevölkerung ständig
verschlechtert hat und dass der Mauerbau trotz der
Verurteilung durch den Internationalen Gerichtshof
fortgeführt wird. Andererseits stellten sie fest,
dass der gewaltfreie Widerstand der Palästinenser,
zusammen mit Israelis und Internationalen, trotz
aller Widrigkeiten beharrlich fortgeführt wird.
„Warum nimmst du teil an der „Karawane“ frage ich „Mad Dog“,
einen Punk und Medienaktivisten aus Südfrankreich.
Seine Antwort ist verblüffend einfach. „Es geht um
Rechte, Rechte die nicht verletzt werden dürfen,
nirgends.“
Eine Säule des Projekts „Karawane für Palästina“ ist nicht
von ungefähr das „Collectif judéo-arabe et citoyen“
in Strasbourg. Arabische, jüdische und andere Bürger
der Stadt und des Umlandes entfalten unermüdlich
Aktivitäten, um den rechtsradikalen, rassistischen
Strömungen im Elsass entgegenzutreten und um den
Kampf der Palästinenser gegen die Besatzung zu
unterstützen. „Das gehört für uns zusammen“, erklärt
mir Perrine, eine der Aktivsten im „Collectif“. So
sind nicht wenige „caravaniers“ Franzosen mit
jüdischen oder arabischen Wurzeln.
Sie nehmen „die andere Welt“ voraus, in der nicht „tribale“
Zugehörigkeiten und die Vorgaben der Macht
politisches Handeln und menschliche Beziehungen
prägen und einschränken.
Für Germaine, Mitglied des Collectif und mit Ende siebzig
die älteste Teilnehmerin der Karawane, ist es
selbstverständlich, für die Rechte der Palästinenser
einzustehen. „Und nur bla-bla, des reicht net“,
meint sie auf elsässisch. „Man kann doch net
zulasse, dass die Leut’ immer nur unterdrückt
werde.“ Sie trägt ein T-Shirt von Via Campesina, der
globalisierungskritischen Bauernbewegung und nennt
José Bové, den bekannten „Altermondialisten“ ihren
Freund. Die Zusammenhänge liegen für sie auf der
Hand: die gnadenlose Ausbeutung der Natur, die
Zerstörung der bäuerlichen Lebensweise und
Traditionen, Sozialabbau, Krieg und Besatzung, alles
damit die großen internationalen Unternehmen noch
mächtiger und reicher werden. Das einzige, was
dagegen hilft, Solidarität, unsere gemeinsame
Aktion. Im internationalen Bus, dem größten Fahrzeug
der Karawane, ist Germaine fraglos Mittelpunkt. Sie
flirtet mit Mohamed, dem Lehrer aus Nancy, und lässt
uns alle hüpfen, stellt aber auch jederzeit
großzügig Zelt, Jacke, und was sonst gebraucht wird,
zur Verfügung. An der Grenze von Slowenien nach
Kroatien wird die Karawane von den kroatischen
Grenzschützer mit fadenscheinigen Begründungen
stundenlang aufgehalten. Germaine schickt mich los
und lässt sich von mir Bericht erstatten, was da
draußen verhandelt wird.
Schließlich steigt sie unter dem Vorwand, auf die Toilette
zu müssen, selber aus. Als es zu einem Gerangel
kommt, weil die Grenzer Saif, den Palästinenser, der
noch kein Visum hat, grob anpacken und wegzzerren,
tritt sie den Soldaten immer wieder in die Wade.
Drehen sie sich um, sehen sie eine verzweifelte
ältere Dame vor sich, die kein Wässerchen trüben
kann. Hinterher kichert sie vergnügt, wenn sie an
die Szene zurückdenkt. „Aber Germaine, das geht
nicht, wir sind gewaltfrei...“ wird sie von einer
jungen Mitstreiterin ermahnt, doch sie bleibt
vergnügt. Außerdem hat sie von Anfang an gewusst,
was von den kroatischen Uniformierten an der Grenze
zu erwarten ist: „Des sin Faschiste, die mache uns
bestimmt Probleme...“
Germaine ist eine von rund hundert eigenwilligen
Persönlichkeiten, die sich für dieses Unternehmen
einer Karawane des Rechts selbst organisiert haben
und sich stündlich und täglich angesichts der
Unwägbarkeiten einer solchen „Mission ohne
offiziellen Auftrag“ organisieren. Jeder ist für
sich, seine Mitreisenden und das Gelingen des Ganzen
selber verantwortlich. Alles muss während der Fahrt
gelernt werden: Wie den Informationsfluss
untereinander organisieren? Wie schnell zu
Entscheidungen kommen, an denen alle beteiligt sind?
Wie auf „Autoritäten“ reagieren, vor allem an den
Grenzen? Auch dieser Lernprozess selber ist ein
Vorgriff auf „die andere Welt“, um die es
unausgesprochen geht. Dieses Bewusstsein flößt einen
besonderen gegenseitigen Respekt ein. Ein
„caravanier“ nennt es „Zärtlichkeit“.
Wir sprechen viele Sprachen und schreien uns manchmal an,
weil wir vergessen zu übersetzen und uns nicht
verstehen. Wir üben verschiedene Berufe aus oder
sind arbeitslos. Manche von uns studieren noch,
andere sind schon in Rente. Es gibt Kinder unter
uns, ganze Familien, Künstler, religiöse Menschen,
Atheisten, Muslime, Juden und Christen. Autonome,
Anarchisten, Sozialisten,
Globalsierungskritiker...auch manche eher
unpolitischen Menschen.
Die uns auf den ersten Etappen der Reise empfangen haben, in
Frankreich, der Schweiz, Italien, Serbien und der
Türkei sind genauso vielfarbig wie wir, aber alle
überzeugt von einer einfachen Zielsetzung: „die
Anwendung des internationalen Rechts einzufordern“,
wie es auf einem Plakat heißt, das wir in Trieste
sahen. Darauf wird die Rundfahrt der Karawane durch
die Stadt und das anschließende gemeinsame Feiern in
einer Sportanlage ankündigt. Einladende sind
örtliche Friedensgruppen, Antifaschisten,
Migrantengruppen – so weit ich sehe, nur eine
speziell mit Palästina befasste Initiative. In
Milano, wo die Karawane durch eine Fahrraddemo
begleitet durch die Stadt fuhr, stand sie
anschließend im Mittelpunkt des Volksfestes der
Rifondazione Communista.
Von all diesen Menschen und Gruppen wird der
palästinensische Widerstand gegen die Besatzung als
emblematisch empfunden, als ein beharrlicher Kampf
für unveräußerliche Rechte, als ein universelles
Anliegen, daher die große Zustimmung und teilweise
sogar Begeisterung, wo immer die Karawane auftaucht.
Dies scheint besonders in der Türkei der Fall
gewesen zu sein, wo der Karawane ein überwältigender
Empfang bereitet wurde und auch in einigen Medien
der Widerhall groß war - wohl eher weil und nicht
obwohl die türkische Regierung eng mit der
israelischen kooperiert. In einem palästinensischen
Flüchtlinglager in Syrien, kommen die Fahrzeuge zum
Stehen, umringt von Tausenden begeisterten Menschen.
„Sie haben hier nie Besucher aus dem Ausland, es ist
noch nie jemand gekommen, um ihnen zu bestätigen,
dass sie ein Rückkehrrecht haben“, höre ich einen „caravanier“
bewegt ins Telefon rufen (ich bin inzwischen wieder
in München).
Krieg, Besatzung, Isolation und mit Gewalt durchgesetzte
Ungleichheit nehmen zu. Diese Gewalt sucht auch die
Metropolen heim, wie es jüngst der Anschlag in
London erneut zeigte – und wie es das Verschwimmen
der Fronten zwischen Terror und Krieg gegen den
Terror deutlich macht. Nur die Anerkennung gleicher
Rechte jenseits von Macht und Gewaltmitteln kann die
Grundlage für Frieden sein. Das artikuliert die
Karawane, dafür steht sie ein. Das hätte sie auch in
der besetzten Westbank und in Jerusalem demonstriert
sollen.
Laufend Infos über
die Karawane:
www.globalresistance.de
www.eutopic.lautre.net/coordination/
http://caravane.palestine.free.fr
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Die
Karawane für Palästina - Reisende
in Sachen
Völkerrecht
Sophia Deeg
Seit dem 5.Juli 2005 sind rund hundert Menschen
aus zahlreichen europäischen und einigen anderen
Ländern in einer Fahrzeugkarawane unterwegs nach
Palästina. Die Reise begann in Strasbourg, dem Sitz
des Europäischen Parlaments und, wenn sich der
Karawane weiterhin alle Grenzen öffnen, endet sie am
19.7. in Jerusalem, wo sie von palästinensischen
und israelischen Partnern erwartet wird.
Reisen scheint durchaus
eine vielversprechende politische Aktivität zu sein.
Auch Außenminister Fischer war kürzlich in
Israel/Palästina unterwegs, zuvor bereiste die
US-Außenministerin die Region. Wir sind es gewohnt,
den Mächtigen und ihren VertreterInnen beim
bedeutungsvollen, konfliktlösenden Reisen zuzusehen,
ihren Verlautbarungen, Ermahnungen und
Absichtserklärungen zu lauschen und die Früchte
ihrer Reisediplomatie, Road Maps und Ähnliches, zur
Kenntnis zu nehmen. Sie sind ständig unterwegs, und
zwar für den Frieden und vorgeblich in unserem
Namen. Wir sind es auch gewohnt, dass in den Medien
und der Öffentlichkeit ausschließlich diese
Reisetätigkeit ernst genommen wird, obwohl sie
keinen Konflikt je im Sinne des internationalen
Rechts und auf der Grundlage der Wahrheitsfindung
über die Ursachen der Konflikte gelöst hat.
Besonders in Bezug auf den „Nahostkonflikt“ kennt
man fast nichts anderes als die beschwichtigende
Diplomatie der in unserem Namen agierenden Vertreter
der Mächtigen, die eben für die Konflikte
verantwortlich sind und durchaus kein Interesse an
einer Lösung im Sinne des Internationalen Rechts
haben.
Doch, so der israelische
Autor und Aktivist Michel Warschawski beim
Weltsozialforum in Porto Alegre 2003, „es gibt keine
‚Konflikte’, es gibt Angriffskriege,
Befreiungskämpfe, Streiks...Und die
Verhandlungslösungen, die bisher vorgeschlagen
wurden, sind „klare Beispiele dafür, wie man einen
‚Konflikt’ NICHT löst“. Denn sie „basieren auf der
Annahme eines Konflikts und nicht auf der einer
Besatzung.“ Eine Besatzung ist aber nach
internationalem Recht genau definiert, mit Pflichten
seitens des Besatzers, Bedingungen unter denen sie
andauern darf oder zu beenden ist, mit Rechten der
Zivilbevölkerung des besetzten Gebietes, zum
Beispiel auf Schutz und Versorgung durch die
Besatzungsmacht. Was also zu geschehen hat, um den
rechstfreien Zustand in den besetzten Gebieten zu
beenden, um der sogennten „Spirale der Gewalt“
Einhalt zu gebieten, um Frieden zu ermöglichen, ist
bekannt, festgeschrieben durch die Genfer
Konventionen, UN-Resolutionen, internationales Recht
und menschenrechtliche Übereinkünfte.
Was jedoch seit 38
Jahren tatsächlich geschieht, ist genau das
Gegenteil. Und auch während die Karawane des Rechts
sich in Richtung Palästina bewegt, macht sich die
Besatzungsmacht in gewohnter Manier auf
Menschenjagd, liquidiert Verdächtige, verhängt
Kollektivstrafen als Reaktion auf einen
Selbstmordanschlag, der selbstverständlich zu
verurteilen und vor allem aufzuklären ist. Mit
seinen Methoden jedoch vertieft Israel einmal mehr
den Zusatnd der Rechtsfreiheit, der auch den eigenen
Bürgern schwer schadet.
Der Karawane für
Palästina, Karawane des Rechts wurden bei der
Abreise in Strasbourg von EU-ParlamentarierInnen
aller Fraktionen, vor allem aber der Fraktion der
Linken und der skandinavischen Grünen, die besten
Wünsche mit auf den Weg gegeben. Francis Wurtz, der
Vorsitzende dieser Fraktion erinnerte daran, dass
das EU-Parlament bereits im April 2002 mehrheitlich
die Aussetzung des europäisch-israelischen
Assoziationsabkommens gefordert hat. Das Abkommen
enthält als Bedingung für die gemeinsame
Freihandelszone von beiden Partnern einzuhaltende
Menschenrechtsklauseln. Es ist allgemein bekannt,
dass diese durch Israel und seine Siedlungs- und
Besatzungspolitik unausgesetzt verletzt werden. Doch
der Ministerrat, allen voran Außenminister Fischer,
der sich gerne als Vorkämpfer für – mancher Menschen
– Menschenrechte hervortut, ist jedoch nicht bereit,
den Parlamentsbeschluss umzusetzen.
Am Rande des Empfang der
„caravaniers“ im großen Innenhof des
Parlamentsgebäudes fällt mir eine bekannte Gestalt
auf , die verstohlen vorbeihuscht – Cem Özdemir.
Seit etwa einem Jahr
planen Einzelpersonen und AktivistInnen aus den
sozialen Bewegungen Frankreichs die Karawane. Manche
von ihnen waren bereits ein- oder mehrmals in
Palästina und haben gesehen, dass sich die
humanitäre Lage der Bevölkerung ständig
verschlechtert hat, dass der Mauerbau trotz der
Erklärung der Unrechtmäßigkeit dieser
Separationsbarriere durch den Internationalen
Gerichtshof fortgeführt wird. Andererseits stellten
sie fest, dass der gewaltfreie Widerstand der
Palästinenser, zusammen mit Israelis und
Internationalen, immer beharrlicher und konsequenter
wird. Eine Säule des Prokekts „Karawane für
Palästina“ ist nicht von ungefähr das Collectif
judéo-arabe et citoyen in Strasbourg. Arabische,
jüdische und andere Bürger der Stadt und des
Umlandes entfalten unermüdlich Aktivitäten, um den
rechtsradikalen, rassistischen Strömungen im Elsass
entgegenzutreten und um den Kampf der Palästinenser
gegen die Besatzung zu unterstützen. So sind nicht
wenige „caravaniers“ Franzosen mit jüdischen oder
arabischen Wurzeln.
Sie nehmen „die andere
Welt“ voraus, in der nicht „tribale“ Zugehörigkeiten
und die Vorgaben der Macht politisches Handeln und
menschliche Beziehungen prägen und einschränken.
Für Germaine, Mitglied
des Collectif und mit Ende siebzig die älteste
Teilnehmerin der Karawane, ist es
selbstverständlich, für die Rechte der Palästinenser
einzustehen. „Und nur bla-bla, des reicht net“,
meint sie auf elsässisch. „Man kann doch net
zulasse, dass die Leut’ immer nur unterdrückt
werde.“ Sie trägt ein T-Shirt von Via Campesina, der
globalisierungskritischen Bauernbewegung und nennt
José Bové, den bekannten „Altermondialisten“ ihren
Freund. Die Zusammenhänge liegen für sie auf der
Hand: die gnadenlose Ausbeutung der Natur, die
Zerstörung der bäuerlichen Lebensweise und
Traditionen, Sozialabbau, Krieg und Besatzung, alles
damit die großen internationalen Unternehmen noch
mächtiger und reicher werden. Das einzige, was
dagegen hilft, Solidarität, unsere gemeinsame
Aktion. Im internationalen Bus, dem größten Fahrzeug
der Karawane, ist Germaine fraglos Mittelpunkt. Sie
flirtet mit Mohamed, dem Lehrer aus Nancy, und lässt
uns alle hüpfen, stellt aber auch großzügig Zelt,
Jacke, und was sonst gebraucht wird, zur Verfügung.
Wenn es brenzlig wird, zum Beispiel an der Grenze
von Slowenien nach Kroatien, schickt sie mich los,
ich soll ihr sagen, was da draußen zwischen den
herrischen Grenzschützern und den Sprechern der
Karawane diskutiert wird. Schließlich steigt sie
unter dem Vorwand, auf die Toilette zu müssen,
selber aus. Als es zu einem Gerangel kommt, weil die
Grenzer Saif, den Palästinenser, der noch kein Visum
hat, grob anpacken und wegzzerren, tritt sie den
Soldaten immer wieder in die Wade. Drehen sie sich
um, sehen sie eine verzweifelte ältere Dame vor
sich, die kein Wässerchen trüben kann. Hinterher
kichert sie vergnügt, wenn sie an die Szene
zurückdenkt. „Aber Germaine, das geht nicht, wir
sind gewaltfrei...“ wird sie von einer jungen
Mitstreiterin ermahnt, doch sie bleibt vergnügt.
Außerdem hat sie von Anfang an gewusst, was von den
Uniformierten an der Grenze zu erwarten ist: „Des
sin Faschiste, die mache uns bestimmt Probleme...“
Germaine ist eine von
rund hundert eigenwilligen Persönlichkeiten, die
sich für dieses Unternehmen einer Karawane des
Rechts selbst organisiert haben und sich stündlich
und täglich angesichts der Unwägbarkeiten einer
solchen „Mission ohne offiziellen Auftrag“
organisieren. Jeder ist für sich, seine Mitreisenden
und das Gelingen des Ganzen selber verantwortlich.
Alles muss während der Fahrt gelernt werden: Wie
organiseren wir den Informationsfluss unter uns? Wie
kommen wir schnell zu demokratischen, für alle
transparenten Entscheidungen? Wie reagieren wir auf
„Autoritäten“, vor allem an den Grenzen. Der
Lernprozess selber ist auch Vorwegnahme der anderen
Welt, um die es unausgesprochen geht. Dieses
Bewusstsein flößt einen besonderen gegenseitigen
Respekt ein. Ein „caravanier“ nennt es
„Zärtlichkeit“.
Wir sprechen viele
Sprachen und schreien uns manchmal an, weil wir
vergessen zu übersetzen und uns nicht verstehen. Wir
üben verschiedene Berufe aus oder sind arbeitslos.
Manche von uns studieren noch, andere sind schon in
Rente. Es gibt Kinder unter uns, ganze Familien,
Individualisten, Künstler, religiöse Menschen,
Atheisten, Muslime, Juden und Christen. Autonome,
Anarchisten, Sozialisten,
Globalsierungskritiker...auch manche eher
unpolitischen Menschen.
Die uns auf den ersten
Etappen der Reise empfangen haben, in Frankreich,
der Schweiz, Italien, Serbien und der Türkei sind
genauso vielfarbig wie wir, aber alle überzeugt von
einer einfachen Zielsetzung: „die Anwendung des
internationalen Rechts einzufordern“, wie es auf
einem Plakat heißt, das wir in Trieste sahen. Darauf
wird die Rundfahrt der Karawane durch die Stadt und
das anschließende gemeinsame Feiern in einer
Sportanlage ankündigt. Einladende sind örtliche
Friedensgruppen, Antifaschisten, Migrantengruppen –
so weit ich sehe, nur eine speziell mit Palästina
befasste Initiative. In Milano, wo die Karawane
durch eine Fahrraddemo begleitet durch die Stadt
fuhr, stand sie anschließend im Mittelpunkt des
Volksfestes der Rifondazione (ital. Kommunisten).
Von all diesen Gruppen
wird der palästinensische Widerstand gegen die
Besatzung als emblematisch empfunden, als ein
beharrlicher Kampf für unveräußerliche Rechte, als
ein universelles Anliegen, daher die große
Zustimmung und teilweise sogar Begeisterung, wo
immer die Karawane auftaucht. Dies scheint besonders
in der Türkei der Fall gewesen zu sein, wo der
Karawane ein überwältigender Empfang bereitet wurde
und auch in einigen Medien der Widerhall groß war -
wohl eher weil und nicht obwohl die türkische
Regierung eng mit der israelischen kooperiert.
Krieg, Besatzung,
Isolation und mit Gewalt durchgesetzte Ungleichheit
dauern an, in Serbien, in der Türkei, in
Israel/Palästina, im Irak...Diese Gewalt sucht auch
die Metropolen heim, wie es jüngst der Anschlag in
London erneut zeigte – und wie es das Verschwimmen
der Fronten zwischen Terror und Krieg gegen den
Terror deutlich macht. Nur die Anerkennung gleicher
Rechte jenseits von Macht und Gewaltmitteln kann die
Grundlage für Frieden sein. Das artikuliert die
Karawane, dafür steht sie ein. Bon voyage, les
cravaniers du droit!
Laufend Infos über die
Karawane:
www.globalresistance.de
www.eutopic.lautre.net/coordination/
http://caravane.palestine.free.fr |
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