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Gedanken zum Alltag in Gaza am Ende des Jahres 2016

Meldung aus Gaza Nov-Dez. 2016 - Abed Schokry

 

Neulich wurde eine meiner Schwestern im größten öffentlichen Krankenhaus in Gaza Stadt an der Hand operiert. Die Operation dauerte nicht lange und wurde ohne Vollnarkose ausgeführt. Das Problem war aber die Stromversorgung, denn innerhalb dieser recht kurzen Zeit kam es mehrere Male vor, dass die Stromversorgung unterbrochen und das ganze Gebäude dunkel wurde, also auch im Operationssaal. Zum Glück gibt es einige aufladbare Lampen bzw. so eine Art Notbeleuchtung für den Operationssaal. Ich war anwesend und habe es miterlebt. Können Sie sich das vorstellen, Sie werden operiert und mitten in der Operation wird der Strom abgeschaltet? Das ist unser Alltag in Gaza, und zwar nicht etwa irgendwo auf dem Land, sondern in einer Millionen-Stadt wie Gaza City.

Ich habe gelesen, dass es aufgrund von Regen und Sturm vor ein paar Tagen in Israel zu kurzzeitigen Stromausfällen für einige Bewohner kam. Darüber wurde in den israelischen Medien ausführlich berichtet. Dass im gesamten Gazastreifen täglich der Strom für mehrere Stunden ausfällt, scheint niemanden auf der Welt zu interessieren. Das Desinteresse der internationalen Politiker an dieser Situation kränkt uns und lässt uns verzweifeln, manche von uns macht es wütend. Aber wir sind zur Passivität und zum Erdulden verurteilt, denn sonst sind WIR wieder an allem selbst Schuld, wenn der Nachbar tödliche Strafmaßnahmen einleitet.

Die Amerikaner haben Donald Trump als Präsidenten gewählt. Das ist ihr Recht und die Welt hat das zu akzeptieren, denn das ist letztlich eine demokratische Volksentscheidung und das müssen “Wir” hinnehmen. Auch wenn uns das nicht gerade passt bzw. gefällt. An dieser Stelle gratuliere ich ihm zur Wahl und ich hoffe so sehr, dass er es schafft, endlich den Frieden im heiligen unheilen (kranken) Land herbeizuführen. Und er möge mir glauben, solange sich bei uns nichts ändert, wird es weiterhin Probleme und Unruhen weltweit geben. Das ist meine Meinung. Vielleicht wird es eine neue Nahost Region geben, in dem alle Länder in Ruhe und Frieden, wenn nicht miteinander, dann wenigstens nebeneinander leben können.

Inner-Palästinensisch tut sich im Augenblick fast nichts, denn Fatah ist gespalten, Hamas und Fatah sind weiterhin zerstritten und eine Einigung zwischen den beiden Seiten scheint im Augenblick schwierig zu sein. ABER, ich gebe die Hoffnung nie auf, zumal wir ja im Nahen Osten leben und alles bei uns oft sehr dynamisch ist. Es kann sich alles sehr schnell ändern, so dass man es gar nicht gleich mitbekommt. Vielleicht ist also eines Tages alles plötzlich anders und besser als jetzt.

Zuversicht kann manchmal anstrengend sein, aber vielleicht lohnt sie sich eines Tages. Am 15. November 1988 wurde der Staat Palästina in Algerien ausgerufen und seit 1994 ist dieser Tag auch ein „Nationaler Feiertag". Deshalb haben wir gestern den 28.Tag der „Unabhängigkeit“ gefeiert haben. Aber welcher Staat wurde ausgerufen? Wo sind die Grenzen? Das sind immer noch offene Fragen. Dann die Frage der Unabhängigkeit, d.h. welche Unabhängigkeit damit gemeint ist, weiß ich nicht. Wenn man weiß, dass unser Präsident Mahmud Abbas ohne die Genehmigung der Israelis sein Haus nicht verlassen darf, scheint ein Nationaler Feiertag der Unabhängigkeit doch eine Farce zu sein. Aber vielleicht gehört ein solcher Feiertag auch in das Kapitel Hoffnung und Zuversicht.

Eben las ich einen Artikel, der wieder einmal die ganze Absurdität unserer Situation deutlich macht. Bei der Verpflegung ISRAELISCHER SOLDATEN spielen Tomaten aus Gaza eine wichtige Rolle. Die Tomaten werden in Gaza von Palästinensern angebaut, dann nach Israel exportiert und die israelische Armee kauft sie auf dem Markt, weil sie billiger sind als israelische Tomaten. Manche Situationen machen einen fassungslos.

Am Montag, den 14. November war es morgens so ruhig auf den Straßen, dass ich mich gewundert habe, denn normalerweise ist besonders am Morgen immer viel los. Der Grund war der Streik der UNRWA Angestellten in Gaza und in der Westbank. Hauptsächlich Lehrer und Lehrerinnen waren wegen ihres geringen Gehalts und unzureichender Sozialleistungen in den Streik getreten. Zudem protestierten sie, weil die UNRWA als für uns lebenswichtige Hilfsorganisation keine neuen Lehrer und Lehrerinnen mit akzeptablen Verträgen einstellt.

Es ist mittlerweile in Gaza kälter geworden und endlich hat es am letzten Wochenende ein wenig geregnet. Heute las ich in der Zeitung, dass der deutsche Entwicklungsminister Müller im Gaza-Streifen den Grundstein für ein neues Klärwerk gelegt hat. In meinem Namen und im Namen aller Bewohnerinnen und Bewohner des Gazastreifens, sage ich DANKE SEHR. Es soll ein Zeichen der Hoffnung setzen in einem Landstrich, in dem es am Nötigsten fehlt, wie er sagte. Es ist in der Tat eine sehr wichtige Anlage, da sonst das Abwasser unbehandelt direkt ins Mittelmeer fließt. Hinzu kommen tausende Kubikmeter, die wegen undichter Kanalisation ungefiltert ins Grundwasser sickern. Die jetzt schon schwierige Versorgung mit Trinkwasser wird so weiter gefährdet. Für uns im Gaza-Streifen ist sauberes Wasser längst zum Luxus-Gut geworden. Wasser ist das Blaue Gold des Nahen Ostens. Es freut mich und uns sehr, dass der Minister wörtlich gesagt hat: “Es ist eine Investition in die Zukunft, wir wollen den Palästinensern zeigen, dass wir sie nicht vergessen." Das gibt mir zwar Hoffnung und stärkt mich zu wissen, dass die Welt uns vielleicht doch nicht ganz vergessen hat.

Andererseits zweifle ich auch immer wieder daran, dass es eine friedliche und dauerhafte Lösung des Konflikts geben wird. Wir hoffen nämlich schon seit Jahrzehnten und letztendlich ist die Situation eher schlechter als besser geworden. Die Hilfen z.B. aus Deutschland sind sehr wichtig und nötig, aber wir brauchen auch eine Perspektive.


An dieser Stelle erinnere ich Sie gern an einen älteren Beitrag von mir, in dem ich über die Tiere berichtet habe, die aus dem maroden Zoo in Gaza ausreisen durften. Der Tiger hat eine neue und sichere Heimat in Südafrika gefunden. Ich habe Bilder von ihm gesehen. Es geht ihm gut, wurde berichtet. Ich habe ihn beneidet, denn er hat es mit Hilfe einer Tierschutzorganisation geschafft, zusammen mit anderen Tieren Gaza zu verlassen. Wie ich Ihnen schon mehrfach geschrieben habe, will ich Gaza gar nicht für immer verlassen. Gaza ist meine Heimat. Aber ich wünsche mir Frieden und Freiheit in einem eigenen Land, in Palästina. Und ich wünsche mir ganz besonders, dass ich meine zweite Heimat, meine Heimat im Herzen, nämlich Deutschland, besuchen kann, wenn ich es möchte. Wir alle hier wünschen uns so leben zu dürfen wie andere Menschen in einer freien Welt.

Im Augenblick sieht es nicht rosig für unsere Jugend aus. Die Arbeitslosenquote ist sehr hoch, denn 60 - 80% sind arbeitslos. Sie brauchen in der Tat Hoffnung und Licht am Ende des Tunnels, denn sonst könnten sie auf dumme Gedanken kommen, denn wer nichts zu verlieren hat, wer keine Perspektive sieht, wer keine Hoffnung hat, der ist bereit für vieles.

Es ist Adventszeit und ich nutze die Zeit schon mal, um Ihnen und Euch eine frohe Adventszeit zu wünschen. In der Hoffnung, Ihnen im kommenden Jahr gute Nachrichten mitteilen zu können, verbleibe ich heute - Mit freundlichen Grüßen Ihr Abed Schokry

 

 

 

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