Israel droht einem Westbank-Dorf mit Vertreibung
Bericht
: The Electronic Intifada, 17.7.08
http://electronicintifada.net/v2/article9699.shtml
Zeugenaussagen, die
gegenüber B’tselem gemacht wurden, deuten daraufhin,
dass die Zivilverwaltung vor kurzem Bewohner des
palästinensischen Dorfes Arab al-Ramadin al-Janubi (
bei Kalkilia) informiert habe, dass sie aufgefordert
werden, ihr Dorf aufzugeben und in eine andere
Gegend zu ziehen – im Widerspruch zu Israels
Zusicherung gegenüber dem Obersten Gerichtshof. Das
Dorf ist eine Enklave, die westlich der
Trennungsmauer liegt und nahe der Siedlung Alfe
Menasche.
Die Dorfbewohner von
Arab al-Ramadin al-Janubi haben dort seit den späten
50er Jahren gelebt, auf Land, das sie gekauft haben
und das im Katasteramt registriert wurde. Als 2002
die Mauer gebaut wurde und Alfe Menashe de facto
annektiert wurde, wurde das Dorf zur Enklave. Am 5.
Juni 2008 verlangte eine Delegation der
Zivilverwaltung ein Treffen mit den Dorfältesten.
Es waren einige Soldaten und Offiziere, die sich
selbst als Beamte der Zivilverwaltung vorstellten,
die sich mit Kalkilia befassen. Sie schlugen den
Dorfbewohnern vor, das Dorf zu verlassen und auf die
östliche Seite der Mauer zu ziehen. Nach den
Dorfbewohnern hätte der Beamte gesagt, dass sie
früher oder später doch weggehen müssten und wenn
sie jetzt wegziehen würden, würde ihnen die
Zivilverwaltung dabei helfen und sie z.B. mit
Strom und Wasser versorgen. Die Dörfler weigerten
sich, ihnen zuzuhören und verließen das Treffen.
In der Vergangenheit
erklärte Israel offiziell, dass ‚die Möglichkeit
bestünde, den Beduinen, die in Arab al-Ramadin
al-Janubi und in Arab Abu Farda leben, anzubieten,
wegzugehen und auf der anderen Seite der Mauer/ des
Zaunes zu leben’ obwohl ihnen 2007 – wie oben
gegenüber dem Obersten Gerichtshof angedeutet –
vernünftige Lebensbedingungen zugesichert worden
waren.
Israel tat nichts, um
seine Zusicherung zu erfüllen und hat sogar für
einige Konstruktionen im Dorf Abrissorder erteilt.
Die Bewohner leben von
der Tierhaltung, von Schafen und Ziegen. Die Mauer
aber blockiert de Zugang zu Weideland und schneidet
ihnen so die Quelle für den Lebensunterhalt ab. Mit
ihrer immer schlechter werdenden Lage ist man sehr
besorgt, dass Israel sehr daran interessiert ist,
sie von dort zu vertreiben , indem ihnen der
Lebensunterhalt entzogen wird oder indem sie mit
Gewalt vertrieben werden.
Es gibt einen
Präzedenzfall. Am 29.Oktober 2007 vertrieb Israel
die 200 Bewohner von Khirbet Qasa, einem Dorf
westlich Hebron, das zwischen der Grünen Linie und
der Mauer lag. Die Armee zerstörte dann das Dorf.
Das Versäumnis des
Staates, seine Zusicherungen gegenüber dem
Gerichtshof durchzuführen verletzt weiterhin die
Menschenrechte der Bewohner. Die Trennungsmauer
wurde bei Verletzung des Völkerrechts innerhalb der
Westbank errichtet. Das Elend der Bewohner
resultiert direkt aus dem Mauerbau, also ist Israel
verpflichtet, eine Lösung für sie dort zu finden, wo
sie wohnen. Die zwangsweise Umsiedlung von
geschützten Personen in besetztem Gebiet ist ein
schwerer Bruch des Völkerrechts für den die Täter –
diejenigen, die den Transfer ausführen und die den
Befehl dazu geben – strafrechtlich verfolgt und vor
internationalem Gericht angeklagt werden müssten.
Den
Verteidigungskräften ist es untersagt, einen
zwangsweisen Transfer der Bewohner von Arab
al-Ramadin al-Janubi auch nur in Betracht zu ziehen.
Die Behörden müssen andere Mittel finden, um sie mit
angemessenen Lebensbedingungen zu versorgen, wie sie
dem Gerichtshof versprochen hatten, einschließlich
des Zuganges zu ihren traditionellen Weideplätzen.
Hintergrundinformation:
Das Dorf Arab
al-Ra,adin al-Janubi wurde in den 50er Jahre von
palästinensischen Flüchtlingen errichtet, die
gezwungen worden waren, ihre Wohnstätten in al-Ouja
bei Beersheba zu verlassen. Die Dörfler kauften das
Land von den Bewohnern von Habla.
Das Dorf liegt
südöstlich von Kalkilia. 1989 wurde die Siedlung
Alfe Menasche, 1.5 km südöstlich des Dorfes gebaut.
Im Dorf leben 60 Familien, zusammen 200 Personen,
die in äußerst schwierigen Verhältnissen leben. Sie
leben in improvisierten Unterkünften aus Blech und
Säcken und sind nicht an den Strom angeschlossen,
haben keine Zugangsstraße und keine Gesundheits-
noch Bildungseinrichtungen. Die meisten leben von
Viehzucht; andere von Handel oder als Leiharbeiter .
Die Dörfler ließen ihre
Herde gewöhnlich auf dem Land grasen, auf dem heute
die Siedlung Alfe Menashe gebaut wurde und auf Land
östlich von Kalkilia, das ihnen jetzt allein noch
zum Weiden übrig blieb.
Die Mauer, die hier
2002 gebaut wurde, die hier weit in die Westbank
reicht und Alfe Menashe umgibt und so diese Siedlung
auf die westliche Seite bringt, isoliert nicht nur
das Dorf, von dem hier besonders die Rede ist,
sondern noch vier andere in der Nähe liegende Dörfer
von ihrem Weideland und von anderen Dörfern, mit
denen die Bewohner enge Kontakte hatte und von wo
sie lebenswichtige Dienste erhielten.
(Da nicht mehr
genügend Weideland vorhanden war und das gekaufte
Futter zu teuer, haben 80 % der Dorfbewohner ihre
Herden verkauft. Einige arbeiten nun als Gärtner
oder als Putzkräfte in der Siedlung oder irgendwo in
der Westbank, wobei sie mit den Schwierigkeiten an
den Kontrollpunkten konfrontiert sind)
Am 29.8.07 gab das
Gericht dem Staat eine Anweisung, den Verlauf der
Mauer um Alfe Menashe zu verändern, und die drei
Dörfer –Ras al-Tira,Wadi al- Rasha und Marat alDaba
– aus der Enklave heraus zu nehmen. Diese
Entscheidung bringt aber für die beiden anderen
Dörfer keine Erleichterung, da sie westlich der
Mauer bleiben. Das Urteil erinnerte an die
Verpflichtung des Staates, den Dorfbewohnern
angemessene Lebensbedingungen zu schaffen.
(dt. zuweilen etwas
freier und zusammenfassend übersetzt: Ellen Rohlfs)
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