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Wir wollen unser Volk und unsere Prinzipien nicht  für ausländische Hilfe verkaufen
Wir Palästinenser stimmten für Hamas, weil wir uns weigern, unsere Rechte aufzugeben.
Aber wir sind bereit, einen gerechten Frieden zu machen.


Khalid Mish’al ,   31.Januar 2006,  The Guardian

 

Es ist weithin bekannt, dass die Palästinenser zu den politisiertesten und am besten ausgebildetsten Völkern der Welt gehören. Als sie letzten Mittwoch zu den Wahlurnen gingen, waren sie sich sehr bewusst, was angeboten wurde, und die, die für Hamas wählten, wussten, wofür diese steht. Sie wählten Hamas, wegen ihres Versprechens, niemals die legitimen Rechte des palästinensischen Volkes aufzugeben und wegen des anderen Versprechens, ein Reformprogramm aufzunehmen. Es gab warnende örtliche und internationale Stimmen, nicht für eine Organisation zu stimmen, die von den USA und der EU als terroristische gebrandmarkt wird, weil ein solch demokratisch ausgeübtes Recht sie die finanzielle Hilfe kosten würde, die von ausländischen Gebern bereit gestellt würde.

 

An dem Tag, an dem die Hamas die palästinensischen demokratischen Wahlen gewonnen hat, haben die führenden Demokratien der Welt ihren Demokratietest verloren. Statt die Legitimität der Hamas als  frei gewählte Vertreterin des palästinensischen Volkes anzuerkennen, und die durch das Ergebnis geschaffene Möglichkeit, die Entwicklung einer guten Regierung in Palästina zu unterstützen und nach Mitteln zu suchen, um das Blutvergießen zu beenden, drohen die USA und die EU dem palästinensischen Volk mit Kollektivstrafe, weil es sein Recht ausgeübt hat, seine eigenen parlamentarischen Vertreter zu wählen.

 

 Wir sind einfach dafür bestraft worden, weil wir uns der Unterdrückung widersetzen und für Gerechtigkeit kämpfen. Diejenigen, die unser Volk mit Sanktionen bedrohen, sind dieselben Mächte, die unser Leiden initiiert haben und fortfahren, unsere Unterdrücker fast bedingungslos zu unterstützen. Wir, die Opfer, werden bestraft, während unsere Unterdrücker verwöhnt werden. Die USA und die EU könnten den Erfolg  von Hamas dazu benützen, ein neues Kapitel in ihren Beziehungen zu den Palästinensern, den Arabern und den Muslimen zu beginnen und eine Bewegung besser verstehen zu lernen, die sie bis jetzt zum größten Teil nur durch die Brille der zionistischen Besatzer unseres Landes gesehen hat.

 

Unsere Botschaft an die USA und die EU-Regierungen ist folgende: Ihr Versuch, uns zu zwingen, unsere Prinzipien und unsern Kampf aufzugeben, wird vergeblich sein. Unser Volk, das Tausende von Märtyrern hatte und Millionen von Flüchtlingen, die fast 60 Jahre gewartet haben, um nach Hause zu kehren und unsere 9000 politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen in Israels Gefängnissen haben ihre Opfer nicht umsonst gebracht.

 

Hamas ist hauptsächlich wegen seines unerschütterlichen Glaubens an den Sieg gewählt worden. Und Hamas ist immun gegen Bestechlichkeit, Einschüchterung  und Erpressung. Während wir ein starkes Interesse daran haben, freundschaftliche Beziehungen mit allen Nationen zu haben, suchen wir keine Freundschaft auf Kosten unsrer legitimen Rechte. Wir haben gesehen, wie andere Nationen, einschließlich des vietnamesischen und südafrikanischen Volkes ihren Kampf durchgestanden haben und wie ihre Forderung nach Freiheit und Gerechtigkeit  erfüllt wurde. Wir sind nicht anders; unser Fall ist nicht weniger wert, unsere Bestimmung ist nicht weniger groß und unsere Geduld ist nicht geringer.

 

Unsere Botschaft an die muslimischen und arabischen Völker ist folgende: Ihr habt die Verantwortung, neben euren Brüdern und Schwestern zu stehen, deren Opfer um euer aller willen  geschehen. Unser Volk in Palästina  sollte nicht auf Hilfe von Ländern warten müssen, die demütigende Bedingungen  an jeden Dollar  oder Euro knüpfen, den  sie trotz ihrer historischen und moralischen Verantwortung für unsern Kampf zahlen. Wir erwarten von euch, dass ihr hier in die Bresche springt und das palästinensische Volk für jeden Verlust  von Hilfe entschädigt, und wir bitten euch darum,  alle Restriktionen, die auf zivilen Gesellschafts-Institutionen liegen, aufzuheben, um die palästinensische Sache zu sponsern.

 

Unsere Botschaft an die Palästinenser ist folgende: unser Volk besteht nicht nur aus jenen, die  in der Westbank und im Gazastreifen unter Belagerung leben, sondern auch aus den Millionen, die in den Flüchtlingslagern im Libanon, Jordanien und Syrien schmachten und Millionen irgendwo in aller Welt, die nicht nach Hause zurückkehren können. Wir versprechen euch, dass uns nichts in der Welt davon abschrecken wird, unser Ziel der Befreiung und der Rückkehr zu verfolgen. Wir werden keine Mühe scheuen, mit allen Fraktionen und Institutionen zusammenzuarbeiten, um unser palästinensisches Haus wieder in Ordnung zu bringen. Nachdem wir nun die parlamentarischen Wahlen gewonnen haben, ist unser nächstes Ziel, die PLO zu reformieren, um ihre Rolle als wahre Vertreterin des ganzen palästinensischen Volkes wahrzunehmen, ohne Ausnahme und Diskriminierung.

 

Unsere Botschaft an die Israelis ist folgende: Wir bekämpfen euch nicht, weil ihr zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft oder Kultur gehört. Juden haben in der muslimischen Welt seit 13 Jahrhunderten in Frieden und Harmonie gelebt; sie kommen in unserer Religion als das „Volk des Buches“ vor, das einen Bund mit Gott hat und sein Prophet Mohammed – Friede sei mit ihm! – hat sie geachtet und geschützt. Unser Konflikt  mit euch hat nichts mit Religion zu tun,  sondern ist politischer Natur. Wir haben kein Problem mit Juden, die uns nicht angegriffen haben – unser Problem ist mit denen, die uns unser Land genommen  und sich mit Gewalt uns aufgedrängt, unsere Gesellschaft zerstört und unser Volk vertrieben haben.

 

Wir werden niemals das Recht irgendeiner Macht anerkennen, uns unser Land zu rauben und uns unsere nationalen Rechte zu verweigern. Wir werden niemals die Rechtmäßigkeit eines zionistischen Staates, der auf unserm Land geschaffen wurde, anerkennen, um die Sünden anderer wieder gut zu machen oder die Probleme anderer zu lösen. Aber wenn man bereit ist, das Prinzip eines langfristigen Waffenstillstand anzunehmen, dann sind wir bereit, über Bedingungen zu verhandeln. Hamas streckt seine Hand zum Frieden denen entgegen, die wirklich an einem Frieden interessiert sind, der sich auf Gerechtigkeit gründet.

 

(dt. Ellen Rohlfs)

 

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