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Faten Mukarker

Eine christliche Palästinenserin berichtet vom Leben in Bethlehem und Beit Jala

 

Texte auf diesen Seiten:

Ein kleines Licht - Im Advent 2007

Ein Telefongespräch oder nothing to lose
Der 28. September 2000

Bethlehem-eine irdische Stadt oder nur ein Mythos?
 
Auf dem Weg zum Frieden

»Wo ist der Aufschrei der Christen geblieben?«
Von Deutschland nach Palästina

Externer Links:

 

Die weibliche Stimme
Zur aktuellen Situation in Palästina
Jerusalemer Tagebuch (15.07.2002)
»Mein Haus ist mein Gefängnis geworden«
Die Invasion in Bethlehem vom 19.-29. Oktober 20001
Wieder Zuhause oder zurück zum Wahnsinnsalltag



 Faten Mukarker lebt mit ihrer Familie in Beit Jala, einem Nachbarort von Bethlehem. Aufgewachsen in Deutschland kehrte sie als junge Frau nach Palästina zurück, um zu heiraten. Mit ihrem Mann und vier kleinen Kindern durchlebte sie die Schrecken der ersten Intifada und des Golfkriegs. Nun steht Palästina wieder im Brennpunkt einer Intifada, der sog. Al-Aqsa-Intifada, die seit Herbst 2000 das Land erschüttert.
In den Medien wird über Anschläge und Gegenreaktionen immer knapper informiert, über den Alltag in diesem unerklärten Krieg aber erfahren wir so gut wie nichts.

Als christliche Palästinenserin schildert Faten Mukarker in ihren Vorträgen das Leben zwischen nationalen und religiösen Grenzen und erzählt in ihrer eindringlichen und einprägsamen Art von dem sehr spannungsvollen Alltag, was z. B. eine mehrwöchige Ausgangssperre, was Wasserrationierung in einem subtropischen Land bedeutet, berichtet aber auch davon, wie die Gewalt Land und Menschen verändert. Trotz Gewalt und Terror, die derzeit auf beiden Seiten die Oberhand zu behalten scheinen, sieht auch sie die einzige Chance für die Zukunft der Region in Friedens- und Versöhnungsbereitschaft, die von beiden Seiten kommen muss.

Solange Pilger und Touristen ins Heilige Land kamen, hat Faten Mukarker diese zu sich nach Hause eingeladen und über das Leben in Palästina erzählt. Seitdem die Touristen ausbleiben, kommt sie nun ihrerseits nach Deutschland und berichtet in Kirchgemeinden, Volkshochschulen, Akademien, Schulen usw. über ihre Heimat. -
Quelle    

weiteres aus ihrem Leben >>>

Literaturhinweis: Faten Mukarker: Leben zwischen Grenzen. Eine christliche Palästinenserin berichtet (Edition Zeitzeugen); Karlsruhe: Hans Thoma Verlag 1999


 


Brief von Faten Mukarker: Ein kleines Licht

 

 

Im Advent 2007


Liebe Freunde in der Ferne


Ein kleines Licht

Das Jahr 2007 neigt sich seinem Ende zu.
Wie immer schaue ich auf das vergangene und verlorene Jahr zurück.
Was hat es uns in Bethlehem gebracht oder auch nicht gebracht?

Nach den Wahlen, die die Hamas in Palästina gewann,
wurden wir von der Weltgemeinschaft unter Sanktionen gestellt.
Jegliche Hilfe wurde den Palästinensern verweigert.
Zuerst bestimmte Olmert und diktierte der Welt:
Die Palästinenser müssen Israel anerkennen,
der Gewalt abschwören und
die internationalen Verträge einhalten.

Bestimmt sind das Forderungen, die gerechtfertigt sind.
Doch ist nicht die Zeit gekommen,
einen Mittelweg zu finden, unseren jahrzehntelangen Konflikt zu lösen?
Diesen Teufelskreis der Gewalt, in dem immer wieder
Vergeltung auf Vergeltung der Vergeltung stößt?

Ist nicht die Zeit gekommen,
auch von Israel zu verlangen,
das Recht der Palästinenser
als freie Menschen in einem freien Staat zu leben,
anzuerkennen,
anstatt in diesen Ghettos,
in die man uns durch den Bau einer zehn Meter hohen Mauer gesteckt hat?

Und zeugen nicht die über 6000 Toten
- davon ein Drittel Kinder -
und die über 40 000 Verletzten in den letzten 7 Jahren davon,
dass man auch von Israel verlangen kann,
der Gewalt abzuschwören?

Zeugen nicht auch die Siedlungen,
die wie Pilze auf unseren Hügeln sprießen,
obwohl Rabin in den Friedensverträgen von 1993 garantierte,
dass Israel keine neuen Siedlungen mehr auf unserem Boden
bauen würde,
die sich aber seitdem verdoppelt haben,
davon,
dass Israel die internationalen Verträge auch einhalten sollte?


 

 

Im Juni waren wir 40 Jahre unter israelischer Militärbesatzung.
Im November jährte sich die Teilung meiner Heimat zum 60. Mal.

Der Bruderkrieg, der eine tiefe Wunde in uns hinterlassen hat,
brachte uns dahin , wo man uns hinhaben wollte.
Eingesperrt, ausgehungert und gedemütigt, zerfleischen wir uns gegenseitig.

Es tut mir weh, solche Begriffe in einem Adventsbrief zu bringen,
doch das ist unsere traurige Realität.

Annapolis ist für viele der letzte Strohhalm.
Wird Annapolis die Erwartungen nicht erfüllen,
werden extreme Kräfte wieder Oberhand gewinnen.
Deren Motto heißt:
Was mit Gewalt genommen wurde, kann nur mit Gewalt
wieder zurück geholt werden.
Und dann?

Ich wünsche allen
eine gesegnete Adventszeit,
mit der Bitte:

Erinnert Euch an das kleine Licht,
das von Bethlehem ausging und die Welt erhellte.

Salam
Faten Mukarker


 


 Ein Abschiedsbrief oder 
Auf welcher Seite?

 

Liebe Freunde in der Ferne

 

Die letzten Tage in Deutschland liegen vor mir.

Seit ungefähr zwei Monaten bin ich hier.

Bin dankbar für die Menschen, die zu meinen Vorträgen kamen.

Sie haben aufmerksam zugehört und viele wollten auch den Politikern schreiben und sie bitten, in ihren Wahlprogrammen Stellung zu nehmen zum Nahost-Konflikt.

Ist nicht endlich die Zeit gekommen, dass man in Deutschland differenzierter denkt?

 

Wenn der Bundestagspräsident im Bundestag zu Katzav, dem israelischen Staatspräsidenten, angesichts seines Besuches – ,

40 Jahre diplomatische Beziehungen mit Israel - sagt:

„Sie müssen wissen, wir Deutsche sind an Ihrer Seite,“ dann frage ich mich als Palästinenserin: Welche Seite ist gemeint, die der Besatzung?

 

Die Besatzung, die Menschen gezielt tötet - dabei in Kauf nimmt, dass unschuldige Menschen sterben.

Oder gibt es nur in Israel unschuldige Zivilisten?

Und auch Schuldige sollten in einer Demokratie, wie Israel sich nennt, das Recht haben, vor einem Gericht zu stehen.

 

Welche Seite ist gemeint,

die der Besatzung?

Die Besatzung, die Häuser zerstört. Begründung:

ohne Baugenehmigung gebaut (diese wird nicht erteilt) -

das Militär braucht einen Überblick über das Gelände; die Häuser stören dabei - Kollektivstrafe (verboten nach Völkerrecht).

 

Welche Seite ist gemeint,

die der Besatzung?

 

Die Besatzung, die jahrzehnte- und jahrhunderte alte Olivenbäume zu Hunderttausenden mit ihren Wurzeln ausreißt (Existenzgrundlage  in Palästina).

Welche Seite ist gemeint,

die der Besatzung?

Die Besatzung, die eine acht bis zehn Meter hohe graue Betonmauer (verurteilt vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag) um unsere Städte baut, wobei uns die Hälfte der Westbank verloren geht.

 

Diese Mauer hat unseren Traum, in einem  FREIEN PALÄSTINA  zu leben, begraben!

 

Für wie viele Generationen wird uns diese Mauer wohl hindern,

mit unseren israelischen Nachbarn in Frieden zu leben?

Denn wir werden nur voneinander getrennt und daran gehindert, auf Versöhnung hin zu leben.

Und noch mal:

Ist nicht die Zeit gekommen,

dass man in Deutschland den Unterschied erkennt?

 

An der Seite des jüdischen Volkes zu sein,

darf nicht gleichzeitig bedeuten,

an der Seite einer Besatzung zu sein.

 

 Salam

Faten Mukarker        11.7.2005

 


 


Faten Mukarker - Ostern 2006 - Ein Ostergruß aus Bethlehem – oder aus einem  großen Gefängnis.

 

 

Ich stehe auf meinem Balkon und sehe auf Bethlehem. Es sieht so friedlich aus, doch der Schein trügt.

Wenn ich nach links schaue, sehe ich die schreckliche Mauer. Wie eine giftige Schlange schlängelt sie sich durch unser Land.

Sauber aneinander gereihte Betonklötze, acht, neun und zehn Meter hoch.

Ich erschaudere bei dem Gedanken : Wir leben in einem Ghetto.

Nach fünf Jahren Intifada und fünf Invasionen, in denen viel Zerstörung stattgefunden hat, war Bethlehem zur Ruhe gekommen.

 

Doch was bedeutet es für die Menschen, die hier leben?

Als es noch täglich viele Tote und Verletzte gab, lebten wir in einer sehr schweren Zeit. Doch die Menschen hatten eine Hoffnung - die Hoffnung, dass der Tag kommen wird, wo wir in Freiheit und Würde leben würden.

 

Die Mauer hat diese Hoffnung zunichte gemacht.

Die Besatzung hat durch die Mauer ein Gesicht bekommen.

In Bethlehem herrscht wie in allen palästinensischen Gebieten eine hohe Arbeitslosigkeit.

Aber sie ist nicht so wie die in Deutschland, wo es an Arbeitsplätzen fehlt. Unsere Arbeiter dürfen nicht mehr ihrer Arbeit in Israel nachgehen.

 

In all den Jahren unter israelischer Besatzung hat man nie wirtschaftliche Strukturen in Palästina geschaffen. Die palästinensischen Tagelöhner sollten immer vom israelischen Arbeitsmarkt abhängig sein, als billige Arbeitskraft und natürlich sollen wir auch israelische Waren konsumieren.

Palästina mit mehr als drei Millionen Menschen ist ein guter Absatzmarkt für die israelischen Waren.

Ich frage mich: Wie hat man sich das eigentlich gedacht, uns einzumauern ohne wirtschaftliche Strukturen, wie sollen wir leben, wie überleben?

 

Die Mauer trennt nicht nur Israelis von Palästinensern, sondern sie trennt uns von unseren Familien, Feldern und natürlichen Wasserquellen. Sie ist nicht auf der Grünen Linie gebaut, der international anerkannten Grenze zwischen Israel und Palästina von 1967,  sondern sie reicht tief in die palästinensischen Gebiete hinein. Das heißt, viele Teile der Westbank werden enteignet

Unser Land, seit Generationen in unserem Familienbesitz, mit vielen Obst- und Olivenbäumen, hat man für den Mauerbau gerodet.

 

Es tut weh, die Bäume entwurzelt auf den Feldern zu sehen. Die Menschen sind mit den Bäumen verwurzelt. Ein Olivenbaum braucht viele, viele Jahre bis er Oliven trägt. Es gibt bei uns einen Spruch, wenn zwei sich streiten und einer verhält sich einem anderen gegenüber aggressiv, dann fragt man ihn, was habe ich dir Schlimmes getan, habe ich dir etwa deine Bäume ausgerissen? Denn das gilt als das Schlimmste, was man einem anderen antun kann.

 

Die Checkpoints, die sogenannten Straßensperren, an denen wir gedemütigt und entwürdigt werden, wenn wir von einer Richtung in die andere wollen.

 

Der Terminal, der neue Grenzübergang von Bethlehem, ist eine Öffnung in der Mauer, durch die, wenige die das Glück haben, eine Sondergenehmigung zu besitzen, nach Jerusalem dürfen:

Man muss durch mehrere Drehtüren gehen,  seine Schuhe und Jacke ausziehen und alles, was an der elektronischen Tür piepen könnte, ausziehen. Dann geht es weiter durch einen langen vergitterten Gang. Er sieht aus wie der Raubtiergang in die Arena. Die Soldaten sieht man nicht,  man hört sie nur über Lautsprecher wie sie die Menschen anschreien und ihnen Anweisungen geben. Man geht durch ihn, und denkt man ist in einem Labyrinth und fragt sich, werde ich hier auch wieder rauskommen?

Nachts wird der Terminal geschlossen.  Was das bedeutet kann man nur erahnen.

Für die Jugend ist es am schlimmsten. Sie leidet an Perspektivlosigkeit. Kein Licht am Ende des Tunnels ist für sie zu sehen.

 

Wer die Möglichkeit hat auszuwandern, der geht.

Andere werden leichtes Futter für die Extremen, die ihnen weis machen, dass ihr Leben, nach dem Leben viel lebenswerter sein wird, und dass sie eine Zukunftsperspektive nicht auf der Erde sondern im Himmel finden werden.

Das ist sehr gefährlich, denn wenn einem die Zukunftsperspektive fehlt, ist einem alles egal, man hat nichts mehr zu verlieren.

Ich träume davon, dass die Menschen in Palästina eine Perspektive haben werden.

In Israel hat die Kadima Partei gewonnen. Olmert, der neue Ministerpräsident, spricht jetzt auf einmal von Frieden und einem palästinensischen Staat.

Aber er meint die Enklaven und Ghettos,  in die sie uns gesteckt haben, die dürfen wir dann seiner Meinung nach Palästina nennen.

Das wird keinen  Frieden bringen.

 

In Palästina gibt es jetzt eine Hamasregierung. Man will ihr die Hilfen verweigern, wenn sie Israel nicht anerkennt. Die Hamas sagt, die Israelis sollen zuerst die Palästinenser anerkennen und die Besatzung beenden.

In der Realität heißt dieser neue Zustand, dass die Palästinenser ausgehungert werden sollen.

Jerusalem ist bekannt als der Ort, an dem Jesus die Völker und die Welt gelehrt hat, sich zu lieben, zu respektieren, zu vergeben und sich zu versöhnen.

Jerusalem ist für uns heute unerreichbar geworden. Grauer Beton  trennt uns von dieser heiligen  Stadt.

 

Doch die Osterbotschaft kennt keine Mauern und keine Grenzen.

 

DAS LEBEN WIRD SIEGEN

 

Diese Botschaft der Hoffnung brauchen wir nicht nur zum Leben, sondern zum Überleben.

 

Allen Freunden ein gesegnetes Osterfest.

Salam

Faten Mukarker

 

 

 

Liebe Freunde in der Ferne                                          

 

Wie lange kann man ohne Nahrung  oder wie lange kann man ohne Würde überleben?

 

Sieben Tage ohne Nahrung, ich kann es mir kaum vorstellen, was

man dann für ein Gefühl hat, ob es dann immer noch dieser beissende Hunger ist oder nur noch eine Leere die man verspürt.

Es sind jetzt mehr als 7000 palästinensische Gefangene,  die einen offenen Hungerstreik erklärt haben.

Ihre Forderungen  für die Verbesserung ihrer Lebenszustände wären in jedem anderen demokratischem Land eine Selbstverständlichkeit.

Doch nicht in Israel, hier werden die Palaestinser nicht als Menschen gesehen,

die eine Würde haben.

Man kann uns töten, einsperren, foltern,  unsere Häuser zerstören, unsere Olivenbäume ausreißen, uns ohne Wasser lassen.

Ein israelischer Minister meinte:

Auch  wenn die Gefangenen sich zu Tode hungern,

werden wir nicht nachgeben .

Ich frage mich

wie lange ein Mensch  ohne Nahrung  UND  ohne Würde wohl überleben kann?

Die Würde des Menschen ist unantastbar,

heißt es bei den Menschenrechten. Gehören wir nicht aus zu dieser Gattung Mensch,

oder warum schweigt die Welt?

Die Bilder  aus dem Gefängnis im Irak sind um die Welt gegangen. Sie haben Empörung und Entsetzen ausgelöst. Hier ist man klüger – es gibt keine Bilder.

 

Salam

Faten Mukarker

 

 
Sent: Monday, August 09, 2004 12:16 PM
Subject: Aus den Augen aus dem Sinn oder die Rechnung wird nicht aufgehen!!!

 

 

Liebe Freunde in der Ferne

 

Aus den Augen aus dem Sinn oder die Rechnung wird nicht aufgehen

 

Man koennte auch an eine Kindertaktik glauben, die Scharon entwickelt hat.

Er denkt,  wenn er uns – die Palaestinenser – hinter einer Mauer verschwinden laesst, also nicht mehr sieht, dann gibt es uns nicht mehr.

Wenn ich an der Mauer in Bethlehem stehe und an ihr hochschaue,  verliere ich das

Gleichgewicht. Denn sie ist mehr als acht Meter hoch.

Betonklotz an Betonklotz, sauber und ordentlich aneinander gereiht.

Wisst ihr,  was ihr angerichtet habt,  fange ich ein Selbstgespraech mit ihnen an.

Ihr habt geteilt, zerteilt und enteignet...

Doch wir werden nicht aufgeben,  an Freiheit und unsere Wuerde zu glauben.

 

Ein Gedanke, der mich kurz streift und erschaudern laesst.

Ob  wohl meine Enkelkinder auch hier stehen werden?

NEIN, schreie ich zurueck, Scharons Rechnung wird nicht aufgehen!!!

 

Salam

Faten Mukarker

 

 


June 25, 2004 23.56


Liebe Freunde in der Ferne

 
Von Deutschland nach Palästina oder ich möchte wie ein Mensch behandelt werden
 

Bis vor etwa sechs Wochen war ich in Deutschland, habe viele Menschen erreicht, Menschen,  die mir aufmerksam zuhörten. Ich spürte ihre  Betroffenheit und manchmal sogar ihre Sprachlosigkeit über das, was ich berichtete. Am Anfang habe ich mich darüber gewundert, denn ich weiss, dass  Palästina in den deutschen  Medien fast jeden Tag vorkommt, doch dann meinte ein Mann, es ist anders, wenn Sie es uns persönlich berichten.

Von Stadt zu Stadt bin ich gereist.
Beinah hatte ich mich schon an diese Freiheit gewöhnt.

Die Zeit war um,  und es hieß die Heimreise antreten. Über Frankfurt nach Amman, weil wir seit mehr als drei Jahren den Flughafen in Tel Aviv nicht benutzen dürfen.

Der Grenzübergang an der Allenby-Bruecke über den Jordan ist sehr beschwerlich und zeitaufwändig. Nach dem Wechsel in mehrere Busse erreiche ich dann endlich Jericho, doch es geht nicht mehr wie früher über Jerusalem nach Bethlehem,  sondern wegen der Abriegelung über einen Umweg durch die judaeische Wüste. Plötzlich bleibt der Taxifahrer stehen,  eine lange Autoschlange ist vor uns. Die letzte Hürde, der letzte Checkpoint. Die Zeit vergeht. Nach einer Stunde haben wir uns immer noch nicht einen Zentimeter nach vorne bewegt. Im Auto ist eine Hitze wie in einer Sauna. Das Baby auf dem Schoss seiner Mutter scheint wie Butter zu schmelzen.

Nach zwei Stunden haben  meine Geduld und meine Nerven einen Tiefpunkt erreicht. Doch dann geht es weiter, einige Meter, und wieder bleiben wir stehen.

 

Wieder eineinhalb Stunden - meine Wut im Bauch  wird immer groesser. Was wollen sie von uns, frage ich mich, stehen wir etwa vor den Toren von Tel Aviv, nein, vor mir liegt Bethlehem, wo nur Palästinenser leben.

Endlich, nach dreieinhalb Stunden, kommt unser Auto bis zum Checkpoint. Ich halte meinen Ausweis schon bereit in meiner Hand. Doch die Soldaten drehen sich um,  sie lachen und unterhalten sich. Der Taxifahrer sagt mir, dass sie jede Stunde drei Autos durchwinken und sich dann einfach umdrehen, damit sie nicht die Menschen sehen,  die in der brodelnden Hitze im Auto sitzen. Bitte, schrei ich ihnen zu, seht wenigstens die Ausweise, damit ich mich wie ein Mensch behandelt fühle.
 
Salam
Faten Mukarker
 

 


Sent: Saturday, September 20, 2003 2:03 AM
Subject:
Ein Telefongespraech oder nothing to lose
Faten Mukarker
 

 

Ein Telefongespräch oder nothing to lose

 

Liebe Freunde in der Ferne

 

Ein bekannter israelischer Friedensaktivist wird 80 Jahre alt.

Ich als Palaestinenserin habe grossen Respekt vor ihm.

Er hat praktisch sein Leben lang für den Frieden zwischen seinem Volk und meinem Volk gekämpft. Ich würde ihm und mir auch wünschen, dass die Zeit kommt wo er auch Ernten kann, was er in all den Jahren gesät hat.

Ich möchte ihm zum Geburtstag alles Gute wünschen. Ich möchte es nicht nur durch eine Mail, sondern ich möchte ihm persönlich am Telefon gratulieren und ihm sagen, dass wenn es noch einige in Israel gäbe, die so denken wie er, sähe es in diesem Land bestimmt anders aus.

Ich rufe die Auskunft an, um seine Telefonnummer zu erfahren.

Doch die Nummer die ich dann anrufe war nicht die richtige sondern nur eine Namensverwandtschaft. Ich entschuldige mich. Sie sagt, kein Problem, ich wäre schon heute die Nr. 20, die hier anruft. Da ich seit nun fast drei Jahren kaum mehr Gelegenheit habe mit Israelis zu sprechen, wollte ich mich etwas mit ihr unterhalten.

Ich fragte, ob die Gleichheit der Namen auch mit der gleichen Gesinnung verbunden ist, denn ich müsste vorher wissen wie sie denkt. Sie meinte nicht ganz. Besser als wenn sie mit Nein geantwortet hätte, dachte ich, und sagte ihr so nebenbei, dass ich Palästinenserin bin.

Und so kamen wir ins Gespräch:

Hast Du Kinder?

Ja, mein Sohn ist beim Militär.

Dann möchte ich Dich etwas fragen.

Weißt Du, wenn mein Sohn in Gefahr ist, dann kann ich nicht einschlafen und wenn mein Sohn auf Menschen schießt. Auf Zivilisten, auf Frauen und Kinder, dann kann ich auch nicht schlafen.

Dann wie schläfst du ein?

Stell Dir vor, er kommt nach Hause und sagt Dir: heute habe ich ein palästinensisches Kind erschossen. Was wirst du tun. Ihm auf die Schulter klopfen oder entsetzt sein.

Natürlich wird mich das nicht freuen, war ihre Antwort, doch wenn er einen Befehl von seinem Commandanten hat, was kann er dagegen tun. Das war dann ein Befehl.

Aber, sagte ich, hättet ihr euch nicht in euer Geschichte gewünscht, das Soldaten Nein gesagt hätten und nicht nachher reuevoll von “Befehl” sprachen.

Vergiss nicht den Terror den ihr verbreitet, antwortete sie mir.

Du meinst die Selbstmordanschläge, erwiderte ich. Glaub mir, ich bin gegen sie, denn immer treffen sie Unschuldige, doch kannst du sie nicht separrat von dem sehen , was dein Militär bei uns macht. Und ich denke, wenn ein Soldat eine F-16 Tonnenschwere Bombe auf ein Haus fallen lässt, wobei viele Unschuldige sterben, und es damit gerechtfertigt wird, dass ein Intifadaaktivist in dem Haus ist, dann weiß ich nicht, wie ich das nennen soll. Das ist dann kein Terror??.

Ich denke beides ist Gewalt und das Blutvergießen sollte aufhören.

Doch meine wichtigste Frage , wie denkt ihr, oder anders wo ist die Logik bei eurem Denken. Glaubt ihr wirklich, ihr könntet gemütlich in euren Restaurants sitzen, eure Feste feiern, sicher auf euren Strassen sein. Und nebenbei drei Millionen unterdrücken, aushungern und demütigen.

Was denkt ihr, wo sollen wir hin, wir können uns nicht in Luft auflösen.

Wir haben auch keinen anderen Platz, erwiderte sie.

Dann sind wir uns ja einig, meinte ich. Wir beide haben nur dieses Stück Land, dann lasst uns friedlich hier zusammen leben.

Es wäre so einfach “Leben und Leben lassen”.

Doch sofort kam ihr Einwand, wer garantiert uns, dass, wenn wir euch die Westbank wiedergeben, dass dann die Gewalt aufhört.

Sie wollte eine Garantie, ich sagte ihr nicht mal, Gott gibt eine 100%ige Garantie.

Schau sagte ich, ihr seit sechs Millionen, wir sind, die hier leben drei Millionen. Für all diese Millionen lohnt sich ein Versuch.

Da wo wir heute stehen, wie schnell können wir da wieder sein.

Ihr seit so stark an Waffen und an Militär, das ihr in einigen Stunden die Westbank wieder besetzen könnt.

Also, was haben wir zu verlieren. Nothing to lose.

 

Salam Faten Mukarker

 

 

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