Israelisches Fernsehen zeigt Soldaten, die
palästinensischen Jungen als menschlichen
Schutzschild nehmen.
Palästinenser, der Urin trinken musste, sagt vor
Gericht aus.
Der Fall des Friedensaktivisten Tom Hurndall.
Palästina, 24. Mai 2005 (IPC
+ Agenturen)
Die israelischen Kanal-10-Nachrichten
berichteten am Montagabend, dass israelische
Besatzungssoldaten im Dorf Doura nahe bei
Hebron ein palästinensisches Kind als
menschlichen Schutzschild genommen hätten.
Kanal 10 zeigte in einem Videofilm den
17jährigen Fadi, der zu einem Gebäude im Dorf
gebracht wird, in dem sich Besatzungssoldaten
verborgen hatten. Mit verbundenen Augen wurde
Fadi von den Soldaten in den zweiten Stock des
Hauses und dann auf den Balkon geführt. Einer
der Soldaten versteckte sich hinter dem Jungen
und richtete sein Gewehr auf eine Gruppe
Jugendlicher, welche die Soldaten mit Steinen
bewarfen.
Die israelischen Besatzungssoldaten stritten
den im Film festgehaltenen Vorgang ab und
behaupteten, dass der Junge Steine auf sie
geworfen hätte, und dass sie ihn nicht als
menschlichen Schild benutzt, „sondern ihn unter
Bewachung gestellt“ hätten, bis er dem
Polizeigewahrsam überstellt werden konnte.
Das im israelischen TV ausgestrahlte Video
zeigt ganz klar einen Jungen in Handschellen und
mit verbundenen Augen, der von Soldaten zu
jeder Position, die sie einnehmen wollten,
mitgeführt wird, während ein Soldat sich dabei
hinter ihm versteckt.
Yossi Sarid, Knesset-Mitglied der Yahad-Partei,
beschrieb den Vorgang als „Kriegsverbrechen“
und forderte eine strafrechtliche Verfolgung der
daran beteiligten Soldaten. Sarid fügte hinzu:
„Die Moral der israelischen Armee ist auf ein
beispielloses Niveau abgerutscht“.
Für eine ähnlich unmenschliche Greueltat
verurteilte das israelische Kriegsgericht in
Jerusalem einen israelischen Grenzposten, einen
Offizier, zu vier Monaten, nachdem er wegen
demütigender Handlungen gegenüber
Palästinensern überführt worden war. Der Soldat
zwang einen der Zivilisten, der einen
Checkpoint nahe bei Jerusalem passieren wollte,
Urin der Soldaten zu trinken, bis er
bewusstlos zusammenbrach.
Der Vorfall ereignete sich am 11. September
2004, als der involvierte Soldat zusammen mit
seiner Einheit an einem militärischen Checkpoint
zwei Personen abfing – Sameih Rahal von
Bethlehem und Ferass Al Bakri von Hebron. Sie
wurden anschließend in einen menschenleeren
Gasthof in Abu Dis verbracht, der durch die
Grenzposten requiriert worden war.
Das Gerichtsurteil gab an, dass besagter
Offizier zusammen mit vier anderen Soldaten der
Grenzschutzeinheit auf einen der Palästinenser
sprang, ein anderer der Soldaten steckte sein
Gewehr gewaltsam in den Mund des Mannes und
drohte „Wenn ich sage, ich will schießen,
dann werde ich schießen!“. Daraufhin folgte
der Befehl an den Palästinenser, sich mit einem
Seifenriegel selbst zu schlagen, während zwei
israelische Soldaten damit begannen, den anderen
Palästinenser mit ihren Fäusten zu traktieren.
Die Gerichtsakten führten aus, dass der
israelische Soldat den Seifenriegel in Al-Bakris
Gepäck gefunden hatte und ihn dazu zwang, sein
Gesicht mit Seife zu beschmieren. Als Al Bakri
ihm entgegnete, dass es ja kein Wasser gäbe,
prügelten die Soldaten ihn und versetzten ihm
Fußtritte. Danach befahlen sie ihm, sich selbst
aus einem hochgelegenen Fenster zu stürzen, und
als er vor Angst schrie, änderten sie ihren
Befehl, und er sollte aus einem niedriger
gelegenen Fenster springen. Dadurch verletzte er
sich und wurde zur Behandlung ins Krankenhaus
gebracht.
Sameih Rahal aus Hebron sagte als Zeuge aus
„Nachdem sie uns am militärischen Checkpoint Abu
Dis angehalten hatten, wählten sie aus dem
Haufen palästinensischer Arbeiter per
Zufallsprinzip Ausweise aus. Sie schnappten
sich meinen und Al Bakris Ausweis und ließen
dann den Rest laufen – ohne die Erlaubnis, nach
Jerusalem einzureisen.“
Rahal fügte hinzu, dass er und Al Bakri zur
Zielscheibe einer Verlosung wurden, was die
israelischen Soldaten als „Entertainment
(= Unterhaltung)“ bezeichneten. Die Soldaten
steckten drei Papierschnipsel in eine
Schachtel, auf denen sie eine Art Bestrafung
notiert hatten: <Beine brechen>, <Arme
brechen> und <Urin aus den Flaschen
trinken>, die bereits von den Soldaten
gefüllt worden waren.
„Die Soldaten zwangen mich
und den anderen Arbeiter, jeweils einen
Schnipsel zu ziehen und uns der aufgeschriebenen
Strafe zu unterziehen. Als ich mich jedoch
weigerte, mitzumachen, schlugen mich die
Soldaten auf die Hände und spitzten mir mit
einer Flasche Urin ins Gesicht“, sagte Sameih als Zeuge
aus.
Er fügte hinzu: „Als ich es nicht mehr
ertrug, stieß ich die Soldaten weg, und sofort
attackierten mich sechs von ihnen und richteten
ihre Gewehre auf mich. Sie prügelten mich
ernstlich zusammen, und dann brachten sie die
Urinflasche näher an meinen Mund.“ Er sagte
aus, dass sie ihn dazu zwangen, den Urin zu
trinken, bis er zusammenbrach und ohnmächtig
wurde.
In einem gesonderten Fall beschuldigte die
Mutter des britischen Friedensaktivisten Tom
Hurndall, der an einem Kopfschuss starb, als er
vor zwei Jahren palästinensische Kinder vor
israelischen Gewehrsalven im
Rafah-Flüchtlingslager schützen wollte,
leitende israelische Offiziere, ein Klima des
„Trigger happy (= Abzug gelungen)“ zu
schaffen und sagte, die Todesfälle unschuldiger
Leute würden vertuscht.
Die britische Tageszeitung „Guardian“ zitierte
Frau Hurndall am Montag, als der Soldat am Ende
der Gerichtsverhandlung verurteilt wurde:
„Der Soldat mag ja verurteilt worden sein aber
die Gerichtsverhandlung hat sich nicht mit der
breiteren Rechtsfindung, die etwas mit
Befehlskette und Lügenkultur zu tun hat,
befasst.“
Frau Hurndall meinte, dass es nur aufgrund der
Anstrengungen seitens ihrer eigenen Familie und
des Drucks der britischen Regierung gründlichere
Ermittlungen gegeben habe.
Israel lehnte ein britisches
Untersuchungsanliegen ab und untersagte Herrn
Hurndalls Bruder Billy die Einreise nach Israel,
um die Erschießung zu recherchieren.
„Von Beginn an war es ein fürchterlicher Schock
für uns, dass wir es nicht mit Dienststellen zu
tun hatten, die auf der Wahrheitsfindung
bestanden!“, zitierte die Zeitung Frau
Hurndall.
25.05.2005, Übers. v.
Gabriele Al Dahouk |