Sehr geehrte Damen und Herrn, liebe
Freunde,
unsere Anwesenheit heute, in Stuttgart, an
ihrer Seite ist keine einmalige Demonstration der Solidarität.
Sie ist vielmehr das Ergebnis einer seit langem gemeinsam ins
Leben gerufenen Aktion, die sich in den letzen Monaten in
einer Serie von namhaften, internationalen Veranstaltungen
manifestierte, die zu einem neuen gemeinsamen Bewusstsein
geführt haben. Die Mehrheit der Medien hat ihnen keine
Aufmerksamkeit geschenkt oder sie bewusst übersehen.
Im Angesicht dieser Situation stimme ich in
den Protest meiner Vorredner ein und werde im Namen folgender
Organisationen sprechen:
-
den « Campagnes Civiles
internationales pour la protection du Peuple palestinien »,der
„Zivilen, internationalen Kampagnen zum Schutz des
palästinensischen Volkes“, die seit 3 Jahren mehr als 3000
europäische Bürger ins besetzte Palästina geschickt haben,
damit sie sich vor Ort ein Bild der erschreckenden
Wirklichkeit machen können, und um vor dem Hintergrund der
einseitigen Medienberichterstattung nach ihrer Rückkehr davon
Berichten zu können.
-
Im Namen des « Collectif judéo-arabe
et citoyen pour la paix », der jüdisch-arabischen
Bürgerbewegung für den Frieden, die seit drei Jahren,
französische Bürger aller Konfessionen, insbesondere, wie der
Name besagt, jüdischen und muslimischen Glaubens, im
gemeinsamen Kampf für die Wahrheit vereint.
-
Im Namen der « Coordination de
l’Appel de Strasbourg », dem Koordinationskommitte des
„Aufrufs von Straßburg“, welches aus 451 Organisationen und
Persönlichkeiten aus 17 Ländern der Europäischen Union
besteht, und das sich im Rahmen einer öffentlichen
Zusammenkunft für eine konkrete und positive Aktion mit dem
europäischen Parlament entschieden hat.
-
Im Namen von Delegationen aus 8
europäischen Ländern (Belgien, Dänemark, Spanien, Frankreich,
Italien, Luxemburg, den Niederlanden und der Bundesrepublik
Deutschland), die letzte Woche, am 14.und 15. September, im
europäischen Parlament in Straßburg in zwei intensiven
Arbeitstagen zusammen mit Parlamentariern eine „interaktive
Partnerschaft“ ins Leben gerufen haben, die seit letztem
Montag, dem 20. September, aktiv ist. Es ist das Ergebnis
dessen, was die 451 Unterzeichner des „Aufrufs von Straßburg“
am 12. Juni gewünscht hatten und die schnelle Umsetzung
unterstreicht die reelle Notwendigkeit, die von beiden Seiten
her bestand.
Warum haben wir uns dazu entschieden uns
klar und deutlich zu Wort zu melden?
Weil, und zu diesem Ergebnis muss man
unweigerlich kommen, es essentiell für die Zukunft der
Demokratie, für die Zukunft unserer Kinder und für die
Aufrichtigkeit uns selbst gegenüber ist, sich für die
Beendigung dieser rechtsfreien Situationen, wie sie
gegenwärtig die Oberhand gewinnen, einzusetzen. Und das, was
sich augenblicklich im besetzten Palästina abspielt, ist dafür
nur das offenkundigste Beispiel.
Es kann nicht mehr hingenommen werden,
dass internationales Recht auf diese Weise verhöhnt wird,
es kann nicht mehr hingenommen werden, dass
die Genfer Konvention - zum Schutz der Zivilbevölkerung in
Kriegszeiten - mit Füssen getreten wird,
es kann nicht mehr hingenommen werden, dass
die Resolutionen der Vereinten Nationen völlig ignoriert
werden,
es kann nicht mehr hingenommen werden, dass
die Entscheidungen des europäischen Parlamentes schlicht und
einfach von einem Ministerrat hinweggefegt werden, der sich
anmaßt, über den Entscheidungen der Vertreter der europäischen
Bürger zu stehen.
es kann nicht mehr hingenommen werden, dass
die Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofes,
zusätzlich gestützt durch eine Abstimmung der Vereinten
Nationen, welche die Angebrachtheit der Beschreibungen des
Gerichtshofes bestätigt, ohne Folgen bleibt.
Und wer kann all diese nicht mehr
hinnehmen?
Es sind die Institutionen, die
obwohl demokratisch gewählt, feststellen müssen, dass Ihre
Ansichten, Empfehlungen oder Entscheidungen in keiner Weise
beachtet werden. Sie wenden sich deswegen an ihre Basis, die
Wähler und die Vertreter der Zivilgesellschaft, damit diese
ihren Forderungen Nachdruck verleihen.
Es ist die Zivilgesellschaft selbst,
die wir hier alle repräsentieren, und die mit ihren 700
Verbänden, Nichtregierungsorganisationen und anderen
Strukturen eine große Mehrheit der europäischen Bürger
vereinigt, Bürger die es leid sind, ohnmächtig mit anzusehen,
wie elementare Werte, denen sie sich unmittelbar verbünden
fühlen, missachtet werden.
Diese Zivilgesellschaft kam, während wir
letzte Woche zusammen mit dem europäischen Parlament
gearbeitet haben, zur gleichen Zeit auf Initiative der
Vereinten Nationen am 13. und 14. September
in New York zusammen. Hier sollte ausgelotet werden,
welche Rolle die Zivilgesellschaft spielen könnte, um das
palästinensische und israelische Volk aus der Sackgasse
herauszuführen, in der sie sich gegenwärtig befinden: Sowohl
das palästinensische Volk würdig und sich wehrend unter der
ständigen, seit Jahrzehnten andauernden Besetzung als auch das
israelische Volk, das - mit der Verantwortung für eine
Regierung, die anstatt grundliegender Rechte nur Gewalt kennt
– mehr und mehr unter dem unendlichen Konflikt leidet.
Zur gleichen Zeit, vom 17. bis zum 19.
September, kamen in Beirut im Libanon Vertreter der
Zivilgesellschaft aus 54 Staaten aller Kontinente zu einer
internationalen Konferenz zusammen. In Ihrer Schlusserklärung
haben sie sich für die uneingeschränkte Unterstützung des
palästinensischen Volkes in seinem Widerstand gegen die
totobringende und durchweg illegale Besatzung ausgesprochen.
Dabei haben sie den Wunsch ausgedrückt, dass wir all unsere
Kräfte sammeln, damit schließlich wieder das Recht respektiert
wird.
Diese Gleichzeitigkeit von internationalen
Veranstaltungen, konzertierten Aktionen und Zusammenkünften
ist keineswegs zufällig. Sie ist das Echo einer weit
verbreiteten Verbitterung gegenüber dem skrupellosen und auf
Gewalt beruhendem Handeln einiger Staaten auf Kosten von
gequälten, gedemütigten, verschleppten und auf ihrem eigenen
Territorium misshandelten Völkern.
Unser wichtigstes Mittel, mit nicht zu
verachtender Stärke, ist der dauernde und unablässige Appell
an eine Rückkehr zum Recht. Des weiteren verleihen uns unsere
große Zahl und unsere Repräsentativität Kraft.
Unserem Aufruf zur Einhaltung des Rechts,
der unser wichtigstes Ziel sein muss, kann sich niemand
glaubhaft entgegenstellen. Nicht ohne Grund hat letzten
Dienstag vor den Vereinten Nationen ihr Generalsekretär Kofi
Annan in einer kurzen aber bedeutenden Rede die gegenwärtige
Vollversammlung eröffnet, in dem er auf die Gefahr für den
Rechtsstaat hinwies und eindeutig klarstellte, dass Recht über
Macht steht und nicht umgekehrt.
Die Abgeordneten unserer Parlamente, ob
national oder international, werden sich immer mehr dieser
Situation bewusst aber auch der Schwächung ihrer Rolle als
Repräsentanten der Völker. Genau aus diesem Grund fordern
einige von ihnen, und es werden immer mehr, wir sehen sie
täglich, eine immer stärker werdende Mobilisierung
unsererseits, um unablässig mit unserer Waffe, dem
internationalen Recht zu drohen und seine Einhaltung und
Anwendung zu fordern.
Internationale Gerichtsbarkeiten wurden vor
nicht allzu langer Zeit ins Leben gerufen, damit vor sie
diejenigen gestellt werden können, die diese Rechte
verspotten. Niemand bezweifelt, dass diese internationalen
Instanzen beginnen, auch diejenigen Verantwortlichen zum
nachdenken zu bringen, für die bis vor kurzem - völlig
risikofrei- Macht das einzige Regierungsinstrument war. Diese
Bewusstwerdung muss beschleunigt werden durch eine große
Bewegung für die vollständige Einhaltung des Rechts, sowohl
von Individuen und als auch Staaten. Wird das Recht von einem
Staat gebrochen wiegt diese Verletzung jedoch noch schwerer,
da ihr interne Abstimmung und Überlegungen auf höherem Niveau
vorausgegangen sind. Im Strafrecht spräche man von
Vorsätzlichkeit und diese führt zu erschwerenden Umständen.
Meine Damen und Herrn, liebe Freunde, die
Ihr hier heute in Stuttgart zusammen gekommen seid, um diese
untragbare Situation anzuprangern und um für einen gerechten
und dauerhaften Frieden in Palästina und Israel zu
demonstrieren, Ihr müsst wissen, dass die pazifistische Waffe
des Rechts gegenwärtig das einzige Mittel ist, die
Verantwortlichen zur Vernunft zu bringen, die uns nur mit
Gewalt begegnet sind. Wir müssen dafür mehr und mehr
zusammenarbeiten. Unsere bereits engen Netzwerke müssen noch
dichter werden, wir müssen zusammen agieren und wenn möglich
gleichzeitig. Wir befinden uns an einem strategischen Moment,
an dem die, die sich für Gewalt entscheiden einer unendlich
viel größeren Gruppe gegenüberstehen, die den Frieden durch
das Recht wollen.
Wir sind Millionen, die der Vernunft zum
Durchbruch verhelfen können. Sie, die für uns entscheiden,
sind nur eine Handvoll. Lasst uns, uns Gehör verschaffen!