
Aufnahmekomitees als Mittel zur Aufrechterhaltung der
Segregation
Strukturelle Benachteiligung:
Aufnahmekomitees verhindern den Zuzug palästinensischer
Staatsbürger*innen Israels in die meisten ländlichen
Gemeinden des Landes.
Fadi Shbita
Der Kauf einer Wohnung oder
eines Hauses bzw. die Wahl des Wohnorts wird in der
Regel als eine Frage persönlicher Präferenzen und der
finanziellen Möglichkeiten angesehen. Für
palästinensische Staatsbürger*innen Israels gilt das
jedoch eher nicht. Wieso? Nach den Forschungsergebnissen
von Professor Yosef Jabareen von der Technischen
Universität Haifa[1]
gibt es unter den insgesamt 1.215 Ortschaften in Israel
940 kleinere, eher landwirtschaftliche geprägte, in
denen Aufnahmekomitees eine sehr zentrale Rolle spielen.
Diese Komitees setzen sich aus Einwohner*innen des Orts
zusammen und sind rechtlich befugt, alle Personen, die
in den Ort ziehen möchten, zu prüfen und darüber zu
entscheiden, ob sie sich dort tatsächlich niederlassen
dürfen. Das Recht, ein Haus zu kaufen und den eigenen
Wohnort auszusuchen, wird daher unter Umständen von
diesen Aufnahmekomitees eingeschränkt. Eine Folge
hiervon: In solchen ländlichen Gemeinden wohnen so gut
wie keine palästinensischen Staatsbürger*innen Israels.
Historischer
Hintergrund
- Die
Staatsgründung Israels im Jahr 1948 ging mit einer
massiven Flucht und Vertreibung eines Großteils der im
Land lebenden palästinensischen Bevölkerung während des
Krieges und danach einher. Dies sollte erklärtermaßen
eine klare jüdische Mehrheit im neuen Staat
gewährleisten. Jene Palästinenser*innen, die innerhalb
des Staatsgebiets bleiben konnten, erhielten die
israelische Staatsbürgerschaft. Sie machen heute circa
20 Prozent aller Staatbürger*innen Israels aus. Trotz
des mit der Staatsbürgerschaft verbundenen Versprechens
der Gleichheit gibt es in Israel eine Politik und
Gesetzgebung, die manchmal direkt und manchmal
verschleiert Staatsbürger*innen aufgrund ihrer
ethnisch-nationalen Identität diskriminieren.
Die Definition Israels als
ein jüdischer und demokratischer Staat erweckt in diesem
Zusammenhang einen irreführenden Eindruck. Der Begriff
jüdisch wird oft als rein symbolisch begriffen oder als
Ausdruck für einen Nationalstaat, in dem de facto die
meisten Menschen jüdisch sind. In der Praxis hatte diese
Definition jedoch eine Reihe von politischen Mechanismen
und Maßnahmen zur Folge, die darauf ausgerichtet sind,
die Vorherrschaft der jüdischen Staatsbürger*innen zu
bewahren. Wichtige Instrumente zur Herrschaftssicherung
sind die Regulierung von Grundbesitz, das
Bevölkerungsregister und die Zuteilung von staatlichen
Ressourcen für die wirtschaftliche Entwicklung. Auch die
Arbeit der sogenannten Aufnahmekomitees gehört dazu. Und
wie bei anderen Mechanismen gibt es keinen schriftlichen
oder anderen öffentlich zugänglichen Nachweis, der ihren
Zweck verrät: Hinter scheinbar neutralen Formulierungen
wie, die Bewohner*innen eines Ortes hätten das Recht auf
Gemeinschaftsleben auf der Grundlage gemeinsamer Kultur
und Tradition, verbirgt sich die Absicht, gezielt
Palästinenser*innen und andere unliebsame
Bevölkerungsgruppen fernzuhalten.
Die überwiegende Mehrheit
der palästinensischen Staatsbürger*innen Israels lebt in
Ortschaften und Gemeinden, die lediglich etwa
3,6 Prozent des Staatsgebiets einnehmen. Wohnungsmangel
ist daher für sie zu einem existenziellen Problem
geworden. Diesem Mangel liegen zwei Ursachen zugrunde:
zum einen Enteignungen nach der Staatsgründung, zum
anderen dass die Verwaltung Israels sich in vielerlei
Hinsicht diskriminierender Maßnahmen bedient. Beide
Faktoren bestimmen bis heute die Lebensrealität der
Palästinenser*innen in Israel.
Land,
Eigentum und Benachteiligung
In
Israel sind 93 Prozent des Territoriums als „Staatsland“
(Land in staatlichem Eigentum) definiert. Etwa 5.000
Quadratkilometer hiervon und damit ein Viertel des Lands
waren ursprünglich Privateigentum von
Palästinenser*innen, die zur Zeit der Staatsgründung zu
Flüchtlingen wurden und deren Eigentum sich Israel
angeeignet hat. Circa 12.000 Quadratkilometer und damit
mehr als die Hälfte des Lands bestehen aus nicht
landwirtschaftlich genutzten Flächen, die vor 1948 zum
Territorium palästinensischer Kommunen gehörten. Ein
relativ kleiner Teil (ca. 1.000 Quadratkilometer) ist
Land, das die zionistische Bewegung vor 1948 von seinen
Eigentümer*innen kaufte. Es wird vom
Jüdischen Nationalfonds verwaltet.[2]
Nach der Staatsgründung
wurden Gesetze zur Regelung der Landnahme verabschiedet,
wie zum Beispiel das Absentees’ Property Law.[3]
Dieses Gesetz erlaubte es dem israelischen Staat, sich
das Land der mehr als 700.000 Palästinenser*innen, die
aus dem Land geflüchtet waren bzw. vertrieben wurden,
anzueignen. Darüber hinaus wurde das Land von
Zehntausenden palästinensischer Binnenflüchtlinge
mithilfe eines Gesetzes konfisziert, das sie als
“anwesende Abwesende” (present
absentees) definiert. Für die Verwaltung des neu
gewonnenen Staatslands wurde die
Israel Land Administration gegründet. Teil dieser
Körperschaft ist der Jüdische Nationalfonds, der sechs
der vierzehn Mitglieder des Exekutivrats der Land
Administration stellt. Explizites Ziel des Jüdischen
Nationalfonds ist es, die jüdische Besiedlung von Israel
zu fördern. Seit der Staatsgründung war der Jüdische
Nationalfonds neben der
Jewish Agency und anderen Organisationen für die
exklusive Ansiedlung von Jüdinnen und Juden auf
sogenanntem Staatsland zuständig.
Seit der Staatsgründung wurden mehr als 700 neue
Ortschaften in Israel errichtet. Alle von ihnen sind
jüdisch, mit Ausnahme von sechs Kleinstädten im
Negev.[4] Das lässt tief blicken und verdeutlicht, dass
die staatliche Kontrolle der Landressourcen nicht allen
Staatsbürger*innen gleichermaßen zugutekommt, sondern
dazu dient, die Vorherrschaft der jüdischen
Staatsbürger*innen zu sichern. Eines der zentralen Ziele
der zionistischen Bewegung auch nach der Gründung des
Staats Israel war die „Besiedlung des Landes“. Hinter
diesem Ausdruck verbirgt sich die Überlegung, dass Land,
das vor Kurzem noch von einer indigenen Bevölkerung
bewohnt wurde, von der jüdischen Bevölkerung übernommen
und besiedelt werden muss. Über Jahrzehnte hinweg haben
der israelische Staat und mehr
>>>
|

Liebe Freund*innen der Combatants for Peace, Diese
Woche findet der Nakba Tag statt. Zum ersten Mal werde von den
Combatants for Peace eine öffentliche Veranstaltung dazu
stattfinden.
Am Donnerstag der 14.5
um 20:00 (MEZ) werden die CfP den 72. Jahrestag der
Palästinensischen Nakba als Broadcast-Zeremonie begehen, die live
(mit Englischer Übersetzung) übertragen wird, in der
Palästinenser*innen und Israelis Zeugenberichte von 1948 vortragen
werden. Um 21:00 Uhr (MEZ) werden wir uns über Zoom treffen, um die
Geschichten von zwei Palästinensischen Familien zu hören und mit den
Teilnehmer*innen zu sprechen.
Die Entscheidung der CfP diese Veranstaltung zu halten, gründet auf
vielen Gesprächen und Diskussionen, die in den letzten Jahren
gehalten wurden und die Notwendigkeit unterstrichen, Raum für die
persönlichen Geschichten zu schaffen, die mit der Nakba von 1948
zusammenhängen. Viele der Palästinensischen Mitglieder der
Combatants for Peace sind seit 1948 Flüchtlinge. Aufgrund unseres
Engagements den israelisch-palästinensische Konflikt und die
Besatzung zu beenden, finden wir es wichtig, die Palästinensischen
Geschichten der Nakba anzuhören und auch Gehöhr zu schaffen.
Eure Teilname ist wichtig für uns alle - für die Palästinenser*innen
und Israelis der CfP, die gemeinsam diese Veranstaltung produziert
haben.
This week the Nakba is commemorated. The Nakba (in English the
Catastrophe) is the Arabic term for the events which took place in
1948 when more than half a million Palestinians were displaced from
their homeland as a result of the creation of the new State of
Israel. Combatants for Peace will for the first time observe this
day as a public event. This Thursday May 14th, we will mark the 72nd
year since the Palestinian Nakba in a broadcast ceremony beginning
at 9:00 pm (Israel/Palestine time). During the ceremony Palestinians
and Israelis will speak and present testimonies from 1948. Thursday
May 14th 20:00 CET (Berlin). The event will be broadcast on FACEBOOK
LIVE STREAM and on YOUTUBE:
https://www.youtube.com/watch?v=_tONIlwZKQI
After the event the public will be invited to join, via Zoom, two
Palestinian families and other participants to listen to personal
stories and engage in an open discussion. Translation to English and
Hebrew will be available. Link: zoom.cfpeace.com
We decided to hold this event following many conversations that took
place over the past few years. These discussions stressed the need
to hear personal stories related to the Nakba. Many of the members
of Combatants for Peace are refugees, and, indeed, the refugee
problem is central to the Israeli-Palestinian conflict, as is the
Occupation. Out of our commitment to end the conflict, we feel it is
important to open our ears and hearts, to hear the Palestinian
narrative. The Nakba is an important part of this story. We are
confident in our ability to listen; our movement was founded on
listening. We have learned that hearing and acknowledging personal
stories is the basis for seeing “the other” as an equal, in one’s
full humanity. |
Israelische
Aktivistin, die den Staatsanwalt von Ahed Tamimi schlug, zu acht
Monaten verurteilt
Das Jerusalemer Gericht verurteilt Yifat Doron, der während des
Prozesses gegen Ahed Tamimi den Militärankläger schlug, zu acht
Monaten hinter Gittern.
Oren Ziv - 13. Mai 2020
Ein israelisches
Gericht hat den israelischen Aktivisten Yifat Doron am Mittwoch zu
acht Monaten Gefängnis verurteilt, weil er während des Prozesses
gegen Ahed Tamimi im März 2018 einen Militärankläger geschlagen
hatte.
Der Vorfall ereignete sich während einer Urteilsverhandlung für
Ahed's Mutter, Nariman, die verhaftet wurde, weil sie gefilmt hatte,
wie ihre Tochter einen israelischen Soldaten schlug, der ihren Hof
während einer Demonstration im palästinensischen Dorf Nabi Saleh im
Jahr 2017 betreten hatte.
Doron, der am 21. März 2018 vor dem Militärgericht Ofer saß, um die
Frauen der Tamimi-Familie zu unterstützen, wandte sich am Ende der
Anhörung an den Militärstaatsanwalt Oberstleutnant Issam Hamad, rief
"Wer sind Sie, dass Sie sie verurteilen? Sie wurde sofort verhaftet
und zwei Tage später wieder freigelassen. Doron verweigerte jede
rechtliche Vertretung und unterzeichnete keine
Freilassungsbedingungen. Am Mittwoch verurteilte sie das Jerusalemer
Magistratsgericht zur Zahlung von 3.000 NIS. Sie wird am 1. Juli mit
der Verbüßung ihrer Strafe beginnen.
Ahed und ihre Mutter wurden im Dezember 2017 verhaftet, nachdem ein
Video, auf dem Ahed einen israelischen Soldaten geohrfeigt hatte,
sich verbreitete. Der Vorfall ereignete sich wenige Stunden, nachdem
Soldaten Ahed's Cousin, Mohammad Tamimi, mit einem Gummigeschoss in
den Kopf geschossen hatten, wodurch sein Schädel zertrümmert wurde.
Kurz darauf tauchten Soldaten im Haus der Familie Tamimi auf. Ahed
und ihre Cousine Nur konfrontierten die bewaffneten Soldaten,
woraufhin Ahed einen von ihnen ohrfeigte, während Nariman den
Vorfall filmte. Ahed, Nariman und Nur saßen jeweils acht Monate
hinter Gittern.
Nabi Saleh ist eines von mehreren Dörfern im besetzten
Westjordanland, die an wöchentlichen, unbewaffneten Protesten gegen
die Besetzung, insbesondere gegen die Übernahme der Dorfquelle durch
die nahe gelegene Siedlung Halamish, teilnahmen. Bei diesen
Demonstrationen wurde im Laufe der Jahre eine Reihe von Bewohnern
von Nabi Saleh getötet und viele wurden von israelischen Soldaten
verwundet.
Im November 2019 verurteilte das Gericht Doron wegen Angriffs auf
einen Beamten unter erschwerten Umständen. Während des Prozesses
entschied sich Doron, sich selbst zu vertreten und weigerte sich,
auf die gegen sie erhobenen Vorwürfe zu antworten. Richter Aharon
Cohen entschied, dass Doron die Tat begangen habe, um "in die Rolle
des Staatsanwalts im Prozess einzugreifen", wobei er feststellte,
dass sich ihr Vorgehen gegen die gesamte Militärstaatsanwaltschaft
richtete.
"Ich werde nie die Tatsache bereuen, dass ich an der Seite meiner
Freunde stand und nach meinem moralischen Kompass gehandelt habe",
sagte Doron in einer kurzen Erklärung, die sie Anfang Mai vor dem
Gericht abgab. "Es ist eine Auszeichnung der Ehre, einer Liste von
Frauen beizutreten, die ich respektiere und bewundere und die vor
dem zionistischen Gericht wegen Gewaltverbrechen verurteilt worden
sind.
Bei dieser Anhörung lehnte Doron das Angebot von Richterin Cohen ab,
sie zu gemeinnütziger Arbeit zu verurteilen. Darüber hinaus
behauptete Atty Efrat Filzer, der die Militärstaatsanwaltschaft
vertrat, dass der Angriff auf Oberstleutnant Issam Hamad vor dem
Militärgericht Ofer "nicht zufällig" gewesen sei, sondern weil er
der Leiter der Militärstaatsanwaltschaft im Westjordanland sei.
"Schon die Tat gegen ihn ist in Wirklichkeit eine Herausforderung
für das gesamte Militärsystem", sagte Filzer vor dem Gericht. "Es
geht hier darum, das Rechtssystem zu untergraben und zu
delegitimieren.
In dem 12-seitigen Urteil verwies Richter Cohen auf die politische
Natur von Dorons Handlungen: "Es ist ein Fehler, den uns
vorliegenden Fall als einen Routinefall zu behandeln, in dem eine
Person eine andere angreift. Die Handlung muss im breiteren Kontext
als eine Handlung betrachtet werden, die darauf abzielt, die
Regierungsprinzipien in den besetzten Gebieten zu untergraben und
ihnen Schaden zuzufügen".
Der Richter fügte hinzu, dass "es keinen Zusammenhang zwischen
Gewalt und legitimem politischen Protest geben kann" und dass
"solche Akte des politischen Nihilismus, die darauf abzielen, die
Werte des Staates und seiner Institutionen zu untergraben, als eine
ernste Angelegenheit behandelt werden sollten". Diese Dinge gelten,
so Cohen, auch wenn der Akt "gegen das Regime in der [Westbank]
gerichtet ist".
In einem Interview im vergangenen Jahr sagte Doron, sie habe nicht
versucht, eine politische Erklärung abzugeben, als sie den
israelischen Offizier schlug: "So wie ich das sehe, war das eine
Reaktion darauf, dass sie ihre Freundin in Bedrängnis sah."
Quelle |