Bei
drohenden Stromkürzungen um 40% bereiten sich
die Bewohner von Gaza auf das Schlimmste vor
- Sheren Khalel - 15.06.2017 - Die 42-j.
Majda Tantesh lebt in Beit Lahia im nördlichen
Gazastreifen. Wie alle in Gaza, bekommt dieser
Ort nur wenige Stunden täglich Strom. Nach der
Entscheidung des israelischen Sicherheitsrates
am Montag, der die Bitte der Palästinensischen
Autonomiebehörde um Kürzung der Stromversorgung
des Gazastreifens um 40% genehmigt hat, erwartet
Majda nur noch, dass es schlimmer wird, wie sie
Mondoweiss sagte. Majda, die die amerikanische
Staatsangehörigkeit hat, kam 2009 in den
Gazastreifen zurück, um näher bei ihrer Familie
und ihren Freunden zu sein. Als sie damals in
die Enklave zurückkam, bekamen sie 8 Stunden
täglich Strom. In den vergangenen 8 Jahren wurde
die Zahl der Stunden halbiert.
"Wir bekommen zur
Zeit etwa 4 Stunden Strom am Tag, aber auch wenn
Strom da ist, fällt er jede halbe Stunden für 10
bis 30 Minuten aus", sagte sie. "Es ist sehr
hart, weil es jetzt Sommer und sehr heiß ist.
Wir brauchen Air condition, brauchen
Ventilatoren, wir brauchen den Kühlschrank – wir
werfen ständig Essen weg, weil es keinen Strom
gibt und unser Essen schlecht wird, dann muss
ich es wegwerfen."
Am Montag hat das
israelische Sicherheitskabinett die Bitte der
PA, Gazas Stromversorgung um 40% zu kürzen,
genehmigt. Das bedeutet noch kürzere Zeiten
Strom für die Bürger, die die verheerenden
Auswirkungen einer 10 Jahre dauernden Blockade
durchgemacht haben, die von der israelischen und
der ägyptischen Regierung verhängt wurde,
nachdem Hamas 2007 die Wahlen gewonnen hatte.
Anfangs dieses
Monats erhielt Mondoweiss geleakte Dokumente mit
der Korrespondenz zwischen dem Finanz- und
Planungsminister der PA, Shukry Bishara, und dem
israelischen Finanzminister Moshe Kahlon. In den
Briefen bat Shukry, die von Israel kontrollierte
und von der PA bezahlte Stromlieferung dürfe
nicht 25 Millionen Shekel ($7,1 Mio)
übersteigen, was Stromkürzungen um 40%
bedeutet.
"Die für die
Eintreibung der Stromgebühren im Gazastreifen
verantwortlichen Parteien haben bei der
Rückvergütung der für den Gazastreifen
übernommenen Kosten an die PA systematisch
versagt", schrieb der PA-Minister. "Folglich
muss es allen Beteiligten klar sein, dass wir
ein Stadium erreicht haben, in dem diese
Situation nicht länger akzeptiert werden kann."
In dem vom 15. Mai
datierten Brief bat der PA Minister, die
Stromausfälle innerhalb einer Woche einzuführen.
Soweit die Stromkürzungen noch nicht umgesetzt
wurden, werden sie für allernächste Zeit
erwartet.
Die Stromkürzung
erfolgt mitten in den gescheiterten
Einheitsgesprächen zwischen der Fatah-geführten
PA und der Hamas-geführten Regierung des
Gazastreifens. Während sich das palästinensische
Volk von Westbank und Gaza eins fühlt, ist die
Spaltung zwischen den beiden rivalisierenden
politischen Parteien dabei das Leben der 2
Millionen Menschen in Gaza noch verzweifelter zu
machen.
Jeder hier fühlt
sich schlecht und denkt, dass es mit der
derzeitigen politischen Situation noch
schlechter werden wird. Es ist eine sehr
schwierige Situation", sagt Majda gegenüber
Mondoweiss. "Es ist jetzt schon schwierig, und
es wird bald viel schlimmer werden. Ich denke,
ich werde versuchen Solarpaneele zu kaufen, denn
wir können nicht ohne Strom leben. Wir brauchen
Strom für unser tägliches Leben. Mein Tochter
geht ins College und muss am Computer arbeiten
und Referate schreiben können. So wie es ist,
haben wir kaum genug Zeit, um unsere Handys
aufzuladen." Sie sagte, wenn die Stromkürzungen
schlimmer werden, werde die Nachfrage nach einer
solchen Technologie steigen und die Preise nach
oben gehen, da die Paneele per Schiff und durch
die Blockadegrenzen kommen müssen.
Zusätzlich zu den kleineren Auswirkungen der
Stromkürzungen leidet Gaza jetzt schon unter dem
Mangel an Strom für seine Wasser- und
Abwassersysteme, die ohne Strom nicht
funktionieren, was dazu führt, dass die
ungeklärten Abwässer direkt ins Mittelmeer
verklappt werden. Letzten Monat warnte Nickolay
Mladenov, der UN-Sonderkoordinator für den
Nahostfriedensprozess, die Stromkürzungen würden
damit enden, dass sie "die Bevölkerung (Gazas)
in eine Spirale einer humanitären Krise stürzt".
"Das
Elektrizitätswerk, das 30% von Gazas Strom
liefert, hat wegen einem Streit zwischen der PA
und Hamas über die Besteuerung am 16. April
seine Arbeit eingestellt", sagte Mladenov in
einer Stellungnahme. "Die
Hochspannungsleitungen, die Strom von Ägypten in
den Gazastreifen liefern, brechen aus
technischen Gründen oft zusammen. Damit bleiben
die israelischen Stromleitungen, die etwa 60%
des Stroms für Gaza liefern, die einzige sichere
Energiequelle. Inzwischen hat die
palästinensische Regierung entschieden, den Kauf
von Strom aus Israel für Gaza zu deckeln."
Die
israelische Menschenrechtsorganisation B'Tselem
kritisierte die Stromkürzungen und appellierte
an Israel sich nicht vor seiner Verantwortung
für den Gazastreifen zu "drücken". "Trotz der
unzumutbaren Realität in Gaza hat das
israelische Kabinett entschieden den grausamen
Plan der Palästinensischen Autonomiebehörde zu
akzeptieren, mit dem die Stromlieferung für Gaza
weiter gekürzt werden soll. Sollte die
israelische Entscheidung umgesetzt werden, wird
sich die Situation in Gaza noch weiter
verschlimmern und das Gebiet praktisch
unbewohnbar machen", sagte die Organisation.
"Das ist keine Naturkatastrophe. Wenn das der
Fall wäre, hätte Israel wahrscheinlich
humanitäre Hilfe gesandt. Aber die Realität in
Gaza ist das Ergebnis dessen, was Israel selbst
gemacht und mit seiner ein Jahrzehnt dauernden
Durchsetzung einer brutalen Politik erreicht
hat. Israel kann und muss diese Realität
ändern." Dass Menschenrechtsgruppen eine
Katastrophe vorhersagen, ängstigt die Menschen
in Gaza, aber Majda sagte, sie hätten auch
Hoffnung.
"Es
wird eine beängstigende Situation, aber die
Menschen hier haben, wenn sie darüber sprechen,
auch Hoffnung", sagte sie. "Wir sagen, so Gott
will wird es besser werden – mehr können wir
nicht tun."
Quelle Übersetzung: K.
Nebauer |