Ekkehart
Drost: - Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kommilitonen, mit großer Verwunderung
habe
ich Ihre
Stellungnahme
gegen eine Informationsveranstaltung
der ESG Oldenburg zum Thema BDS
gelesen (s. PDF).
Dass Sie als akademische Lehrer die
nach Art. 5 des GG garantierte Meinungsfreiheit
derartig malträtieren, erfüllt mich
als Alumni der Georg-August-Universität
Göttingen mit Entsetzen - ein Verhalten,
das an meiner Universität nicht denkbar
ist.
Vielmehr veranstaltet das Seminar für
Arabistik und Islamwissenschaft (Prof.
Irene Schneider) zusammen mit dem Institut
für Internationales Strafrecht (Prof.
Kai Ambos) im WS 2016/17 folgende Veranstaltungsreihe:
„Naher Osten- Ferner Frieden? Rechtliche,
historische und politische Aspekte“
mit internationalen Wissenschaftlern
von Rang wie Prof. Udo Steinbach, Prof.
Moshe Zimmermann, Prof. Rolf Verleger,
Prof Helga Baumgarten, Dr. Alaa Tartir.
Begleitet wird die Reihe mit der NAKBA-Ausstellung
sowie der Ausstellung "Kunst und Kultur
in Palästina".
Ich selbst war 40 Jahre lang Lehrer
an einem Gymnasium in Einbeck für die
Fächer Politik/Wirtschaft und Sport,
habe mit meinen Schülern intensiv das
Thema Israel/Palästina bearbeitet, Projekttage
zum Thema durchgeführt und auch den
damaligen israelischen Botschafter nach
Einbeck eingeladen. Immer ging es -
wenn auch unter Schmerzen und oft mit
erheblichem Widerstand durch jüdisch-israelische
Verbände - um eine Darstellung auch
der anderen, der palästinensischen Seite,
die nach Alfred Grosser, dem großen
jüdisch-französischen Humanisten, "die
letzten Opfer des Holocaust" sind. Einen
Maulkorb habe ich weder mir noch meinen
Schülern bei ihren Referaten umgehängt.
Seit dem Jahr 2010 bin ich sechsmal
in Israel/Palästina gewesen, davon zweimal
für jeweils drei Monate als Menschenrechtsbeobachter
auf Einladung des Weltkirchenrates.
Über meine Tätigkeit habe ich eine Vielzahl
von Vorträgen gehalten und zwei Bücher
geschrieben. Bereits nach wenigen Wochen
in Palästina war ich erschrocken über
das Unrechtsregime, das in Palästina
vom israelischen Militär in Zusammenarbeit
mit den Siedlerorganisationen herrscht.
Mehrfach war ich Zeuge von Militärgerichtsprozessen
gegen Kinder und Jugendliche und kann
die Ergebnisse des UNICEF-Reports aus
dem März 2013 und von 2015 über "Palästinensische
Kinder und Jugendliche in israelischer
Militärhaft" nur bestätigen:
http://www.unicef.org/oPt/Children_in_Israeli_Military_Detention_-_Observations_and_Recommendations_-_Bulletin_No._2_-_February_2015.pdf
Meine Beobachtungen dort im Militärgericht
Salem haben mich zutiefst erschüttert:
14jährige Knaben, wegen des Verdachts
auf Steinewerfen, seit einem halben
Jahr in Untersuchungshaft, werden an
Händen und Füßen gefesselt und von zwei
bewaffneten Soldaten bewacht, in einen
Verhandlungsraum geführt.
Sehr geehrte Damen und Herren, wenn
Sie derartige Bilder im Kopf haben,
können Sie nur fassungslos Ihr Schreiben
zur Kenntnis nehmen und angesichts dieser
Ignoranz menschlichem Leiden gegenüber
verzweifeln. Sie können aber davon ausgehen,
dass dies für die vielen Mitstreiter
vor allem in Israel/Palästina keine
Lösung ist. "To exist is to resist"
- ein Slogan, der die palästinensische
Standfestigkeit ("Sumud") charakterisiert
und der ich bei meinen vielen Reisen
nach Palästina immer wieder mit großer
Achtung begegnet bin.
Aus Ihrem Drohbrief an die ESG muss
ich entnehmen, dass Sie sich entweder
vor den Karren der sog. Antideutschen
in Ihrer Fachschaft haben spannen lassen
oder aber selbst bar jeder Kenntnis
der Situation in Israel sowie in den
von Israel völkerrechtswidrig besetzten
Gebieten sind. Israel, das nach offizieller
deutscher Lesart mit der Bundesrepublik
eine "Wertegemeinschaft" bildet, ist
weltweit die einzige Demokratie, die
ein anderes Volk einer brutalen Besatzung
unterwirft - seit fast 50 Jahren! -
und der Bevölkerung nahezu alle Menschenrechte
wie Bewegungsfreiheit, Recht auf Eigentum,
Recht auf körperliche und psychische
Unversehrtheit vorenthält, und zwar
nicht durch einzelne verwirrte Soldaten
oder Siedler, sondern systematisch durch
die Regierung - allein mit dem Ziel
der ethnischen Säuberung, wie es Ilan
Pappe, jüdisch-israelischer Historiker
in seinem wichtigen Buch beschreibt.
Zu Ihrer Information habe ich einige
(wenige) Stimmen über BDS und die aktuelle
Situation in Israel/Palästina zusammengestellt.
Ich hoffe, dass Sie so redlich sind,
wie man das von Wissenschaftlern erwartet,
und sich wenigstens mit diesen Texten
auseinandersetzen. Sie werden diese
kaum als "antisemitisch" diffamieren
können, handelt es sich doch um Autoren,
deren internationaler Rang unbestritten
ist.
>>>
Avraham Burg, ehem. Sprecher der Knesset
und Autor des wichtigen Buches „Hitler
besiegen. Warum Israel sich endlich
vom Holocaust lösen muss“ (Ffm.
2009) in Haaretz vom 3.Februar 2014
über Boykott, Desinvestment und Sanktionen
(BDS) gegen Israel - „What´s wrong with
BDS, after all?“ - doc - >>>
Boycott is the only way to stop the
Israeli occupation - doc -
Gideon
Levy
>>>
Noch nie haben so viele Leute solch
einem gemeinen Mörder zugejubelt
- doc - Gideon Levy 31.3.16 >>>
„Wir sind abgestumpft“ -
Die Soziologin Eva Illouz über eine
in ihrer Angst gefangene Gesellschaft,
die auf Stärke setzt, sich zunehmend
auf jüdische Werte beruft – und das
Leiden der Palästinenser nicht mehr
wahrnimmt >>>
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